Mittwoch, 28. September 2016

VG Augsburg zur Nutzungsänderung entgegen Veränderungssperre


VG Augsburg, Urteil v. 16.06.2016 – Au 5 K 16.271

Teil-Nutzungsänderung einer Gaststätte in eine Spielothek entgegen Veränderungssperre
Normenketten:
BayBO Art. 2 Abs. 4, Art. 55, Art. 63 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1, Art. 81 Abs. 1
BauGB § 14, § 17, § 29
GG Art. 14 Abs. 1
VwGO § 75, § 113 Abs. 1 S. 4
§ 17 Abs. 3 BauGB
§ 17 Abs. 2 BauGB
§ 75 VwGO
Art. 14 Abs. 1 GG

Leitsätze:
Die Zulässigkeit einer Veränderungssperre setzt vom Ablauf des dritten Sperrjahres an das Vorliegen besonderer Umstände voraus, und zwar mit weiterem Zeitablauf in einer die Anforderungen kontinuierlich steigernden Weise. (redaktioneller Leitsatz)
Im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG ist es erforderlich, dass eine Planung im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Veränderungssperre einen Stand erreicht hat, der ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennen lässt. (redaktioneller Leitsatz)
Gemeinden haben grundsätzlich das Recht, aus Anlass eines konkreten Bauantrags die rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit eines Vorhabens noch zu verändern. Allein aus dem Umstand, dass ein Bebauungsplan einen zeitlichen und sachlichen Bezug zu einem Vorhaben aufweist, können keine Schlüsse zur Rechtswidrigkeit der Planung hergeleitet werden. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Veränderungssperre, Vergnügungsstätte, Spielhalle, Bebauungsplan, Teil-Nutzungsänderung, Zeitablauf, Fortsetzungsfeststellungsklage, Amtshaftung

Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand
1
Der Kläger begehrt nach ursprünglicher Erhebung einer Untätigkeitsklage nunmehr die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für eine Teil-Nutzungsänderung einer Gaststätte in eine Spielothek auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (...).
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Der Kläger ist Pächter eines Teilbereichs des Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ..., in welchem im Erdgeschoss bislang eine Gaststätte betrieben worden ist.
3
Mit Formblatt vom 2. September 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Teil-Nutzungsänderung einer Gaststätte zu einer Spielothek auf dem Grundstück Fl.Nr. .... In der ursprünglichen Baubeschreibung zum Bauantrag war eine Nutzfläche der Spielothek im Umfang von 145,15 m² angegeben. Es sollten insgesamt 12 Spielgeräte aufgestellt werden. Im Verlauf des Genehmigungsverfahrens hat der Kläger seine Planungen dahingehend abgeändert, dass künftig nunmehr eine Nutzfläche der Spielothek incl. Aufsichtsraum von insgesamt 100,06 m² (8 Spielgeräte) vorgesehen sei.
4
Das in Aussicht genommene Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des seit dem 8. Juli 1966 rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. ... der Beklagten „...“, der den betreffenden Bereich als Mischgebiet i. S. d. § 6 der Baunutzungsverordnung (BauNVO 1962) festsetzt. Der Bebauungsplan Nr. ... bestimmt weiter, dass die in § 6 Abs. 3 BauNVO 1962 gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen nicht Bestandteil des Bebauungsplanes sind. Auf den weiteren Inhalt des Bebauungsplanes Nr. ... der Beklagten wird ergänzend verwiesen.
5
Mit Beschluss des Stadtrates vom 26. Juli 2012 hat die Beklagte einen Änderungs- und Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. ... „...“ beschlossen. Als Ziel der Planung ist in der Begründung ausgeführt, dass die ...-vorstadt für das ... Stadtbild einen besonders relevanten Bereich mit städtebaulichen Plätzen und dominanten sowie innerstadtnahen Mischgebieten darstelle. Lt. dem aktuellen Einzelhandelsentwicklungskonzept 2015/2020 für die Stadt ... zähle das Plangebiet zum „Zentralen Versorgungsbereich Innenstadt“, in dem für eine zielgerichtete Weiterentwicklung des Handelsplatzes Innenstadt der Schwerpunkt auf attraktiven Marken und modernen Betriebskonzepten liegen solle. Ziel der Planung sei die Sicherung der hohen geprägten Mischstruktur sowie der Erhalt bzw. die weitere Aufwertung dieses wichtigen Stadtbereichs. Festgesetzt werde ein Mischgebiet, in dem die allgemein zulässigen Nutzungen wie Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude und Einzelhandelsbetriebe gestärkt und gesichert werden sollen. Gartenbaubetriebe, Tankstellen, Bordelle, bordellartige Betriebe, Wohnungsprostitution, Vergnügungsstätten sollen ausgeschlossen werden, da diese Nutzungen die vorhandenen sensiblen Nutzungen beeinträchtigten (Wohnen, Denkmal, ...).
6
Der Änderungs- und Aufstellungsbeschluss vom 26. Juli 2012 wurde von der Beklagten im Amtsblatt Nr. ... am 3. August 2012 ortsüblich bekanntgemacht.
7
Das im Juli 2012 initiierte Bauleitplanverfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen.
8
Zur Sicherung des künftigen Bebauungsplanes Nr. ... hat die Beklagte ebenfalls am 26. Juli 2012 erstmalig den Erlass einer Veränderungssperre beschlossen. Diese wurde ebenfalls am 3. August 2012 im Amtsblatt Nr. ... ortsüblich bekanntgemacht. Nach § 1 der Satzung über die Veränderungssperre soll zur Sicherung der mit dem künftigen Bebauungsplan Nr. ... beabsichtigten Planung für dessen Geltungsbereich ..., begrenzt durch die ... und dem ... im Westen eine Veränderungssperre erlassen werden. Nach § 2 der Satzung dürfen in dem von der Veränderungssperre betroffenen Gebiet Vorhaben i. S. d. § 29 Baugesetzbuch (BauGB) nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden. Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden (§ 2 Abs. 2 der Satzung). Auf den weiteren Inhalt der Satzung wird Bezug genommen.
9
Am 3. August 2014 ist die ursprünglich beschlossene Veränderungssperre außer Kraft getreten.
