Dienstag, 30. Mai 2017

HessVGH 8 B 2744/16 – Konzessionsvergabeverfahren verstößt gegen das Transparenzgebot


Keine Berechtigung des Landes Hessen, von einem Sportwettenveranstalter mit Sitz in Malta die Teilnahme an einem Duldungsverfahren zu verlangen, um einer Untersagungsverfügung bzw. einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zu entgehen.

Pressemeldung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2017


Mit Beschluss vom 29. Mai 2017, der den Beteiligten heute bekanntgegeben worden ist, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass das Land Hessen nicht berechtigt ist, von einem Sportwettenveranstalter mit Sitz in Malta die Teilnahme an einem sog. Duldungsverfahren zu verlangen, um einer auf das Veranstalten von Sportwetten bezogenen Untersagungsverfügung bzw. einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zu entgehen.

Zur Begründung hat der 8. Senat in seiner in einem Beschwerdeverfahren getroffenen Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin sei derzeit berechtigt, Sportwetten in Hessen zu veranstalten, ohne hierzu einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zu bedürfen. Die Veranstaltung von Sportwetten durch die Antragstellerin weise einen grenzüberschreitenden Bezug auf und unterfalle daher der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit, in deren Ausübung die Antragstellerin derzeit nicht beschränkt sei.

Denn sowohl das Sportwettenmonopol als auch das für eine Experimentierphase geschaffene Konzessionsvergabeverfahren und die nunmehr vom Land Hessen eröffnete Möglichkeit, eine Duldung im Bereich der Sportwetten zu erlangen, genügten den unionsrechtlichen Anforderungen nicht.

Das vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport durchgeführte Konzessionsvergabeverfahren für die Vermittlung von Sportwetten verletze das unionsrechtlich fundierte sog. Transparenzgebot. Nach diesem Gebot sind alle Bedingungen und Modalitäten des Konzessionsvergabeverfahrens vor dem Vergabeverfahren klar, genau und eindeutig zu formulieren, so dass alle Bieter die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen können.

Das sei hier nicht der Fall gewesen, weil das für die Vergabe maßgebliche Auswahlkriterium unzutreffend angegeben worden sei, und auch die Gewichtung der Auswahlkriterien nicht im Einklang mit den Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages gestanden hätten.

Das staatliche Sportwettenmonopol beschränke die Dienstleistungsfreiheit der Antragstellerin ebenfalls in europarechtlich nicht zulässiger Weise, weil es jedenfalls im Hinblick auf den tatsächlichen Normvollzug an einer kohärenten, d. h. in sich stimmigen, Verfolgung des gesetzgeberischen Ziels der Suchtprävention fehle.

Auch das vor diesem Hintergrund für eine Übergangszeit vom Land Hessen entwickelte Duldungsverfahren widerspreche europarechtlichen Vorgaben. Zum einen gehe es dabei nicht um die Eröffnung eines durch eine Erlaubnis rechtlich abgesicherten Marktzugangs, sondern um die Vermeidung repressiver Maßnahmen, und zum anderen genüge der bloße Hinweis des Landes Hessen im Internet auf die Voraussetzungen, unter denen eine solche Duldung erteilt werden kann, nicht dem Transparenzgebot.

Ob das vom Land Hessen initiierte Duldungsverfahren nach nationalem deutschen Recht zulässig ist, hat das Beschwerdegericht dahinstehen lassen.

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 8 B 2744/16

Quelle: Hessischer Verwaltungsgerichtshof

Hessen gibt Sonderweg bei Regulierung auf
Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte das hessische System am Dienstag gekippt.
Es verstoße gegen EU-Recht, so die Richter.


«Ab dem 1. Januar 2018 kann jeder Anbieter eine Erlaubnis erhalten, solange er die notwendigen Voraussetzungen erfüllt», erklärte Schaich. Voraussetzung: Alle Länderparlamente müssen rechtzeitig zum 1. Januar dem Glücksspiel-Änderungsstaatsvertrag zustimmen. Der sei auch konform mit EU-Recht.
Quelle
Mal schauen ob das Versprechen diesmal gehalten werden kann – seit 1999  gab es zu keiner Zeit eine rechtskonforme Regelung.
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Tipico vor VG Wiesbaden erfolgreich - Ein Monopol für den Schrottplatz

Die 5. Kammer des VG Wiesbaden ist der Auffassung, dass die Beschränkung der Zahl der Konzessionen auf nur zwanzig einen Verstoß gegen europarechtliche Normen, nämlich gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und gegen das aus dem Gleichheitsgebot abgeleitete Transparenzgebot darstellt.

Das Land Hessen habe nicht nachvollziehbar begründen können, wie die Beschränkung auf zwanzig Sportwettenanbieter zu rechtfertigen sei. Gebe es keine nachvollziehbare Begründung, sei diese Beschränkung europarechtswidrig und die entsprechende Regelung im Glücksspielstaatsvertrag nicht anzuwenden. Der Klägerin sei daher die begehrte Konzession zu erteilen, da sie im Übrigen alle Anforderungen erfüllt habe.
VG Wiesbaden, Urt. v. 15.4.2016 – 5 K 1431/14.WI
Pressemitteilung des VG Wiesbaden Nr. 3 v. 15.4.2016
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Deutschland ist Schlusslicht beim Kampf gegen illegales Glücksspiel


  • Umfassende wissenschaftliche Evaluierung der deutschen Glücksspielregulierung sieht große Defizite
  • Staat verschließt Augen vor Nachfrage nach digitalen Glücksspielangeboten
  • Wissenschaftler schlagen umfassende Reform der Glücksspielregulierung vor

Berlin – Im internationalen Vergleich gelingt es Deutschland besonders schlecht, seinen Glücksspielmarkt in geordnete Bahnen zu lenken. Zu diesem Schluss kommt eine umfassende wissenschaftliche Evaluierung der Glücksspielregulierung in Deutschland, die am 29. Mai 2017 in Berlin vorgestellt wurde. Erstmals wurden hierfür auch die Positionen des organisierten Sports und von Glücksspielanbietern berücksichtigt. Im sogenannten „DICE-Kanalisierungsindex“, der sechs europäische Länder vergleicht, belegt Deutschland den letzten Rang – hinter Spitzenreiter Dänemark sowie Großbritannien, Spanien, Frankreich und Polen. Der Index beschreibt, wie geeignet die gesetzgeberischen Maßnahmen eines Landes sind, Glücksspiele aus dem Grau- oder Schwarzmarkt in den regulierten Bereich zu überführen.

Für die Wissenschaftler steht fest: Die jüngst von den Ministerpräsidenten beschlossenen Änderungen am Glücksspielstaatsvertrag, welche nun von allen 16 Landtagen ratifiziert werden müssen, beheben die vorhandenen Defizite nicht. Stattdessen müsste ein Glücksspielmarkt gestaltet werden, auf dem Verbraucher attraktive legale Angebote nutzen können. Nur so kann der Staat die Kontrolle über den bestehenden Markt erlangen.

„Nur, wenn Glücksspiel legal stattfindet, kann der Staat auch seine anderen Ziele erreichen: Verbraucher zu schützen, Spielsucht zu bekämpfen und Manipulationen im Sport zu verhindern“, sagt Prof. Dr. Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Genau damit scheitert die aktuelle Regulierung aber auf ganzer Linie.“

Prof. Dr. Martin Nolte, Direktor des Instituts für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule Köln, ergänzt: „Zahlreiche Verbote und Restriktionen im Staatsvertrag entbehren einer empirischen Grundlage — so auch die Restriktionen in Bezug auf (Live-) Ereigniswetten. Der Gesetzgeber muss hier nachbessern.“

Prof. Dr. Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences kommentiert „Die Vorstellung, es gäbe einen linearen Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit eines Suchtobjektes und dem Ausmaß der Suchthäufigkeit ist völlig antiquiert. Wie aktuelle Suchtstudien belegen, können Verbote sogar kontraproduktiv wirken.“

Für die konkrete Ausgestaltung der Regulierung sollte sich der Gesetzgeber an den Best-Practice-Beispielen Dänemark und Großbritannien – oder auch Schleswig-Holstein – orientieren. Schließlich sei eine umfassende Reform des Glücksspielkollegiums erforderlich, damit an dessen Stelle eine zentrale und verfassungskonforme Kontroll- und Regulierungsbehörde entstehen kann.

Die Studie „Faktenbasierte Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags“ wurde erstellt von:

Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf,

Prof. Dr. Martin Nolte, Direktor des Instituts für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule Köln,

Prof. Dr. Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Die Studie wurde vom Deutschen Sportwettenverband (DSWV) und vom Deutschen Online Casinoverband (DOCV) gefördert.

