Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Fabian Maschke
Genauso wie in Österreich haben auch in Deutschland Wirtschaftsteilnehmer häufig große Schwierigkeiten, vor den Verwaltungsgerichten den unionsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz gegen unionsrechtswidrige Entscheidungen oder Praktiken deutscher Behörden zu bekommen. Insbesondere Wirtschaftsteilnehmer, die durch den Glücksspielstaatsvertrag und die Ausführungsgesetze der Länder in ihren unionsrechtlichen Grundfreiheiten beschränkt werden, werfen die Frage auf, ob die Richter an den Verwaltungsgerichten nur irren oder ob sie bewusst als verlängerter Arm und als Reparaturbetrieb der Verwaltung agieren, weil die Richter oftmals die unionsrechtlichen Vorgaben entweder ganz ausblenden oder keine unionsrechtliche Prüfung vornehmen, wie der Gerichtshof sie – z.B. in der Rechtssache C-685/15 – verlangt.
Genauso wie in Österreich haben auch in Deutschland Wirtschaftsteilnehmer häufig große Schwierigkeiten, vor den Verwaltungsgerichten den unionsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz gegen unionsrechtswidrige Entscheidungen oder Praktiken deutscher Behörden zu bekommen. Insbesondere Wirtschaftsteilnehmer, die durch den Glücksspielstaatsvertrag und die Ausführungsgesetze der Länder in ihren unionsrechtlichen Grundfreiheiten beschränkt werden, werfen die Frage auf, ob die Richter an den Verwaltungsgerichten nur irren oder ob sie bewusst als verlängerter Arm und als Reparaturbetrieb der Verwaltung agieren, weil die Richter oftmals die unionsrechtlichen Vorgaben entweder ganz ausblenden oder keine unionsrechtliche Prüfung vornehmen, wie der Gerichtshof sie – z.B. in der Rechtssache C-685/15 – verlangt.
Gerade vor dem Hintergrund, dass der Gerichtshof der Europäischen Union schon mehrere Urteile im Zusammenhang mit dem deutschen Lotterie- und Glücksspielstaatsvertrag gefällt hat (Winner Wetten, Carmen Media, Markus Stoß, Ince), erscheint insbesondere in der Spielhallenproblematik die „Zurückhaltung“ deutscher Verwaltungsgerichte bei dem richtigen Umgang mit den unionsrechtlichen Grundsätzen einschließlich des Transparenzgebotes nicht mit dem Gedanken der Unabhängigkeit, Objektivität und der Gewaltenteilung in Einklang zu stehen. Zweifel an der Unabhängigkeit bestehen ohnehin in mehreren Bundesländern schon deshalb, weil die Richter ausgerechnet von demjenigen Ministerium – also von der Exekutive – zu Richtern auf Probe und dann – auf entsprechende Bewährung innerhalb der Verwaltung – zu Richtern auf Lebenszeit ernannt werden, das im Gerichtsverfahren als Gegner des Wirtschaftsteilnehmers auftritt, so insbesondere im Freistaat Bayern. Der sog. Freistaat Sachsen geht sogar noch einen Schritt weiter. Das Justizministerium bestimmt, wer Verwaltungsrichter wird und setzt als Bedingung, dass ein Interessent für den Posten als Verwaltungsrichter zunächst mehrere Jahre als weisungsabhängiger Staatsanwalt tätig ist, um den notwendigen Stallgeruch der Verwaltung zu bekommen. Wer also verstehen möchte, weshalb effektiver Rechtsschutz vor sächsischen Verwaltungsgerichten faktisch nicht zu bekommen ist, sollte sich mit der Frage der Gewaltenteilung in Sachsen befassen.
Dass es trotz einiger Demokratiedefizite bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch unabhängige „Perlen“ unter Verwaltungsrichtern gibt, macht die jüngste EuGH-Vorlage deutlich, die unter dem Aktenzeichen C-272/19 (Land Hessen) durch Vorlagebeschluss vom 28. März 2019 anhängig gemacht wurde.