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Mit weiterem Beschluss des Stadtrates der Beklagten vom 25. Februar 2016 wurde zur Sicherung der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. ... „...“ erneut der Erlass einer Veränderungssperre beschlossen. Diese wurde im Amtsblatt Nr. 8 vom 26. Februar 2016 ortsüblich bekanntgemacht. In der Beschlussvorlage der Beklagten ist insoweit ausgeführt, dass die bestehenden gewerblichen Leerstände bzw. die potenziellen Flächen für Leerstände in integrierter Lage entlang der ... in verstärktem Maß als Flächen für Vergnügungsstätten und Wettbüros nachgesucht würden. Da im Bereich der ... nur noch ein geringes Entwicklungspotenzial vorhanden sei, solle sichergestellt werden, dass diese Flächen zukünftig für die Stärkung der genannten Einzelhandelsstruktur zur Verfügung stünden. Zudem würde eine weitere Häufung von Vergnügungsstätten zwangsläufig die Funktion des Gebietes nachhaltig verschlechtern und die vorhandenen sensiblen Nutzungen beeinträchtigen (Wohnen, Denkmal, Sozialsiedlung als Touristenmagnet mit überörtlicher Bedeutung). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der Satzung tritt die Veränderungssperre spätestens nach Ablauf eines Jahres nach ihrer Bekanntmachung außer Kraft.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 7. März 2016 wurde der Antrag des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung bezüglich der begehrten Teil-Nutzungsänderung abgelehnt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass das beantragte Vorhaben den konkreten zukünftigen Zielen - Ausschluss von u. a. Vergnügungsstätten - des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes widerspreche. Dieser Bebauungsplan habe in seinem Verfahren noch nicht zur Planreife fortgeführt werden können. Zur Sicherung der Planung des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes habe der Stadtrat der Beklagten ursprünglich am 26. Juli 2012 eine Veränderungssperre erlassen. Diese sei am 3. August 2014 außer Kraft getreten. Zur Sicherung der weiteren Planung habe der Stadtrat am 25. Februar 2016 insbesondere für die Bereiche beiderseits der ... erneut eine Veränderungssperre als Satzung beschlossen. Eine außer Kraft getretene Veränderungssperre könne gemäß § 17 Abs. 3 BauGB ganz oder teilweise erneut beschlossen werden, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestünden. Nachdem das Bauvorhaben auch als nicht-kerngebietstypische Spielhalle den nach wie vor fortgeltenden Planungszielen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes Nr. ... widerspreche, sei der erneute Erlass einer Veränderungssperre zu beschließen gewesen. Das Bauvorhaben sei aufgrund der Veränderungssperre folglich abzulehnen. Die Durchführung des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes sei bei Zulassung des Bauvorhabens nicht mehr durchführbar. Eine Ausnahme von der Veränderungssperre könne daher nicht erteilt werden.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheides der Beklagten vom 7. März 2016 wird ergänzend Bezug genommen.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 23. Februar 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und im Wege einer Untätigkeitsklage gemäß § 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zunächst beantragt:
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Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 2. September 2015 auf Erteilung einer Baugenehmigung zur „Nutzungsänderung Teil einer Gaststätte zu einer Spielothek“ in der ..., ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... - ggf. unter gleichzeitiger Erteilung einer Ausnahme gemäß § 34 Abs. 2, 31 Abs. 1 BauGB, § 6 Abs. 3 BauNVO - positiv zu bescheiden,
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hilfsweise, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
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Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen, dass sich das Vorhabengrundstück auf der Nordseite der ... befinde. Ein Bebauungsplan bestehe für das Gebiet, in welchem das Vorhabensgrundstück liege, nicht. Bei der Bebauung beiderseits der ... handle es sich um ein faktisches Mischgebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO. Es spreche allerdings auch viel für ein Kerngebiet, da kerngebietstypische Einrichtungen vorhanden seien. Die Klage sei als Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig, weil die Beklagte über den Bauantrag des Klägers vom 2. September 2015 bislang nicht entschieden habe. Die Klage sei auch begründet, weil der Kläger einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO habe. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der nicht-kerngebietstypischen Spielhalle ergebe sich aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO, weil die Spielhalle in einem Bereich zu liegen kommen solle, welcher überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sei. Bei der beantragten Spielhalle handele es sich um eine nicht-kerngebietstypische Spielhalle. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei seit längerem anerkannt, dass bei der Unterscheidung der kerngebietstypischen von der nicht-kerngebietstypischen Spielhalle dem „Schwellenwert“ von 100 m² Spielfläche die Bedeutung eines wesentlichen Anhalts zukommen könne. Die beantragte Vergnügungsstätte sei mit einer Spielfläche von 100,06 m² nicht-kerngebietstypisch. Sollte man vom Vorliegen eines Mischgebiets ausgehen, habe der Kläger dennoch einen Anspruch auf Genehmigung im Ausnahmewege. Die erforderliche, im Ermessen der Beklagten stehende Ausnahme nach § 34 Abs. 2, § 31 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 3 BauNVO sei zu erteilen. Das Vorhaben könne ausnahmsweise zugelassen werden, da es sich insoweit um eine nicht-kerngebietstypische Vergnügungsstätte i. S. d. § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO handele. Die Spielhalle sei planungsrechtlich unter Erteilung einer Ausnahme in entsprechender Anwendung des § 31 Abs. 1 BauGB zulässig. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, welcher insoweit die §§ 2 - 14 BauNVO ergänze, stehe der Zulassung nicht entgegen. Es sei schon nicht zu erkennen, dass Gewerbebetriebe in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabensgrundstücks oder in den darüber hinausgehenden Bereich vor der Ansiedlung einer einzelnen Spielhalle geschützt werden müssten. Nach der Baunutzungsverordnung ausnahmsweise zulässige Vorhaben könnten aus Erwägungen, die für das gesamte maßgebliche Gebiet Geltung beanspruchten, regelmäßig nicht im Wege einer Ermessensentscheidung, sondern nur mit den Mitteln der Bauleitplanung ausgeschlossen werden.
17
Auf den weiteren Vortrag im Klageschriftsatz vom 23. Februar 2016 wird ergänzend Bezug genommen.
18
Mit Schriftsätzen vom 2. Juni 2016 und vom 13. Juni 2016 hat der Kläger nunmehr beantragt:
19
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 7. März 2016 (...) verpflichtet, den Bauantrag des Klägers vom 2. September 2015 auf Erteilung einer Baugenehmigung zur „Nutzungsänderung Teil einer Gaststätte zu einer Spielothek“ in der ..., ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... - gegebenenfalls unter gleichzeitiger Erteilung einer Ausnahme gemäß §§ 34 Abs. 2, 31 Abs. 1 BauGB, 6 BauNVO - positiv zu bescheiden,
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hilfsweise: Die Klage wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beschieden,
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wiederum hilfsweise: Es wird festgestellt, dass das beantragte Vorhaben bis zum Erlass der Satzung über die Veränderungssperre zulässig war.