Für Rückfragen steht zur Verfügung:
Glücksspielstudie
Brunnenstraße 181
10119 Berlin
Telefon: 030 749 27 731
presse@gluecksspielstudie.de


Quellemehr unter Deutscher Sportwettenverband (DSWV)

Studie: Regulierung des Glücksspielmarktes am Ziel vorbei

Deutscher Lottoverband fordert kohärente Gesamtreform


Hamburg – In einer gestern in Berlin vorgestellten Studie kommen gleich drei namhafte Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die aktuelle Glücksspielregulierung in Deutschland dringend und umfassend reformiert werden muss. Der renommierte Wettbewerbsökonom Prof. Dr. Justus Haucap, der Sportrechtswissenschaftler Prof. Dr. Martin Nolte und der Suchtforscher Prof. Dr. Heino Stöver kommen nach gemeinschaftlicher Evaluierung des geltenden Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) zu dem Schluss, dass das aktuelle Regelwerk nicht geeignet ist, einen wirksamen Spieler- und Verbraucherschutz sowie eine effektive Suchtbekämpfung zu erreichen. Auch von den Länderchefs geplanten Änderungen würden diesen Umstand nicht verbessern.

Der Deutsche Lottoverband (DLV) spricht sich ebenfalls für eine gesamtkohärente Regulierung aus, die alle Glücksspielbereiche umfasst. „Die Studie untermauert unsere Forderungen“, so DLV-Präsident Norman Faber. „Wir haben bereits 2007, vor der Unterzeichnung des 1. Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV), vor den verheerenden Auswirkungen auf Lotto, u.a. für die Sportförderung gewarnt“.

Tatsächlich sind den Ländern infolge der Regelungen des GlüStV seit 2008 jährlich bis zu 2-3 Mrd. Euro an Steuern und Zweckerträgen entgangen, die u. a. für die Förderung von Breitensport, Wohlfahrt und Kultur hätten eingesetzt werden können.

Faber warnt vor dem weiteren Rückgang der Steuereinnahmen im Bereich der Lotterien. „Der Lotteriemarkt verliert, auch weil Lotterien heute mehr denn je in Konkurrenz zu anderen Glücksspielen stehen.“ Während die Lotterieumsätze in Deutschland seit Einführung des GlüStV um 26 von rd. 10 auf 7,3 Mrd. Euro einbrachen, sind sie in anderen europäischen Ländern in den vergangenen acht Jahren um bis zu 64 gestiegen. „Die völlig überzogenen Werbe- und Vertriebsbeschränkungen der Lotterien müssen endlich abgeschafft werden; gleichzeitig müssen Veranstaltung und Vertrieb von gemeinnützigen Lotterien erleichtert werden. Nur mit einer rechtskonformen kohärenten Gesamtlösung für alle Glücksspiele können die Lotterieumsätze gesichert und wieder gesteigert werden.“

Der Glücksspielexperte Dr. Luca Rebeggiani (Universität Hannover) hatte in einem bereits in 2010 veröffentlichten Wirtschaftsgutachten prognostiziert, dass die Bundesländer durch angemessene und gefahrenadäquate Lockerung der Werbung und des Vertriebs der aktuell überregulierten Lotterien fast 3 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuern, Zweckerträgen und sonstigen Einnahmen pro Jahr generieren könnten. Sein Appell blieb von den Regierungen der Länder bisher ungehört.

Quelle: Deutscher Lottoverband e.V.

Montag, 22. Mai 2017

BFH Turnierbridge ist gemeinnützig - Pressemitteilung Nr. 29/17 vom 10.5.2017


s.a.: MwSt-Befreiung - Ist Denksport Sport?
Kartenspiele vor dem EuGH
(Rechtssache C-90/16)
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update:
EuGH Rs: C-90/16
Bridge ist kein "Sport" im Sinne des Mehrwertsteuerrechts


BFH:
Wer als gemeinnützig anerkannt ist, ist grundsätzlich von der Körperschaftsteuer befreit.

Pressemitteilung:
Nr. 29 vom 10. Mai 2017
Turnierbridge ist gemeinnützig
Urteil vom 9.2.2017   V R 69/14
Urteil vom 9.2.2017   V R 70/14


Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit den Urteilen vom 9. Februar 2017 V R 69/14 und V R 70/14 entschieden, dass ein Anspruch auf Anerkennung der Förderung von Turnierbridge als gemeinnützig besteht, weil Turnierbridge die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet ebenso fördert wie Sport.


Geklagt hatte ein Dachverband von Bridge-Vereinen in der Bundesrepublik Deutschland, der die Interessen des deutschen Bridge auf nationaler und internationaler Ebene vertritt und für die Organisation und Reglementierung des nationalen und internationalen Wettbewerbsbetriebs sowie die Veranstaltung nationaler und internationaler Wettbewerbe zuständig ist.


Wer als gemeinnützig anerkannt ist, ist grundsätzlich von der Körperschaftsteuer befreit. Dabei sind die als gemeinnützig anerkannten Zwecke, zu denen auch Sport gehört, in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 25 der Abgabenordnung (AO) abschließend aufgezählt. Hiervon nicht umfasste Zwecke können aber gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO für gemeinnützig erklärt werden, wenn durch sie die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos gefördert wird.


Zwar ist Turnierbridge kein Sport (BFH-Urteil vom 9. Februar 2017 V R 69/14). Wie Schach, das als Sport gilt, fördert Turnierbridge aber die Allgemeinheit. Deshalb hat der BFH mit Urteil vom 9. Februar 2017 (V R 70/14) das für den Kläger zuständige Landes-Finanzministerium verpflichtet, Turnierbridge als gemeinnützig anzuerkennen.

Bundesfinanzhof
Pressestelle      Tel. (089) 9231-400
Pressereferent  Tel. (089) 9231-300

Verknüpftes Dokument, siehe auch: 
Urteil des V.  Senats vom 9.2.2017 - V R 69/14
Urteil des V.  Senats vom 9.2.2017 - V R 70/14

Quelle



BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.2.2017, V R 69/14
ECLI:DE:BFH:2017:U.090217.VR69.14.0

Zur Gemeinnützigkeit der Förderung des Turnierbridge

Leitsätze

1. Turnierbridge ist kein Sport i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO.

2. Turnierbridge wird auch nicht von den in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO genannten sog. privilegierten Freizeitbeschäftigungen umfasst.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Zwischenurteil des Finanzgerichts Köln vom 17. Oktober 2013  13 K 3949/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Tatbestand
    
I.
1    
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen Förderung des Sports nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 der Abgabenordnung (AO) --oder anderer im Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO genannter Zwecke-- als gemeinnützig anzuerkennen ist.

2    
Der Kläger ist ein seit 1949 bestehender eingetragener Verein. Er ist ein Dachverband von Bridge-Vereinen, die den Bridgesport in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) auf gemeinnütziger Grundlage pflegen und fördern. Unter ihm befinden sich 14 Regionalverbände und ca. 500 Bridge-Vereine. Hierzu gehören ausweislich der Satzung insbesondere alle bridgesportlichen Aktivitäten, die der Völkerverständigung in Deutschland und im Ausland, dem kulturellen, sozialen und karitativen Austausch mit Menschen verschiedener Nationalität, Herkunft und Generation, der Förderung der Jugend und der Wahrung der besonderen Belange der älteren Generation dienen.

3    
Der Kläger nimmt als nationaler Verband alle Aufgaben wahr, die über die Aufgaben seiner Mitgliedsvereine und Regionalverbände (Mitglieder) hinausgehen. Er ist insbesondere zuständig für die Vertretung der Interessen des deutschen Sports auf nationaler und internationaler Ebene, die Organisation und Reglementierung des nationalen und internationalen Sportbetriebs, die Veranstaltung nationaler und internationaler Wettbewerbe, die Organisation der Öffentlichkeitsarbeit, das Unterrichts- und Turnierwesen und die Verwaltung von Mitgliedsdaten. Nach § 3 seiner Satzung ist er Gründungsmitglied der "European Bridge League" und Mitglied der "World Bridge Federation" (WBF). Er strebt eine Mitgliedschaft im Deutschen Olympischen Sportbund --DOSB-- (Zusammenschluss des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland) an. Der WBF ist als "Recognized International Federation" und "Recognized Member" Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Außerdem ist er Vollmitglied der "General Association of International Sports Federations" --GAISF-- (jetzt: "SportAccord"), einem weltweiten Zusammenschluss von Sportverbänden.

4    
§ 27 der Satzung des Klägers bestimmt, dass bei Auflösung oder Aufhebung des Klägers oder bei Wegfall seines bisherigen Zwecks sein Vermögen unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke zu verwenden ist. Die Hauptversammlung beschließt, wer das Vermögen erhalten soll und für welchen Zweck es zu verwenden ist. Die Beschlüsse der Hauptversammlung dürfen erst ausgeführt werden, nachdem das zuständige Finanzamt seine Zustimmung erteilt hat.

5    
Die Mitglieder des Klägers praktizieren Turnierbridge gemäß den Turnier-Bridge-Regeln des WBF in einem deutschen Ligasystem sowie weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben. Die Wettbewerbe erfolgen nach einer Turnierordnung des Klägers. Der Kläger organisiert den Spielbetrieb für seine Mitglieder in einem deutschen Ligasystem, das ähnlich aufgebaut ist wie Ligasysteme anderer Sportarten (Kreisliga, Regionalliga, Bundesliga). International werden Europa- und Weltmeisterschaften unter Federführung der European Bridge League oder des WBF organisiert, an denen Mitglieder des Klägers teilnehmen.

