Auf der Webseite des Deutschen Lottoverbandes finden sich unter der Überschrift "Gegen das Lottochaos - Staatsvertrag rechtswidrig" folgende Äußerungen führender Verfassungsrechtler:
"Deutschland kann sich schlechte Gesetze nicht erlauben. Der Glücksspielstaatsvertrag wäre solch ein schlechtes Gesetz: Er verstößt mehrfach gegen das Grundgesetz und bricht europäisches Recht. Die Folge wäre ein Rechtschaos bei Lotto, Lotterien und Sportwetten. Das müssen die Ministerpräsidenten am 14. Juni in Berlin verhindern."
Prof. Dr. Rupert Scholz und Prof. Dr. Clemens Weidmann, Rechtsanwälte Gleiss Lutz
"Auf kaum einem Rechtsgebiet wird so geheuchelt wie bei dem geplanten Glücksspielstaatsvertrag. Es ist abwegig anzunehmen, dass Lotto süchtig mache, und darauf die Vernichtung einer ganzen Branche zu stützen. Teile des Glücksspielstaatsvertrages sind mangels Gesetzgebungskompetenz der Länder nichtig. Im Übrigen verstößt er inhaltlich gegen geltendes deutsche und europäisches Recht"
Prof. Dr. Bodo Pieroth, Universität Münster
"Der Vertrag dient allein fiskalischen Interessen der Länder, verfolgt keine konsistente Glücksspielpolitik und verstößt in allen Punkten (Erlaubnisvorbehalt, Verbot der länderübergreifenden Lotterieveranstaltung und -vermittlung, Werbe- und Internetverbot) gegen deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht und die Verfassung."
Prof. Dr. Georg Hermes, Universität Frankfurt am Main
"Der Vertrag führt zu einer protektionistischen Abschottung der Landeslottogesellschaften. Mehrere Regelungen des geplanten Staatsvertrages sind Grundrechtseingriffe von höchster Intensität und verfehlen dabei verfassungsrechtliche Mindeststandards des demokratischen Rechtsstaats. Sie sind als verfassungswidrige Berufs- und Gewerbeverbote zu werten und verstoßen gegen die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln des europäischen Gemeinschaftsrechts."
Prof. Dr. Hans-Detlef Horn, Universität Marburg
"Das nachrangige Lotterierecht der Länder hat das vorrangige Kartellrecht des Bundes und der Gemeinschaft zu respektieren. Die Behinderung privater Lottovermittler durch die Länder ist eine Kartellordnungswidrigkeit. Dafür können auch die Landesregierungen haftbar gemacht werden. Der Versuch der Länder, private Lottovermittlung sogar unter Strafe zu stellen, zeugt von einer grundlegenden Missachtung der Kompetenzordnung des Grundgesetzes."
Prof. Dr. Klaus Lüderssen, Universität Frankfurt am Main.
Quelle: www.deutscherlottoverband.de
Der Glücksspiel-Staatsvertrag - wissen was los ist
Der Unglücksstaatsvertrag
Unterm Strich nur Verlierer
Glücksspielstaatsvertrag („GlüStV“) – Eine Chronologie
Die Urteile des EuGH vom
08.09.2010, BGH vom
18.11.2010 und des BVerwG vom
24.11.2010 bestätigten diese Äußerungen aus dem Jahre 2007
Ausserdem verstößt der GlüStV gegen das
Zitiergebot Art. 19,1,2, einem absoluten Rechtsbefehl der keiner Auslegung zugänglich ist. Nach Art. 19 Abs. 1 S. 2
muss das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
"Verstöße gegen das Zitiergebot sind zwar nur ein Formfehler, aber mit gravierenden Folgen.
