Freitag, 29. April 2011

OVG Rheinland-Pfalz: Private Sportwetten durften im Jahr 2008 nicht verboten werden

Pressemitteilung Nr. 31/2011 des OVG Rheinland-Pfalz

Im Jahr 2008 durfte die private Vermittlung von Sportwetten nicht verboten werden, weil zu diesem Zeitpunkt die verfassungs- und europarechtlichen Voraussetzungen für das staatliche Sportwettmonopol nicht vorlagen. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Die damals zuständige Kreisverwaltung untersagte der Klägerin im November 2006 den Betrieb ihre Annahmestelle für einen in Malta ansässigen Sportwettenanbieter. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhoben Klage abgewiesen, weil das staatliche Sportwettmonopol der privaten Vermittlung von Glücksspielen entgegen gestanden habe. Nachdem die Klägerin ihren Betrieb zum 30. Juni 2008 aufgegeben hatte, begehrte sie im Berufungsverfahren, die Rechtswidrigkeit der ihr gegenüber erlassenen Untersagungsverfügung im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe Ende Juni 2008 festzustellen. Dieser Antrag hatte Erfolg.

Das Verbot der privaten Vermittlung von Sportwetten sei im Zeitpunkt der Aufgabe des Betriebes der Klägerin Ende Juni 2008 rechtswidrig gewesen, weil jedenfalls damals die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine Beibehaltung des Sportwettmonopols nicht hinreichend beachtet worden seien. Wie das Oberverwaltungsgericht bereits im Eilbeschluss vom 18. August 2008 (vgl. Pressemitteilung Nr. 38/2008) entschieden habe, sei insbesondere der Veranstalter der Sportwette ODDSET (Lotto Rheinland-Pfalz GmbH) durch das damaligen rheinland-pfälzische Landesglücksspielgesetz nicht entsprechend dem Glücksspielstaatsvertrag verpflichtet worden, die Zahl der Annahmestellen zur Bekämpfung der Spielsucht im erforderlichen Umfang zu begrenzen. Des Weiteren sei nicht gewährleistet gewesen, dass sich die Werbung für die Sportwette ODDSET in Rheinland-Pfalz im Rahmen des noch Zulässigen gehalten habe. Hieran sei bezogen auf den Zeitpunkt der Aufgabe des Betriebes der Klägerin festzuhalten, zumal der Landesgesetzgeber die damals bestehenden rechtlichen Bedenken des Oberverwaltungsgerichts durch eine Änderung des Landesglücksspielgesetzes am 22. Dezember 2008 bereits nachvollzogen habe. Ob die jetzt gültige Fassung des Gesetzes den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs an die Zulässigkeit des staatlichen Wettmonopols entspreche, habe allerdings im nunmehr abgeschlossenen Verfahren nicht geprüft werden müssen.

Urteil vom 13. April 2011, Aktenzeichen: 6 A 11131/10.OVG

Anmerkung: Der Kläger wurde von der Rechtsanwaltskanzlei ARENDTS ANWÄLTE www.wettrecht.de vertreten.

Glücksspiel im TV

SKL-Show: Das Vierte legt sich mit Medienhütern an

Trotz Warnung durch die LfM hat Das Vierte die SKL-Show "Tag des Glücks" am Ostermontag ausgestrahlt - und damit möglicherweise gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstoßen. Ähnlich sieht es bei center.tv Köln aus. weiterlesen


SKL-Show: Medienhüter drohen mit Bußgeld v. 15.04.2011

Automatenverband Saar weist Kritik der Saartoto-Spielbanken zurück

Mit Empörung nimmt der Automaten-Verband Saar e. V. die Ankündigung der Spielbanken GmbH (Saar Toto) zur Kenntnis, dass mit der Begründung eines "Anstiegs privater Spielhallen" nunmehr 60 der 360 Arbeitsplätze in den staatlichen Spielcasinos abgebaut werden sollen. Diese Begründung wird zurückgewiesen.

Christian Antz, Vorsitzender des Automaten-Verbandes Saar e. V.: "Gründe für die Personalüberkapazitäten bei den saarländischen Spielbanken dürften eher deren überzogene Expansionsbestrebungen sein. Wenn in einem der kleinsten Bundesländer zwei Spielbanken und acht Automatencasinos betrieben würden, die mit dicht aufgestellten Glücksspielautomaten überfüllt sind, sei dies einfach für einen überschaubaren Markt zu viel. Auch wenn man mit diesem Angebot Besucher aus den Nachbarländern anlocken wolle, dürfe man die gesamtwirtschaftliche Situation nicht aus dem Auge verlieren."

Jeder gewerbliche Automatenunternehmer analysiert den Markt, kalkuliert und weiß, dass er sich permanent mit seinem Angebot den Kundenwünschen anpassen muss. Die staatlichen Spielbanken und ihre Automatencasinos haben ganz offensichtlich den Markt und die teilweise schwierige wirtschaftliche Entwicklung sowie insbesondere die Zunahme unzulässiger Wettbüros und illegaler Glücksspiel-Internetangebote, unter denen auch das gewerbliche Spiel in den letzten Jahren massiv gelitten hat, aus den Augen verloren. Ein "immer weiter nach oben" bei den Umsätzen sei eben nicht die Regel. Auch das gewerbliche Spiel spüre diese illegalen Glücksspiel-Angebote sowie das "Zocken in Hinterzimmern".

"Die Probleme in den saarländischen Spielbanken und deren Automatencasinos sind hausgemacht, notwendig sind eine positive Kundenorientierung, eine vernünftige Anpassung der Automaten und der Mitarbeiterzahlen an realistische Besucherströme. Auch für staatliche Anbieter gilt, dass man sich auf den veränderten Freizeit- und Glücksspielmarkt einstellen muss.

Vor den Rahmenbedingen, die auch für gewerbliche Unternehmer seit Jahrzehnten gelten, kann sich auch der Staat, der gleichsam in einem regulierten Markt wie ein Unternehmer agieren will, nicht verschließen."

Nachrücklich weist Antz die Behauptung zurück, "private Spielstätten führen maximal 30 Prozent Steuern vom Gewinn ab". "Ganz offensichtlich ist der saarländische Toto-Chef Schreier mit den unternehmensspezifischen Fakten nicht vertraut. Zusammen mit den unternehmensbezogenen Ertragssteuern, der Umsatzsteuer und der kommunalen Vergnügungssteuer als eine nur die Aufstellunternehmer von Geldspielgeräten belastende Steuer, entrichten die Spielstättenbetreiber gut 60 % der Einnahmen an den Staat. Hinzu kommen die Sozialabgaben für das Personal. Demgegenüber sind die Spielbanken privilegiert", so Antz abschließend.

Quelle: AWI Automaten-Wirtschaftsverbände-Info GmbH / AVS – Automaten-Verband Saar e. V.

Mittwoch, 27. April 2011

Lotto informiert

Landgericht Oldenburg untersagt Lotto Niedersachsen, überschuldete Personen oder Hartz IV-Empfänger an Sportwetten teilnehmen zu lassen

Das Landgericht Oldenburg (2. Kammer für Handelssachen) hat am 19.04.2011 ohne mündliche Verhandlung Lotto Niedersachsen untersagt, spielgesperrten Personen, die Teilnahme an Sportwetten zu ermöglichen, auch wenn diese LottoCards einer dritten Person vorlegen.

Darüber hinaus hat das Landgericht Oldenburg Lotto Niedersachsen untersagt, Personen, die überschuldet oder Hartz IV-Empfänger sind, die Teilnahme an Sportwetten zu ermöglichen.

Antragsteller dieses Beschlusses ist die Firma Tipico Co. Ltd. aus Malta, die nach Auffassung von Lotto Niedersachsen Sportwetten sowohl über Wettbüros als auch über das Internet illegal vertreibt. In mehreren Annahmestellen im Raum Oldenburg hat eine spielgesperrte Person mit Hilfe der LottoCard einer dritten Person an Sportwetten teilgenommen. Desgleichen war es Personen der Fa. Tipico gelungen, durch eine laute Unterhaltung in der Annahmestelle das Annahmestellenpersonal mithören zu lassen, dass man angeblich überschuldet bzw. Hartz IV-Empfänger sei und sich eigentlich ein Spiel gar nicht leisten könne.

"Der Beschluss des Landgerichts Oldenburg stellt uns vor eine unlösbare Situation", erklärte der Sprecher der Geschäftsführung von Lotto Niedersachsen, Dr. Rolf Stypmann.

"Wir sehen keine gesetzliche Grundlage dafür, dass Hartz IV-Empfänger nicht am öffentlichen Glücksspiel teilnehmen können. Hier wird eine millionenfache Personengruppe diskriminiert und in die Arme illegaler Sportwettenanbieter getrieben. Wir werden deshalb sämtliche uns zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts Oldenburg ausschöpfen!"

Quelle: Toto-Lotto Niedersachsen GmbH


Lotto Niedersachsen gegen Sportwettenverbot für Hartz-IV-Empfänger
Man sieht keine gesetzliche Grundlage dafür. So
der Sprecher der Geschäftsführung von Lotto Niedersachsen, Rolf Stypmann Quelle


Aus diesen Äußerungen kann man leicht ersehen, wie ernst es den Ländern und den damit verbundenen "Monopolbetrieben" mit der "Suchtbekämpfung" wirklich ist. (vgl.
1 BvR 1054/01 v. 28.03.2006 Rn. 143) vs.




Der neue Glücksspiel-Staatsvertrag-Netzsperren durch die Hintertür?

von: Dr. Ansgar Koreng
Gerade noch glaubte man, das Thema "Netzsperren" sei vom Tisch. Nun aber ist der Entwurf des neuen Glücksspiel-Staatsvertrages publik geworden. Er sieht noch weiter reichende Sperrmöglichkeiten vor, als sie gegen Kinderpornographie geplant waren. Ansgar Koreng über rein fiskalische Interessen und eine mögliche Totalüberwachung des Datenverkehrs.

Verfassungsrechtlich fragwürdig

Ob ein solcher Eingriff, abseits aller sonstigen Bedenken, noch verhältnismäßig sein kann, ist mehr als fraglich. Immerhin ging es beim ZugErschwG noch um den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Missbrauchsopfer.

Beim Glücksspielmonopol hingegen geht es, was sogar dem EuGH schon offensichtlich erschien, im Wesentlichen um rein fiskalische Interessen. Diese dürften sich bei der erforderlichen Abwägung kaum als legitimes Ziel für derart weit reichende Grundrechtseingriffe darstellen.

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Sonntag, 17. April 2011

Glückspielmonopol (GlüStV) unzulässig !

Das VG Berlin bestätigte die Verfassungswidrigkeit des "sog. staatlichen Sportwettenmonopols.

Das BVerfG, stellte in dem Verfahren (1 BvR 1054/01 v. 28.03.2006), fest, dass ein staatliches Monopol nur dann verhältnismäßig ist, wenn es rechtlich so ausgestaltet ist, dass es konkret der Suchtprävention dient, indem es an den legitimen Zielen, insbesondere Suchtbekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft, rechtlich und faktisch ausgerichtet ist (Rn. 143) und nicht einmal als Nebenziel fiskalische Zwecke verfolgt werden dürfen.

Das Bundesverfassungsgericht räumte den Ländern ein, ein Staatsmonopol "konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten, da ein Fiskalmonopol verfassungswidrig wäre!
http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060328_1bvr105401.html?Suchbegriff=1+BvR+1054%2F01
Pressemitteilung Nr. 25/2006 vom 28. März 2006
http://www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg06-025.html

Mit dem Beschluss v. 21.01.2008 fordert das Bundesverfassungsgericht die Bekämpfung von Suchtgefahren
Az.: 1 BvR 2320/00 http://www.gluecksspiel-und-recht.de/urteile/Bundesverfassungsgericht--20080121.html
Ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist.

Das Bundesverfassungsgericht forderte mit dem Beschluss, Az.: 1 BvR 2410/08 v. 20.03.2009 (vgl. u.a. Labrokes; Hartlauer), die Einhaltung der vollen Kohärenz.
Eine verfassungsrechtliche Überprüfung der vollen Kohärenz wurde gerade noch nicht vorgenommen und ist einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. So ist durch die erkennenden Gerichte in jedem Fall die volle Kohärenz des Auftritts der Monopolbetriebe zu prüfen. (Rn.14, 29,46; zugleich BA S. 7,11, 13, 14). Hervorzuheben ist der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab. Das Bundesverfassungsgericht hebt für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht auf die bloße Beseitigung des Regelungsdefizits ab. Maßstab ist vielmehr die "vollständige Konsistenz der rechtlichen und tatsächlichen Monopolausgestaltung" (Rn. 24- BA S. 10). Nach dem Bundesverfassungsgericht darf die Ausgestaltung des staatlichen Monopols also auch in tatsächlicher Hinsicht keine grundlegenden Defizite mehr aufweisen (Rn. 24 und 44 – BA S. 13 unten unter bb). http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20090320_1bvr241008.html

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner (einstimmigen) Entscheidung über Verfassungsbeschwerden gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen (Beschluss vom 15. April 2009, 2 BvR 1496/05, Rn. 33 f. – juris, BVerfGK 15, 330) - (vgl. S. 5) ausdrücklich einen staatlichen Strafanspruch verneint, wenn der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols verfassungswidrig ist. 
Ein Anfangsverdacht gemäß § 284 StGB für eine Durchsuchung der Geschäftsräume war im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht gegeben.