6    
Unter dem 16. September 2008 (Körperschaftsteuer 2007) und dem 23. Juni 2009 (Körperschaftsteuer 2008) erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Körperschaftsteuerbescheide, in denen er positive Körperschaftsteuerbeträge festsetzte.

7    
Die Einsprüche hiergegen wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 6. November 2009 als unbegründet zurück.

8    
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. § 52 Abs. 2 Satz 1 AO durch sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 484 veröffentlichtes Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgewiesen und die Entscheidung über die Gemeinnützigkeit auf der Basis der Öffnungsklausel gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO dem Endurteil, das Gegenstand der Revision V R 70/14 ist, vorbehalten.

9    
Turnierbridge falle nicht unter den abschließenden Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 25 AO. Insbesondere sei die Förderung von Turnierbridge keine Förderung des Sports i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO. Es könne dahingestellt bleiben, ob Turnierbridge das Gesundheitswesen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO), die Jugend- und Altenhilfe (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO), die Erziehung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO) oder die Völkerverständigung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 AO) fördere, weil die Satzung des Klägers diese Zwecke nicht aufführe und auch die tatsächliche Geschäftsführung nicht auf eine ausschließliche und unmittelbare Förderung dieser steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sei. Die vorgenannten Zwecke würden allenfalls mittelbar oder zufällig mit verwirklicht.

10    
Turnierbridge sei auch nicht in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO als sog. "privilegierte Freizeitbeschäftigung" aufgeführt. Diese Aufzählung sei abschließend und es reiche nicht aus, wenn eine Tätigkeit Ähnlichkeiten hierzu aufweise.

11    
Die abschließende Entscheidung über die Steuerbefreiung sei dem Endurteil vorbehalten, denn die Anerkennung der Gemeinnützigkeit könne sich auch ergeben, wenn Turnierbridge nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO als neuer Zweck für gemeinnützig erklärt werde und der Kläger die übrigen Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfülle. Das Verfahren nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO sei ein eigenständiges Verwaltungsverfahren, wodurch das FG an einer abschließenden Entscheidung über die Gemeinnützigkeit gehindert sei, solange jenes Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei.

12
Mit der Revision im Verfahren wegen Anerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 AO macht der Kläger Verletzung materiellen Rechts geltend. Im Verfahren wegen Anerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO hat der Senat mit Urteil vom 9. Februar 2017 in der Sache V R 70/14 entschieden.

13    
Das FG habe unzutreffend entschieden, dass Turnierbridge nicht unter den Begriff des Sports in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO falle. Es gebe keinen vorrechtlichen und auch keinen rechtlichen Begriff des Sports i.S. einer allgemeinen Definition. Vielmehr umfasse der Begriff des Sports nach dem allgemeinen und im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelten Verständnis nicht nur Leibesübungen, sondern die verschiedensten Formen von an spielerischer Selbstentfaltung und am Leistungsstreben orientierter menschlicher Betätigung, die der körperlichen und geistigen Beweglichkeit diene. Die von der Rechtsprechung geforderte körperliche Aktivität werde im Übrigen auch beim Turnierbridge entfaltet. Im Gegensatz zum Freizeitbridge sei das als Wettkampf betriebene Turnierbridge mit erheblicher körperlicher Anstrengung verbunden. Zudem verkenne das FG, dass bei Denksportarten das Gehirn als Körperteil ertüchtigt werde.

14    
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die Begünstigung des Schachspiels beruhe auf einer gesetzlichen Fiktion, die nicht im Wege der Analogie ausgeweitet werden könne, sei unzutreffend.

15    
Im Übrigen sei in anderen europäischen Ländern der nationale Bridgeverband im jeweiligen Nationalen Olympischen Komitee vertreten bzw. resortiere beim jeweiligen Sportministerium. Die internationale Anerkennung von Bridge als Sport werde auch durch die Mitgliedschaft des WBF in internationalen Sportorganisationen und Sportvereinigungen deutlich.

16    
Das FG habe zudem zu Unrecht entschieden, dass die in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO geregelte Aufzählung abschließend sei. Turnierbridge sei hinsichtlich seiner, die steuerrechtliche Förderung rechtfertigenden Merkmale den im Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO genannten Freizeitgestaltungen identisch und werde daher auch von dieser Regelung umfasst.

17    
Der Kläger regt an, das Verfahren im Hinblick auf das Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) C-90/16 The English Bridge Union auszusetzen.

18    
Der Kläger beantragt,

das FG-Urteil bezüglich des Verfahrens über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 AO aufzuheben und das FA zu verpflichten, ihn, den Kläger, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 6. November 2009 und Änderung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide als gemeinnützige Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG anzuerkennen.

19    
Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

20    
Es unterstützt im Wesentlichen die Gründe des FG-Urteils.

Entscheidungsgründe
    
II.

21    
Die Revision ist statthaft. Sie ist aber unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

22    
1. Die Revision ist statthaft. Zwischenurteile i.S. des § 99 Abs. 2 FGO sind selbständig mit der Revision anfechtbar (BFH-Urteile vom 4. Februar 1999 IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139, Rz 20; vom 9. September 1993 IV R 14/91, BFHE 173, 40, BStBl II 1994, 250, Rz 8).

23    
2. Der Erlass eines Zwischenurteils war gemäß § 99 Abs. 2 FGO zulässig. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und die Beteiligten nicht widersprechen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

24    
a) Ein Zwischenurteil darüber, ob die Förderung des Turnierbridge durch den Kläger von dem abschließenden Katalog der Förderung der Allgemeinheit dienender Zwecke des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 25 AO umfasst wird, ist entscheidungserheblich und sachdienlich, weil es sich um eine Vorfrage handelt, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 19. März 2009 V R 50/07, BFHE 225, 224, BStBl II 2010, 78, Rz 19; in BFHE 187, 418, BStBl II 2000, 139, Rz 23).

25
b) Nach dem Zweck der Vorschrift, das gerichtliche Verfahren zu beschleunigen, muss darüber hinaus wenigstens eine weitere Rechtsfrage entscheidungserheblich sein, weil bei nur einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage das FG sogleich durch Endurteil entscheiden muss (BFH-Urteil in BFHE 225, 224, BStBl II 2010, 78, Rz 19). Die zweite entscheidungserhebliche Rechtsfrage, deren Beantwortung sich bei Entscheidung über die im Zwischenurteil entschiedene Rechtsfrage je nach deren Ergebnis erübrigen würde, ist darin zu sehen, ob der Kläger einen Anspruch auf Anerkennung des von ihm geförderten Zwecks als gemeinnützig nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO hat.

26    
3. Die Entscheidung des FG, dass der Kläger nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG i.V.m. § 52 Abs. 2 Satz 1 AO von der Körperschaftsteuer befreit ist, weil Turnierbridge nicht unter die Katalogzwecke des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 25 AO falle, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27    
a) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 sind als Förderung der Allgemeinheit die in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 25 AO genannten Tätigkeiten anzuerkennen. Die Aufzählung in § 52 Abs. 2 Nrn. 1 bis 24 AO ist abschließend.

28    
b) Die Förderung des Turnierbridge durch den Kläger ist keine Förderung des Sports i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO. Mangels einer gesetzlichen Definition umfasst der Begriff des Sports i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO nur Betätigungen, die die allgemeine Definition des Sports erfüllen und der körperlichen Ertüchtigung dienen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. November 1986 I R 204/85, BFH/NV 1987, 705, Rz 10; BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1987 I B 68/87, nicht veröffentlicht --n.v.--, Rz 17). Vorauszusetzen ist daher eine körperliche, über das ansonsten übliche Maß hinausgehende Aktivität, die durch äußerlich zu beobachtende Anstrengungen oder durch die einem persönlichen Können zurechenbare Kunstbewegung gekennzeichnet ist. Die Ausführung eines Spiels in Form von Wettkämpfen und unter einer besonderen Organisation allein machen es noch nicht zum Sport i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO (BFH-Urteile vom 17. Februar 2000 I R 108/98, I R 109/98, BFH/NV 2000, 1071, Rz 35; vom 29. Oktober 1997 I R 13/97, BFHE 184, 226, BStBl II 1998, 9, Rz 10, jeweils zu § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977; ebenso Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO-- zu § 52 AO, Tz. 6, sowie Musil in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 52 AO Rz 185 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 52 AO Rz 46 ff.; Krüger in Schwarz/Pahlke, AO, § 52 Rz 41 f.; Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 52 Rz 54; Klein/Gersch, AO, 13. Aufl., § 52 Rz 40; Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 11. Aufl., S. 78 ff.; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl., Rz 3.120 ff.). Nach diesen Grundsätzen kann das Bridgespiel nicht als Sport beurteilt werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1071, Rz 35; BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1987 I B 68/87, n.v., Rz 19; ebenso AEAO zu § 52 AO, Tz. 6).