Durch diesen wird jedes Gesetz ungültig. Der Gesetzgeber kann diesen Schaden nur durch eine neue Rechtsnorm heilen.” Zitat von Prof. Rupert Scholz
mehr
Verkehrsminister Ramsauer hat am 13. April 2010 über alle Nachrichtensendungen verkündet in dem er zum Verkehrsschilder-Chaos wörtlich sagte: “Die Novelle ist wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich verankerte Zitiergebot nichtig.”
unzulässiges
Finanzmonopol
Der EuGH stellte am 08.09.2010 fest,
dass fiskalische Gründe im Vordergrund stehen und nicht die behauptete
Spielsuchteindämmung! Dadurch handelt es sich in Wahrheit um ein gemeinschaftsrechts- und verfassungswidriges Finanzmonopol, zu dem der Staat nicht berechtigt war. (vgl. Art.
105 Abs. 1, Art.
106 Abs. 1, Art.
108 Abs. 1 GG; BVerfGE 14, 105, 111ff) "Es war und ist ein Fiskal-Monopol. Es dient nicht, wie immer behauptet wird, der Spielsuchtbekämpfung. Der Staat nutzt es allein zur Erzielung von Einkünften." (so Prof. Rupert Scholz,
focus 13.09.2010)
und unter
mehr zum Europarecht und unter:
Wie beantwortet die rechtswissenschaftliche Lehre die entscheidenden Fragen nach den Urteilen des EuGH vom 8. September 2010?
Entscheidungen zu "GlüStV"
Glücksspielmonopol ist so löchrig wie ein Schweizer Käse
Zusammenfassung der Veröffentlichungen zum GlüStVDurch die Feststellungen des EuGH vom 8.9.2010, verstößt der GlüStV gegen die EG-rechtlichen Anforderungen an Glücksspiel-Monopole und wurde rechtswidrig errichtet. (Urteile des EuGH - Schindler vom 24.03.1994, C-275/92; Läärä vom 21.9.1999, C-124/97; Zenatti vom 21.10.1999, C-67/98; Anomar vom 11.9.2003, C-6/01; Gambelli vom 6.11.2003, C-243/01; Lindman vom 13.11.2003, C-42/02; Placanica, Palazzese und Sorricchio vom 6.3.2007, verbundene Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und C-360/04. Siehe auch Urteile: EFTA-Entscheidungen vom 14.03.2007, Rs. E-1/06 und 30.05.2007, Rs. E-3/06 in Sachen Esa / Nordwegen und Ladbrokes, Comm. vs. Italien vom 26.4.1994, C-272/91; Familiapress vom 26.6.1997, C-368/95; Hartlauer, C-169/07, Slg. 2009, I-0000, Rn.55 vom 10. März 2009).
Aus der hinlänglich bekannten Wirklichkeit geht aus den Urteilen des EuGH vom 8.9.2010, mehreren Urteilen des BGH, und den Urteilen des BVerwG vom 24.11.2010, wie bereits dem Urteil vom 28.03.2006 des BVerfG hervor, dass die staatliche Praxis seit langem auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, die legitime Ziele nur vorgeschoben werden und die fiskalischen Gründe im Vordergrund stehen. (vgl. Fischer, 57. Aufl. § 284 Rn 2a). Dadurch handelt es sich beim GlüStV in Wahrheit um ein gemeinschaftsrechts- und verfassungswidriges Finanzmonopol in Form eines Kartells, zu dem der Staat nicht berechtigt war. (vgl. Art. 105 Abs. 1, Art. 106 Abs. 1, Art. 108 Abs. 1 GG; BVerfGE 14, 105, 111ff; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 114, 259, 413, 417 m.w.N.)
Mit seinen Urteilen vom 8. September 2010 erklärte der Europäische Gerichtshof die rechtliche sowie die tatsächliche Ausgestaltung des deutschen Glücksspielwesens „insgesamt“ für gemeinschaftswidrig. Der Europäische Gerichtshof hat mit seinen Urteilen explizit klargestellt:
„Aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts darf eine nationale Regelung über ein staatliches Sportwettenmonopol, die nach den Feststellungen eines nationalen Gerichts Beschränkungen mit sich bringt, die mit der Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sind, weil sie nicht dazu beitragen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, nicht für eine Übergangszeit weiter angewandt werden.“ (vgl. dazu insb. C-409/06 Rn 67ff). Das Anwendungsverbot gilt absolut!