Nach den Feststellungen des EuGH und des BGH/Bundesverwaltungsgerichts wurden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht eingehalten – dadurch ist der das Monopol begründende GlüStV und somit auch die bayerischen Regelungen aus diesem Grunde verfassungswidrig. Die inkohärente Gesetzeslage führt zur Rechtswidrigkeit von Anfang an.

Die verfassungs- und unionsrechtlichen Maßstäbe zur Rechtfertigung des staatlichen Wettmonopols der 16 Bundesländer entsprechen einander. (zur "Parallelität" vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01, juris, Rn. 144, BVerfG, 6.7.2010 – 2 BVR 2661/06, Rn. 83 f. Zur Bindungswirkung für Behörden insbesondere: EuGH, 9. 9. 2003 – C-198/01, Slg. 2003, I-8055, Rn. 51; vgl. Fischer, Kommentar zum StGB 58. Auflage 2011, § 284 Rn. 16a)

Bereits seit den Gambelli und Harlauer-Urteilen des EuGH, bestätigt durch die Urteile vom 8.9.2010, unterliegt die Bewertung der Kohärenz und Konsistenz nunmehr der Definitionsmacht des EuGH und nicht mehr den unterschiedlichen Vorstellungen der bundesdeutschen Gerichte. Folglich sind bei der Auslegung die vom Gerichtshof entwickelten Maßstäbe der "vollständigen Kohärenz" zugrunde zu legen. (vgl. BVerfG v. 20.03.2009, 1 BvR 2410/08)

Mit ihren Urteilen verlangen der EuGH (08.09.2010), BGH (18.11.2010) und das BVerwG (24.11.2010) die "Gesamtkohärenz", eine systematische und kohärente Glücksspielpolitik, (Gambelli) - also eines "Vollmaßes" an Konsistenz nicht erst ab 1.1.2009, sondern schon für die alte Rechtslage.

In die Kohärenzprüfung des EuGH wurden alle Arten von Glücksspielen mit einbezogen u.a. Pferdewetten, Geldspielautomaten in staatlichen und privatisierten Casinos, in Spielhallen und Gaststätten, selbst Telefongewinnspiele (Call-In gem. RStV 8a)

Die Europäische Kommission hält das Bundesdeutsche Monopol seit 4.4.2006 für gemeinschaftswidrig. In mehreren Schreiben: " IP/06/436 v. 4. April 2006, IP/08/119 31. Januar 2008 wurde auf die Gemeinschaftswidrigkeit des GlüStV hingewiesen. Übersicht der Kommission: http://ec.europa.eu/internal_market/services/gambling_de.htm

Europäische Kommission stellte fest:
Die Lottogesellschaften seien öffentliche Unternehmen im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EG-Vertrag, die den Charakter eines Finanzmonopols hätten (Art. 86 Abs. 2 EG). Vor diesem Hintergrund dürfe Deutschland keine Vorschriften aufrechterhalten oder erlassen, die den Bestimmungen des EG-Vertrags und insbesondere den Wettbewerbsregeln zuwiderliefen. Auch werde die regionale Aufteilung des Marktes fortgeschrieben, die das deutsche Bundeskartellamt in seiner Entscheidung vom 23. August 2006 verurteilt habe. Quelle

Der EuGH stellte am 8.9.2010 fest,
dass die deutsche Regelung im Zusammenhang mit der Organisation von Sportwetten und Lotterien die Glücksspiele nicht in kohärenter und systematischer Weise begrenzt, wodurch die Begründung für das Monopol (Spielsuchtbekämpfung) als unzulässig angesehen wurde. Die Luxemburger Richter, stellten fest, dass ein Mitgliedstaat zum Schutz vor Spielsucht das Glücksspiel monopolisieren dürfe. Voraussetzung sei aber, dass dieses Monopol auch wirklich dazu genutzt werde das Glücksspiel einzuschränken und in geordnete Bahnen zu lenken. In Deutschland hingegen werde es durch den Staat eher gefördert als eingedämmt. Fiskalische Interessen rechtfertigen das Monopol nicht. In Anbetracht der Zunahme (Mega-Jackpot) staatlich konzessionierter Glücksspiele, auch im Internet (eBrief) und im Ausland (Luxemburg) könne jedoch von Zügelung und Kontrolle keine Rede mehr sein. Damit verstößt der GlüStV gegen die EG-rechtlichen Anforderungen an Glücksspiel-Monopole und wurde rechtswidrig errichtet und betrieben. (Urteile des EuGH - Schindler vom 24.03.1994, C-275/92; Läärä vom 21.9.1999, C-124/97; Zenatti vom 21.10.1999, C-67/98; Anomar vom 11.9.2003, C-6/01; Gambelli vom 6.11.2003, C-243/01; Lindman vom 13.11.2003, C-42/02; Placanica, Palazzese und Sorricchio vom 6.3.2007, verbundene Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und C-360/04. Siehe auch Urteile: EFTA-Entscheidungen vom 14.03.2007, Rs. E-1/06 und 30.05.2007, Rs. E-3/06 in Sachen Esa / Nordwegen und Ladbrokes, Comm. vs. Italien vom 26.4.1994, C-272/91; Familiapress vom 26.6.1997, C-368/95; Hartlauer, C-169/07, Slg. 2009, I-0000, Rn.55 vom 10. März 2009).

Die Vergabe der Konzessionen erfolgte wie Österreich in unionsrechtswidriger Weise, nicht transparent, nicht diskriminierungsfrei und nicht wettbewerbsoffen. Mit unionsrechtswidrigen Konzessionen kann das Monopol nicht begründet werden. (vergl. C-64/08 - Engelmann; C-46/08 - Carmen Media Rn 87; C-203/08 - Sporting Exchange Rn. 50).

Da der EuGH seine Rechtsprechung nicht auf das Sportwettenmonopol beschränkte, sondern Lotterien also auch Lotto mit einbezog, ist der GlüStV insgesamt rechtswidrig ! Ein direkter Auslandsbezug ist deshalb nicht notwendig. http://curia.europa.eu/jcms/jcms/P_67708/

Weil sich die Monopolbetriebe nicht an die rechtlichen Vorgaben hielten, die staatliche Kontrolle mangelhaft war und fiskalische Gründe im Vordergrund stehen, hatte die Suchtbekämpfung lediglich Alibicharakter (Fischer 58, Rn 2c ). In Wahrheit handelt es sich beim Glücksspielmonopol um ein gemeinschaftsrechts- und verfassungswidriges Finanzmonopol (s.u. EuGH 08.09.2010) zu dem der Staat nicht berechtigt war. (vgl. Art. 105 Abs. 1, Art. 106 Abs. 1, Art. 108 Abs. 1 GG; BVerfGE 14, 105, 111ff) s.u.a. Prof. Scholz unter: http://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-den-markt-sofort-oeffnen_aid_550727.html
vgl. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-73791867.html

EuGH-Vorlagebeschluss des VG Schleswig-Holstein, Az.: 12 A 102/06 (Vertragsverletzungsverfahren - freier Dienstleistungsverkehr): http://www.aufrecht.de/urteile/sonstigesr/eugh-vorlage-zur-frage-der-vereinbarkeit-von-sportwettenrecht-und-eu-recht-vg-schleswig-holstein-beschluss-vom-30012008-az-12-a-10206.html s.a. http://winyourhome.blogspot.com/2010_01_01_archive.html

Wirkungen der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 8.9.2010 im Hinblick auf den deutschen Glücksspielstaatsvertrag von Univ.-Prof. Dr. iur. Christian Koenig. http://winyourhome.blogspot.com/2010/09/wirkungen-der-urteile-des-europaischen.html

Dazu Professor Dr. Gregor Thüsing, Bonn: Was europarechtswidrig ist, ist auch verfassungswidrig. aus: NJW Editorial 26/2010: Europarecht ernst genommen. http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?sessionid=19EBFCD259F7486292F761BC16871546&toc=NJW.040310

Das Bundesverwaltungsgericht, das höchste Verwaltungsgericht Deutschlands, hat am 24.11.2010 entschieden, dass das Staatliche Sportwettenmonopol nur bei konsistenter Bekämpfung von Suchtgefahren zulässig sei und alle Arten von Glückspiel an gleichen Maßstäben gemessen werden müssen, da andernfalls europarechtliche Anforderungen nicht erfüllt werden. Bei Prüfung der Gesamtkohärenz ist das staatliche Verhalten im Bereich von Lotterien und anderen Glücksspielen mit einbeziehen (Rn. 79ff). Gleichzeitig wurde das Verhalten der Monopolbetriebe als unzulässig erachtet und ein faktisches Werbeverbot für den Deutschen Lotto- und Totoblock verfügt. Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2010: http://www.bverwg.de/enid/78882a38c4bff37d7f80e5105dd5a04e,69f8f17365617263685f646973706c6179436f6e7461696e6572092d093133343638093a095f7472636964092d09353737/Pressemitteilungen/Pressemitteilung_9d.html
Deutscher Lottoverband vom 10.02.11:
http://www.presseportal.de/pm/63869/1763485/deutscher_lottoverband_dlv

Mit der Feststellung, das der GlüStV "nur dann Gültigkeit entwickelt, wenn....." des BVerwG vom 24.11.2010 (8 C 14.09 und 8 C 15.09) fehlt es dem GlüStV bereits an der Bestimmtheit die zu seiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Grundrechtseinschränkungen unabdingbar ist. http://wettrecht.blogspot.com/2010/12/verwaltungsgericht-stuttgart.html

Das VG Berlin bestätigte erneut am 16.11.2009 ( Az. VG 35 L 460.09) die Verfassungswidrigkeit des "sog. staatlichen Sportwettenmonopols." http://wettrecht.blogspot.com/2009/11/verwaltungsgericht-berlin-bestatigt.html
Nach Meinung des VG Berlin, wurde mit den Entscheidungen des EuGH vom 8.9.10 neben der Gemeinschaftswidrigkeit auch die Verfassungswidrigkeit festgestellt, wodurch sämtliche, das Monopol betreffende, nationale Verbotsnormen ab sofort nicht mehr angewandt werden dürfen, auch nicht vorübergehend.
http://winyourhome.blogspot.com/2010/09/verwaltungsgericht-berlin-sieht-sich.html
http://winyourhome.blogspot.com/2010/11/vg-berlin-verschafft-eu.html
(vgl. EuGH v. 8.9.2010, Rs. C-409/06, Rn 69; Fischer, 58 § 284 Rn 2, 16a )
http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num=79899091C19060409&doc=T&ouvert=T&seance=ARRET

VG Berlin bestätigt Europarechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit des Sportwettenmonopols
VG Berlin hält Verwaltungsgebühr für Untersagungsbescheide gegen Sportwettenvermittler für rechtswidrig

Das Landgericht Bamberg geht auf S. 4 von den höchstrichterlichen Grundsätzen aus, dass der Gesetzgeber nicht ein Verhalten unter Androhung von Strafe verbieten könne, um sich gleichzeitig ebenso zu verhalten, ohne sich zugleich mit dem durch das Verbot aufgestellten Zielen in Widerspruch zu setzen.
Als Ziel des Glücksspielstaatsvertrages zitiert u.a. das Landgericht Bamberg in seinem Beschluss vom v. 28.12.2010 (Az. 1 Qs 33/2011) den § 1 GlüStV. Demnach sei das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht entschieden, dass die Regelung zum Erlaubnisvorbehalt des § 4 GlüStV entsprechend der Auffassung des Amtsgerichts "und der vordringenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (nunmehr auch in Fischer, Kommentar zum StGB 58. Auflage 2011, § 284 Rn. 2, 16a) gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht (Art. 49, 56 EUV), das den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel läuft", verstößt (S. 4: vgl. BGH v. 18.11.2010)." Damit zeigt das LG Bamberg wie auch das VG Berlin detailliert das inkohärente Verhalten der staatlichen Sphäre auf. Die Suchtbekämpfung steht weit hinter den Einnahmeinteressen zurück und hatte ganz überwiegend Alibicharakter. (vgl. Fischer Rn. 2c)
http://winyourhome.blogspot.com/2011/04/landgericht-bamberg-weist-sofortige.html

Der Anwendungsvorrang des EU-Rechts gilt ausnahmslos. Eine bewusste Abweichung von den Entscheidungen des EuGH führt zur Willkür. Zu einer eigenen Entscheidung über die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht sind nationale Gerichte - gleich welcher Instanz - nicht befugt. EuGH 22.10.1987, Rs 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199. http://winyourhome.blogspot.com/2010/09/wirkungen-der-urteile-des-europaischen.html

Mit fünf Urteilen hat der Bundesgerichtshof am 18.11.2010 Lotterie, (Sport-)Wett- und Casinospielanbietern Recht gegeben und Unterlassungsklagen, die auf unterschiedliche Tätigkeiten gerichtet waren, wie etwa Veranstaltung, Bewerbung oder Vermittlung von Sportwetten, Kasinospielen oder Lotterien durch Sachurteil abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass es maßgeblich auf die tatsächliche Ausgestaltung des Monopols ankommt. Dabei sind sämtliche Glücksspiele und die tatsächliche Handhabung, insbesondere Werbemaßnahmen, Vertriebssysteme, Anzahl der Lottoannahmestellen und Marketing-Maßnahmen in den Blick zu nehmen und zu untersuchen. Erstmals wendete der BGH die gleichen Überlegungen auch auf Casinospiele und Lotterien an und weist auf die vom BVerfG im Sportwettenurteil angesprochene Parallelität der Grundrechte zum Unionsrecht in seiner Auslegung durch den EuGH in Gambelli zutreffend aus der Unionsrechtswidrigkeit der Rechtslage her.