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Zur Begründung ist ergänzend ausgeführt, dass Gegenstand des Klageverfahrens eine mischgebietstypische Spielhalle mit einer Nettonutzfläche von 100,06 m2 sei. Es bestünden größte Zweifel, ob die am 26. Februar 2016 in Kraft getretene Veränderungssperre rechtswirksam sei. Der Änderungs- und Aufstellungsbeschluss für den Änderungsbebauungsplan Nr. ... sei bereits am 26. Juli 2012 gefasst worden. Es liege ein Fall des § 17 BauGB vor. Grundsätzlich sei nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB die erstmalige Verlängerung einer Veränderungssperre möglich, wenn das Erfordernis der Sicherung der Bauleitplanung fortbestehe. Davon sei regelmäßig auszugehen, wenn eine eingeleitete Bauleitplanung während des Laufs einer Veränderungssperre noch nicht abgeschlossen worden sei. Bei der am 26. Februar 2016 in Kraft getretenen Veränderungssperre handle es sich bereits um die zweite Veränderungssperre der Beklagten zur Sicherung ihrer im Juli 2012 begonnen Bauleitplanung. Es stehe der Beklagten zwar frei, anstelle der Verlängerung der ersten Veränderungssperre eine neue Veränderungssperre zu beschließen. Der erneute Erlass einer Veränderungssperre nach § 17 Abs. 3 BauGB erfordere aber, wenn die Bauleitplanung insgesamt mehr als drei Jahre dauere und gesichert werden solle, in gleicher Weise das Vorliegen besonderer Umstände i. S. v. § 17 Abs. 2 BauGB wie die nochmalige Verlängerung einer Veränderungssperre über diesen Zeitraum hinaus. Besondere Umstände habe die Beklagte nicht geltend gemacht und könne dies auch nicht tun. Das Vorliegen besonderer Umstände sei nämlich nur dann anzuerkennen, wenn diese durch außergewöhnliche Schwierigkeiten der konkreten Planung begründet seien. An dem Änderungsbebauungsplan seien nach dem Aufstellungsbeschluss keinerlei planerische Arbeiten erfolgt. Gründe für den Neuerlass der abgelaufenen Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 3 BauGB bestünden gleichfalls nicht.
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Auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 13. Juni 2016 wird ergänzend verwiesen.
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Die Beklagte ist der Klage mit Schriftsatz vom 8. April 2016 entgegengetreten und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass über den Bauantrag mittlerweile mit Ablehnungsbescheid vom 7. März 2016 entschieden worden sei, welcher dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. März 2016 zugestellt worden sei. Das Antragsgrundstück liege entgegen der Darstellungen der Klagebegründung im Geltungsbereich des seit dem 9. Juli 1966 rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. ... der Beklagten, der den betreffenden Bereich als Mischgebiet i. S. d. § 6 BauNVO 1962 festsetze. Darüber hinaus befinde sich für den Vorhabensbereich seit 2012 der Bebauungsplan Nr. ... „...“ in Aufstellung. Dieser Bebauungsplan habe zur Zielsetzung die Sicherung der wohngeprägten Mischstruktur sowie den Erhalt bzw. die weitere Aufwertung dieses wichtigen Innenstadtbereiches. Gartenbaubetriebe, Tankstellen, Bordelle, bordellartige Nutzung, Wohnungsprostitution, Vergnügungsstätten sowie Wettbüros sollten ausgeschlossen werden. Diese Nutzungen beeinträchtigten die vorhandenen sensiblen Nutzungen. Insbesondere solle die vorzufindende Verdrängung der im Plangebiet ausdrücklich gewünschten Einzelhandels- und Dienstleistungsnutzungen unterbunden werden. Der Erhalt des zentralen Versorgungsbereiches Innenstadt solle sichergestellt und weiter gestärkt werden. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung bestehe nicht. Das Vorhaben sei bereits planungsrechtlich unzulässig. Es widerspreche bereits den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. .... In dem festgesetzten Mischgebiet seien lediglich sonstige, nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe planungsrechtlich zulässig. In die Berechnung der Nutzfläche sei ein baulich nicht eindeutig abgetrennter Raumteil mit einzubeziehen. Damit überschreite die beantragte Spielhalle hinsichtlich ihrer Nutzfläche den von der Rechtsprechung zur Abgrenzung entwickelten Anhalts- bzw. Schwellenwert von 100 m² und sei daher als kerngebietstypisch zu qualifizieren. Für die Kerngebietstypik sprächen des Weiteren die exponierte Lage des Vorhabens an einer wichtigen Einfallstraße im Innenstadtbereich sowie die beabsichtigten Öffnungszeiten. Demgemäß lägen Gesichtspunkte für die Annahme einer wesentlichen Störung vor, wenn die Anlage in den Abend- und Nachtstunden und an Wochenenden betrieben werde. Selbst wenn man das Vorhaben als nicht-kerngebietstypisch einstufen sollte, ergebe sich gleichwohl dessen planungsrechtliche Unzulässigkeit. Dem Vorhaben stehe die ordnungsgemäß beschlossene wirksame (erneute) Veränderungssperre entgegen.
27
Am 16. Juni 2016 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte sowie die vorgelegten Bebauungsplanunterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist mit ihrem zuletzt gestellten Haupt- und ersten Hilfsantrag zulässig, bleibt in der Sache aber insoweit ohne Erfolg. Soweit der Kläger höchst hilfsweise die Feststellung begehrt, dass das von ihm beantragte Vorhaben bis zum Erlass der erneuten Veränderungssperre zulässig war, erweist sich sein Antrag bereits als unzulässig.
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Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die Genehmigung seines Baugesuchs vom 2. September 2015 und auch keinen Anspruch auf eine erneute Verbescheidung. Er wird durch den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 7. März 2016 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Die vom Kläger im Hauptantrag erhobene Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist zulässig. Dieser Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der Kläger nach ursprünglicher Geltendmachung einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) nach Ergehen des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 7. März 2016 seinen Klageantrag nicht innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Erhebung einer Versagungsgegenklage umgestellt hat. Dies erfolgte erstmals im Schriftsatz des Klägers vom 2. Juni 2016 und damit außerhalb der Klagefrist aus § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO. Da der Kläger jedoch seine ursprüngliche Klage zulässigerweise auf der Grundlage des § 75 VwGO erhoben hat - im Zeitpunkt der Klageerhebung (23. Februar 2016) war die in § 75 Satz 2 VwGO genannte Frist von drei Monaten seit Antragstellung (2. September 2015) bereits abgelaufen -, ist es unschädlich, dass der Kläger erst nach Ablauf der Monatsfrist aus § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung umgestellt hat. Ist - wie hier - der nach Klageerhebung ergangene Verwaltungsakt für den Kläger negativ, so entspricht er nicht dem, was der Kläger mit seiner ursprünglichen Klage nach § 75 VwGO in der Sache begehrt. In diesem Fall kann der Kläger seine Klage unter Einbeziehung des ergangenen Verwaltungsaktes aufrechterhalten und fortführen. Der Streitgegenstand der ursprünglichen, zulässig erhobenen Klage umfasst insoweit auch den noch nicht ergangenen Verwaltungsakt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 75 Rn. 21).
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2. Die demnach zulässigerweise erhobene Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Klage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Baugenehmigung in Form der Nutzungsänderungsgenehmigung besitzt.
33
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichem Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nur in diesem Fall besteht ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Da das vom Kläger begehrte Bauvorhaben keinen Sonderbau gemäß Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt - die Nutzfläche der begehrten Spielhalle beträgt nach jeglicher Betrachtungsweise weniger als 150 m² (Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO) - prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 BayBO die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlage nach den §§ 29 - 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften i. S. d. Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1), beantragte Abweichungen i. S. d. Art. 63 Abs. 1 und Abs. 1 Satz 2 BayBO (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtlichen Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3).