Urteil
Durch den Bruch der Kartellgesetze - die Vergabe der Konzessionen an die staatlichen Lotteriegesellschaften erfolgte wie Österreich in unionsrechtswidriger Weise, nicht transparent, nicht diskriminierungsfrei und nicht wettbewerbsoffen - müssen die Konzessionen wie in Österreich auch, eingezogen und in einem zulässigen Verfahren neu vergeben werden. Mit unionsrechtswidrigen Konzessionen kann das Monopol seitens der Lottogesellschaften nicht begründet werden. (vergl. C-64/08 - Engelmann; C-46/08 - Carmen Media Rn 87; C-203/08 - Sporting Exchange Rn. 50)
Mit ihren Urteilen verlangen der EuGH (08.09.2010) BGH (18.11.2010) und das BVerwG (24.11.2010) die "Gesamtkohärenz", eine systematische und kohärente Glücksspielpolitik, (Gambelli) - also eines "Vollmaßes" an Konsistenz nicht erst ab 1.1.2009, sondern schon für die alte Rechtslage und gehen damit über das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Mindestmaß an Konsistenz hinaus.
Bereits mit dem Harlauer-Urteil des EuGH, bestätigt durch die Urteile vom 8.9.2010, unterliegt die Bewertung der Kohärenz und Konsistenz nunmehr der Definitionsmacht des EuGH und nicht mehr den unterschiedlichen Vorstellungen der bundesdeutschen Gerichte. Folglich sind bei der Auslegung die vom Gerichtshof entwickelten Maßstäbe der "vollständigen Kohärenz" zugrunde zu legen.
Damit war bereits die in § 25; 6 GlüStV festgesetzte „weitere“ Übergangsfrist zur Fortführung von Spielangeboten im Internet unionsrechtswidrig, mit der sich die Bundesländer eine durch das Sportwettenurteil nicht gedeckte weitere Übergangsfrist für das Jahr 2008 einräumten, um über die landeseigenen Monopolbetriebe eigene Spielangebote im Internet weiterführen zu können.
Der EuGH stellte am 08.09.20 fest, dass auch für die neue Rechtslage nicht die behauptete Spielsuchteindämmung sondern fiskalische Gründe im Vordergrund stehen und nicht einmal ansatzweise die Spielgelegenheiten systematisch und kohärent begrenzt werden, also das Vollmaß an Konsistenz gerade nicht hergestellt ist.
EuGH diszipliniert Karlsruher Ersatz-Gesetzgeber
Das Bundesverfassungsgericht kann ja gerne Übergangsfristen einräumen, wenn es findet, dass ein verfassungswidriger Zustand aus irgendwelchen übergeordneten Gründen noch eine Weile fortbestehen soll. Aber wenn dieser Zustand auch noch europarechtswidrig ist, dann muss er aufhören. Sofort. Nicht irgendwann später.
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Da der EuGH für alle Mitgliedstaaten verbindlich das Recht der Europäischen Union [Anmerkung 1] auslegt, gilt die Norm, das Recht der Europäischen Union, so wie sie durch die im Urteil verkündete Auslegung zu verstehen ist, für alle Mitgliedstaaten und − in der Regel − ex tunc, d. h. rückwirkend. Anders formuliert: Der EuGH stellt fest, wie eine Vorschrift des Recht der Europäischen Union immer schon und von allen hätte verstanden werden müssen.
1, Vor dem Vertrag von Lissabon bezog sich diese Befugnis auf das Gemeinschaftsrecht.