29    
c) Dass gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO Schach als Sport gilt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Da es sich bei der Bestimmung des § 52 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 AO um eine gesetzliche Fiktion zugunsten des Schachspiels handelt, scheidet eine Analogie zugunsten des Turnierbridge aus. Im Übrigen hätte es dieser Sonderregelung nicht bedurft, wenn auf das Erfordernis der körperlichen Ertüchtigung durch den Sport verzichtet werden könnte (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1071, Rz 38).

30    
d) Das FG hat zudem zu Recht entschieden, dass die Förderung von Turnierbridge durch den Kläger auch keine Förderung von anderen in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 20, 22 bis 25 AO genannten Zwecken ist. Weder führt die Satzung des Klägers die in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 (Gesundheitswesen), Nr. 4 (Jugend- und Altenhilfe), Nr. 7 (Erziehung) und Nr. 13 (Völkerverständigung) genannten Zwecke auf (vgl. § 60 AO zur Satzungsanforderung) noch ist die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO) auf eine ausschließliche und unmittelbare Förderung dieser steuerbegünstigten Zwecke gerichtet. Die vorgenannten Zwecke werden allenfalls mittelbar oder "zufällig" mit verwirklicht.

31    
e) Turnierbridge ist auch nicht in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 als sog. "privilegierte Freizeitbeschäftigung" aufgeführt. Diese Katalogziffer führt in loser Aufzählung eine Reihe von Freizeittätigkeiten auf. Da diese Aufzählung abschließend ist, reicht es nicht aus, wenn eine Tätigkeit hierzu Ähnlichkeiten aufweist (Urteil vom 14. September 1994 I R 153/93, BFHE 176, 229, BStBl II 1995, 499, Rz 30).

32    
4. Das Verfahren war auch nicht --wie vom Kläger angeregt-- im Hinblick auf die dem EuGH im Verfahren C-90/16 The English Bridge Union vorliegende Frage, ob Bridge als "Sport" i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ist, auszusetzen. Zwar kommt eine Verfahrensaussetzung in entsprechender Anwendung von § 74 FGO in Betracht, wenn die Beantwortung einer dem EuGH vorliegenden Rechtsfrage vorgreiflich ist (BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 2012 V R 25/11, BFH/NV 2012, 2032; vom 12. Januar 2012 V R 7/11, BFH/NV 2012, 817). Da das Körperschaftsteuerrecht --im Gegensatz zum Umsatzsteuerrecht-- unionsrechtlich nicht harmonisiert ist, ist die Beantwortung einer Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL betreffenden Rechtsfrage nicht vorgreiflich für das vorliegende Verfahren.

33    
5. Die Kostenentscheidung ist dem Endurteil vorbehalten (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juli 2012 III R 43/11, BFH/NV 2013, 86, Rz 21; vom 10. Dezember 2003 IX R 41/01, BFH/NV 2004, 1267, Rz 24).

Verknüpftes Dokument, siehe auch:  Pressemitteilung Nr. 29/17 vom 10.5.2017

Quelle



BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.2.2017, V R 70/14
ECLI:DE:BFH:2017:U.090217.VR70.14.0

Die Förderung von Turnierbridge ist für gemeinnützig zu erklären - Verfahren nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO

Leitsätze

1. Aus der Generalklausel des § 52 Abs. 1 AO und einem Vergleich mit dem in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO genannten Katalogzweck "Schach" ergibt sich, dass auch die Förderung von Turnierbridge für gemeinnützig zu erklären ist.

2. Eine "entsprechende" Förderung i.S. des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO verlangt, dass der Zweck die Allgemeinheit in vergleichbarer Weise fördert wie die in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 25 AO genannten Zwecke.

3. Erfüllt der von einer Körperschaft verfolgte Zweck die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO, ist er für gemeinnützig zu erklären; ein Ermessen der Verwaltung besteht nicht.

4. Bei dem Verfahren nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren mit Verwaltungsaktqualität.

5. Kommt ein Landes-Finanzministerium seiner Verpflichtung zur Bestimmung einer Behörde nach § 52 Abs. 2 Satz 3 AO nicht nach, ist das jeweilige Finanzministerium als oberste Finanzbehörde des Landes zuständig.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 17. Oktober 2013  13 K 3949/09 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand
    
I.

1
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) nach der Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Abgabenordnung (AO) als gemeinnützig anzuerkennen ist oder ob er jedenfalls einen Anspruch auf erneute Bescheidung seines diesbezüglichen Antrags hat.

2    
Der Kläger ist ein seit 1949 bestehender, im Vereinsregister eingetragener Verein. Er ist ein Dachverband von Bridge-Vereinen, die den Bridgesport in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) pflegen und fördern. Unter ihm befinden sich 14 Regionalverbände und ca. 500 Bridgevereine. Hierzu gehören ausweislich der Satzung insbesondere alle bridgesportlichen Aktivitäten, die der Völkerverständigung in Deutschland und im Ausland, dem kulturellen, sozialen und karitativen Austausch mit Menschen verschiedener Nationalität, Herkunft und Generation, der Förderung der Jugend und der Wahrung der besonderen Belange der älteren Generation dienen.
3    
Der Kläger nimmt als nationaler Verband alle Aufgaben wahr, die über die Aufgaben seiner Mitgliedsvereine und Regionalverbände (Mitglieder) hinausgehen. Er ist insbesondere zuständig für die Vertretung der Interessen des deutschen Sports auf nationaler und internationaler Ebene, die Organisation und Reglementierung des nationalen und internationalen Sportbetriebs, die Veranstaltung nationaler und internationaler Wettbewerbe, die Organisation der Öffentlichkeitsarbeit, das Unterrichts- und Turnierwesen und die Verwaltung von Mitgliederdaten. Nach § 3 seiner Satzung ist er Gründungsmitglied der "European Bridge League" und Mitglied der "World Bridge Federation" (WBF). Er strebt eine Mitgliedschaft im Deutschen Olympischen Sportbund (Zusammenschluss des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland) an. Die WBF ist als "Recognized International Federation" und "Recognized Member" Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Außerdem ist er Vollmitglied der "General Association of International Sports Federations" (jetzt: "SportAccord"), einem weltweiten Zusammenschluss von Sportverbänden.

4
Die Mitglieder des Klägers praktizieren Turnierbridge gemäß den Regeln des WBF in einem deutschen Ligasystem sowie weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben. Wettbewerbe werden nach einer Turnierordnung des Klägers ausgerichtet. Der Kläger organisiert den Spielbetrieb für seine Mitglieder in einem deutschen Ligasystem, das ähnlich aufgebaut ist wie Ligasysteme anderer Sportarten (Kreisliga, Regionalliga, Bundesliga). International werden Europa- und Weltmeisterschaften unter Federführung der European Bridge League oder des WBF organisiert, an denen Mitglieder des Klägers teilnehmen.

5    
Unter dem 16. September 2008 (Körperschaftsteuer 2007) und dem 23. Juni 2009 (Körperschaftsteuer 2008) erließ das Finanzamt (FA) Körperschaftsteuerbescheide, in denen es positive Körperschaftsteuerbeträge festsetzte. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Zwischenurteil als unbegründet ab; die Revision (V R 69/14) hat der erkennende Senat mit Urteil vom 9. Februar 2017 als unbegründet zurückgewiesen.

6
Mit Schreiben vom 31. März 2009 beantragte der Kläger beim FA, den Bridgesport nach der sog. Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO für gemeinnützig zu erklären. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 29. November 2010 ab und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2012 als unbegründet zurück.

7    
Daneben teilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen --Finanzministerium--) dem Kläger mit Schreiben vom 9. November 2012 mit, dass eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO nicht in Betracht komme. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

8    
Der Kläger erhob gegen die Ablehnung seines Antrags auf Anerkennung nach der Öffnungsklausel (Anfechtungs-)Klage gegen das FA und hinsichtlich des ablehnenden Schreibens des Finanzministeriums (Verpflichtungs-)Klage gegen das Finanzministerium. Das FG gab den Klagen mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 484 veröffentlichten Urteil statt:

9    
Der Ablehnungsbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung sei schon deshalb rechtswidrig, weil das FA für Entscheidungen nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO nicht zuständig sei.

10    
Auch die gegen das Finanzministerium gerichtete Verpflichtungsklage sei zulässig und begründet. Die Regelung des § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO stelle ein vom Veranlagungsverfahren getrenntes eigenständiges Verfahren dar, das dem Kläger einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Entscheidung über die Aufnahme eines neuen steuerbegünstigten Zwecks gewähre. Bei dem Schreiben vom 9. November 2012 handele es sich um einen ablehnenden Verwaltungsakt.

11    
Das Finanzministerium sei der richtige Beklagte, weil das Land keine Zentralbehörde bestimmt habe und es deshalb bei einer Zuständigkeit des Beklagten bleibe. Der Verpflichtungsantrag sei auch begründet, weil der Kläger einen Anspruch auf Anerkennung von Turnierbridge als gemeinnützigem Zweck habe.

12    
Das Finanzministerium wendet sich mit der Revision gegen die vom FG ausgesprochene Verpflichtung, Turnierbridge im Wege der sog. Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO als gemeinnützig anzuerkennen.