34
Diesen Beurteilungsmaßstab zugrunde legend hat der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Baugenehmigung, weil das Vorhaben bereits planungsrechtlich unzulässig ist. Dem Bauvorhaben steht die von der Beklagten am 25. Februar 2016 beschlossene und am 26. Februar 2016 öffentlich bekannt gemachte erneute Veränderungssperre für den am 26. Juli 2012 gefassten Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. ... „...“ entgegen, der in seinem Geltungsbereich, in dem das streitgegenständliche Baugrundstück liegt, die Festsetzung eines Mischgebiets i. S. v. § 6 BauNVO unter Ausschluss von Vergnügungsstätten vorsieht.
35
2.1 Mit der begehrten Teil-Änderung der Nutzung einer ehemaligen Gaststätte in eine Spielhalle auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... liegt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung i. S. d. § 29 Abs. 1 BauGB vor.
36
Eine derartige Nutzungsänderung setzt eine Änderung der Nutzungsweise voraus, die insoweit bodenrechtlich relevant ist, als sie die in § 1 Abs. 6 BauGB genannte Belange berühren kann, womit die Genehmigungsfrage (erneut) aufgeworfen wird. Der Tatbestand einer Nutzungsänderung i. S. v. § 29 BauGB wird von solchen Veränderungen erfüllt, die außerhalb der jeder einzelnen Art von Nutzung eigenen Variationsbreite liegen. Dies kann sowohl dann der Fall sein, wenn für die neue Nutzung weitergehende Vorschriften gelten, als für die alte, als auch dann, wenn sich die Zulässigkeit der neuen Nutzung zwar nach derselben Vorschrift bestimmt, hiernach aber anders zu beurteilen ist, als die bisherige Nutzung (vgl. BVerwG, U. v. 27.8.1998 - 4 C 5/98 - NVwZ 1999, 523; B. v. 7.11.2002 - 4 B 64/02 - BRS 66 Nr. 70; Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberg, BauGB, Stand: November 2015, § 29 Rn. 41). Der hier beabsichtigte Wechsel von einer ehemaligen Gaststätte in eine Spielhalle führt zwangsläufig zu einer Neubewertung der bauplanungsrechtlichen Auswirkungen auf die Umgebung des Bauvorhabens und löst eine Genehmigungspflicht aus Art. 55 Abs. 1 BayBO aus.
37
2.2 Im Rahmen der zuletzt erhobenen Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage kann dahin gestellt bleiben, ob das streitgegenständliche Bauvorhaben auf der Grundlage des ursprünglichen, seit dem 8. Juli 1966 rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. ... der Beklagten „...“, der den betreffenden Bereich als Mischgebiet i. S. v. § 6 BauNVO 1962 festgesetzt hat, planungsrechtlich zulässig wäre.
38
Im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, auf den zur Beurteilung der Begründetheit der Verpflichtungsklage abzustellen ist (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O. § 113 Rn. 217), steht einem Anspruch des Klägers auf Erteilung der Baugenehmigung der am 26. Juli 2012 von der Beklagten gefasste Änderungs- und Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. ... „...“ und der darin künftig beabsichtigte Ausschluss von Gartenbaubetrieben, Tankstellen, Bordellen, bordellartigen Betrieben, Wohnungsprostitution und Vergnügungsstätten entgegen. Zwar ist der Bebauungsplan Nr. ... der Beklagten „...“ zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als Satzung noch nicht wirksam in Kraft getreten. Die Beklagte hat jedoch ihre beabsichtigte Planung wirksam mit einer (erneuten) Veränderungssperre, die am 25. Februar 2016 beschlossen und am 26. Februar 2016 in Kraft getreten ist, gesichert.
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2.3 Diese erneute Veränderungssperre vom 25./26. Februar 2016 kann dem Vorhaben des Klägers auch entgegengehalten werden. Die Veränderungssperre der Beklagten vom Februar 2016, welche nach ihrem Inhalt das Bauvorhaben hindern würde (§§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 1a der Satzung der Beklagten über die Veränderungssperre), muss als wirksam angesehen werden. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kommt ihr deshalb Relevanz für die von der Kammer zu treffenden Entscheidung über den Bauantrag des Klägers zu.
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Die Veränderungssperre kann dem strittigen Vorhaben mangels Zeitablaufs auch von Seiten der Beklagten entgegengehalten werden. Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftig Planbereich eine Veränderungssperre als Satzung beschließen. Diese Voraussetzung liegt hier vor.
41
Mit Beschluss des Stadtrates der Beklagten vom 26. Juli 2012 wurde der Änderungs- und Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. ... „...“ beschlossen. Festgesetzt wurde dabei ein Mischgebiet, in dem die allgemein zulässigen Nutzungen wie Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude und Einzelhandelsbetriebe gestärkt und gesichert werden sollen. Gartenbaubetriebe, Tankstellen, Bordelle, bordellartige Betriebe, Wohnungsprostitution, Vergnügungsstätten sowie Wettbüros sollen hingegen ausgeschlossen werden, da diese Nutzungen die vorhandenen sensiblen Nutzungen beeinträchtigten (Wohnen, Denkmal, ...). Der Änderungs- und Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. ... wurde im Amtsblatt der Beklagten Nr. ... vom 3. August 2012 ortsüblich bekannt gemacht. Die erste Veränderungssperre zu dem beabsichtigten Bebauungsplan wurde gemäß § 16 Abs. 1 BauGB durch den Stadtrat der Beklagten ebenfalls am 26. Juli 2012 beschlossen und im Amtsblatt der Beklagten Nr. ... vom 3. August 2012 ortsüblich bekannt gemacht.
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Diese erste Veränderungssperre der Beklagten zur Sicherung des im Juli/August 2012 initiierten Bauleitplanverfahrens ist am 3. August 2014 durch Zeitablauf (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB) außer Kraft getreten. Mit Beschluss des Stadtrates vom 25. Februar 2016 hat der Stadtrat der Beklagten erneut beschlossen, das zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossene Bauleitplanverfahren zur Aufstellung des künftigen Bebauungsplanes Nr. ... erneut durch eine Veränderungssperre abzusichern. Dieses Vorgehen der Beklagten bleibt rechtlich unbeanstandet und steht der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des strittigen Bauvorhabens des Klägers im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung entgegen.
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2.4 Bei der am 25. Februar 2016 beschlossenen und am 26. Februar 2016 bekannt gemachten Veränderungssperre handelt es sich um eine „erneute“ Veränderungssperre, die von der Verlängerung einer bestehenden Veränderungssperre nach § 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BauGB und einer „neuen“ selbstständigen Veränderungssperre für ein gänzlich anderes Vorhaben zu unterscheiden ist.