Auch darf darauf hingewiesen werden, dass mit den bekannt gewordenen Schreiben der Ministerien, interner Weisungen, mit Pressemitteilungen und Veröffentlichungen auf landeseigenen Webseiten rechtliche Meinungen der Politik und Verwaltung vorgegeben werden, die u. U. als Verstoß gegen Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), in dem das Recht auf ein faires Verfahren verankert ist, gesehen werden können. "Es genügt schon der äußere Anschein einer Beeinflussung bzw. Befangenheit."
Auch wenn behauptet wird, das die Ausführungen die Rechtsmeinung des Ministeriums, der Behörde etc. widerspiegelt und nicht geeignet ist, die unabhängige Rechtssprechung zu präjudizieren, so handelt es sich "de facto“ aber doch um einen „autoritären Eingriff" in ein Verfahren. Der Deutsche Richterbund weist seit Jahren auf die Erosion des Verfassungsstaats hin. „Allein der Anschein illegitimer Einflussnahme von der Verwaltung auf die Justiz schadet dem Rechtsstaat.“
Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nationaler Rechtsnormen ergibt sich aus der Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts aus Art. 10 EGV und – wenn es um die Umsetzung von Richtlinien geht – zusätzlich aus Art. 249 III EGV.
Gebunden sind durch dieses Interpretationsgebot alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, also auch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden.
Das Gemeinschaftsrecht im allgemeinen und die Dienstleistungsfreiheit im besonderen beanspruchen unmittelbare Geltung und Anwendungsvorrang vor nationalem Recht. EuGH EuGH Rs. 6/64, Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, 1251, 1270 = NJW 1964, 2371; EuGH Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125 Rdn. 3 = NJW 1971, 343; Rs. C-473/93, Kommission/Luxemburg, Slg. 1996, I-3207 Rdn 37f. Vgl. auch BVerfGE 37, 278 – „ Solange I“; BVerfGE 73, 339 – „ Solange II“; BVerfGE 89, 155 – „Maastricht“; BVerfGE 102, 147 – „Bananen“ .
Weder die Aufsichtsbehörden noch die nationalen Gerichte waren berechtigt eine Europarechtskonformität festzustellen, so auch nicht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dies ist alleine dem EuGH vorbehalten. EuGH 22.10.1987, Rs 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199. s.u.a. EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 (AZ: C-119/05) So haben die nationalen Gerichte die Bedingungen für eine Vorlagepflicht aus Art. 234 Abs. 3 EG in Verbindung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten.
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass es für die insoweit maßgebliche Frage der Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Norm des einfachen Rechts mit den Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts nicht zuständig ist. (vgl. BVerfGE 31, 145 <174>; 82, 159 <191>).
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; stRspr). 1 BvR 230/09 Rn 15.
Da das Europäische Recht eine Weitergeltung unwirksamen Rechts nicht kennt, dies ist mit den Europarechtlichen
Kohärenzgrundsätzen nicht vereinbar, war das Urteil (BayVGH; 10 BV 07.558) schon deshalb gemeinschaftsrechtswidrig. Der Bay. Verwaltungsgerichtshof hatte ausgeführt, dass das Sportwettenmonopol in Bayern sowohl verfassungs- wie europarechtskonform sei, wobei er von einer europarechtswidrigen sektoralen Kohärenzprüfung ausging. Der Europäische Gerichtshof hatte bereits über die Auslegung und Gültigkeit der staatlichen Regulierung des Glücksspielmarktes mit Blick auf die gemeinschaftsrechtlichen Kohärenzanforderungen an Staatsmonopole entschieden - es bedurfte eines „Vollmaßes“ an Konsistenz (Gambelli, vgl. Prof. Dr. J. Caspar Umdruck 16/2460 v 12.10.07, Prof. Siegbert Alber, Generalanwalt am EuGH a. D. am 14.02.2008, vgl. Hartlauer-Entscheidung des EuGH)
Die Entscheidung des BayVGH wurde am 24.11.2010 durch das Bundesverwaltungsgericht berichtigt, indem es ebenfalls feststellte, daß zur Prüfung der Gesamtkohärenz das staatliche Verhalten im Bereich von Lotterien und anderen Glücksspielen mit einbeziehen sei. (Rn. 79ff). Soweit Glücksspielmonopole sich auf die Spielsuchtbekämpfung als zwingenden Gemeinwohlbelang zur Rechtfertigung berufen, müssen die beschränkenden Regelungen sich mithin auch in Zukunft als systematisch und kohärent erweisen. Weiter sagten die Leipziger Richter, dass alle Arten von Glückspiel an gleichen Maßstäben gemessen werden müssten. Andernfalls würden europarechtliche Anforderungen nicht erfüllt. (BVerwG vom 24.11.2010)
Die inkohärente Gesetzeslage führt zur Gemeinschaftswidrigkeit des staatlichen Wettmonopols von Anfang an. Das Bundesverfassungsgericht forderte bereits mit dem Beschluss vom 20.03.2009, (Az.: 1 BvR 2410/08; Rn.14,24, 29,46; zugleich BA S. 7,10,11, 13, 14) die Einhaltung der vollständigen Kohärenz durch die Monopolbetriebe.