Schon weil die behaupteten Staatsmonopole nicht systematisch und kohärent die Spielgelegenheiten begrenzen und insoweit die gleichen Beurteilungsgrundsätze auch auf Lotterien und Casinospiele Anwendung finden müssen, kommt eine unionsrechtliche Rechtfertigung der Monopolisierung nicht im Ansatz in Betracht. Hinsichtlich der Lotterien stellt der BGH dabei darauf ab, dass diese keine Besonderheiten aufweisen, die stärkere Beschränkungen des Angebots rechtfertigen könnten als bei Sportwetten.

Hinsichtlich der Casinospiele, bei denen es wegen der Zulassung privater Anbieter in vielen Ländern eigentlich kein Staatsmonopol gibt, stellt er auf das offenkundig bestehende Regelungsdefizit ab, weil eine der Einnahmeerzielung dienende expansive staatliche Glücksspielwerbung durch die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht verhindert wird und auch sonst eine konsequente und aktive Ausrichtung des Angebots am Ziel der Bekämpfung der Glücksspielsucht fehlt.

Der BGH stellte außerdem fest: "Westlotto hatte ohne gesetzliche Grundlage und ohne selbst eine Erlaubnis für Sportwetten oder gar für Casinospiele inne zu haben, einfach ein umfassendes Glücksspielmonopol behauptet".
http://winyourhome.blogspot.com/2011/01/bgh-keine-wettbewerbswidrigkeit-von.html http://www.swissinfo.ch/ger/news/newsticker/wirtschaft/Bwin_meldet_Sieg_in_deutschem_Rechtsstreit_mit_WestLotto.html?cid=28828970

Die Richter des VG Stuttgart (Az. 4 K 3645/10) stellen bereits in der Anlage 2 zum Verkündungsprotokoll vom 17. Dezember 2010 klar, dass die Untersagungsverfügungen als Dauerverwaltungsakte weder auf den Lotteriestaatsvertrag, noch auf den Glücksspielsstaatsvertrags gestützt werden können. Wörtlich heißt es weiter: "An einer solchen Kohärenz fehle es schon deshalb, weil der unter dem Aspekt der Suchtgefahren besonders bedeutsame Bereich der Automatenspiele nicht von dem Monopol erfasst werde und zudem durch Änderungen in der Spielverordnung mit der Folge eines erheblichen Anwachsens dieses Sektors ausgeweitet worden sei." http://winyourhome.blogspot.com/2010/12/das-verwaltungsgericht-stuttgart-hat-in.html

Der für Wettbewerbsrecht zuständige I. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) verhandelte am 17. März 2011. Eine Entscheidung des BGH erging noch nicht. Nachdem der Vorsitzende Richter zum Ende der Verhandlung noch Beratungsbedarf feststellte, wurde ein Verkündungstermin auf den 7. Juli 2011 festgelegt.
Da der BGH bereits in mehreren Urteilen das staatliche Monopol für Sportwetten und Glücksspiele für rechtswidrig erklärt hatte, konzentrierte sich die Verhandlung auf das Internetverbot, das in § 4 Abs. 4 des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrags festgelegt wurde.
Hinsichtlich der erforderlichen Kohärenz könnten sich Probleme aus der Zulassung privater Anbieter bei Pferdewetten und deren Internetangebot ergeben. Auch seien bestimmte Spiele nach dem Rundfunkstaatsvertrag (§ 8a RStV) zulässig. Hingewiesen wurde im Übrigen auf das von Lotto Hessen eingeführte E-Post-Briefverfahren. Besonderheiten seien bei den DDR-Lizenzen zu beachten (unter den beklagten Firmen befinden sich Sportwetten Gera GmbH und bwin e.K., die sich auf Genehmigungen nach DDR-Gewerberecht berufen).
http://winyourhome.blogspot.com/2011/03/verhandlung-vor-dem-bgh.html

Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages

Ausserdem verstößt der GlüStV gegen das Zitiergebot Art. 19,1,2, einem absoluten Rechtsbefehl der keiner Auslegung zugänglich ist. Nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 muss das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen. "Verstöße gegen das Zitiergebot sind zwar nur ein Formfehler, aber mit gravierenden Folgen. Durch diesen wird jedes Gesetz ungültig. Der Gesetzgeber kann diesen Schaden nur durch eine neue Rechtsnorm heilen.” Zitat von Prof. Rupert Scholz. http://winyourhome.blogspot.com/2010/08/ist-der-deutsche-glucksspielstaatsvertr.html

Den Ländern geht es beim staatlichen Wettmonopol nicht vorrangig um den Verbraucherschutz. Sie versuchen nicht nur eine traditionelle staatliche Einnahmequelle aufrechtzuerhalten, sondern vielmehr das Glücksspiel-Monopol weiter auszuweiten. http://www.az-online.de/nachrichten/deutschland/ausweitung-gluecksspiel-monopols-geplant-1035071.html

Bereits am 28. März 2006 entscheid der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1054/01) unter der Rn 155:

„Eine Neuregelung kommt dabei grundsätzlich sowohl durch den Bundes- wie den Landesgesetzgeber in Betracht. Insoweit kann auch der Bund, gestützt auf den Gesetzgebungstitel für das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG tätig werden. Eine Kompetenz des Bundes scheitert nicht an dem ordnungsrechtlichen Aspekt der Regelungsmaterie.“
Pressemitteilung Nr. 25/2006 vom 28. März 2006

EuGH - Leitentscheidung ("Gambelli", Urteil vom 06.11.2003, Az.: C-101/01)
Doppelter Grundsatz: Beschränkungen der Spieltätigkeiten können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein.
Aber Beschränkungen zum Schutz der sozialen Ordnung vor den Gefahren des Glücksspiels müssen auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, und dafür "kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen".
Weiter zum vollständigen Artikel ...     (PDF-download)

Mit obiger Zusammenstellung möchte ich auf die Entwicklung der bundesdeutschen Rechtslage seit den Entscheidungen des EuGH hinweisen.

Schöne Grüße
Volker Stiny

Mehr:
Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) rechtswidrig

EuGH bekräftigt: EU-Recht steht über nationalem Recht

Freitag, 15. April 2011

Spielsucht- und Vermögensgefährdung durch Bingo bei einem Startgeld von 5,-- € ?

Startgeld für Bingo-Spiele in Bochum ist gegen das Gesetz

Bochum. Viele Gaststätten in Bochum ziehen junge Gäste mit Bingo-Abenden an - darunter der "Hopfengarten".

Mit dem 5-Euro-Startgeld werden die Preise bezahlt.
Hierdurch entsteht jedoch ein Konflikt mit dem Gesetz.

Ist der Bingo-Boom damit bald beendet?

Ausgespielt? Gaststätten können zwar Bingo-Abende aufziehen.
Ein Startgeld darf aber nicht erhoben werden, verlangt das Ordnungsamt. weiterlesen

SKL-Show: Medienhüter drohen mit Bußgeld
Das Vierte überrascht mit der Ankündigung, die SKL-Show "Tag des Glücks" auszustrahlen.
Der Vorgänger "Die 5 Millionen SKL-Show" war wegen rechtlicher Probleme aus dem TV verbannt worden.
Bei der LfM droht man schon mit einem Bußgeld. weiterlesen

SKL-Show: Das Vierte legt sich mit Medienhütern an 29.4.2011

Hiermit möchte ich auf den Beschluß des LG Bamberg hinweisen:


"Als Ziel des Glücksspielstaatsvertrages zitiert das Landgericht § 1 GlüStV. Demnach sei das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht entschieden, dass die Regelung zum Erlaubnisvorbehalt des § 4 GlüStV entsprechend der Auffassung des Amtsgerichts "und der vordringenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (nunmehr auch in Fischer, Kommentar zum StGB 58. Auflage 2011, § 284 Rn. 2, 16a) gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht (Art. 49, 56 EUV), das den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel läuft", verstößt (S. 4)."

Mit dem Beschluß wird bestätigt, dass das nationale Recht nicht verfassungskonform sein kann, wenn es gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht verstößt.

Somit wurde durch den EuGH am 8.9.2010 indirekt eben auch die "Verfassungswidrigkeit" festgestellt.

Dazu Professor Dr. Gregor Thüsing, Bonn: Was europarechtswidrig ist, ist auch verfassungswidrig. aus: NJW Editorial 26/2010: Europarecht ernst genommen

Mit Beschluss vom 21. März 2011 stellte der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof fest:
Staatliches Sportwettenmonopol genügt derzeit nicht den unionsrechtlichen Anforderungen
Der Eilantrag wurde überraschenderweise ungeachtet dieser Feststellungen abgelehnt, weil der Bayerische VGH erstmalig die Auffassung vertritt, es bedürfe trotz einer gemeinschaftswidrigen Rechtslage möglicherweise noch einer Erlaubnis.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtete am 24.11.2010 (AZ: 8 C 15.09) die Regelung des Erlaubnisvorbehalts gerade dann nicht für rechtmäßig, wenn damit ein unzulässiger Eingriff in die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit erfolgt. weiterlesen

Der EuGH führte in seiner Pressemitteilung Nr.: 78/10 aus:
„Mit dem im Rahmen der Organisation von Sportwetten und Lotterien in Deutschland errichteten staatlichen Monopol wird das Ziel der Bekämpfung der mit Glücksspielen verbundenen Gefahren nicht in kohärenter und systematischer Weise verfolgt“

Da der EuGH seine Rechtsprechung nicht auf das Sportwettenmonopol beschränkte, sondern Lotterien also auch Lotto mit einbezog, geht es um den GlüStV insgesamt !

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Donnerstag, 14. April 2011

Freispruch für Pokerturnierveranstalter

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg spricht Pokerturnierveranstalter vom Vorwurf des § 284 StGB frei
Von Rechtsanwalt Axel Mittig

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat per einstimmigen Beschluss vom 24.03.2011 einen in strafrechtlicher Hinsicht erfreulichen Schlussstrich unter ein Strafverfahren gezogen, welches das Veranstalten von Sachpreisturnieren in der Hansestadt zum Gegenstand hatte:

Die Angeklagten veranstalteten im Jahre 2007 öffentliche Pokerturniere (Texas Hold'em). Diese waren wie die üblichen Sachpreisturniere strukturiert: Es wurden mehrere 1-Table-Sit-'n'-Gos mit jeweils zehn Teilnehmern gespielt. Jeder Tischsieger qualifizierte sich für eine Finalrunde, die als Multi-Table-Freeze-out-Turnier durchgeführt wurde und in der gesponserte Sachpreise ausgespielt wurden. Teilnehmer, die an ihrem Qualifikationstisch ausgeschieden waren, hatten die Möglichkeit, durch Zahlung weiterer € 15 an weiteren Qualifikationstischen teilzunehmen, um sich auf diese Weise doch noch für das Finale zu qualifizieren.

Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage, da aus ihrer Sicht jedenfalls durch die Möglichkeit des mehrfachen Absolvierens von Qualifikationstischen die Schwelle zum strafbaren Glücksspiel überschritten sei (die einmalige Teilnahme für € 15 hielt die Staatsanwaltschaft ausdrücklich für zulässig).

Das Amtsgericht Hamburg sprach die Angeklagten im Januar 2009 frei. Zuvor hatte das Amtsgericht sowohl den Erlass einer Durchsuchungsanordnung gegen die Beschuldigten als auch die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Jene Entscheidungen des AG wurden erst auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom Landgericht Hamburg aufgehoben.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin erfolgte die Verurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Hamburg wegen des gewerblichen Veranstaltens illegalen Glücksspiels zu erheblichen Geldstrafen.

Anders als das Amtsgericht vertrat das LG die Auffassung, es sei unerheblich, ob die ausgespielten Sachpreise wie im vorliegenden Fall von dritter Seite gesponsert oder von den Startgeldern der Teilnehmer finanziert worden seien. Es komme allein auf die Sichtweise der Teilnehmer an, ob ein "Einsatz" i.S.d. § 284 StGB vorliege. Die in dieser Frage anders lautenden Entscheidungen des OLG München, des OVG Münster und des VG Neustadt, welche sich auf entsprechende BGH-Rechtsprechung stützten, ließ das Landgericht dabei unberücksichtigt.

Zudem attestierte das Landgericht den Angeklagten den für eine Verurteilung erforderlichen Vorsatz. Dies, obgleich Gegenstand der Beweisaufnahme schriftliche Korrespondenz war, aus der sich ergab, dass die Angeklagten schon vor der Eröffnung des Betriebes den Kontakt zur zuständigen Behörde gesucht hatten und auch während des laufenden Geschäftsbetriebs mehrfach darum gebeten hatten, etwaige Bedenken gegen das Vorhaben zu benennen, damit entsprechend reagiert werden könne. Reaktionen der Verwaltungsbehörde erfolgten hierauf nicht, so dass die Angeklagten darauf vertrauten, es sei "alles in Ordnung". Genau in diesem Sinne hatte jedenfalls auch das Amtsgericht den Schriftverkehr mit der Verwaltungsbehörde ausgelegt und sein Urteil (u.a.) hierauf gestützt.

Die Revision der Angeklagten zum Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg war nunmehr erfolgreich (Beschluss vom 25.03.2011, Az. 3-57/10 (Rev)). Das OLG entschied dabei per Beschluss ohne mündliche Verhandlung, da es die Revision einstimmig für begründet erachtete, § 349 IV StPO.

Zuvor überraschte die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg mit ihrer Stellungnahme zur Revisionsbegründung, indem sie sich im Stil einer Kehrtwende der Auffassung der Angeklagten, der Verteidigung, des Amtsgerichts Hamburg und des OLG München anschloss.