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Nach § 17 Abs. 3 BauGB kann die Gemeinde eine außer Kraft getretene Veränderungssperre ganz oder teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für einen Erlass fortbestehen. § 17 Abs. 3 BauGB sieht vom Wortlaut her betrachtet keine zusätzlichen - etwa § 17 Abs. 2 BauGB vergleichbaren - inhaltlichen Voraussetzungen für den Beschluss einer erneuten Veränderungssperre vor. Auch besteht keine Exklusivität im Verhältnis zu den Vorschriften über die Verlängerung der Veränderungssperre (§ 17 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BauGB). Vielmehr steht es der Gemeinde generell frei zu entscheiden, ob sie eine auslaufende Veränderungssperre nach § 17 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BauGB verlängert oder nach § 17 Abs. 3 BauGB erneut erlässt (BVerwG, U. v. 10.9.1976 - IV C 39.74 - BVerwGE 51, 121 - 139; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 17 Rn. 46). Da die der Gemeinde nach § 17 Abs. 1 Satz 3 oder § 17 Abs. 2 BauGB eröffnete Möglichkeit, eine bereits verhängte Veränderungssperre zu verlängern, es nicht ausschließt, anstatt dessen die Veränderungssperre zu erneuern (§ 17 Abs. 3 BauGB), besteht in diesen Fällen allerdings die Gefahr, dass die Gemeinde die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen eine Verlängerung der erlassenen Veränderungssperre zulässig ist, umgeht. Auf diesen Umstand hat auch der Bevollmächtigte des Klägers hingewiesen. Dieser Gefahr muss im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) begegnet werden (BVerwG, U. v. 30.10.1992 - 4 NB 44.92 - DVBl. 1993, 115). Damit gilt, dass sofern sich die Gemeinde für die Erneuerung der Verlängerungssperre auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 BauGB entschließt, materiell-rechtlich keine anderen Voraussetzungen gelten, als sie bei einer entsprechenden Verlängerung gelten würden. Eine die zweite Verlängerung ersetzende Erneuerung ist somit nur bei Vorliegen besonderer Umstände statthaft. Alle Veränderungssperren, die vier Jahre - also den durch die zweite Verlängerung gedeckten Zeitraum - überschreiten, stehen in ihrer Zulässigkeit unter keinen anderen Anforderungen, als sie § 17 Abs. 2 BauGB für die Zulässigkeit einer zweiten Verlängerung einer Veränderungssperre aufstellt. Eine derartige erneute Veränderungssperre ist nur bei Vorliegen von „besonderen Umständen“ zulässig. Eine die erste Verlängerung ersetzende Erneuerung steht hingegen nur unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB (BVerwG, U. v. 10.9.1976, a. a. O.). Anders als hinsichtlich der zweiten Verlängerung einer Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 2 BauGB statuiert das Gesetz keine weiter gehenden materiell-rechtlichen Anforderungen an eine erste Verlängerung, insbesondere ist es insoweit unerheblich, ob es im Bauleitplanverfahren zu einer Verzögerung gekommen ist und ob die Gemeinde solche Verzögerungen zu vertreten hat (vgl. Sennekamp in Brügelmann, BauGB, Stand: Dezember 2015, § 17 Rn. 44).
45
Entscheidend ist bei dieser Betrachtungsweise auf die durch die Veränderungssperre abgesicherten „Sperrjahre“ abzustellen. Unabhängig davon, dass mit dem Ablauf spätestens des vierten Jahres die Veränderungssperre eines Grundstücks von der zulässigen Eigentumsbindung in die Enteignung umschlägt, setzt die Zulässigkeit einer solchen Sperre vom Ablauf des dritten Sperrjahres an das Vorliegen besonderer Umstände voraus, und zwar dies mit weiterem Zeitablauf in einer die Anforderungen kontinuierlich steigernden Weise (BVerwG, U. v. 10.9.1976, a. a. O.). Das Erfordernis, dass besondere Umstände für eine Verlängerung bzw. Erneuerung der Veränderungssperre vorliegen müssen, setzt daher erst mit dem Ablauf des dritten Sperrjahres ein.
46
Dies zugrunde legend ergibt sich im hier zu entscheidenden Fall, dass die Beklagte ihrer Veränderungssperre lediglich eine Geltungsdauer von insgesamt drei Jahren beigemessen hat. Nach Ablauf der ursprünglichen im Juli/August 2012 beschlossenen und bekannt gemachten ersten Veränderungssperre und deren Ablauf am 3. August 2014 hat die Beklagte die erneute Veränderungssperre, die sie im Februar 2016 beschlossen hat, gemäß § 4 Abs. 2 der Satzung mit einer Geltungsdauer von einem weiteren Jahr ausgestattet, so dass sich in der Gesamtbetrachtung der beiden Veränderungssperren eine Sperrfrist von insgesamt drei Jahren errechnet, welche auf der Grundlage der in § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB der Gemeinde grundsätzlich eröffneten Verlängerungsoption von einem Jahr rechtlich keinen Bedenken unterliegt.
47
2.5 Entgegen der Rechtsauffassung des Bevollmächtigten des Klägers bleibt auch die Tatsache, dass die ursprüngliche Veränderungssperre bereits im Jahr 2014 außer Kraft getreten ist und die Beklagte erst im Februar 2016 eine erneute Veränderungssperre beschlossen hat, rechtlich unbeanstandet. § 17 Abs. 3 BauGB besagt nicht, dass ein bestimmter zeitlicher Abstand zwischen dem Außerkrafttreten der ersten Veränderungssperre und dem Inkrafttreten der erneuten Veränderungssperre liegen muss. Dass ein sachlicher und damit mittelbar auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der ersten und der zweiten Veränderungssperre bestehen muss, ergibt sich allerdings aus dem Wortlaut des Gesetzes. Zum einen lässt sich von einer „erneuten“ Veränderungssperre nur im Verhältnis zu einer früheren, zeitlich vorausgehenden sprechen. Zum anderen müssen die inhaltlichen Voraussetzungen für den Erlass der Veränderungssperre fortbestehen. Damit wird gefordert, dass die in § 14 Abs. 1 BauGB genannten Voraussetzungen noch im Zeitpunkt der erneuten Veränderungssperre unverändert bestehen müssen. Dies bedeutet, dass sich die ursprüngliche Planungssituation nicht geändert hat und das die Notwendigkeit der Sicherung dieser Planung im Zeitpunkt des Erlasses der erneuten Veränderungssperre nach wie vor bestehen muss (BVerwG, U. v. 30.10.1992, a. a. O.; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 17 Rn. 44; Sennekamp in Brügelmann, a. a. O., § 17 Rn. 59). Einen weitergehenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen erster und zweiter Veränderungssperre fordert § 17 Abs. 3 BauGB hingegen nicht.