13    
Zur Begründung trägt das Finanzministerium vor, das Anerkennungsverfahren sei kein eigenständiges Verfahren. Vielmehr sei über die Anerkennung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens bzw. im Rahmen des Verfahrens nach § 60a AO zu entscheiden.

14    
Die Entscheidung über die Gemeinnützigkeit zusätzlicher Zwecke stelle mangels Außenwirkung gegenüber dem Kläger keinen Verwaltungsakt dar. Sie entfalte bloß Innenwirkung gegenüber dem jeweiligen Veranlagungs-FA und sei nicht selbständig anfechtbar.

15    
Das FG habe Turnierbridge im Rahmen der Öffnungsklausel zu Unrecht als zusätzlichen gemeinnützigen Zweck anerkannt, denn nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO könnten nur im Zeitpunkt der Einführung dieser Norm noch nicht bekannte Zwecke anerkannt werden. Mit der Öffnungsklausel habe den Finanzbehörden die Möglichkeit eröffnet werden sollen, auf sich ändernde gesellschaftliche Verhältnisse zu reagieren.

16    
Eine Anerkennung des Turnierbridge als zusätzlicher gemeinnütziger Zweck sei auch unter dem Gesichtspunkt des Gewaltenteilungsgrundsatzes fragwürdig. Denn es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sich gegen eine Anerkennung von Turnierbridge entschieden habe, weil er Turnierbridge nicht in den Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO aufgenommen habe. Eine etwaige Anerkennung durch die Finanzverwaltung stehe in einem Widerspruch zu dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen.

17    
Eine Anerkennung des Turnierbridge komme im Übrigen nicht in Betracht, weil Freizeitaktivitäten nur im Rahmen des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO anzuerkennen seien. Die Freizeitaktivität müsse entweder in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO ausdrücklich genannt oder aber hinsichtlich der Merkmale, die die steuerrechtliche Förderung rechtfertigen, mit den im Katalog genannten Freizeitaktivitäten identisch sein.

18    
Das beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) macht geltend, eine Anerkennung nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO komme nur in Betracht, wenn der verfolgte Zweck in gleicher Weise und mindestens in gleichem Umfang wie die Förderung der in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO genannten gemeinnützigen Zwecke geeignet sei, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet zu fördern. Das sei bei Turnierbridge nicht der Fall.

19    
Das Finanzministerium beantragt,

das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20    
Das beigetretene BMF hat keinen Antrag gestellt.

21    
Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

22    
Gegen die Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 29. November 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14. November 2012 hatte auch das FA Revision eingelegt, nahm diese aber mit Schriftsatz vom 28. Februar 2014 wieder zurück.

Entscheidungsgründe
    
II.
23
Die Revision des Finanzministeriums ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

24    
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger einen Anspruch gegen das Finanzministerium auf Anerkennung der Förderung von Turnierbridge als gemeinnützig nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO, § 101 Satz 1 FGO hat, weil Turnierbridge zwar nicht unter § 52 Abs. 2 Satz 1 AO fällt, die Allgemeinheit aber auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos fördert.

25    
1. Der vom Kläger verfolgte Zweck ist die Förderung von Turnierbridge. Dieser Zweck fällt nicht unter § 52 Abs. 2 Satz 1 AO, fördert aber die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend. "Entsprechend" bedeutet, dass der gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO zu prüfende Zweck die Allgemeinheit in vergleichbarer Weise fördert wie die in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 25 AO genannten Zwecke. Das Gesetz verlangt keine Zweckidentität, sondern eine Gleichartigkeit (Vergleichbarkeit) der Zwecke. Die Entscheidung über die Gemeinnützigkeit dieses Zwecks ist damit auf der Grundlage der Wertungen des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO zu treffen. Dabei muss sich die Entscheidung an Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) messen lassen. Der von der Körperschaft verfolgte Zweck muss sich folgerichtig in das Förderprogramm des Gesetzes einpassen, wie es in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO zum Ausdruck kommt. Er muss sich aber nicht erst aufgrund einer neuen gesellschaftlichen Entwicklung herausgebildet haben. Zwar hat das Gesetz zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements (BGBl I 2007, 2332) § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO eingeführt, um den Finanzbehörden die Gelegenheit zu geben, auf sich ändernde gesellschaftliche Verhältnisse zu reagieren (vgl. den Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/5985, S. 11). Veränderte gesellschaftliche Voraussetzungen gehören aber nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anerkennung (so auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 52 AO Rz 70). Vielmehr darf der von der Körperschaft verfolgte Zweck nicht unter § 52 Abs. 2 Satz 1 AO fallen, muss die Allgemeinheit aber auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos fördern.

26
2. Nach diesen Maßstäben muss die Förderung von Turnierbridge für gemeinnützig erklärt werden. Dies ergibt sich sowohl aus einem Vergleich von Turnierbridge mit dem in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO genannten Katalogzweck "Schach" als auch aus der Generalklausel des § 52 Abs. 1 AO.

27    
a) Nach § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO sind als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen: "die Förderung des Sports (Schach gilt als Sport)". Turnierbridge weist erhebliche Ähnlichkeiten zum Schach auf. Auch das vom Kläger organisierte Turnierbridge ist aufgrund der Spielmodalitäten weitestgehend von Zufallselementen befreit. Zudem erfordert Turnierbridge, ebenso wie Schach, erhebliche intellektuelle Anstrengungen sowie hohe Merk-, Konzentrations- und Kombinationsfähigkeiten. Die Aufnahme von Schach in den Gemeinnützigkeitskatalog (vgl. BTDrucks 8/3142, S. 3) ist gerade damit begründet worden, dass die intellektuelle und willensmäßige Anspannung beim Schach zu folgerichtigem Denken erzieht, Kombinations- und Konzentrationsfähigkeit übt und Entschlusskraft und kritische Selbsteinschätzung fördert. Diese Kriterien treffen ebenso auf Turnierbridge zu. Es ist deshalb aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen kein Differenzierungsgrund erkennbar, der es rechtfertigen könnte, Schach als gemeinnützig zu fördern, Turnierbridge dagegen nicht.

28    
Turnierbridge weist überdies Elemente zahlreicher anderer Katalogzwecke auf, ohne unmittelbar unter einen subsumiert werden zu können. So ähnelt Turnierbridge insoweit dem Sport (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO), als Turnierbridge ebenso wie verschiedene Sportarten in einem deutschen Ligasystem sowie weiteren nationalen und internationalen Wettbewerben betrieben wird. Das System ist in Anlehnung zu anderen Sportarten organisiert, international wird Bridge vielfach als Sportart angesehen, wie u.a. die Aufnahme als "Recognized Member" in das IOC zeigt. Der Kläger organisiert Turnierbridge dabei in einer Art und Weise, die der Förderung des Breitensports durch Sportvereine nahe kommt und ähnlich positive Wirkungen für die Allgemeinheit hat.

29    
b) Damit fördert der vom Kläger verfolgte Zweck die Allgemeinheit insbesondere auf geistigem Gebiet (entsprechend dem Katalogzweck Schach), aber auch auf sittlichem Gebiet entsprechend den vom Gesetz in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO herausgestellten gemeinnützigen Zwecken und ist deshalb als gemeinnützig zu erklären. Obschon die Norm auf ihrer Rechtsfolgenseite mit dem Wort "kann" auf ein Ermessen der Finanzbehörde hindeutet, hat die Behörde bei ihrer Entscheidung nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO kein Ermessen im eigentlichen Sinne. Vielmehr drückt die Norm damit ihre tatbestandliche Öffnung für weitere, im Gesetz nicht explizit genannte Zwecke aus. Erfüllt der von der Körperschaft verfolgte Zweck die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO, ist er gemeinnützig und muss als solcher erklärt werden (so auch die h.M. im Schrifttum, vgl. z.B. Geibel in Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, 2017, § 52 AO Rz 255, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 52 AO Rz 72; vgl. auch unter 3.d).

30    
3. Das Finanzministerium ist --wie das FG zutreffend entschieden hat-- verpflichtet, Turnerbridge gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 AO anzuerkennen.

31    
a) Die Verpflichtungsklage ist statthaft. Der Kläger begehrt die Verurteilung des Finanzministeriums zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts. Bei dem Verfahren nach § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren mit Verwaltungsaktqualität (zutreffend Seer in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 52 AO Rz 72; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl., Köln 2015, Rz 3.151, 3.153; derselbe, Der Betrieb --DB-- 2007, 2053, 2055; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, Tübingen 2010, S. 164; Schauhoff/Kirchhain, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 1985, 1990; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 52 AO Rz 258; wohl auch Klein/Gersch, AO, 13. Aufl., § 52 Rz 50; Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 52 Rz 67). Die Entscheidung der Behörde über die Gemeinnützigkeit hat nicht nur Innenwirkung gegenüber dem FA und bildet keinen nicht selbständig anfechtbaren Teil der Begründung des Körperschaftsteuerbescheids des FA (a.A. Jachmann in Beermann/Gosch, AO § 52 Rz 125, die von einer Ermessensentscheidung der Behörde ausgeht; Muth, Steuern und Bilanzen 2008, 94, 95; Nacke, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 445, 453; Schauhoff/Kirchhain, DStR 2007, 1985, 1990).