Weil die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach den Feststellungen des EuGH und des BGH/Bundesverwaltungsgerichts nicht eingehalten wurden, ist der das Monopol begründende GlüStV schon aus diesem Grunde auch verfassungswidrig, und zwar von Anfang an.
Mit den Entscheidungen des EuGH vom 8.9.10 wurde neben der Gemeinschaftswidrigkeit auch die Verfassungswidrigkeit festgestellt.
Durch den „Solange II-Beschluss“ ist der EuGH für den Grundrechtsschutz der Bürger der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Akten der deutschen öffentlichen Gewalt, die aufgrund von Sekundärrecht ergehen, zuständig. (BVerfGE 89, 155 (175); 102, 147 (163); BVerfGE 115, 276 ff = NJW 2006, 161 ff).
Der Art. 234 Abs. 3 EG soll verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - C-495/03 -, Rn. 29). BVerfG, 1 BvR 230/09 vom 25.2.2010, Rn 20
Da es sich durch die Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2009 um die abschließende Feststellung der Unvereinbarkeit des Verwaltungsaktes mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht handelt, ist dieser an die Mitgliedstaaten gerichteten Entscheidung ein zwingender Regelungsgehalt zuzumessen. Der gegen die Entscheidung des EuGH verstoßende Bescheid ist mithin unzweifelhaft auch innerstaatlich rechtswidrig. (§ 48 VwVfG; Geurts, Aufhebung von VA, S. 308 f.) Ein anderes Verständnis verstieße evident gegen Gemeinschaftsrecht. Kein Gericht, nicht einmal das Bundesverfassungsgericht, kann die Geltung und den Vorrang des Gemeinschaftsrechts für einen bestimmten Zeitraum oder für eine bestimmte Konstellation einschränken. Denn nach der EuGH-Rechtsprechung ist jedes mit einer EG-Grundfreiheit befasste Gericht – ebenso wie jedes andere Organ – gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Freiheiten Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls
„jede – auch spätere – entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste“ .(EuGH Rs. 106/77, Simmenthal II, Slg. 1978, 629 Ls. 1. = NJW 1978, 1741.)
Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nationaler Rechtsnormen, so auch auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ergibt sich aus der Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts aus Art. 10 EGV und – wenn es um die Umsetzung von Richtlinien geht – zusätzlich aus Art. 249 III EGV. Gebunden sind durch dieses Interpretationsgebot alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, also auch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden.