Ein Verwaltungsrichter des VG Wiesbaden fragt den EuGH, ob es sich bei dem Verwaltungsgericht um ein unabhängiges Gericht im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta handelt. Im Vorlagebeschluss wird ausgeführt, dass die Gerichte zwar formal mit unabhängigen Richtern besetzt sind, die nur dem Gesetz unterworfen sind. Doch reiche eine solche funktionale Unabhängigkeit für sich nicht aus, um ein Gericht vor jeder äußeren Einflussnahme zu bewahren. Die Unabhängigkeit solle nicht nur die unmittelbare Einflussnahme in Form von Weisungen ausschließen, sondern auch sicherstellen, dass sie einer äußeren Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, entzogen sein müssen, die Entscheidungen steuern könnten und die zur Steuerung der Entscheidungen des Gerichts geeignet wäre. Im Vorlagebeschluss wird dazu insbesondere auf die Entscheidung des EuGH in der Österreich betreffenden Rechtssache C-614/10 verwiesen.
Der Vorlagebeschluss führt weiter aus, dass die Verwaltungsrichter nur funktionell unabhängig sind, „im Übrigen aber obliegen die Richter, und erst recht das Gericht, der äußeren Einflussnahme.“ Die Vorlageentscheidung schließt mit dem Satz: „Nach allem dürfte das vorlegende Gericht die europarechtlichen Vorgaben nach Art. 47 Abs. 2 GrCH eines unabhängigen und unparteiischen Gerichts nicht in diesem Sinne erfüllen.“ Wer sich mit der Materie tiefer befasst, so zum Beispiel im sog. Freistaat Sachsen oder im sog. Freistaat Bayern wird – Unabhängigkeit und Objektivität einmal unterstellt – nicht umhinkommen, dieselbe Schlussfolgerung zu ziehen. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden selbst hat übrigens am 9.4.2019 eine Pressemitteilung zu dem Vorlagebeschluss herausgegeben darin es heißt:
„Darüber hinaus sei fraglich, ob die hessischen Verwaltungsgerichte überhaupt Vorlagefragen an den EuGH richten könnten. Die Unionsverträge verliehen ein Vorlagerecht nur an unabhängige Gerichte. Die
deutsche Rechtsordnung sehe aber nur die Unabhängigkeit der Richter vor, während die Institution „Gericht“ maßgeblich vom Justizministerium, das die Personalakten führe und Personal einstelle, gesteuert werde, und
das wiederum Beteiligter an Konkurrenten- und richterrechtlichen Streitigkeiten sei.“
Kontakt:
Dr. Fabian Maschke
Dominikanerbastei 17/11, 1010 Wien,
Telefon +43 (0) 1 336 99 99
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Dr. Fabian Maschke
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VG Wiesbaden, Beschluss v. 28.03.2019 - Az.: C-272/19 (6K 1016/15)
Diese Vorlage an den EuGH bedeutet eine Zeitenwende in Deutschland und in ganz Europa.
Es besteht die Hoffnung, in der Zukunft, Urteile von tatsächlich unabhängigen Gerichten zu bekommen. weiterlesen
s.a.:
Keine Unabhängigkeit deutscher Gerichte !
Das Bundesverfassungsgericht ist als eigenständiges Verfassungsorgan das einzig wirklich unabhängige Gericht Deutschlands. (Quelle: BVerfG)
Bundesverfassungsgericht zum Anwendungsvorrang...
Beschluss vom 15. Dezember 2015 (2 BvR 2735/14)
Nach Art. 4 Abs, 3 S. 3 EUV sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Unionsrecht, inbegriffen die Grundfreiheiten, zu wahren. Um die einheitliche und volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu sichern, sind unionsrechtswidrige mitgliedstaatliche Regelungen nicht nur unmittelbar zu beseitigen, sondern dürfen aufgrund des Anwendungsvorrangs auch nicht weiter angewendet werden.
(vgl. u.a. EuGH, Rs. C-409/06, Winner Wetten, Slg. 2010, I-8015, Rn. 53-69)
Politische Justiz in unserem Land
Verlag: Grohmann, P (2. Dezember 2013)
Sprache: Deutsch
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Deutsche Justiz - Wie gefährdet ist unser Recht?
DokThema vom Mi, 22. Feb 17 · 22:00-22:45 · BR
Wie würde es der deutschen Justiz ergehen, wenn es hierzulande zu politischen Veränderungen käme wie derzeit in den USA? DokThema untersucht die Rolle der Richter, Staatsanwälte und der Polizei in einem Justizsystem, das immer noch nach dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 organisiert ist. weiterlesen
Legislative, Exekutive und Judikative.
Das Zusammenspiel dieser Säulen, soll ihn garantieren, den Rechtsstaat.
Im Grundgesetz heißt es dazu: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden" (Artikel 20 Abs. 3) und darauf ist eine Ewigkeitsgarantie gegeben (Art. 79 Abs. 3), auch für den Bereich des Glücksspielwesens. Aber alles nur Theorie?