32    
Denn das verfassungsrechtlich verankerte Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet es, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu eröffnen, die Anerkennung unmittelbar gegenüber der zuständigen Behörde durchzusetzen. Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen ihm von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um Eingriffe in geschützte Rechtspositionen oder die Versagung gesetzlich eingeräumter Leistungsansprüche handelt (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 31. Mai 2011  1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1, 20, Rz 68; vom 23. Mai 2006  1 BvR 2530/04, BVerfGE 116, 1, 11; vom 25. Oktober 1988  2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69, 74; vom 20. April 1982  2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 297; vom 19. Oktober 1977  2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, 177 ff.; vom 29. Oktober 1975  2 BvR 630/73, BVerfGE 40, 272, 275; vom 27. April 1971  2 BvR 708/65, 31, 33 <39 f.="">; BVerfG-Urteil vom 18. Juli 2005  2 BvR 2236/04, BVerfGE 113, 273, 310; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Oktober 2014 X R 18/14, BFHE 247, 312, BStBl II 2015, 371, Rz 44; BFH-Beschluss vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, Rz 24).

33    
aa) Eine nur Inzidenter-Prüfung im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Körperschaftsteuerbescheid erfüllt diese Anforderungen nicht, weil der Körperschaft damit die Möglichkeit genommen würde, sich unmittelbar gegen die eigentlich ablehnende Entscheidung zu wehren. Sie könnte sich nur mittelbar über den Körperschaftsteuerbescheid gegen eine Behörde (das FA) wenden, die die ablehnende Entscheidung gar nicht getroffen hat. Zudem ist auch ungeklärt, wie eine Körperschaft im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Körperschaftsteuerbescheid ihren Anspruch auf Anerkennung nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO durchsetzen können soll. Denn die Finanzgerichte können weder die Körperschaftsteuer selbst auf Null herabsetzen, weil sie nicht selbst die Anerkennung aussprechen können, noch können sie die Finanzämter als nicht zuständige Behörden zu einer anerkennenden Entscheidung im Festsetzungsverfahren verpflichten. Das FG hat daher zutreffend entschieden, dass diese verfahrensrechtlichen Fiktionen nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt sein können und sich von anderen Fällen, in denen bloße verwaltungsinterne Zustimmungserfordernisse bestehen, unterscheiden.

34    
bb) Im Streitfall kommt hinzu, dass das Finanzministerium gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 9. November 2012 tatsächlich einen ablehnenden Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frage, ob eine Maßnahme Verwaltungsaktqualität hat, ist der Auslegung zugänglich (vgl. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 118 AO Rz 51 f.). Maßgeblich ist, wie der Bekanntgabeadressat den Ausspruch nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen durfte und musste (Seer, a.a.O., § 118 AO Rz 52, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist zwar kein Bestandteil des Verwaltungsakts, dem Vorhandensein oder Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung kommt aber eine gewisse Indizwirkung zu (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980). Vorliegend ist dem Schreiben vom 9. November 2012 zwar keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen. Da der Kläger aber beim FA mit Schreiben vom 31. März 2009 einen anerkennenden Verwaltungsakt beantragt hat, hat er die ablehnende Antwort des Finanzministeriums nur als ablehnenden Verwaltungsakt verstehen können.

35    
b) Das Finanzministerium ist auch der richtige Beklagte. Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 AO haben die obersten Finanzbehörden der Länder jeweils eine Finanzbehörde im Sinne des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) zu bestimmen, die für Entscheidungen nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO zuständig ist. Da das Land NRW seiner in § 52 Abs. 2 Satz 3 AO geregelten rechtlichen Verpflichtung eine Zentralbehörde zu bestimmen, nicht nachgekommen ist, hat das FG zutreffend entschieden, dass es mangels ausgeübter Delegation bei der Zuständigkeit des Finanzministeriums als oberste Finanzbehörde bleibt.

36    
c) Ein Vorverfahren ist vorliegend entbehrlich, weil gemäß § 44 Abs. 1 FGO i.V.m. § 348 Nr. 3  2. Alternative AO ein Einspruch gegen Verwaltungsakte der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nicht statthaft ist, außer wenn ein Gesetz das Einspruchsverfahren vorschreibt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 FVG i.V.m. § 3 des Landesorganisationsgesetzes NRW (LOG NRW) ist das Finanzministerium die für die Landesfinanzverwaltung NRW zuständige oberste Landesbehörde. Ein Einspruchsverfahren ist für Fälle des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO nicht gesetzlich vorgeschrieben.

37    
d) Der gerichtliche Prüfungsumfang ist nicht gemäß § 102 FGO eingeschränkt, denn die Regelung des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO ist keine Ermessensvorschrift i.S. des § 5 AO (s. oben zu 2.b; vgl. ferner Hüttemann, a.a.O., Rz 3.151, Rz 3.153; derselbe, DB 2007, 2053, 2055; Droege, a.a.O., S. 164; Schauhoff/ Kirchhain, DStR 2007, 1985, 1990; Musil in HHSp, § 52 AO Rz 257; Klein/Gersch, a.a.O., § 52 Rz 50; Koenig, a.a.O., § 52 Rz 67; a.A. Jachmann in Beermann/Gosch, § 52 AO Rz 125).

38    
e) Die in Tz. 2.6 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 52 AO vorgesehene bundeseinheitliche Abstimmung hindert den Senat nicht daran durchzuentscheiden. Es handelt sich dabei um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung, die lediglich Ausdruck der Rechtsmeinung der Verwaltungsbehörde ist und keine Bindungswirkung für die Gerichte entfaltet (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 24. August 2016 X R 11/15, BFH/NV 2017, 300, Rz 26; vom 5. September 2013 XI R 7/12, BFHE 242, 399, BStBl II 2014, 37, Rz 20).

39    
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Verknüpftes Dokument, siehe auch:  Pressemitteilung Nr. 29/17 vom 10.5.2017


Quelle

Gaming Summit 2017 - Kongress der Automatenwirtschaft – Berlin


Gaming Summit 2017
Kongress der Automatenwirtschaft – Berlin

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Es gibt nur noch wenige Karten für den Gaming Summit 2017, der am 1. Juni in Berlin stattfinden wird. Sichern Sie sich jetzt noch Ihr Ticket!

Für den Gaming Summit – Kongress der Automatenwirtschaft am 1. Juni in Berlin sind nur noch ganz wenige Karten zu haben. Bei dem Kongress in Berlin werden unter anderem der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki und Prof. Dr. Tilmann Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel der Uni Hohenheim, über die Zukunft der Spielregulierung diskutieren.

Die Spielregulierung durch den Glücksspielstaatsvertrag hat für das gewerbliche Automatenspiel verheerende Folgen.
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Donnerstag, 18. Mai 2017

Mehr zum VG Osnabrück - Das Losverfahren war rechtswidrig !


zum Urteil
Glücksspiel um zusätzlich benötigte Glücksspielkonzessionen mit der Existenz tausender Beschäftigter, als Spieleinsatz!

HAZ – Hannoversche Allgemeine:
Ist das Glücksspiel ums Glücksspiel rechtswidrig?
 

Liegen zwei Spielhallen nicht 100 Meter auseinander, muss eine davon schließen. Per Los wurde entschieden welche. Die Betroffen laufen gegen das Losverfahren von Wirtschaftsminister Olaf Lies Sturm.

Spielhallenbeschäftigte demonstrieren für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Der Protestzug marschierte vom HCC in die Innenstadt.
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Ein intransparentes Vergabeverfahren führt zur Günstlingswirtschaft.


Nur durch die Einhaltung der Vergabevorschriften und der Durchführung eines transparenten und für jedermann nachvollziehbaren Verfahrens kann eine mögliche Korruption vermieden werden!

Bereits das Sportwetten - Konzessionsverfahren wurde an die Wand gefahren!

BVerwG: Erlaubnisverfahren für private Sportwettenanbieter muss transparent sein
Pressemitteilung Nr. 54/2016 vom 16.06.2016 (BVerwG 8 C 5.15)

VGH-Kassel: Konzessionsverfahren nicht verfassungskonform
8 B 883/15 (VG Wiesbaden 5 L 1448/14)

VG Wiesbaden stoppt Konzessionsverfahren vorläufig für mehrere Jahre
(VG Wiesbaden 5 L 1448/14)

VG Wiesbaden: Konzessionsverfahren unionsrechtswidrig
(VG Wiesbaden, 5 L 1453/14)

Verwaltungsgericht Frankfurt: Sportwettenkonzessionsverfahren rechtswidrig, Transparenzgebot nicht eingehalten, Beschlüsse des „Glücksspielkollegiums“ grundsätzlich in Frage gestellt (VG Frankfurt a.M., 2 L 3002/14.F)

Nun wiederholen sich die gleichen Fehler bei der Erteilung von glückspielrechtlichen Erlaubnissen, die nach dem Ablauf der Übergangsfrist am 30.06.2017 die Betreiber von Bestandsspielhallen zusätzlich benötigen.