Die Mitgliedstaaten sind zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet (Art. 10 I EGV) und müssen alle Maßnahmen unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des EGV gefährden könnten (Art. 10 II EGV)
Wie bereits dargelegt ist es für die Differenzierung der verschiedenen Aufhebungstatbestände sowohl im Gemeinschaftsrecht als auch im deutschen Recht von Bedeutung, ob der betroffene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Nach deutschem Recht ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, wenn er den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen nicht entspricht. (Geurts, Aufhebung von VA, S. 308 )
Kollidiert eine nationale Vorschrift mit unmittelbar anwendbarem EU-Recht, verliert sie ihre Anwendbarkeit. Handelt es sich bei der dann nicht anwendbaren nationalen Norm um eine Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts, fehlt es diesem somit dementsprechend an einer dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gerecht werdenden Rechtsgrundlage. Der Verwaltungsakt ist schon deshalb rechtswidrig. (VerwProzR_Rn_659-690-Prof. Dr. jur. Rolf Schmidt)
Fehlt es der Grundverfügung an einer wirksamen notwendigen Grundlage des Verwaltungszwangs durch Gemeinschaftsrechtswidrigkeit, so stellt sich der "Vollstreckungsexzess" als rechtswidrige und schuldhafte unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 823 ff BGB dar.
Mit der Feststellung, des Bundesverwaltungsgerichts (8 C 14.09 und 8 C 15.09) vom 24.11.2010, das der GlüStV " nur bei konsistenter Bekämpfung von Suchtgefahren zulässig wäre, fehlt es dem GlüStV bereits an der Bestimmtheit die zu seiner gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Grundrechtseinschränkungen unabdingbar ist. Das grundgesetzliche Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Staat jegliche Eingriffe in Bürgerrechte mit hinreichend genauen Formulierungen zu belegen, da andernfalls der Bürger der Willkür der Verwaltung ausgesetzt wäre. (BVerfGE, Band 100, S. 313/360; BVerfG, Band 65, S. 1 und 165; BVerfGE 78, 374, 381)
Die Einführung des staatlichen Monopols erfolgte ohne Beweis für eine "ultima-ratio-Konstellation" und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, als eine Maßnahme des Konkurrenzschutzes zugunsten der staatlichen Anbieter, so dass eine Rechtsfolge gesetzt wird, die ausschließlich konkurrenzschützenden und damit einen mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbaren Charakter besitzt.
"Ich würde sagen, dass die Länder in ihrer Eigenschaft als Unternehmer ein Kartell gegründet haben, um ein Monopol zu begründen, um damit ihre Einnahmen zu erhöhen und gleichzeitig gewerbliche Wettbewerber aus dem Markt zu verdängen", so Biedenkopf am 18. Januar in Düsseldorf. (Rede anlässlich der Eröffnung der IMA 2011)
Insbesondere wird die Frage aufgeworfen. ob das alleinige Abstellen auf das Zufallselement bei der Bestimmung des Glückspielbegriffs zu vereinbaren sei. Zweck des GlüSTV ist laut Gesetzesbegründung die Verhinderung übermäßiger Nachfrage von Glücksspielen und die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielablauf durch staatliche Kontrolle. Das Bundesverfassungsgericht hat damals ergänzend ausgeführt, dass lediglich die Bekämpfung von Suchtgefahren eine Rechtfertigung dafür darstellen könnte, ein staatliches Wettmonopol zu rechtfertigen. (28.03.2006 – 1 BvR 1054/01)
In Anbetracht der Zunahme (Mega-Jackpot) staatlich konzessionierter Glücksspiele, auch im Internet (eBrief) und im Ausland (Luxemburg) könne jedoch von Zügelung und Kontrolle keine Rede mehr sein, wie dies der EuGH am 8.9.2010 feststellte. Da eine staatliche Kontrolle um ihrer selbst willen jedoch kein schützenswertes Rechtsgut sei, dürfe die Aufgabe lediglich darin bestehen, Spieler und Allgemeinheit vor den „vermögensgefährdenden Folgen einer Spielleidenschaft zu schützen''.
Somit muss der gesamte Spielverlauf, die Verfügbarkeit, der zeitliche Ablauf, die Spielfolgen/Ziehungsfrequenz und Laufzeit auf eine mögliche Vermögensgefährdung hin, die durch eine Spielsucht entstehen kann, geprüft werden.