Nach der neuen Auffassung der Staatsanwaltschaft Hamburg

könne vorliegend offen bleiben, ob Poker ein Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel sei,

liege ein Glücksspiel im strafrechtlichen Sinn nicht vor, wenn die Gewinne nicht aus den Teilnahmeentgelten der Spieler finanziert, sondern von dritter Seite zur Verfügung gestellt werden,

würden die "gewonnenen" Teilnahmeberechtigungen an den Tages- und Wochenfinals keinen vermögenswerten Vorteil darstellen, sondern ein Sieg in einer Qualifikationsrunde (= 15 €- Sit'n'Go) würde lediglich die Grundlage dafür bilden, an weiteren Spielrunden teilzunehmen. Die Sit 'n'Go-Runden seien also nur eine Vorstufe zur Chance, sich die ausgelobten Sachpreise zu verschaffen. Die wiederholte Teilnahmemöglichkeit ändere nichts daran, dass ein "Einsatz" im Sinne des § 284 StGB in einer solchen Konstellation nicht vorliege.
Das OLG schloss sich dieser Auffassung uneingeschränkt an und stellte fest, dass der Straftatbestand des § 284 StGB nicht erfüllt und das Urteil des Landgerichts insofern aufzuheben sei.

Das OLG sah lediglich einen Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften als erfüllt an und verhängte gegen die Angeklagten aus diesem Grund Bußgelder.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich mit dem Hanseatischen OLG Hamburg nunmehr ein weiteres OLG der o.g. Meinung angeschlossen hat. Für Sachpreisturnierveranstalter bedeutet dies, dass sich das strafrechtliche Risiko weiter erheblich entschärft hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Sachpreise tatsächlich gesponsert werden und wenn der Turniermodus mit dem hier beschriebenen übereinstimmt (Sit 'n' Go-Qualifikationsrunden mit Tages- und Wochen-/Monatsfinalrunden).
Kontakt:
Rechtsanwälte Mittig Thalmann Stoll
Rechtsanwalt Axel Mittig
Grindelallee 20

20146 Hamburg


Verabschiedet sich Poker aus dem Glücksspielrecht?
Ein Pokerturnier ist kein vebotenes Glücksspiel iSd StGB! urteilte das LG Karlsruhe am 09.01.2009. mehr

Schwedisches Gericht
erklärt Pokerturniere zum Geschicklichkeitsspiel

Der rechtliche Status von Poker ist in jedem Land unterschiedlich und ändert sich auch oft genug. Im Falle von Schweden gab es nun ein Gerichtsurteil, das von den Spielern sehr begrüßt wurde. Denn darin heißt es, dass Pokerturniere als Geschicklichkeitsspiel einzustufen sind.

Rechtsgutachten zur Strafbarkeit des Bewerbens einer Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz
23.05.2010 04:30

Teil I des Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Günter Heine, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung und Internationales Strafrecht, Mitdirektor des Instituts für Strafrecht und Kriminologie, Universität Bern, Mitherausg. ZfWG, kommentiert Kernvorschrift des Glueckspielrechts § 284 Strafgesetzbuch in Strafrechtskommentar Schoenke/Schroeder.

I. Sachverhalt
Die im Folgenden bezeichnete Marke "superpoker" und die dazugehörige bildliche Darstellung "Kreuz" ist für den hier zu untersuchenden Sachverhalt frei erfunden. Auch die Webseiten www.superpoker.com und www.superpoker.net werden hier lediglich als Synonym verwandt.

Der Sachverhalt ergibt sich aus folgenden Gegebenheiten:
  • der von Firma A betriebenen Echtgeld-Pokerseite www.superpoker.com (1.),

  • der von Firma B betriebenen Poker-Schulseite ohne Einsatz www.superpoker.net (2.)

  • sowie der Werbung für die von der Firma B betriebene Pokerschulseite ohne Einsatz durch ein Medienunternehmen in Deutschland (3.).

1. Echtgeld-Pokerseite www.superpoker.com

Die Webseite www.superpoker.com wird von der Firma A mit Sitz außerhalb von Deutschland betrieben. Auf dieser Webseite werden Echtgeld-Pokerspiele angeboten. Für diese Tätigkeit wurde der Firma A eine behördliche Erlaubnis eines europäischen Mitgliedstaats erteilt. Auf dieser Webseite kann man die deutsche Sprache auswählen. Der Server, über welchen die Echtgeldspiele abgewickelt werden, befindet sich außerhalb Deutschlands. Die Firma A besitzt die Markenrechte an "superpoker" und der dazugehörigen bildlichen Darstellung "Kreuz". Die Webseite www.superpoker.com wird in Deutschland nicht direkt beworben.

2. Kostenlose Pokerschulseite www.superpoker.net

Die Webseite www.superpoker.net wird durch die Firma B außerhalb von Deutschland betrieben. Bei dieser handelt es sich um eine Informationsseite zum Thema Pokern, auf der es Interessierten ermöglicht wird, Poker zu lernen und – ohne Einsatz von Geld – gegen andere User online Poker zu spielen. Diese Webseite wird in deutscher Sprache betrieben. Die Firma B hat sich von der Firma A die rechtmäßige Benutzung der Markenrechte "superpoker" und der dazugehörigen bildlichen Darstellung "Kreuz" einräumen lassen. Auf www.superpoker.net wird an keiner Stelle zur Teilnahme auf Seiten mit Echtgeldeinsatz aufgefordert, insbesondere wird nicht auf die Webseite www.superpoker.com verwiesen. Die Firma B ist eine eigenständige Gesellschaft, auf welche die Firma A keinerlei gesellschaftsrechtliche Einflussnahme ausübt.

Die Firma B verfügt über ein tragfähiges wirtschaftliches Konzept. Auf der Webseite sind auch Werbe-Links zu Firmen zu finden, die direkt überhaupt nichts mit Pokern zu tun haben, so z.B. eines Reisebüros und eines Musikdownloadportals. Die Firma B erzielt hierdurch Werbeeinnahmen. Die Firma B kann, auch aufgrund von Entwicklungen im europäischen Glücksspielrecht, wirtschaftlich betrachtet davon ausgehen, in einigen Jahren Gewinne zu erzielen, obwohl derzeit die Werbungskosten die Einnahmen noch überschreiten.

3. Werbung www.superpoker.net

Die Online-Pokerschule auf www.superpoker.net wird in Deutschland sowohl live im Fernsehen als auch über das Internet u.a. von deutschen Medienunternehmen beworben. Hierbei wird im Online-Bereich entweder eine sogenannte Microsite der Online-Pokerschule in einen Internetauftritt eingebunden oder ein Banner geschaltet.

II. Fragestellung

1. Ist das Bewerben einer Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz in Deutschland auf der Grundlage des beschriebenen Sachverhalts strafbar nach § 284 StGB bzw. können Aufsichtsbehörden unter Berufung auf § 284 StGB diese Bewerbung nach GlüStV untersagen?

Rechtsgutachtliche Stellungnahme

A. Frage 1

Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob das Bewerben einer Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz in Deutschland auf der Grundlage des beschriebenen Sachverhalts nach § 284 StGB strafbar ist bzw. Aufsichtsbehörden unter Berufung auf § 284 StGB diese Bewerbung nach GlüStV untersagen können (u. 1.). Im Anschluss wird untersucht, ob und unter welchen Voraussetzungen im Hinblick auf die von der Firma A betriebene Echtgeld- Pokerseite ein Umgehungstatbestand vorliegen könnte, der zur Untersagung berechtigen könnte (u. 2.).

1. Werbung für eine Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz in Deutschland

§ 284 Abs. 4 StGB, der durch das 6. StrRG eingefügt wurde, erweitert die Strafbarkeit auf Vorbereitungshandlungen der Absätze eins und zwei von § 284 und stellt die Werbung für ein Glücksspiel im Sinne dieser Absätze unter Strafe. Die Vorschrift richtet sich gerade auch gegen die Werbung ausländischer Anbieter gegenüber dem inländischen Publikum für illegale Glücksspiele, die unter Zuhilfenahme der Telekommunikationsmöglichkeiten unmittelbar vom inländischen Aufenthaltsort des Spielteilnehmers aus abgewickelt werden können und bei denen der Veranstalter von Abs. 1 im Inland die Voraussetzungen von § 9 StGB nicht erfüllt.1 Es handelt sich also um eine insoweit akzessorische Vorschrift. Notwendig ist daher, dass die Werbung überhaupt geeignet ist, einem deliktischen Anschlussverhalten, also der unerlaubten oder behördlich im Ausland nicht kontrollierten bzw. gemeinschaftsrechtlichen Standards nicht entsprechenden Veranstaltung eines Glücksspiels eine Basis zu bieten.2 Damit stimmt die Wertung von § 5 Abs. 4 GlüStV überein ("unerlaubtes Glücksspiel"). Und auch § 5 Abs. 3 GlüStV verlangt für das Verbot von Werbung im Internet bzw. im Fernsehen jedenfalls ein "öffentliches Glücksspiel".

Ein Spiel ist dann ein Glücksspiel im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB, wenn die Entscheidung über Gewinn oder Verlust ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, es auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet ist und für den Erwerb der Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird. Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gegebene Legaldefinition ist mit dem Glücksspielbegriff des § 284 Abs. 1 StGB deckungsgleich.3

Man mag schon Zweifel anmelden, ob an jener Grundsatzentscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1906, wonach bei Poker der Zufall stets den letzten Ausschlag über das mit dem Kaufen erzielte wirkliche Ergebnis gebe, festzuhalten ist.4 Denn fraglich ist nicht bloß, ob bei bestimmten Spielarten bzw. Spielformen nicht das Geschicklichkeitselement der Spieler maßgebend zum Durchbruch gelangt,5 sondern vor allem auch, ob allen Spielformen tatsächlich die tatbestandlich geforderte Eignung zukommt, die einschlägigen Rechtsgüter des § 284 StGB zu gefährden.6

Aber jedenfalls fehlt es an dem für den Glücksspielbegriff konstitutiven Erfordernis der Ausrichtung auf die Erzielung eines Gewinns bzw. des Verlangens eines Entgelts für den Erwerb der Gewinnchance, wenn eine Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz beworben wird. In diesem Fall ist unabweislich, dass mangels tauglichem Vertriebsobjekt keinerlei Gefahr für die einschlägigen Rechtsgüter (Verbraucherschutz unter Einbeziehung der Vermeidung von Spielsucht, Betrugsvorbeugung und Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für die Spiele u.v.m.7) eintreten kann. Und ebenso wenig kann das staatliche Glücksspielmonopol durch eine entsprechende Werbung gefährdet werden, weil dieses Monopol nicht betroffen sein kann, wenn es nicht um Werbung für ein öffentliches Glücksspiel geht.8

2. Strafbarkeit wegen "Umgehung"

Mit Umgehung ist Folgendes gemeint: Die Frage ist, ob die Werbung für die von der Firma B betriebenen Pokerschulseite ohne Geldeinsatz durch ein Medienunternehmen in Deutschland mittels Fernsehen oder Internet gleichsam als vorgeschaltete Veranstaltung anzusehen ist, welche die Voraussetzungen des § 284 Abs. 4 StGB erfüllt.

In Rede steht allein die möglicherweise unzulässige Bewerbung der von der Firma A betriebenen Echtgeld-Pokerseite www.superpoker.com.

a. Tatbestandsmerkmal "Werben" des § 284 Abs. 4 StGB nicht erfüllt!

Werbung in diesem Sinne bedeutet ein planmäßiges Vorgehen mit dem für den Durchschnittsadressaten erkennbaren Ziel, andere für ein illegales Glücksspiel zu gewinnen.9 Der werbende Hinweis auf eine Glücksspieleinrichtung ist voraussetzungsvoll, er erfüllt das Tatbestandsmerkmal des Werbens nur dann, wenn es sich um eine propagandistische, Gewinn versprechende Ankündigung oder Anpreisung handelt.10 Insoweit ist begriffsnotwendig eine im Hinblick auf jenes (illegale) Glücksspiel werbende Zielrichtung. Nach der Rechtsprechung genügt eine Handlung, die nur einen solchen Nebeneffekt hat, nicht.11 Vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 GG verlangt die Rechtsprechung eine umfassende Gesamtwürdigung entsprechender Texte,12 wobei der Kontext ausschlaggebend ist. Im Einklang damit steht die Rechtsprechung zu Umgehungsmaßnahmen im Bereich des UWG und berufsrechtlicher Werbeverbote: Stets wird vom BGH für unzulässige Werbung die Zielgerichtetheit der betreffenden Maßnahme als konstitutiv für ein Verbot vorausgesetzt (BGH, NJW-RR 1996, 1314, BGH, GRUR 1999, 1027, BGH, NJW 2007, 2329, BGH, NJW-RR 2008, 1068).

Dies bedeutet in casu Folgendes: Die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen der Firma A und der Firma B bzw. dem Medienunternehmen in Deutschland sind für den Werbebegriff praktisch irrelevant. Dies mag für gewerberechtliche Zwecke eine Rolle spielen, nicht aber für den Schutzzweck des Werbeverbots. Es geht um Grenzen der Information der Öffentlichkeit über verfassungs- und gemeinschaftsrechtlich geschützte Produkte und damit um eine zulässige Außenwirkung. Maßstab hierfür ist der aufgeklärte Durchschnittsverbraucher. Lediglich für den Hintergrund mag es von Bedeutung sein, dass insoweit gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit besteht und keinerlei faktische Einflussnahme ersichtlich ist.