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Art. 25 GG
1Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes.
2Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.
Alle mitgliedstaatlichen Organe sind verpflichtet, den Anwendungsvorrang des Unionsrechts praktisch wirksam ("effet utile") in vollem Umfang zu realisieren.
Gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßendes nationales Recht darf im Grundsatz ex tunc nicht mehr angewendet werden.
(vgl. Rengeling/Middeke/Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl., München 2003, Rz. 91 zu § 10)
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Pflicht zur Befolgung der Vorgaben eines übergeordneten Gerichts
– Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit – Art. 267 AEUV – Pflicht zur Befolgung der Vorgaben eines übergeordneten Gerichts“ weiterlesen
Zu einer eigenen Entscheidung über die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht sind nationale Behörden und Gerichte - gleich welcher Instanz - nicht befugt.
Nationale Gerichte dürfen sich nach dem Richterspruch nicht über EU-Recht hinwegsetzen und müssen gegebenenfalls heimische Gesetze und Vorschriften außer acht lassen (AZ: C-119/05).
Der EuGH unterstrich, dass nationale Gerichte zwar das Recht hätten, die Gültigkeit von Rechtsakten der EU prüfen zu lassen.
Sie seien aber nicht befugt, deren Ungültigkeit selbst festzustellen.
Nur mit der Einhaltung der Vorgaben des EuGH wird gewährleistet, dass Europarecht in allen EU-Ländern einheitlich ausgelegt wird.
Damit wahrt der Gerichtshof auch die Grundrechte des Bürgers gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft und schützt ihn gegen Missbrauch.
Steht eine rangniedere Norm im Widerspruch zu einer ranghöheren Norm des nationalen Rechts, so ist die rangniedere Norm aufgrund des Geltungsvorrangs der ranghöheren Norm grundsätzlich nichtig bzw. ist eine dem EU-Recht widersprechende deutsche Rechtsvorschrift nicht anwendbar
(sog. Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht). EUGH NVwZ 1990, 649 (650), Ehlers in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht § 2 Rn. 127)
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BFH zum Anwendungsvorrang
BFH Urteil vom 24.10.2013, V R 17/13
Verhältnis nationales Recht und Unionsrecht - Anwendungsvorrang
Ob eine gesetzlich geschuldete Steuer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorliegt, bestimmt sich unter Berücksichtigung des Unionsrechts. weiterlesen
Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Haftung der Mitgliedstaaten wegen Verstoßes gegen das EU-Recht
Schon sehr früh, nämlich in seinem Urteil vom 16. Dezember 1960 (Rechtssache 6/60), hat der Gerichtshof folgenden Leitsatz verkündet:
“Stellt der Gerichtshof fest, dass ein Akt der Gesetzgebungs- oder der Verwaltungs-organe eines Mitgliedstaates dem Gemeinschaftsrecht zuwiderläuft, so ist dieser Staat nach Artikel 86 EGKS-Vertrag verpflichtet, sowohl diesen Akt rückgängig zu machen als auch die möglicherweise durch ihn verursachten rechtswidrigen Folgen zu beheben.“ (Slg. der Rechtsprechung, S. 1165)Gefestigt wurde diese Rechtsprechung zur Haftung eines Staates wegen Verstoßes gegen geltendes Gemeinschaftsrecht im Francovich-Urteil vom 28. Mai 1991 (verb. Rs. C-6/90 und C-9/90)
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„Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzt die Eignung der Internetverbote zusätzlich voraus, dass sie zur Erreichung der mit ihnen verfolgten Gemeinwohlzwecke in systematischer und kohärenter Weise beitragen (EuGH, Urteile vom 6. November 2003 – Rs. C-243/01, Gambelli u.a. – Slg. 2003, I-13031 Rn. 67, vom 3. Juni 2010 – Rs. C-258/08, Ladbrokes – NVwZ 2010, 1081 Rn. 21 sowie vom 8. September 2010, Markus Stoß u.a., a.a.O. Rn. 88 ff. und Carmen Media, a.a.O. Rn. 55, 64 ff.). Entgegen der Auffassung des Beklagten gilt diese zusätzliche Anforderung nicht nur für die Rechtfertigung staatlicher Glücksspielmonopole, sondern für die Rechtfertigung von Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit allgemein (vgl. EuGH, Urteil vom 10. März 2009 – Rs. C–169/07, Hartlauer – Slg. 2009, I–1721 Rn. 55 ff.)“
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