Hierbei muß der Gesetzgeber dem Verbraucher auch ein Mindestmaß an Eigenverantwortung belassen, wie er seine Freizeit gestaltet und was mit seinem Geld macht. Wichtig ist, das dies sozialverträglich geschieht. Mindestens genau so wichtig ist aber auch die Klärung der Frage was aus nicht ausgegebenem, also gespartem Geld wird. Darf die Bank- und Versicherungsberatung zum Glücksspiel werden? Die
BMELV-Studie zeigt auf, dass jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro Vermögensschaden durch falsche Finanzberatung entsteht. (Rn 30)
In Anbetracht dieser direkten Vermögensschäden, erscheint die Notwendigkeit präventiven strafrechlichen Schutzes vor Selbstschädigung durch Spielsucht, die mit der Erteilung einer Konzession sogleich entfallen soll, die in der Praxis diesen Gefahren kaum entgegen wirkt, ziemlich heuchlerisch. (vgl. Fischer, § 284, Rn 2a)
Wenn jemand spielt, dann weiß er - dass er verlieren kann.
Wenn jemand sein Geld für später zurücklegen möchte, dann nicht mit Spiel und Wette durch Falschberatung - er will seine Zukunft absichern, das ist der bedeutende Unterschied.
Für eine angemessene Einschätzung des gesellschaftlichen Schadens der Glücksspielsucht ist allerdings auch der Vergleich mit den Dimensionen anderer Süchte wie der Alkoholsucht oder der Nikotinsucht notwendig, und hier stellt man eine eher unterdurchschnittliche Gefahr fest. So geht man nach allgemein zugänglichen Quellen in Deutschland derzeit von rund 1,6 Mio. Personen aus, die als akut alkoholabhängig bezeichnet werden müssen, sowie von etwa 42.000 Todesopfern, die der Alkoholismus jährlich fordert. Die Nikotinsucht betrifft 3,8 Mio. Tabak-abhängige (bei ca. 16,5 Mio. Rauchern insgesamt) und verursacht etwa 140.000 Tote pro Jahr. Hinzu kommen noch 1,8 Mio Medikamentenabhängige und 0,38 Mio. Canabisabhängige, sowie vieler weiterer Erscheinungsformen, wobei das Ausmaß und die Mortalität die Suchtproblematik im Glücksspielbereich um ein Vielfaches übersteigt.
Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass die Suchtbekämpfung als Begründung für das Staatsmonopol erhebliche Kohärenzprobleme aufweist.
Das VG Halle hat sämtliche Betreuungsgerichte in der Bundesrepublik Deutschland sowie rund 100 Fachkliniken für Suchtfragen zur Bedeutung der Glücksspielsucht im Rahmen von Betreuungsverfahren der letzten fünf Jahre befragt. Das Ergebnis dieser Befragung sowie eine klägerseitig vorgelegte wissenschaftliche Auswertung waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die wissenschaftliche Auswertung, bei der auch der aktuelle Stand der Forschung einbezogen wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die Gefahr einer "Lottosucht" faktisch nicht existent ist.
Hier wurde deutlich, dass das VG Halle bei Lotterien mit bis zu zwei wöchentlichen Ziehungen auch eigenständige Zweifel an der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht hat. Die Kammer warf die Frage auf, ob es bei Lotterien mit bis zu zwei Ziehungen in der Woche überhaupt eine relevante Suchtgefahr geben kann, die einen solchen Eingriff in die Grundrechte rechtfertigen könnte. Das Wissenschaftliche Forum Glücksspiel hat den Bewertungsmaßstab festgelegt: Verfügbarkeit/Anmeldung/Zahlung/Dauer des Spieles/Ziehungsfrequenz (s. ZfWG 1/08)
Durch das seit 1999 mit höherem Recht kollidierende staatliche Wettmonopol werden die verfassungsrechtlichen Grundprinzipien nicht gewahrt, wenn über den GlüStV eine Ausnahmeregel zum Standard erhoben wird, mit der die Entscheidung den gleichen Behörden überlassen wird, die die Gesetzesverstöße der Monopolbetriebe nicht ahnden und ihrer Garantenpflicht nicht nachkommen. Diese sind ganz offensichtlich nicht unabhängig wie dies die verfassungsrechtlichen Grundsätze, das Bundesverfassungsgericht und der EuGH verlangen.