Die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit gilt auch für die Automatenaufsteller, wodurch alle EuGH-Urteile dazu auch für das Spielhallenrecht anzuwenden ist.
(vgl. u.a. Admiral (C-464/15) Rn 22 ff, EuGH Berlington (C-98/14) Rn 90, Pfleger (C-390/12)  weiterlesen 

Ein intransparentes Vergabeverfahren stellt eine Verletzung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowie des Gleichbehandlungs- und Effektivitätsgrundsatzes dar und ist rechtswidrig. (vgl. u.a. Urteile Costa, Rs. C-72/10 und C 77/10; Rs. C 64/08 Engelmann)
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Nach Art. 4 Abs, 3 S. 3 EUV sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Unionsrecht, inbegriffen die Grundfreiheiten und die Grundrechtecharta, zu wahren und bei der Auslegung des nationalen Rechts zu beachten.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Beschränkungen der Grundrechte und Grundfreiheiten (vgl. EuGH Urteile zum Spielhallenrecht, Pfleger C-390/12; Admiral C-464/15) nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Sie müssen dann aber außerdem geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Der einschränkende Staat ist beweisbelastet.

Eine unionsrechtswidrig in Grundrechte und Grundfreiheiten (Art. 49 bzw. 56 AEUV) eingreifende Monopolstruktur darf auch nicht über das Verwaltungsrecht, durch juristische Konstruktionen, wie das Medien- , das Strafrecht oder eine unabhängige Anwendung eines Internetverbotes oder einer zusätzlichen Erlaubnispflicht aufrechterhalten werden.

In seinen Urteilen vom 08.09.2010 (Ince C-336/14); Winner Wetten C- 409/06, Rn. 62-69) hat der Europäische Gerichtshof gerade ausgeschlossen, dass unionsrechtswidrige Zustände akzeptiert werden dürfen.  weiterlesen 

In einer Entscheidung (Aktenzeichen 5 L 1448/14.WI) bestätigte das Verwaltungsgericht Wiesbaden die von vielen Marktteilnehmern lang geäußerte Sorge, dass das Sportwetten-Konzessionsverfahren von seiner Konzeption, seinen Anforderungen und vom Verfahrensablauf her als intransparent und fehlerhaft zu bewerten sei und die europäische Dienstleistungsfreiheit unzulässig einschränke.

Es ist erfreulich, dass sich nun der Gerichtspräsident des VG Osnabrück offen mit der Thematik auseinandersetzte und die Rechtswidrigkeit der Vergabepraxis erkannte, das weitere Wirtschaftsteilnehmer kategorisch ausschließt, und gegen die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit verstößt.

Entsprechend der Unionsvorgaben und der bisherigen EuGH-Rechtsprechung muss die Konzessionsvergabe transparent sein, d.h. "auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden". Eine Vergabe "unter der Hand" ist unzulässig (Publizitätspflicht). Alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer müssen "auf der Grundlage sämtlicher einschlägiger Informationen an Ausschreibungen teilnehmen können". Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens müssen "klar, genau und eindeutig formuliert" sein. Negative Auswirkungen müssen für die Bewerber bestimmt und vorhersehbar sein.  weiterlesen  
(vgl. Schlussanträge Rs.: Ince (C-336/14) zum Konzessionsverfahren  weiterlesen)  

Bereits das VG Wiesbaden stellte in seinem Beschluß Az 5 L 90/13. WI vom 30. April 2013 fest, dass die Antragstellerin auch einen Anordnungsanspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 49 und 56 AEUV hat.
”Auch wenn die Konzessionsvergabe nach der Ausschreibung ausdrücklich nicht den Regelungen des GWB-Vergaberechts unterfällt und Dienstleistungskonzessionen von keiner besonderen Richtlinie erfasst werden, mit der der Unionsgesetzgeber den Bereich des öffentlichen Auftragswesens gestaltet hat, so haben doch die öffentlichen Stellen, die Konzessionen vergeben, die Grundregeln der Art. 49 und 56 AEUV und das daraus folgende Transparenzgebot zu beachten (so EuGH, Urteil vom 09.09.2010, Rs. C-64/08). Dasselbe gilt für den Gleichheitsgrundsatz, der es insbesondere bei mengenmäßig und zeitlich begrenzten Konzessionen gebietet, ein geordnetes und transparentes Auswahlverfahren mit gleichen Chancen für alle Bewerber einzuhalten.”
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EuGH (Rs. C-225/15) Domenico Politano
Sind Art. 49 AEUV und die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Effektivität dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele entgegenstehen, die für die Erteilung von Konzessionen ein neues (wie das in Art. 10 Abs. 9g des Gesetzes Nr. 44 vom 26. April 2012 geregelte) Vergabeverfahren einführt, das Klauseln enthält, nach denen Unternehmen, die den Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit nicht erbracht haben, vom Vergabeverfahren auszuschließen sind, weil dieses hierzu kein anderes Kriterium als zwei von verschiedenen Banken ausgestellte Bescheinigungen vorsieht?

Ist Art. 47 der Richtlinie 2004/18/EG *des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele entgegensteht, die für die Erteilung von Konzessionen ein neues (wie das in Art. 10 Abs. 9g des Gesetzes Nr. 44 vom 26. April 2012 geregelte) Vergabeverfahren einführt, das Klauseln enthält, nach denen Unternehmen vom Vergabeverfahren auszuschließen sind, die die Bedingung betreffend die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit nicht erfüllen, weil keine alternativen Belege und Optionen wie in der unionsrechtlichen Regelung vorgesehen sind?
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* Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114). 
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Der Europäischer Gerichtshof verschärfte die Anforderungen an die Vergabe von Glücksspielkonzessionen
"Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind." ( EuGH-Urteil Rs. C-72/10 und C 77/10 Costa u.a. Rn 81)
Die durch den im Jahr 2011 geänderten Glücksspielstaatsvertrag eingeführten Mindestabstände zwischen mehreren Spielhallen ist unionsrechtswidrig.

Der EuGH entschied bereits zum Mindestabstand und stellte u.a. einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit fest, wodurch sich eine davon abweichende Rechtsauslegung verbietet.
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VG Osnabrück: Losverfahren war rechtswidrig

Das VG Osnabrück hob die Schließungsbescheide der Stadt auf.
Die Auswahlkriterien müssen für jedermann transparent und nachvollziehbar sein.

Das Gericht hob die Ablehnungsbescheide auf und verpflichtete die Beklagte, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Anträge der Kläger zu entscheiden.

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete über die Gerichtsverhandlung:
Gerichtspräsident Ulrich Schwenke fand Gefallen an der Erörterung der hochkomplexen juristischen Materie, die sich auf drei Kernfragen reduzieren lässt: War das Losverfahren das richtige Entscheidungsmittel? Gibt es eine angemessene Regelung für Härtefälle? Handelt die Landesregierung bei der Umsetzung des Staatsvertrages nach dem Grundgesetz?
Die ersten beiden Fragen beantwortete das Gericht mit nein. In der dritten Frage nach der Verfassungsmäßigkeit ließ Schwenke deutlich Zweifel anklingen: “Grenzwertig” nannte er die Regelung in Niedersachsen, die nach seiner Meinung die Zuständigkeiten des Bundes und des Landes vermischt. Weiter zum vollständigen Artikel ...

Kommunen wurden vom Land im Stich gelassen
.... Nicht die Stadt hat einen Fehler gemacht, die Landesregierung und der Landtag haben es über Jahre versäumt, den Kommunen ein rechtssicheres Instrumentarium zur Umsetzung des Staatsvertrages an die Hand zu geben. Es geht schließlich um nicht weniger als die Einschränkung des Grundrechts der freien Berufswahl, zementiert in Artikel 12 des Grundgesetzes.    Weiter zum vollständigen Artikel ...

Dies hat auch der Leiter des Ordnungsamtes Greven erkannt und sinnigerweise den Spielotheken die Genehmigungen bis 2021 verlängert.