Weiter ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 49 EG von Bedeutung, dass nach der Rechtsprechung die Verwendung eines ähnlichen Symbols als solches nicht einmal indiziell für Werbung spricht.13 Abstrakte Verwechslungsgefahr als solche ist daher kein relevantes Kriterium für "Werbung"!

Damit stimmt die rechtliche Wertung überein, wie sie für die Werbung für Tabakerzeugnisse gilt. So ist es rechtlich zulässig, für ein Produkt, z.B Parfum oder Lederwaren der Marke "Davidoff", zu werben, obwohl Werbung für Tabakerzeugnisse, u.a. solche der Marke "Davidoff", unzweifelhaft verboten ist. Die Parallele zur hiesigen Fragestellung ist offensichtlich. Die EG-Kommission wollte zwar ursprünglich ein umfassendes Verbot umsetzen (Richtlinie 98/43/EG vom 6.7.1998, Erwägungsgrund 9). Im Hinblick auf eine übermäßige Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit wurde diese Regelung aber durch die später erlassene Richtlinie 2003/33/EG aufgehoben, so dass die Verwendung eines identischen Produktnamens selbst in identischem Design nunmehr grundsätzlich zulässig ist. Einschränkungen können sich nur ausnahmsweise ergeben. Für eine solche indirekte Werbung müssen ganz besondere tatsächliche Umstände vorliegen. Solche Fakten wären etwa die zielgerichtete Weiterleitung von Konsumenten an die in Frage stehende Echtgeld-Pokerseite der Firma A. Hierfür ist in casu nichts ersichtlich. Umgekehrt genügt eine bloße abstrakte Verwechslungsgefahr keinesfalls. Hinzu kommen müssen allemal zielgerichtete Animierungsaktivitäten – andernfalls kann von "Werbung" keine Rede sein. Diese Grundsätze stimmen mit denjenigen überein, wie sie die deutsche Rechtsprechung zu § 284 Abs. 4 StGB entwickelt hat. In der Tat liegt der hiesige Sachverhalt auf derselben Wertungsstufe.

Dass die Einbindung der Microsite der Online-Pokerschule in einen Internetauftritt oder einen Banner den Nebeneffekt für einen Durchschnittsadressaten haben kann, auf die von der Firma A betriebene Echtgeld-Pokerseite quasi aufzusteigen, oder anders ausgedrückt: insoweit eine abstrakte Gefahr besteht, dies allein genügt demnach keinesfalls für strafbare Werbung. Eine irgendwie nolens volens begünstigte Ermöglichung der Teilnahme an der von der Firma A betriebenen Echtgeld-Pokerseite ist strafrechtlich unbeachtlich. Hinzukommt, dass das Bewerben der Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz im Hinblick auf die Firma A völlig wertungsfrei ist, insbesondere die Gewinn versprechende Anpreisung gänzlich fehlt.

Dies bedeutet, dass es in casu bereits an dem Tatbestandsmerkmal "Werben" im Sinne des § 284 Abs. 4 StGB fehlt.

b. Werben im Sinne von § 5 Abs. 3 GlüStV nicht erfüllt!

Die weitere Frage, die sich stellt, ist, ob das Bewerben einer Online-Pokerschule unter Berufung von § 5 Abs. 3 GlüStV behördlich untersagt werden kann, ist danach doch die Werbung für "öffentliches Glücksspiel" im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen verboten.

Anhaltspunkte dafür, dass § 5 Abs. 3 GlüStV ein anderer, namentlich ein umfassenderer Begriff der Werbung zugrunde liegt, ergeben sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Entstehungsgeschichte des Staatsvertrages. Und aus Sinn und Zweck kann sich schon deshalb kein Unterschied ergeben, weil § 284 StGB als verwaltungsakzessorische Strafvorschrift begriffen wird.14 Das "umfassende Werbeverbot" des § 5 Abs. 3 GlüStV15 hat sich deshalb rundum an dem oben Gesagten messen zu lassen. Ebenso wenig wie dort genügt eine bloß ähnliche Symbolik (im Vergleich zu Anbieter Firma A) und ebenso wenig genügt, dass eine Microsite oder ein Banner als bloßer Nebeneffekt eine Schlussfolgerung auf ein öffentliches Glücksspiel gegen Geld zulassen.

Auch bei einer Gesamtwürdigung ist keinesfalls die Schlussfolgerung gerechtfertigt, es handle sich um eine "propagandistische, gewinnversprechende Anpreisung eines öffentlichen Glücksspiels". Denn erstens geht es, wie gesehen, bei der Werbung für die von der Firma B betriebene Pokerschulseite um kein Glücksspiel, zum anderen fehlen der Microsite bzw. dem Banner die genannten notwendigen Voraussetzungen für ein "Werben" im Hinblick auf die von der Firma A betriebene Echtgeld-Pokerseite www.superpoker.com.

Anderes würde nur dann gelten, wenn über die Werbung die Teilnehmer "gezielt auf die Teilnahme am unerlaubten Glücksspiel angesprochen" würden.16 Dies wäre dann der Fall, wenn von den Werbeadressaten persönliche Daten erhoben würden bzw. eine Registrierung zwingend vorgesehen wäre, die jeweils ausschließlich dem Zweck dienen, jene Teilnehmer wiederum gezielt auf ein gewinnversprechendes Glücksspiel gleichsam anzusetzen. Hierfür ist nichts ersichtlich, so dass bereits das Erfordernis der Werbung des § 5 Abs. 3 GlüStV nicht vorliegt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Allgemeine diffuse Befürchtungen, Konsumenten der von Medienunternehmen geschalteten Microsite bzw. Banner würden irgendwie auf die Echtgeld-Pokerseite der Firma A gleichsam überspringen, sind von der Eingriffsgrundlage des § 5 Abs. 3 GlüStV nicht gedeckt. Andernfalls würden unter der Prämisse "Aufrechterhaltung des staatlichen Glücksspielmonopols" die gesetzlichen Voraussetzungen verabschiedet.

Ergebnis:

Das Bewerben der Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz ist, da es am Erfordernis des "Werbens für ein öffentliches Glücksspiel" fehlt, weder nach § 284 Abs. 4 StGB strafbar noch kann es nach § 5 Abs. 3 GlüStV ordnungsbehördlich untersagt werden.


1) Vgl. BT-Drs. 13/8587, S. 67 f., 13/9064 S. 21, BGH (Z), NJW 2002, S. 2175, Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, §
284 RN 24, Eser/Heine, in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 284 RN 25a.

2) H.M., siehe z.B. Heine, wistra 2003, S. 447, Horn, NJW 2004, S. 2053, Krehl, LK, StGB, 12. Aufl. 2008, §
284 RN 25, Sievers, ZfWG 2006, S. 104, Wohlers, NK, 2000, § 284 RN 12, vgl. aber zur älteren Rspr. BGH
NStZ 2003, S. 374.

3) S. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 10.6.2008, Az. 4 B 606/08, S. 2, Fischer, StGB, § 284 RN 4,
Eser/Heine, in Schönke/Schröder, § 284 RN 5 ff., Krehl, LK, § 284 RN 7-12a, Heine, FS-Amelung, 2009, S.
413 ff., III. 1, je m. zahlr. Nachw. Zur Identität der Begriffe s. auch Entwurf Staatsvertrag GlüStV v.
14.12.2006, S. 11 sowie Landtagsdrucksache NW 14/4849, S. 13, 13/5365, S. 7.

4) RG, JW 1906, Nr. 35, S. 789 f., s. auch OLG Stuttgart, ZStW 1924, S. 620 f.

5) S. Holznagel, MMR 2008, S. 439 ff., Kretschmer, ZfWG 2007, S. 93.

6) S. Heine, FS-Amelung,, S. 413 ff., III. 5. vgl. aber auch Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 159 f.

7) S. dazu EuGH "Schindler", EuZW 1994, S. 2015 RN 57 f., BVerfG, NJW 2006, S. 1261 ff., Eser/Heine, in
Schönke/Schröder, § 284 RN 2 ff., Krehl, LK, § 284 RN 10, Heine, ZfWG 2008, S. 306 ff., je mit zahlr.
Nachw.

8) Ebenso OVG Nordrhein-Westfalen (o. Anm. 3), S. 3.

9) H.M., s. z.B. Hoyer, SK, StGB, 6. Aufl. 1999, § 284 RN 26, Krehl, LK, § 287 RN 30, Lackner/Kühl, StGB, §
284 RN 15, vgl. BGHR § 129a III Werben 1,4 sowie Lenckner/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, § 129
RN 14b m. weit. Nachw. Vgl. auch OLG Nürnberg, SpuRt 2001, S. 158.

10) Lackner/Kühl, § 287 RN 15, Wohlers, NK, § 284 RN 58.

11) S. Bay ObLG, NStZ-RR 1996, S. 135, KG StV 1990, S. 210, OLG Schleswig, NJW 1988, S. 352,
Lenckner/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, § 129 RN 14b.

12) BGHSt 33, S. 18, Fischer, StGB, § 129 RN 27; vgl. auch BGH, NJW 2007, S. 2329, NJW-RR 2008, S. 1067.

13) BGH, MDR 1993, S. 505, OLG Koblenz, StV 1989, S. 205, Lenckner/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder,
§ 129 RN 14c.

14) H.M., s. nur BGH, NJW 2007, S. 3078, OLG München, NJW 2006, S. 3592, Fischer, StGB, § 284 RN 2. Vgl.
auch OVG Nordrhein-Westfalen (o. Anm. 3), S. 2.

15) S. Entwurf zum Staatsvertrag v. 14.12.2006, S. 16.

16) VG Frankfurt, NJW 2008, S. 1096, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen (Anm. 3), S. 3.


Quelle: TIME LAW NEWS 2/2010 (www.timelaw.de) Hambach & Hambach Rechtsanwälte

Mittwoch, 13. April 2011

LG Bamberg: Beschwerde der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen

Das Landgericht Bamberg hat in durch die Bielefelder Kanzlei KARTAL Rechtsanwälte geführten Strafverfahren die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft Bamberg gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Amtsgericht Bamberg zurückgewiesen (Az. 1 Qs 33/2011).

Die Staatsanwaltschaft Bamberg hatte zwei private Sportwettenvermittler wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels nach § 284 StGB angeklagt. Mit Beschluss vom 28.12.2010 hatte das Amtsgericht Bamberg die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und im Wesentlichen ausgeführt, dass die derzeit existierende Verbotsnorm des § 4 GlüStV gegen Gemeinschaftsrecht verstoße und es deshalb keiner behördlichen Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten durch private Anbieter bedürfe. Hiergegen hatte sich die Staatsanwaltschaft mit sofortiger Beschwerde vom 08.03.2011 gewendet.

In dem Zurückweisungsbeschluss vom 01.04.2011 sieht das Landgericht Bamberg eine Strafbarkeit der Angeschuldigten als nicht gegeben an (S. 3).
Die Kammer geht von den höchstrichterlichen Grundsätzen aus, dass der Gesetzgeber nicht ein Verhalten unter Androhung von Strafe verbieten könne, um sich gleichzeitig ebenso zu verhalten, ohne sich zugleich mit dem durch das Verbot aufgestellten Zielen in Widerspruch zu setzen.
Als Ziel des Glücksspielstaatsvertrages zitiert das Landgericht § 1 GlüStV. Demnach sei das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht entschieden, dass die Regelung zum Erlaubnisvorbehalt des § 4 GlüStV entsprechend der Auffassung des Amtsgerichts "und der vordringenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (nunmehr auch in Fischer, Kommentar zum StGB 58. Auflage 2011, § 284 Rn. 2, 16a) gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht (Art. 49, 56 EUV), das den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel läuft", verstößt (S. 4).

Entsprechend den Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 folgt die Kammer dem Kohärenzgebot hinsichtlich der Ausgestaltung des Sportwettenmonopols. Sodann stellt sie fest, dass die derzeitigen Regelungen des GlüStV gegen dieses Gebot verstoßen. Als tatsächliche Beispiele nennt das Landgericht die staatliche Zielsetzung der Gewinnmaximierung, die staatliche "Ignoranz gegenüber einzelnen besonders Sucht fördernden Spielarten" und die teilweise umfassende staatliche Bewerbung von Glücksspielen (S. 5).

Schließlich verweist die Kammer auf die völlig ungewisse Rechtslage, so dass sich die Angeschuldigten zudem auf einen Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB berufen könnten: "Selbst wenn die Angeschuldigten bei Nachfrage gegenüber der zuständigen Behörde die Auskunft erhalten hätten, dass sie eine Erlaubnis bedürften, müssten sie angesichts der seit Jahren bestehenden Rechtsunsicherheit, der (…) kontroversen Rechtsprechung zum GlüStV und der vom Amtsgericht zitierten durchaus seriösen Presseberichterstattung (Der Spiegel, 37/2010, S. 38, Anm. des Verfasser) nicht von einer Strafbarkeit ihres Verhaltens ausgehen" (s. 5).

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Das BVerfG führt in seinem Sportwettenurteil (BVerfGE 115, 276 ff = NJW 2006, 161 ff) unter Rn. 144 aus, dass die Anforderungen des Verfassungsrechts parallel zu den vom EuGH formulierten Vorgaben verlaufen. Das Übergehen der Rechtsprechung des EuGH führt somit zur Verfassungswidrigkeit!
"Rn 144: Insofern laufen die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben. Nach dessen Rechtsprechung ist die Unterbindung der Vermittlung in andere Mitgliedstaaten mit dem Gemeinschaftsrecht nur vereinbar, wenn ein Staatsmonopol wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-243/01 - Gambelli u.a., Slg. 2003, I-13076, Rn. 62). Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen damit denen des Grundgesetzes."