48
Die Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers wonach für die Veränderungssperre insgesamt auf den Zeitraum zwischen dem ersten Beschluss einer Veränderungssperre im Juli/August 2012 und dem erneuten Beschluss über die Veränderungssperre im Februar 2016 abzustellen sei, dies den Zeitraum von drei Jahren überschreiten würde und damit eine erneute Veränderungssperre nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ im Sinne von § 17 Abs. 2 BauGB zulässig wäre, geht fehl. Der Bevollmächtigte des Klägers übersieht insoweit, dass allein maßgeblich die Zahl der Sperrjahre i. S. der §§ 14,17 BauGB ist. Da das Bauvorhaben des Klägers im Zeitraum zwischen dem Außerkrafttreten der ersten Veränderungssperre am 3. August 2014 und dem erneuten Inkrafttreten einer solchen am 26. Februar 2016 unter Umständen genehmigungsfähig und bauplanungsrechtlich zulässig gewesen wäre, schließt es aus, diesen Zeitraum zur Zahl der Sperrjahre hinzuzurechnen. Die Frage einer eventuellen Genehmigungsfähigkeit in dem vorbezeichneten Zeitraum ist hingegen nicht zu vertiefen, da maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Frage, ob dem Kläger ein Genehmigungsanspruch für das von ihm beabsichtigte Bauvorhaben zusteht, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist. Zu diesem Zeitpunkt kann dem Vorhaben jedenfalls die erneute Veränderungssperre vom 25./26. Februar 2016 entgegen gehalten werden.
49
Dies gilt insbesondere deshalb, weil die inhaltlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre aus Sicht der Kammer fortbestehen.
50
2.6 Eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB dient dem Schutz der Planungshoheit der Gemeinde. Sie soll auf den im künftigen Planbereich eines in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes liegenden Grundstücken vorübergehend solche tatsächlichen Veränderungen verhindern, die die Planungsarbeiten oder die künftige in einem Bebauungsplan verbindlich festgesetzte bauliche Ordnung beeinträchtigen oder unmöglich machen würden. Die Notwendigkeit einer befristeten Sicherung der Bauleitplanung ergibt sich dabei aus dem Umstand, dass die Aufstellung eines Bebauungsplanes wegen der Komplexität der gemeindlichen Aufgabe häufig einen erheblichen Zeitbedarf auslöst. Da mit dem Erlass der Veränderungssperre ein befristetes repressives Bauverbot mit Befreiungsvorbehalt begründet wird, ist im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG erforderlich, dass die Planung im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung einen Stand erreicht hat, der ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennen lässt (vgl. BVerwG, B. v. 25.11.2003 - 4 BL 60/03 - NVwZ 2004, 477 ff.). Diese Forderung nach einem Mindestmaß an Konkretisierung ergibt sich aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG. Es soll verhindert werden, dass die Entwicklung eines Grundstücks für einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum unterbunden wird, ohne dass für den Betroffenen erkennbar ist, was mit der Veränderungssperre als Planungsziel erreicht werden soll. Diese mit dem Erlass einer Veränderungssperre für ein Grundstück verbundene Beschränkung der Befugnisse des Eigentümers ist für diesen nur hinnehmbar, wenn für ihn auch absehbar ist, wie sein Grundstück nach den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes genutzt werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung ist der Eigentümer in der Lage, seine Dispositionen in Bezug auf etwa vorhandene Gebäude und hinsichtlich der künftigen Nutzung sachgerecht zu treffen. Ein planerisches Minimum ist auch deshalb erforderlich, weil der Eigentümer sonst nicht in der Lage wäre, die Chancen zur Erlangung einer Ausnahme von der Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Wenn auch im Gegensatz zu § 33 BauGB Planreife für den Erlass einer Veränderungssperre nicht verlangt wird, so muss doch die künftige Nutzung des Gebiets der Art nach im Wesentlichen festgelegt sein. Hieraus folgt, dass die Anforderungen an die Konkretisierung im Interesse eines effektiven Schutzes der gemeindlichen Planung nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerwG, U. v. 19.2.2004 - 4 CN 16/03 - NVwZ 2004, 858 ff.). Hierzu muss die Gemeinde positive planerische Vorstellungen über den Inhalt des künftigen Bebauungsplanes entwickeln, wobei es im Allgemeinen genügt, dass die Ziele und Zwecke der Planung und die die Nutzung im Wesentlichen bestimmenden Elemente beim Erlass der die Bauleitplanung sichernden Veränderungssperre vorliegen. Umgekehrt wäre das Konkretisierungserfordernis durch Planungen verletzt, deren Inhalt noch in keiner Weise abzusehen ist. Eine hinreichende konkretisierte Planungsabsicht der Gemeinde kann sich dabei nicht nur aus dem Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplanes bzw. aus dessen Bekanntmachung ergeben, sondern auch aus der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung, in der die Veränderungssperre beschlossen wurde, sowie aus allen anderen erkennbaren Unterlagen und Umständen (vgl. BVerwG, B. v. 1.10.2009 - 4 BN 34/09 - NVwZ 2010, 42 ff.).
51
Des Weiteren ist die Sicherung einer reinen Negativplanung unzulässig, da sie einen Verstoß gegen § 1 Nr. 3 BauGB darstellen würde. Es muss daher auch dann, wenn sich die städtebaulichen Planvorstellungen auf das städtebaulich Unerwünschte beschränken oder gegen bestimmte Vorhaben richten, ein positives Nutzungskonzept zugrunde liegen. Dabei können positive Planungsziele nicht nur durch positive, sondern auch durch negative Beschreibungen, etwa zur Abgrenzung und zur genaueren Darstellung des Gewollten, festgesetzt werden. Auch die Gliederungsmöglichkeiten des § 1 Nr. 4 bis 9 BauNVO gestatten den Ausschluss bestimmter Nutzungen durch negative Festsetzungen (VG Augsburg, U. v. 18.10.2012 - Au 5 K 12.1131 - juris Nr. 44). Zu berücksichtigen bleibt aber stets, dass es der planenden Gemeinde keinesfalls verwehrt ist, auf anhängige Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes zu reagieren, der den jeweiligen Bauanträgen die materielle Rechtsgrundlage entzieht. Gemeinden haben entsprechend im Regelungssystem des Baugesetzbuches grundsätzlich das Recht, aus Anlass eines konkreten Bauantrages die rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit eines Vorhabens noch zu verändern (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1986 - 4 C 43/83 - NVwZ 1986, 556 f.; B. v. 18.12.1990 - 4 NB 8/90 - NVwZ 1991, 875 ff.). Der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit ist es daher unbenommen, einen konkreten Bauantrag als Anlass zu nehmen, eine entsprechende Bauleitplanung zu initiieren, die gegebenenfalls dem Vorhaben seine planungsrechtliche Zulässigkeit nimmt. Allein aus dem Umstand, dass ein Bebauungsplan nach seiner Entstehungsgeschichte einen zeitlichen und sachlichen Bezug zu dem zu verhindernden Vorhaben aufweist, können keine Schlüsse auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der zu sichernden Planung hergeleitet werden (BVerwG, B. v. 18.12.1990, a. a. O.). Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, ob eine bestimmte Planung - auch wenn sie durch den Wunsch, ein konkretes Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist - für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung im Sinne des § 1 Nr. 3 BauGB erforderlich ist, wobei der Gemeinde ein weites städtebauliches Planungsermessen eingeräumt ist.