Die Begründung: Der Gesetzgeber habe nicht geklärt, nach welchen Kriterien welche Spielothek die zu nah an einer anderen liegt, von der Kommune geschlossen werden müsse. Ein Problem, das nicht nur Greven hat. „Die Ordnungsbehörden aller Kommunen im Kreis haben sich abgestimmt und ein einheitliches Vorgehen abgesprochen“, sagte Kunze.
Und dieses sieht vor, dass zunächst einmal nichts getan werde.
Also wurde für alle sechs Spielotheken in Greven eine Lizenzverlängerung bis 2021 erteilt.
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Mehr zu den Vergaberichtlinien und Transparenzvorschriften
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Niedersachsen
Glücksspielgesetz ist Thema im Landtag

Eigentlich sollte das novellierte Gesetz bis zum 1. Juli in Kraft getreten sein. Dann läuft die im Glücksspielstaatsvertrag festgelegte Übergangsfrist ab. Nun sei aber mit dem Gesetz zur Regelung des praktizierten Losverfahrens zur Auflösung des Verbots von Mehrfachkonzessionen wohl erst im Herbst zu rechnen.
Ihre Kollegen von der FDP monieren neben dem Los-Entscheid, dass Niedersachsen das einzige Land sein soll, in dem die im Glücksspielstaatsvertrag eingeräumte Möglichkeit, auf kommunaler Ebene Härtefallentscheidungen zu treffen, nicht genutzt werden darf.
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Losverfahren in der Stadt Lingen
Neues Glücksspielgesetz: Kommunen im Emsland tun sich schwer


Wirtschaftsministerium kritisiert schleppenden Verlauf

Kritik am eher schleppenden Verlauf des Verfahrens übt das Landeswirtschaftsministerium in Hannover. Ministeriumssprecher Stefan Wittke berichtete im Gespräch mit unserer Redaktion, das Gesetz sei im Jahr 2012 verabschiedet worden, seit 2014 liegen den Kommunen Ausführungsbestimmungen vor, wie die örtlichen Behörden vorzugehen haben.
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Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV)

Der Glücksspiel-Staatsvertrag der Länder sieht zum 1. Juli 2017 das Auslaufen einer fünfjährigen Bestandsschutz-Regelung für alte Spielhallen vor. Alle Betreiber mussten neue Anträge auf eine Konzession stellen. Künftig gilt, dass zwischen zwei Spielhallen mindestens 100 Meter Abstand sein müssen. Die Leute sollen nicht von Spielhalle zu Spielhalle tingeln, heißt es von Seiten des Gesetzgebers. Außerdem sind sogenannte Multiplexe, die mit mehr als einer Konzession (= 12 Glücksspielautomaten) betrieben wurden, demnächst verboten.

Ziel des neuen Vertrages ist laut Gesetzgeber die Eingrenzung des Glücksspiels und die Bekämpfung der Spielsucht. Wenn es keine Einigung unter den Betreibern gibt, sei ein Losverfahren vorgesehen.

Die Kommunen wurden vom Landeswirtschaftsministerium angewiesen, die Bestimmungen strikt anzuwenden und Ausnahmen (Härtefallregelungen) nur in besonderen begründeten Härtefällen zu gewähren. Geplante Genehmigungen mussten daher dem Ministerium im Vorfeld vorgelegt werden.

Die Politik verlangt von den Kommunen einen Verstoß gegen höheres Recht und damit eine Aushöhlung des Rechtsstaatsprinzips!


Mittwoch, 17. Mai 2017

VG Osnabrück: intransparente Vergabepraxis ist rechtswidrig!

zum Urteil
Presseinformation Nr. 17/2017 vom 17.05.2017
KLAGEN AUF GLÜCKSSPIELRECHTLICHE SPIELHALLENERLAUBNISSE 

TEILWEISE ERFOLGREICH

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück hat mit Urteilen
vom heutigen Tag vier Klagen von Spielhallenbetreibern gegen die
Stadt Osnabrück (Beklagte) auf Erteilung von glückspielrechtlichen
Erlaubnissen teilweise stattgegeben
(vgl. Presseinformation Nr. 16/2017 vom 15.05.2017).
Es hat die Ablehnungsbescheide aufgehoben und die Beklagte
verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut über die Anträge der Kläger zu entscheiden.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es zwar unter
Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 07.03.2017 (1 BvR 1314/12 u.a.) keine rechtlichen Bedenken
hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Mehrfachkonzessionsverbots
und des Mindestabstandsgebots für Spielhallen habe. Jedoch habe die
Beklagte kein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren zwischen
konkurrierenden Spielhallen durchgeführt, indem sie die Erlaubnisse
generell im Losverfahren vergeben habe. Vielmehr hätte sie sachliche
Auswahlkriterien - wie beispielsweise die persönliche Zuverlässigkeit
der Spielhallenbetreiber, deren Vertrauensschutz, das Alter der
Bestandsspielhallen, die örtliche Lage der Spielhallen in Bezug auf von
Kindern und Jugendlichen besuchten Einrichtungen, die Qualität des
Sozialkonzepts, die wirtschaftliche Bedeutung der Schließung für die
Spielhallenbetreiber und die bestmögliche Ausschöpfung der
Gebietskapazität - im Einzelfall prüfen müssen.
Erst wenn sich mehrere in Konkurrenz stehende Spielhallen nach
einer solchen einzelfallbezogenen Prüfung von Sachkriterien als
gleichwertig erweisen sollten, hätte die Beklagte ein
Losverfahren durchführen dürfen.

Die Urteile (Az. 1 A 294, 320, 335/16 und 136/17 ) sind noch
nicht rechtskräftig und können binnen eines Monats nach
Zustellung der schriftlichen Entscheidungsgründe vor dem
Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg mit der Berufung
angefochten werden.

Quelle

Presseinformation Nr. 16/2017 vom 15.05.2017
TERMINSANKÜNDIGUNG:
KLAGEN AUF GLÜCKSSPIELRECHTLICHE
SPIELHALLENERLAUBNISSE

Mittwoch, 17. Mai 2017 - 11:30 Uhr, Sitzungssaal 2 im
Fachgerichtszentrum Osnabrück

Az: 1 A 274, 294, 320, 335 und 336/16


XY ./. Stadt Osnabrück

Die klagenden Spielhallenbetreiber wenden sich gegen das Verbot
von Mehrfachkonzessionen (Verbundspielhallen) und das Gebot
von Mindestabständen zwischen mehreren Spielhallen von 100 m.
Diese Regelungen wurden durch den im Jahr 2011 geänderten
Glücksspielstaatsvertrag eingeführt.
Nach dem Ablauf der Übergangsfrist am 30.06.2017 benötigen
Betreiber von Bestandsspielhallen eine zusätzliche
glücksspielrechtliche Erlaubnis, die unter anderem die
Einhaltung der genannten Ver- und Gebote voraussetzt.
Im Falle der Konkurrenz zwischen mehreren Spielhallen hat
die beklagte Stadt die Erlaubnisse im Wege des
Losverfahrens vergeben.
Auch dies ist Streitgegenstand der Klagen.

Die mündliche Verhandlung ist öffentlich.
Eine Urteilsverkündung im Anschluss an die mündliche Verhandlung 

ist zu erwarten.
Die Pressestelle des Gerichts wird nach der Verhandlung
eine Presseinformation zum Ausgang des Verfahrens herausgeben.


Quelle

Montag, 8. Mai 2017

LG Hamburg zur Linkhaftung (Beschl. v. 18.11.2016, Az. 310 0 402/16)


Landgericht Hamburg bestätigt als erstes deutsches Gericht:
Wer einen Link auf eine Seite mit geklauten Bildern setzt, haftet wegen Urheberrechtsverletzung

Im September hat der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mit dem Urteil vom 08.09.2016 (Az. C-160/15 – GS Media) entschieden, dass auch das Setzen eines Links eine Urheberrechtsverletzung sein kann, wenn auf der verlinkten Webseite ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne die Einwilligung des Urhebers veröffentlicht ist.

Nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Sommer hat nunmehr mit dem Landgericht Hamburg auch erstmals ein deutsches Gericht festgestellt, dass auch das bloße Verlinken einer Webseite, die eine Urheberrechtsverletzung enthält, eine eigene Rechtsverletzung darstellen kann. Diese Entscheidung wird massive Auswirkungen auf die Informations- und Kommunikationsfreiheit haben, denn bisher galt im Grundsatz: Ein Link kann keine Urheberrechte verletzen.

Den Beschluss des Landgerichts Hamburg zur Linkhaftung (Az. 310 O 402/16) können Sie hier als HTML im Volltext einsehen oder hier im Original als pdf abrufen.
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Setzen eines Hyperlinks erfordert Nachforschung zur Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung des verlinkten InhaltsUnterlassene Nachforschung begründet im Falle der rechtswidrigen Veröffentlichung schuldhaften Urheberrechtsverstoß

Weitere Entscheidungen zu diesem Thema:
Setzen eines Hyperlinks auf Website zu urheberrechtlich geschützten Werken begründet nicht immer Urheberrechtsverletzung
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 08.09.2016[Aktenzeichen: C-160/15]

Verlinkungen auf Zeitungsartikel verstoßen nicht gegen das Urheberrecht
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 13.02.2014[Aktenzeichen: C-466/12]
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Im Zweifel keine Links zur Gerichts-Homepage


Die Inhalte auf der Webseite des LG Hamburg sind zwar rechtmäßig. Doch rechtsverbindlich erklären möchte das Gericht dies nicht und belässt das Haftungsrisiko entsprechend seiner aktuellen Entscheidung beim Linksetzenden.

Im November hat das Landgericht (LG) Hamburg als erstes deutsches Gericht nach dem EuGH-Urteil zur Linkhaftung eine Entscheidung getroffen. Die Richter entschieden, dass für Urheberrechtsverletzungen haftet, wer den Link zu einer Seite mit urheberrechtlich geschützten Bildern ohne Einwilligung des Rechteinhabers setzt. In weitestmöglicher Auslegung der EuGH-Rechtsprechung erachtete die Kammer es für ausreichend, dass der Linksetzende mit seiner Seite insgesamt eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt - nicht nur mit dem Hyperlink.
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