Die sofortige Vollziehung führt zu einer Umkehr der Beweislast, da dadurch der belastete Grundrechtsträger gezwungen wird, nachzuweisen, dass die Maßnahmen der Behörden rechtswidrig sind. Diese Verfahrensweise widerspricht den verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen, nach denen grundsätzlich der Staat und somit die Behörden den Beweis für die Erforderlich- und Verhältnismäßigkeit der Freiheitsbeschränkungen sowie der Grundrechtseinschränkung erbringen müssen (s.a. EuGH, Rs. C-42/02, Urt. v. 12.11.2003, Slg. 2003, I-13519, Rn 25, 26 – Lindman)
Dadurch, dass in unzulässiger Weise Grundrechte beschränkt werden, wird auch gegen das Willkürverbot und die Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit und Verhältnismäßigkeit verstoßen. Der Eingriff in die Grundrechte wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn sie durch ein übergeordnetes zulässiges Ziel gerechtfertigt wären. Da es im Bereich der klassischen Lotterieveranstaltung kein signifikantes Suchtproblem gibt, sind diese Restriktionen mit dem Grund- und Gemeinschaftsrecht unvereinbar.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sind die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann erfüllt, wenn die Beschränkungen die „Gelegenheiten zum Spiel wirklich vermindern“ und bei „Sicherung eines regulierten Zugangs zu Glücksspielen“ die „Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch begrenzt“ werden. Der Europäische Gerichtshof betont weiter, dass die Mitgliedstaaten sich nicht auf das legitime Ziel der Suchtbekämpfung (als Teil der öffentlichen Sozialordnung) berufen können, wenn sie „die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Glücksspielen teilzunehmen, damit der Staatskasse Einnahmen zufließen“.
Es ist somit Sache des an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebundenen nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die nationalen Rechtsvorschriften angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten wirklich Zielen dienen, mit denen sie gerechtfertigt werden können, und ob die in ihnen enthaltenen Beschränkungen dazu nicht außer Verhältnis stehen. Die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des Monopols sei nicht gerechtfertigt, da die derzeitige Ausgestaltung nicht verhältnismäßig sei, so das VG Hamburg. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist entsprechend den Vorgaben des EuGH nicht nur der Sektor der Sportwetten, sondern der gesamte Glücksspielbereich zu berücksichtigen (S. 20).
Auch bestünden nach dem VG Hamburg mildere, gleich effektive Mittel, um den Jugendschutz sicherzustellen und die Kriminalität im Zusammenhang mit Spielen zu bekämpfen. Das Gericht verweist hierbei auf Genehmigungsvorbehalte und behördliche Kontrollen. Diese milderen Mittel halte der Staat auch bei Pferdewetten und dem Automatenspiel für hinreichend effektiv (S. 25). Im Folgenden betont das Verwaltungsgericht noch einmal, dass das bloße Fehlen einer Erlaubnis weder dem Anbieter noch dem Vermittler entgegengehalten werden könne, solange in europarechtswidriger Weise privaten Anbietern keine Erlaubnis ausgestellt werde (S. 27). Aus diesem Grund sei auch keine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben (S. 35). (Az. 4 K 350/08 vom 5. November 2010)
Eine Verbotsverfügung ist als unverhältnismäßig anzusehen, wenn diese über das hinausgeht, was zur Bekämpfung einer möglichen Spielsucht erforderlich ist.
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 74, vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 62, und Kommission/Spanien, Randnr. 39).
Zusammengestellt durch Volker Stiny
Glückspielmonopol (GlüStV) unzulässig !
Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages
Gesetze und Urteile
update 21.03.2011