In der mündlichen Verhandlung am 22.07.2010 hatten die obersten Bundesrichter Zweifel geäußert, ob die Strafnormen der §§ 284, 287 StGB im Lichte der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Rechtsprechung als hinreichend bestimmt angesehen werden können. Eine Strafbarkeit könne nicht von der Würdigung tatsächlichen Verhaltens staatlicher Glückspielanbieter abhängig gemacht werden. weiter lesen
BGH, Urteile vom 22. Juli 2010 Az.: I ZR 163/07, I ZR 170/07;
Urteile vom 18. November 2010 Az: I ZR 156/07, I ZR 159/07, I ZR 165/07, I ZR 168/07, I ZR 171/07

Ralf Bender:

Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages
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Seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 01.01.2008 sind immer wieder Versuche einiger Ermittlungsbehörden und Gerichte zu beobachten, eine Strafbarkeit gem. § 284 StGB im Falle des Veranstaltens oder Vermittelns von Sportwetten in Deutschland zu begründen.
Während beispielsweise die Staatsanwaltschaft Baden-Baden in einem Einstellungsbeschluss vom 14.09.2010 (abrufbar unter www.vewu.com) von einer fehlenden Strafbarkeit infolge der bekannten EuGH- Rechtsprechung ausgeht, hält die Staatsanwaltschaft Essen § 284 StGB derzeit für anwendbar, was zu einem umfangreichen gegenwärtigen Prozess gegen 12 Angeklagte vor dem Landgericht Essen geführt hat. Weitere Ermittlungsverfahren gegen Betreiber von Sportwettenannahmestellen sind eingeleitet worden. Der Unterzeichner als Mitverteidiger des Hauptangeklagten in oben genanntem Verfahren vor dem Landgericht Essen nimmt dies zum Anlass, eine kurze Zusammenfassung des derzeitigen Meinungsstandes und der eigenen Schlussfolgerungen abzugeben.

Eine Strafbarkeit gem. § 284 StGB scheidet aus Rechtsgründen, unabhängig von der Frage, ob Sportwetten angeboten, vermittelt oder veranstaltet werden, aus.

Rechtslage bis 31.12.2008
Auch nach der Einführung des Glückspielstaatsvertrages zum 01.01.2008 ist jedenfalls für die weitere Übergangszeit im Sinne des § 25 Abs. 1, Satz 1 Glücksspielstaatsvertrag (31.12.2008) obergerichtlich festgestellt, dass für den Glücksspielstaatsvertrag ein normativ begründetes Vollzugsdefizit bestand, welches einer strafrechtlichen Ahndung entgegen steht (KG Berlin, Urteil vom 23.07.2009 (1 Ss 541/08), ZfWG 2010, S. 94 ff)
Das Kammergericht stellt unter 1. c) wie folgt fest:
"Ob der Angeklagte im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB auch "ohne behördliche Erlaubnis" gehandelt hat,....., kann dahinstehen. Auch bei vollständiger Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestandes, verstieße die strafrechtliche Sanktionierung der abgeurteilten Tat jedenfalls gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht. Ohne eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage kommt aber eine strafrechtliche Sanktion nach§ 284 StGB nicht in Betracht."
Unter 2.) führt das Kammergericht für das Jahr 2008 wie folgt aus:
"Denn auch für den Fall, dass der Beklagte das Wettbüro auch im Jahr 2008 betrieben hat, kommt eine Bestrafung weiterhin nicht in Betracht......, denn der Glücksspielstaatsvertrag und das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag wiesen jedenfalls bis zum Ablauf der Übergangsfristen..... Vollzugsdefizite auf. Diese waren normativ angelegt. Damit fehlt es auch für durch den Angeklagten im Jahre 2008 gegebenenfalls noch begangene Teilakte an der verfassungsrechtlichen Grundlage für eine strafrechtliche Sanktion."
Folgerichtig stellt das Kammergericht daher auch fest, dass
"für beide Zeiträume ....... eine Bestrafung des Angeklagten aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist."
Rechtslage ab 01.01.2009
Die Rechtslage ist nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in den verbundenen Rechtssachen Markus Stoß u.a. (C 316/07, C 358/07 – C 360/07, C 409/07 und C 410/07 vom 08.09.2010) vom 08.09.2010 nach diesseitiger Einschätzung unverändert.
Der EuGH hat festgestellt, dass das in Deutschland bestehende staatliche Monopol auf die Veranstaltung von Sportwetten in seiner derzeitigen Ausprägung nicht geeignet sei, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Zieles der Spielsuchtbekämpfung zu verfolgen. Damit fehle dem staatlichen Monopol die Grundvoraussetzung für die Beschränkung der Dienst- und Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 43 und 49 EG, da das für diese Beschränkung erforderliche überragende Allgemeinwohlinteresse, eben die Spielsuchtbekämpfung, nicht nachhaltig verfolgt werde.
Somit ist auch hier ein Vollzugsdefizit festgestellt worden. Wenn sich der Staat zur Begründung eines Verbotes jedoch auf eine Verwaltungsnorm beziehen will, muss diese wirksam und anwendbar sein. So stellt der EuGH zur strafrechtlichen Konsequenz unter Rdn-Nr.: 115 des oben genannten Urteils wie folgt klar:
"Angesichts der in Rdn-Nr.: 19 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Angaben des Verwaltungsgerichts Gießen ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nichterfüllten Verwaltungsmodalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat."
Im Ergebnis scheidet damit eine Strafbarkeit gemäß § 284 StGB bis zum heutigen Tage und auch darüber hinaus aus.
Hieran ändert auch der Beschluss des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 15.11.2010 (4 B 733/10) nichts. Das OVG Münster hat ausweislich der Entscheidungsgründe vorübergehend eine weitere Anwendung der Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages für zulässig gehalten, weil das zuständige Bundesministerium an einem Entwurf zur Überarbeitung der Spieleverordnung unter Berücksichtigung der begleitenden, noch unveröffentlichten Ergebnisse einer weiteren Evaluationsstudie arbeite. Im Ergebnis nimmt das OVG Münster in der oben genannten Entscheidung zur Beurteilung der aktuellen Rechtslage gesetzgeberische Vorhaben und Maßnahmen (so sie denn tatsächlich durchgeführt werden sollten) vorweg, um wiederum, wie bereits innerhalb des dem sogenannten Winner-Wetten-Urteil zugrundeliegenden Sachverhaltes, das durch den EuGH eindeutig bestätigte Prinzip des Anwendungsvorranges europäischen Rechts zu umgehen. Denn jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht ist verpflichtet, dem Europarecht zuwiderlaufende Bestimmungen des nationalen Rechts unmittelbar und sofort nicht weiter anzuwenden (EuGH Urteil in der Rechtssache "Winner-Wetten-GmbH" vom 08.09.2010, C 409/06).
Vor diesem Hintergrund können zukünftige – mögliche – Rechtsentwicklungen nicht in den Blick genommen werden.
Dies bedeutet, dass die das Monopol begründenden Vorschrift des § 10, Abs. 5 Glücksspielstaatsvertrag derzeit nicht angewendet werden darf. Es bedeutet weiterhin, dass das Fehlen einer Erlaubnis aus Gründen des Monopols weder dem Veranstalter, noch dem Vermittler entgegen gehalten werden kann, wie VG Mainz (Beschluss vom 09.11.2010, 6 L 1089/10. MZ) zutreffend feststellt.
Die nunmehr ergehenden und die Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung bestätigenden verwaltungsgerichtlichen Urteile setzen sich im Detail mit der Frage des Erlaubnisvorbehalts auseinander. Eine fehlende Erlaubnis kann jedenfalls dann nicht zur Begründung einer Untersagungsverfügung herangezogen werden, wenn für den betreffenden Antragssteller faktisch nicht die Möglichkeit besteht, eine derartige Erlaubnis zu erlangen, und wenn dies im Widerspruch zu höherrangigem Recht steht, wie das OVG Lüneburg (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2008, 11 M C 71/08) schon vor längerem festgestellt hat. Bis zu den Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 bestand eine solche Möglichkeit der Durchführung eines geordneten Verwaltungsverfahrens, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, nach diesseitiger Kenntnis jedoch auch in allen anderen Bundesländern, gerichtet auf die Erlangung einer Erlaubnis, rechtlich wie faktisch, nicht.
Vor diesem Hintergrund gilt nach wie vor die bereits mehrfach zitierte Fundstelle des EuGH aus der Rechtssache Markus Stoß u.a., nach welcher jedenfalls eine Strafbarkeit ausscheiden muss, da diese auf die Verletzung einer Verwaltungsnorm beruht, deren ordnungsgemäße Erfüllung der Staat selbst vereitelt. Die zur Begründung der Strafbarkeit zwingend erforderliche Verletzung der Verwaltungsnorm, die zur Begründung der Strafnorm aufgrund der Verwaltungsakzessorietät unerlässlich ist, liegt nicht vor. Insofern ist auch die Entscheidung des OVG Münster vom 15.11.2010 nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu begründen, so auch VG Trier, Beschluss vom 29.10.2010, 1 L 1230/10 TR und VG Köln, 1 K 3293/07.
Insbesondere in der letztgenannten Entscheidung hob das Gericht deutlich hervor, dass die unmittelbar vorhergehende Eilentscheidung des OVG Münster für die Kammer des VG Köln jedenfalls nicht nachvollziehbar sei. Beide Entscheidungen sind in Kenntnis der Rechtsprechung des OVG Münster vom 15.11.2010, 4 B 733/10, ergangen, die Rechtsauffassung des OVG Münster wird von diesen Gerichten zutreffend nicht geteilt. Das VG Köln hat im Anschluss an die mehrfach zitieren Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 ausdrücklich die bestehende Inkohärenz der Regelungen auf dem Glücksspielmarkt bestätigt (S. 19 des Urteils). Es hat gleichzeitig zutreffend nachfolgende Rechtsansicht vertreten (S. 20/21 des Urteils):
"Ebenso wird vom bindenden Inhalt (Hervorhebung diesseits) der EuGH-Rechtsprechung abgewichen, wenn das OVG NRW in seiner jüngsten Entscheidung auf eine "expansive Tendenz", "bewusste und zielgerichtete Expansionsstrategie", von vorneherein bestehende "Absicht zur Ausweitung der Spielgelegenheit" abstellt und den Spielraum des nationalen Gesetz- und Verordnungsgebers erst dann verletzt sieht, wenn trotz "belegter Ungeeignetheit" normative Korrekturen ausbleiben bzw. keine "angemessen zeitnahe" Reaktion erfolgt."
Es besteht daher nach dem sog. Winner-Wetten Urteil (C-409/06) des EuGH gerade nicht die Möglichkeit, bei Vorliegen der festgestellten Europarechtswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrages für eine Übergangszeit bis zur ev. Umsetzung gesetzgeberischer Ziele, wie das OVG Münster meint, eine solche gemeinschaftswidrige nationale Regelung weiter anzuwenden. Folgerichtig und konsequent schlussfolgert das VG Köln daher auch auf Seite 22 des Urteils:
"Da nach alledem die im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden materiellen Regelungen über das staatliche Sportwettenmonopol unanwendbar sind, wirkt sich dies gleichermaßen auf das formelle Erfordernis der Erlaubnispflicht (Hervorhebung diesseits) nach § 1 Abs. 1, S. 1 und § 2 SportwettenG NRW aus."
Damit ist aufgrund der Verwaltungsakzessorietät des § 284 StGB der Anwendung der Strafnorm der Boden entzogen. Die Norm des § 284 StGB setzt tatbestandlich die Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels ohne behördliche Genehmigung voraus; eine solche behördliche Genehmigung zu erlangen hat der Staat jedoch für Private in gemeinschaftswidriger Weise durch den Glücksspielstaatsvertrag vereitelt. Das VG Stuttgart ( Urteil vom 15.12.2010, 4 K 3645/10) setzt sich im Detail mit der nunmehr notgedrungen ins Felde geführten Rechtsauffassung einiger Ordnungsbehörden auseinander, nach welcher auch im Falle einer Unionsrechtswidrigkeit des Monopols jedenfalls von einem Erlaubnisvorbehalt auszugehen sei. Dem erteilt das Gericht unter Hinweis auf das Carmen-Media-Urteil des EuGH vom 08.09.2010 ( ZfWG 2010, 344) eine klare Absage. Zur Frage der Strafbarkeit führt das VG Stuttgart unter Rn. 39 des Urteils wie folgt aus:
"Die Untersagungsverfügung kann schließlich auch nicht wegen des vom Beklagten behaupteten Verstoßes gegen § 284 StGB aufrechterhalten werden. Weder eine Auslegung als polizeirechtliche Ordnungsverfügung (§§ 1, 3 PolG) noch eine Umdeutung (§ 47 LVwVfG) in eine solche ist möglich. Denn gegenwärtig könnte eine polizeirechtliche Ordnungsverfügung nicht erlassen werden. Dass hierbei erhebliche Probleme der sachlichen Zuständigkeit und des Nachschiebens bzw. des Austausches von Ermessenserwägungen aufträten, bedarf keiner Vertiefung, weil es jedenfalls schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten fehlt. Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit mit Blick auf § 284 StGB liegt nämlich nicht vor. Zwar stellt diese Vorschrift das Veranstalten von öffentlichem Glücksspiel oder die Bereitstellung von Einrichtungen hierzu ohne behördliche Erlaubnis unter Strafe. Ein Strafrechtsverstoß kommt aber dennoch nicht in Betracht. Dabei kann offen bleiben, ob § 284 StGB derzeit überhaupt verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Denn auch wenn man dies annimmt, kann die Vorschrift nach Sinn und Zweck und bei unionsrechtskonformer Auslegung keine Grundlage für ein polizeirechtliches Einschreiten darstellen, wenn - wie hier (siehe die Ausführungen zu 1. und 2.) - staatliche Vorschriften eine rechtliche Möglichkeit zur Erteilung einer Genehmigung im Bereich der Sportwetten für Private nicht vorsehen und ein staatliches Monopol dort konkret jedenfalls derzeit nicht gerechtfertigt ist. Unter diesen Umständen fehlt es jedenfalls an einer Strafbarkeit (vgl. VG Hamburg, a.a.O., Rn. 135 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 - NJW 2007, 3078) (Hervorhebung diesseits). Andernfalls würde über den Weg des Strafrechts ermöglicht, eine unionsrechtswidrig in Grundrechte (Art. 12 GG) und Grundfreiheiten (Art. 49 bzw. 56 AEUV) eingreifende Monopolstruktur vorläufig aufrechtzuerhalten; in seinem Urteil vom 08.09.2010 (Winner Wetten C- 409/06, Rn. 62-69, GewArch 2010, 442 = NVwZ 2010, 1419) hat der Europäische Gerichtshof aber gerade ausgeschlossen, dass für eine Übergangszeit unionsrechtswidrige Zustände akzeptiert werden dürfen."
Zwischenzeitlich liegen eine ganze Reihe weiterer verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen vor, die den Erlaubnisvorbehalt als nicht durchgreifend erachtet haben.
Zu beachten ist insbesondere weiterhin die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.11.2010 (AZ.: 8 C 14.09 und 8 C 15.09). Den Entscheidungen des BVerwG vom 24.11.2010 ist jedenfalls zu entnehmen, dass zur Beurteilung der europarechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols, auch soweit es nur einen sog. "Sektor" des Glückspiels wie z.B. Sportwetten betrifft, sich die erforderliche Kohärenzprüfung auf den gesamten Glückspielbereich zu erstrecken hat. Die Regelungen und (vor allem tatsächlichen) Handhabungen und Ausgestaltungen der übrigen, nicht dem Monopol unterliegenden Glückspielsektoren, z.B. Pferdewetten oder Geldspielgeräte, dürfen dem Zweck des Glückspielstaatsvertrages und dem zu dessen Durchsetzung festgelegten Monopol nicht zuwiderlaufen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt insoweit fest:
"In den Blick zu nehmen ist dabei nicht allein die rechtliche Ausgestaltung, sondern auch die tatsächliche Handhabung. Das Ziel der Begrenzung der Wetttätigkeit darf weder konterkariert noch dürfen ihm entgegenlaufenden Ausgestaltungen in den anderen Glückspielbereichen geduldet werden."
Das Bundesverwaltungsgericht verlangt insoweit Feststellungen zu der Frage, ob andere, nicht dem Glückspielstaatsvertrag unterliegende Glücksspielsektoren auch tatsächlich Restriktionen erfahren, die der Suchprävention als Primärzweck des Glückspielstaatsvertrages dienen.
Damit setzt das BVerwG die Vorgaben des EuGH aus der Rechtsprechung vom 08.09.2010 um.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt, ausdrücklich für die Rechtslage ab dem 01.01.2008, unter Rn. 60 des Urteils 8 C 15.09 vom 24.11.2010 wie folgt fest:
"Der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV und der Ausschluss einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten an private Wettanbieter – auch – in anderen Mitgliedsstaaten stellen eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung (Hervorhebung diesseits) der Dienstleistungsfreiheit dar."
Die Frage der Rechtfertigung der Beschränkung ist unionsrechtlich anhand von vier durch das BVerwG aufgestellten Voraussetzungen zu prüfen, wie sich aus den Rn. 61 ff. der Entscheidung ergibt. So müssen die staatlichen Maßnahmen mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, aus Gründen öffentlicher Gewalt oder Ordnung, oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten; ferner dürfen sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
Die Eignung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch das staatliche Monopol kann nur angenommen werden, wenn sie auf die Bekämpfung der Spielsucht und den Spielerschutz als zwingende Gründe des Allgemeininteresses gestützt wird, ebenso wie ihre Anwendung in der Praxis geeignet sein muss, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Spielsucht beiträgt.
Ohne positive Beantwortung der für das Monopol wesentlichen Prämisse der kohärenten und systematischen Begrenzung der Wetttätigkeit kann eine europarechtlich unbedenkliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht stattfinden. Hierzu ist der gesamte Glückspielmarkt wie auch das Werbeverhalten des Monopolisten in den Blick zu nehmen.
Dies hat der BayVGH in dem der zitierten Entscheidung des BVerwG zugrundeliegenden Urteil nicht getan, weshalb seine Entscheidung aufgehoben wurde.
Eine Überprüfung der sog. Kohärenzfrage führt jedoch gerade zu der Erkenntnis, dass das angestrebte Ziel der Suchtbekämpfung nicht kohärent und systematisch im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG verfolgt wird.
Der EuGH hat dies auf Grundlage der Feststellungen des VG Gießen in dem vorgenanntem Urteil C- 316/07 (Markus Stoß u.a.) eindeutig festgestellt. Zwischenzeitlich hat auch das VG Minden in einem Urteil vom 01.02.2011 (1 K 2346/07) die Inkohärenz insbesondere der tatsächlichen Ausgestaltung des gesamten Glückspielmarktes umfänglich anhand von zahlreichen Beispielen aus den Bereichen der Automatenspiele und der Spieleverordnung auf den Seiten 12 bis 17, also über fünf Seiten der Urteilsbegründung festgestellt. Es hat nochmals die Auffassung bestätigt, dass eine formale Bezugnahme auf das Merkmal der "Erlaubnis" als Argumentation nicht tragfähig sei. Wegen des staatlichen Monopols könnten Private keine Erlaubnis erhalten. Da das Monopol aber mit Unionsrecht unvereinbar sei, müssten alle das Monopol betreffenden Regelungen, so auch der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV, unangewendet bleiben. Dementsprechend kann das Fehlen einer Erlaubnis nicht entgegengehalten werden, VG Minden, Urteil vom 01.02.2011, 1 K 2346/07.
Dies schlägt auf die Strafrechtsnorm des § 284 StGB durch, was zu deren Unanwendbarkeit bis zum heutigen Tage führt.
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update: Das OVG Münster hat sich mit mehreren Entscheidungen korrigiert:
OVG NRW (Az.: 13 B 1331/11) vom 30.11.2011
OVG NRW (AZ.: 4 B 1139/11) vom 27.10.2011
OVG NRW (Az.: 4 A 17/08) vom 30.09.2011

Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden führt in seiner Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO vom 14.9.2010 wie folgt aus: „Das Verfahren war einzustellen, da auf der Grundlage des Beschlusses des Europäischen Gerichtshofs vom 08.09.2010, mit dem die deutschen Regelungen zum Glücksspielmonopol als nicht mit EU-Recht vereinbar erklärt wurden, ein strafbares Handeln des Beschuldigten nicht festgestellt werden kann.“ pdf-download

s.u.a. Prof. Bernd Hecker - Europäisches Strafrecht S. 330 ff

Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Monopols seien auch die Erlaubnisregelungen nicht im Strafrecht anwendbar. So stellte das VG Stuttgart auf Seite 13 des Urteils fest:
"Andernfalls würde über den Weg des Strafrechts ermöglicht, eine unionsrechtswidrig in Grundrechte (Art. 12 GG) und Grundfreiheiten (Art. 49 bzw. 56 AEUV) eingreifende Monopolstruktur vorläufig aufrechtzerhalten"

Am 15. Juni 2012 bestätigte das LG München I , Az. 12 Qs 22/11 die Unanwendbarkeit des § 284 StGB. Der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht führt im vorliegenden Fall zur Unanwendbarkeit des § 284 StGB. Wenn eine Strafnorm - wie im Fall des § 284 8tGB - eine aufgrund des Europarechts unanwendbaren Norm wieder zur Gültigkeit verhelfen würde, so ist auch diese aufgrund Verstoßes gegen das Europarecht im konkreten Einzelfall unanwendbar. Denn das bloße Abstellen auf das formelle Erfordernis der behördlichen Genehmigung würde zu einem erneuten Verstoß gegen die Grundfreiheiten des Art. 49 und Art. 56 EUV führen (so auch EUGH, Urteil vom 6.3.2007). 

VG Potsdam (6 K 936/08) stellte am 27.03.2012 fest, dass auch § 284 StGB nicht angewandt werden kann, weil es sich um eine verwaltungsakzessorische Strafnorm handelt, die man nicht anwenden kann, wenn gar nicht die Möglichkeit zu einer Erlaubniserteilung für privatrechtliche Wettvermittler bestehe.

LG Berlin schließt Strafbarkeit nach § 284 StGB
wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols aus

AG Obernburg am Main: Vermittlung von Sportwetten nicht strafbar

AG Essen spricht Sportwettenvermittler frei

LG Bochum verneint Verbotsgesetzcharakter des § 284 StGB

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg spricht Pokerturnierveranstalter vom Vorwurf des § 284 StGB frei

Amtsgericht Berlin-Tiergarten spricht Sportwettvermittler frei - so urteilte auch die
Berufungskammer des Landgerichts Berlin

Verwaltungsgericht Hamburg: Staatliches Sportwettenmonopol nicht erforderlich und daher rechtswidrig. Aus diesem Grund sei auch keine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben (S. 35).

Das AG Augsburg geht davon aus, dass der Erlaubnisvorbehalt in seiner derzeitigen Form ausschließlich der Sicherung des staatlichen Monopols dient.
Eine Strafbarkeit des Angeklagten scheidet daher bereits aus objektiven Gründen aus.

Das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 1496/05) - (vgl. S. 5) hatte ausdrücklich einen staatlichen Strafanspruch verneint, wenn der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols verfassungswidrig ist.

Die gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB kann nicht als zweifelsfrei angesehen werden! 

Bundesverfassungsgericht - 1 BvR 223/05 Rn 33
Angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache "Gambelli" (Urteil vom 6. November 2003) und ihrer Rezeption durch Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 52. Aufl., 2004, § 284 Rn. 7 und 11; Kühl, in: Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, 25. Aufl., 2004, § 284 Rn. 12; Eser/Heine, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 26. Aufl., 2001, § 284 Anm. IX; Landgericht Hamburg, Beschluss vom 12. November 2004 - 629 s 56/04 -, NStZ-RR 2005, S. 44; Landgericht München I, Beschluss vom 27. Oktober 2003 - 5 Qs 41/03 -, NJW 2004, S. 171; Landgericht Wuppertal, Beschluss vom 17. August 2004 - 30 Qs 3/04 -; Landgericht Baden-Baden, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 2 Qs 157/04 -; Amtsgericht Heidenheim, Urteil vom 19. August 2004 - 3 Ds 42 Js 5187/03 - AK 424/03 -, JURIS; Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Januar 2005 - 3 MB 80/04 -; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Dezember 2004 - BS 28/04 -; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2004 - 11 TG 3060/03 -, GewArch 2004, S. 153) könnten erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB auch nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden.

Rn 34

Die Entscheidung des Europäischen Gerichthofs betrifft nicht nur die europarechtliche Zulässigkeit mitgliedstaatlicher Glücksspielmonopole, sondern stellt auch die Frage, ob deren Strafbewehrung am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts scheitert. Die Vorlage zum Europäischen Gerichtshof in der Sache "Gambelli" erfolgte nämlich in einem Strafverfahren, und die Prüfung der Vereinbarkeit mit gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten bezieht sich ausdrücklich auf Vorschriften, nach denen in Italien unter anderem die Vermittlung von Wetten ohne die nach anderen Rechtsvorschriften erforderliche Genehmigung unter Strafe gestellt ist (vgl. Rn. 9 des Urteils vom 6. November 2003).

Eine Verbotsverfügung ist als unverhältnismäßig anzusehen, wenn diese über das hinausgeht, was zur Bekämpfung einer möglichen Spielsucht erforderlich ist.
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 74, vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 62, und Kommission/Spanien, Randnr. 39).

Es ist derzeit noch nicht ersichtlich, dass das staatliche Monopol im Bereich der Sportwetten und Lotterien in seiner derzeitigen Ausgestaltung mit höherrangigem Recht vereinbar wäre. (Kommissionsschreiben)

Gerade im Hinblick auf die Urteile des EuGH vom 08.09.2010, und das neuerliche Kommissionsschreiben  wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.04.2005 (Az.: 1 BvR 223/05) erneut relevant, dass hinsichtlich der Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten in EU-Ausland in der Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren eine Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) durch die Außerachtlassung gemeinschaftsrechtlich begründeter subjektiver Rechte der Veranstalter und Vermittler sah. Das BVerfG stellte fest, dass   „angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Gambelli .[…] und ihrer Rezeption in Rechtsprechung und Literatur […] erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB […] nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden könnten.“ (a.a.O. S. 13)
Gegenstand des Beschlusses ist die Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) durch die Außerachtlassung gemeinschaftsrechtlich begründeter subjektiver Rechte der Veranstalter und Vermittler von Sportwetten im Rahmen von verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren.