52
Schließlich wäre eine Veränderungssperre dann unwirksam, wenn die im Aufstellungsbeschluss manifestierte Planung der Gemeinde offensichtlich rechtswidrig und der Mangel schlechterdings nicht behebbar wäre (BVerwG, B. v. 21.12.1993 - 4 NB 40/93 - NVwZ 1994, 685 f.; BayVGH, B. v. 24.5.2000 - 26 N 99.969 - BayVBl 2000, 722 ff., B. v. 9.10.2012 - 15 N 11.1857 - juris Nr. 19).
53
Gemessen an den dargelegten Anforderungen erweist sich die von der Beklagten beschlossene Veränderungssperre als rechtwirksam. Mit dem in Aufstellung begriffenen Bebauungsplan Nr. ... „...“ verfolgt die Beklagte das Ziel, einem in Folge zunehmender Ansiedlung von Vergnügungsstätten bereits beginnenden Verfall des vorhandenen, überwiegend von Wohnen und anderen sensiblen Nutzungen geprägtem Mischgebiet entlang der ... vorzubeugen. Um dieses Ziel zu erreichen, beabsichtigt die Beklagte ein Mischgebiet festzusetzen, in dem die allgemein zulässigen Nutzungen wie beispielweise Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude sowie Einzelhandelsbetriebe gestärkt und gesichert werden sollen. Dagegen sollen Gartenbaubetriebe, Tankstellen, Bordelle, bordellartige Betriebe, Wohnungsprostitution und Vergnügungsstätten ausgeschlossen werden, um die Versorgungsfunktion für die angrenzenden Wohnareale nicht zu gefährden und die sensiblen Nutzungen (wohnen, Denkmal, ...) nicht zu beeinträchtigen. Die Beklagte hat damit hinreichende konkrete, positive planerische Vorstellungen über den künftigen Inhalt des Bebauungsplanes hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung entwickelt, die auch nicht von vornherein als unrealisierbar erscheinen.
54
Die gemeindliche Planungsabsicht ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
55
Nach § 1 Abs. 5 BauNVO kann in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, das bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4-9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleibt. Daneben kann nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO auch festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in dem Baugebieten nach §§ 2-9 BauNVO vorgesehen sind, nicht Bestandteil des Bebauungsplanes werden. Danach kann der geplante generelle Ausschluss von Vergnügungsstätten Gegenstand der Festsetzung eines künftigen Bebauungsplanes sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.11.2009 - 1 ZB 07.345 - juris Nr. 16; B. v. 25.4.2013 - 15 ZB 13.274 - juris Nr. 4).
56
Damit widerspricht das vom Kläger geplante Bauvorhaben als Vergnügungsstätte den künftigen, durch eine wirksame „erneute“ Veränderungssperre gesicherten planungsrechtlichen Vorgaben des künftigen Bebauungsplanes Nr. ... „...“ der Beklagten.
57
Schließlich bestehen keine Zweifel an der Erforderlichkeit des Ausschlusses von Vergnügungsstätten im künftigen Plangebiet i. S. v. § 1 Abs. 3 BauGB. Was i. S. d. § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption der Gemeinde (vgl. BVerwG, B. v. 17.5.1995 - 4 NB 30/94 - BayVBl 1995, 632 ff.). Der betroffenen Gemeinde kommt hierbei ein weites städtebauliches Ermessen zu. Ist es - wie hier - das erklärte Ziel der Beklagten, mit dem Ausschluss von Vergnügungsstätten die vorhandene Mischgebietsstruktur zu erhalten und zu stärken, so erfüllt dies die Anforderungen an eine Planrechtfertigung i. S. d. § 1 Abs. 3 BauGB. Darüber hinaus ist die erneute Veränderungssperre zur Sicherung der Planung der Beklagten erforderlich, weil das vom Kläger beantragte Vorhaben den Planungen der Beklagten im Plangebiet des künftigen Bebauungsplanes Nr. ... „...“ widerspricht.
58
3. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der wirksamen erneuten Veränderungssperre. Gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung bzw. § 14 Abs. 2 BauGB kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob dies der Fall ist, ist aufgrund einer Abwägung der öffentlichen und privaten Belange zu ermitteln. Zu den öffentlichen Belangen, die einem Vorhaben im Sinne dieser Regelung entgegenstehen können, gehört nicht zuletzt der mit der Veränderungssperre verfolgte Sicherungszweck. Ein Vorhaben, das mit dem Sicherungszweck der Veränderungssperre nicht vereinbar ist, insbesondere der beabsichtigten Planung widerspricht oder sie wesentlich erschweren würde, darf auch im Wege der Ausnahme nicht zugelassen werden. Andernfalls wäre die Veränderungssperre nicht geeignet, ihre Aufgabe als Sicherungsinstrument der Bauleitplanung der Gemeinde zu erfüllen (BVerwG, B. v. 9.2.1989, 4 B 236/88 - BauR 1989, 432 f.).
59
Im vorliegenden Fall muss die Abwägung zum Nachteil des Klägers ausfallen, da der von der Veränderungssperre beabsichtigte Sicherungszweck die Ablehnung des Antrages auf Nutzungsänderung rechtfertigt. Das klägerische Vorhaben würde die Durchführung der von der Beklagten beabsichtigten Planung zumindest wesentlich erschweren. Darüber hinaus könnte das Vorhaben des Klägers von anderen Bauantragstellern als Bezugsfall herangezogen werden und im Ergebnis die Veränderungssperre wirkungslos machen (vgl. VG Augsburg, U. v. 26.9.2013 - Au 5 K 12.1307 - juris Rn. 52).
60
4. Da die erneute Veränderungssperre der Beklagten vom 25./26. Februar 2016 dem beantragten Bauvorhaben des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung entgegensteht, muss die Klage auch im ersten Hilfsantrag ohne Erfolg bleiben. Für eine Neuverbescheidung des Klägers aufgrund eines nicht bzw. fehlerhaft ausgeübten Ermessens der Beklagten bleibt vorliegend kein Raum.
61
5. Der vom Kläger gestellte zweite Hilfsantrag, gerichtet auf Feststellung, dass das vom Kläger beantragte Vorhaben bis zum Erlass der Satzung über die erneute Veränderungssperre (25./26. Februar 2016) zulässig war, erweist sich bereits als unzulässig. Zwar ist die aufschiebende Bedingung für eine Entscheidung des Gerichts über diesen zweiten Hilfsantrag mit der festgestellten Erfolglosigkeit von Haupt- und erstem Hilfsantrag eingetreten, jedoch hat der Kläger ein besonderes Feststellungsinteresse nicht substantiiert dargelegt.