Nachweis konkreter Gefahren für das Gemeinwohl erforderlich
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von Untersagungsbescheiden ist nur zulässig, wenn im Einzelfall konkrete Gefahren für das Gemeinwohl gegeben sind. Allgemeine Behauptungen zu Gefahren des unerlaubten Glücksspiels begründen kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27.04.2005 reichen die abstrakten Gefahren des Glücksspiels gerade nicht aus, um die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen.  Quelle


Quelle Rechtsgutachten Prof. Widmaier, S. 40ffWeiter heißt es in dem Beschluß:
„Angesichts dieser Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs könnte im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren die Konformität der deutschen Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht kaum ohne eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof festgestellt werden. Sie kann daher auch nicht bei der Bewertung des besonderen Vollzugsinteresses in verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren als ausreichend sicher behandelt werden.“  (Rn. 33 und 35).
Schreiben der Kommission vom 04.04.2006 u.a. über die Zulässigkeit des Strafrechts (Auszug)
Die Kommission sieht in der Anwendung des Strafrechts (§ 284 Abs. 1 StGB) eine Beschränkung des Art. 49 EGV.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehören wirtschaftliche Interessen und der Schutz der Einnahmen eines Mitgliedstaates nicht zu den in Art 46 EGV genannten Gründen und können keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses bilden, der zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit oder des feien Dienstleistungsverkehrs berechtigt.
vgl. EuGH Rs C 243/01 Gambelli u.a. Rn 61, und in diesem Sinne Urteile vom 16.07.1998, Rs C 264/96, ICI, Slg. 1998, I-4695, Rn 28 und v. 3.10.2002, Rs C 136/00 Danner, Slg. 2002, I-8147, Rn 56

Urteil des Gerichtshofs Rs. C-64/08 - Strafverfahren gg. Ernst Engelmann und Placanica u. a. (C-338/04, C-359/04 und C-360/04), siehe auch Pressemitteilung Nr. 20/2007 (ganz unten)

Strafrechtliche Sanktionen
Grundsätzlich sind für das Strafrecht zwar die Mitgliedstaaten zuständig, jedoch setzt das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit Grenzen. So darf das Strafrecht nicht die vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beeinträchtigen. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bekräftigt, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. Die Italienische Republik darf daher gegen Personen wie die in den Ausgangsverfahren Beschuldigten keine Strafen wegen der Ausübung einer Tätigkeit des organisierten Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung verhängen.
Quelle: PM Nr. 20/2007 ganz unten

vgl. EuGH Rs.: C‑347/09 vom 15. September 2011 - Strafverfahren gegen Jochen Dickinger, Franz Ömer

Klare Worte findet der EuGH auch hinsichtlich der Strafbarkeit von Glücksspielunternehmen und Kunden: Solange es in einem Mitgliedstaat keine europarechtskonforme Regelung gibt, kann der "Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen". (Rn.: 43)

Laut Europarecht ist ein nationales Glücksspielmonopol nur dann zulässig, wenn es Anforderungen des Allgemeininteresses gerecht wird. Die Republik Österreich begründet das Monopol mit der Verhinderung von Kriminalität sowie dem Schutz der Bürger vor übermäßigen Spielausgaben. bet-at-home.com setzt dem entgegen, dass die Geschäftspolitik der derzeitigen Konzessionärin Österreichische Lotterien GmbH - ein Tochterunternehmen der Casinos Austria AG - auf Einnahmenmaximierung abziele und damit den Zielen des Verbraucher- und Spielerschutzes, die das Monopol rechtfertigen, widerspräche.
"Die Beweislast liegt hier aufseiten der Republik Österreich.", so Prof. Dr. Franz Leidenmühler, Vorstand des Instituts für Europarecht an der Johannes Kepler Universität Linz. " weiter lesen

EuGH-Urteil im Verfahren bet-at-home.com: Österreichisches Glücksspielmonopol schwankt weiter lesen

vgl. EuGH Rs. C-64/08 vom 9. September 2010 - Strafverfahren gegen Ernst Engelmann
Bezirksgericht Zell am See spricht Casinobetreiber Ernst Engelmann frei

Mit dem Costa-Urteil vom 16. Februar 2012 verschärft der Europäischer Gerichtshof die Anforderungen an die Vergabe von Glücksspielkonzessionen und bestätigt unter der Rn 43/83 seine bisherige Rechtsprechung (Urteil Placanica u. a., Randnr. 69/70), dass keine strafrechtlichen Sanktionen bei einem unionsrechtswidrigen Ausschluss verhängt werden dürfen.

Bereits im Jahre 2007 stellte der EuGH in der Rechtssache Placanica (verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, S. I-1932, Rz. 63) wie folgt fest:

Gegenüber unionsrechtswidrig von einer Zulassung ausgeschlossenen Anbietern darf der "Umstand, dass sie keine Konzession besitzen, nicht zum Anlass für die Verhängung einer Sanktion gegen sie genommen werden."

Demzufolge dürfen die Aufsichtsbehörden der Länder gegen nicht zugelassene Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten, deren Angebot in Deutschland die nicht zulassungsgebundenen Rechts- und Schutzvorschriften einhält, keine – auf die fehlende Zulassung gestützten – Sanktionen, wie insbesondere sofort vollziehbare Untersagungsverfügungen, erlassen. weiterlesen


Staatliche Betreiber versuchen zur Einnahmeerhöhung mit immer neuen Produkten ihren Markt auf neue Verbrauchergruppen auszudehnen (erst 2009 eingestellte Minuten - Jugend-Internet-Lotterie QUICKY, Tageslotterie-KENO, Lotto am Mittwoch, Oddset, Toto, Super 6, Glücksspirale, Sofortlotterie-Rubbellose, BINGO und ab 23.03.2012 der neue Eurojackpot mit einer Gewinnsumme bis 90 Mio €) anstatt einer solchen Ausweitung entgegenzuwirken, wie es in den politischen Zielen der Gesetzesmotive zu § 284 StGB (Deutscher Bundestag, Drucksache 13/8587) nachzulesen ist.

Zur Rechtsstaatlichkeit im Glücksspielwesen weiterlesen

Hierzu führt RA Martin Reeckmann, Regierungsdirektor a.D wie folgt aus:
Die hierbei vom Bundesrat eingenommene Position beinhaltet nichts anderes als das Interesse der Bundesländer an der Aufrechterhaltung der Monopolstellung der landeseigenen Unternehmen im Deutschen Lotto- und Totoblock, das mit der Erweiterung des Sechsten Strafrechtsreformgesetzes unverblümt dem Bundes- und Strafgesetzgeber untergeschoben wurde. Weder der Initiative der Länder noch den nachfolgenden Beratungen in Bundesrat und Bundestag zur Änderung der §§ 284 ff. StGB lagen wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse zu Spielsucht oder Kriminalitätsbelastung privater Glücksspielangebote zu Grunde. Es hat auch keine inhaltliche Erörterung von Fragen der Spielsucht stattgefunden. In den Gesetzesmaterialen finden sich keine diesbezüglichen Hinweise oder Belege. Quelle

Die Unionsrechtswidrigkeit führt zur Unanwendbarkeit der §§ 1 ff GlüStV mit der Folge, dass auch die verwaltungsakzessorischen §§ 284 ff StGB unanwendbar sind.

Aufsatz zur weltweiten Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts durch die Möglichkeit eines Aufrufs einer Internetseite von Deutschland aus
Den BGH-Richtern wird vorgeworfen, dass sie damit ausnahmslos alle Fälle, unabhängig davon, ob sie überhaupt einen inneren Bezug zur Bundesrepublik haben, deutschem Recht unterstellen. Eine solche Sichtweise verkennt den globalen Charakter des Internets. Würde nämlich jeder Staat dieser Erde einer solch uferlosen Ansicht folgen, käme es zum absoluten Chaos.  Quelle

Ebenfalls unanwendbar ist § 9 GlüStV als Rechtsgrundlage für Untersagungsverfügungen, da an das Fehlen einer Erlaubnis, die in unionsrechtswidriger Weise nicht erlangt werden konnte, keine Sanktionen geknüpft werden können, zumal derzeit wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts keine Erlaubnispflicht besteht. Dies darf auch nicht durch eine Heranziehung der subsidiären Vorschriften des Landesstrafrechts (z.B. Art. 7 II BayLStVG i.V.m. § 284 StGB) umgangen werden. (Streinz/Kruis, NJW 2010, 3749 f.)

LG Wiesbaden: Keine Verhängung von Zwangsgeldern aus unionsrechtswidrigem Urteil
Wie der EuGH schon mit Urteil vom 29.04.1999 in der Rechtssache C-224/97 – Ciola deutlich gemacht hat, verbietet der Anwendungsvorrang des Unionsrechts selbstredend auch die Bestrafung aus einem unionsrechtswidrigen Urteil – und zwar gleichgültig, ob dieses Urteil nur vorläufig vollsteckbar oder sogar rechtskräftig ist.

Rechtsbeugung - Wenn Aufsichtsbehörden den Rechtsbruch decken
Das hessische Innenministerium wurde vom Fachbeirat Glücksspielsucht auf Einhaltung des GlüStV verklagt. Obwohl das Ministerium selbst mit der ihr nachgeordneten landeseigenen Glücksspielaufsicht und der ihr unterstellten Justiz gerade für die Einhaltung des Gesetzes sorgen sollte, wurde die Klägerin über die landeseigene Justiz kalt gestellt.  weiterlesen

Richtlinienkonforme Auslegung: Im Zuge einer immer stärker werdenden Europäisierung des Rechts basieren viele Rechtsvorschriften auf einer EU-Richtlinie bzw. EU-Verordnung. Die nationalen Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 AEUV verpflichtet, zur Durchführung einer EU-Richtlinie erlassene Gesetze unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (BGH 09.04.2002 - XI ZR 91/99). Quelle


Prof. Dr. Gerhard Wolf:

Rn 94
Der Satz nulla poena sine lege wurde gleichlautend in § 1 Strafgesetzbuch und in Art. 103 Abs.2 GG aufgenommen. Beachtet wird er bis heute nicht.

Rn 98
Die bedenkenlose Übernahme der "teleologischen Auslegung" nach 1945 verkennt, daß diese "noch heimtückischer" als die gesetzliche Zulassung der Rechtsanalogie zuungusten des Täters war. Sie kommt nur "auf diskreterem Weg zum selben Ergebnis".

Rn 101
Die Schlüsselfrage, um die es im Strafrecht bis heute geht, lautet: Gilt der Satz "nulla poena sine lege" oder gilt er nicht ? Wenn er gilt, hat er den Inhalt, daß die Strafbarkeit, und zwar abschließend, gesetzlich bestimmt ist. Der Richter erkennt nur, ob die Tat dem Gesetz zufolge strafbar ist. Der Gesetzesinhalt wird durch einzelne Tatbestandsmerkmale bestimmt, die insbesondere von der Strafrechtswissenschaft zu definieren sind. Diese Konzeption schließt aus, daß der Beurteiler eigenständig über die Strafbarkeit entscheidet, also etwas dazutut, was im Gesetz nicht enthalten ist. Das ist keine "formale Gesetzestreue", sondern nichts anderes als eine Respektierung der rechtsstaatlich unabdingbaren Gewaltenteilung.   Quelle


Die Urteile des EuGH vom 8. September 2010 (Vorabentscheidungsersuchen C-316-07 u. a. sowie C-409/06) erklären § 5 Abs. 2 des LottStV (Monopole) für unvereinbar mit Art. 43 und 49 EU (Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit). Sie verbieten aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts auch eine übergangsweise Anordnung der Weitergeltung der Rechtsvorschriften des LottStV und der Landesgesetze zur Durchsetzung der staatlichen Glücksspielmonopole. Aus diesen Urteilen lässt sich ableiten, dass auch die Monopole aus § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV und aus den landesrechtlichen Durchführungsgesetzen zum GlüStV als wesentlich inhaltsgleiche Nachfolgevorschriften wegen Unvereinbarkeit mit unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht (Art. 49 und 56 AEUV) ab sofort unanwendbar sind. (FN BayRS 2187-3-I)

Dirk Postel 
Der Begriff "Glücksspiel(monopol)" und die Einheit der Rechtsordnung
JurPC Web-Dok. 71/2005, Abs. 1 - 10

Die Strafrechtsprechung des Bundesgerichtshofs versteht unter einem Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB ein Spiel, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler, sondern allein oder jedenfalls hauptsächlich vom Zufall abhängt.(12) Bei der Prüfung, ob der Ausgang des Spiels hauptsächlich durch den Zufall bedingt ist oder ob er durch Fähigkeiten und Fertigkeiten beeinflusst werden kann, sind die Spielverhältnisse zu Grunde zulegen, unter denen das Spiel eröffnet ist und gewöhnlich betrieben wird, also die Fähigkeiten und Erfahrungen des Durchschnittsspielers und damit die sich aus ihnen in Anbetracht der Fertigkeiten des "Spielmachers" und der Beschaffenheit des Spielmaterials ergebenden Chancen.(13)

(12) BGH, Beschluss vom 29. September 1986 - 4 StR 148/86 -, BGHSt 34, 171; BGH, Urteil vom 04. Februar 1958 - 5 StR 579/57 -, BGHSt 11, 209.
(13) BGH, Beschluss vom 11. Januar 1989 - 2 StR 461/88 -, BGHSt 36, 74; BGH, Urteil vom 18. April 1952 - 1 StR 739/51 -, BGHSt 2, 274 mit Hinweis auf zahlreiche Entscheidungen des Reichsgerichts.

zuletzt aktualisiert: 24.06.2012


zuletzt aktualisiert: 13.10.2012