62
Voraussetzung einer Sachentscheidung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - vorliegend gestützt auf den rechtlichen Vortrag des Klägers, dass sein Vorhaben bis zum Inkrafttreten der erneuten Veränderungssperre am 26. Februar 2016 genehmigungsfähig gewesen wäre - ist, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat. Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die der Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens vor dem Zivilgericht dienen soll, ist das Feststellungsinteresse nur zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist und die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich ist (OVG NRW, B. v. 23.1.2003 - 13 A 4859/00 -, NVwZ - RR 2003, 696; BayVGH, B. v. 13.6.2014 - 15 ZB 14.448 - juris; OVG NRW, U. v. 25.3.2014 - 2 A 2679/12 - juris). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung darf außerdem nicht offensichtlich aussichtslos sein.
63
Zwar kann nach der Rechtsprechung die rechtswidrige Versagung einer Baugenehmigung Amtshaftungsansprüche auslösen (vgl. OVG NRW, B. v. 24.4.2013 - 2 A 1548/12 - juris). Ist ein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung im Sinne des Antragstellers entscheidungsreif, so hat die Behörde den Antrag ordnungsgemäß und rechtzeitig positiv zu verbescheiden. Eine Verzögerung der Entscheidung stellt in der Regel eine Amtspflichtverletzung dar (vgl. BGH, U. v. 24.2.1994 - III ZR 6/93 - BRS 68 Nr. 70).
64
Dessen ungeachtet hat der Kläger es vorliegend versäumt, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinreichend substantiiert darzulegen. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich im Wesentlichen in der Behauptung, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen der verzögerten Behandlung des Bauantrages des Klägers geltend machen zu wollen. Auch zur eventuell geltend zu machenden Schadenshöhe sind die Ausführungen des Klägers bzw. von dessen Bevollmächtigten äußerst vage geblieben. Der Schaden, der dem Kläger individuell entstanden ist, wurde gar nicht thematisiert. Ein schriftsätzlicher Vortrag hierzu fehlt vollständig. In der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2016 wurde lediglich vom Bevollmächtigten auf entsprechende Erfahrungswerte zum entgangenen Gewinn bei vergleichbaren Spielhallen und einer vergleichbaren Zahl von Spielgeräten verwiesen. Ein individueller Bezug zur beabsichtigten Spielhalle des Klägers fehlt vollständig. Der Kläger selbst hat lediglich behauptet, Verträge über Spielgeräte bereits abgeschlossen zu haben. Diese Verträge wurden dem Gericht jedoch ebenfalls nicht vorgelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der behaupteten Anschaffung eines Wechselgeldautomaten. Auf eventuell entstandene Architektenkosten hat der Kläger ebenfalls nicht hingewiesen bzw. diese nicht belegt.
65
Gesamtbetrachtend ist dem Vortrag des Klägers deshalb bereits keine ernsthafte Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses zu entnehmen. Nach Auffassung der Kammer genügt der Vortrag nicht zur Darlegung eines berechtigten Interesses an der vom Kläger begehrten Feststellung. Der Kläger muss von sich aus substantiiert darlegen, was er konkret anstrebt, welchen Schaden bzw. welche Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will und dass ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl. BayVGH, B. v. 27.3.2014 - 15 ZB 12.1562 - juris Rn. 12; B. v. 13.6.2014 - 15 ZB 14.448 - juris Rn. 10; OVG NRW, U. v. 25.3.2014 - 2 A 2679/12 - juris Rn. 47). Zwar bedarf es hierfür regelmäßig keiner Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass ein Amtshaftungsprozess tatsächlich angestrebt wird und dieser nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierzu gehört auch eine zumindest annähernde, individualisierte Angabe der Schadenshöhe (vgl. BayVGH, B. v. 13.6.2014 - 15 ZB 14.448 - juris Rn. 10; B. v. 24.10.2011 - 8 ZB 10.957 - juris Rn. 13). Dies zugrungelegt, lässt der Vortrag des Klägers bzw. dessen Bevollmächtigten die geforderte Individualität der Schadensbetrachtung vermissen. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich im Wesentlichen in Allgemeinplätzen zum entgangenen Gewinn beim Betrieb von vergleichbaren Spielhallen. Zum Beleg eines dem Kläger drohenden Schadens wurden keinerlei Unterlagen vorgelegt. Bei dieser Sachlage sieht sich das Gericht außer Stande, in die inhaltlich vom Kläger aufgeworfene Frage, ob es sich bei der von ihm beabsichtigten Spielhalle und der hierfür vorgesehenen Nutzfläche um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO handelt, einzutreten.
66
Ebenfalls nicht gerichtlich zu klären ist die unter den Beteiligten strittige Frage, ob insoweit ein Amtshaftungsprozess vor den Zivilgerichten offensichtlich aussichtslos wäre. Die Klärung dieser Fragen bleibt damit dem Zivilgericht in einem eventuell geltend gemachten Amtshaftungsprozess auf der Grundlage von § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. Art. 34 GG vorbehalten.
67
6. Zusammenfassend bleibt die Klage daher in den Haupt- und Hilfsanträgen erfolglos und war daher abzuweisen.
68
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
69
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 60.036,- EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Nr. 9.1.2.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (BayVBl, Sonderbeilage Januar 2014). Bei einer vom Kläger geltend gemachten Hauptnutzfläche von 100,06 m² errechnet sich insoweit ein Streitwert von 60.036,- EUR.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Quelle

VG Köln zur Berufsausübungsfreiheit und zum Mindestabstand

Beschreibung:     VG Köln 9. Kammer | 9 K 5923/14
Urteil | Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch Abstandsregelung zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe | Art 12 Abs 1 GG, § 4 Abs 1 S 1 GlüStVtr NW, § 4 Abs 1 S 2 GlüStVtr NW, § 10a Abs 5 S 2 GlüStVtr NW, § 3 Abs 4 GlüStVtrAG NW, ...

Verwaltungsgericht Köln, 9 K 5923/14
Datum:    19.06.2015
Gericht:    Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:    9. Kammer
Entscheidungsart:    Urteil
Aktenzeichen:    9 K 5923/14

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2014 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

1

 Tatbestand
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Der Kläger  vermittelt seit Januar 2012 in seiner Betriebsstätte in Köln, E.     -L.      T.      00, Sportwetten an einen in Malta ansässigen Sportwettanbieter. In dem parallel zur E.     -L.      T.        verlaufenden, von  der E.     -L.      T.      abzweigenden Abschnitt der F.        T.      befinden sich das O.        -B.      -P.    -Berufskolleg und das I.    -C.       -Berufskolleg, in der C1.          T.      , der vom Betrieb des Klägers aus gesehen zweiten Querstraße, die Fachhochschule Köln. Die Haupteingänge aller drei Einrichtungen befinden sich in weniger als 200 m Luftlinie zum Eingang des Betriebs des Klägers. Alle drei Bildungseinrichtungen befinden sich in öffentlicher Trägerschaft.
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Mit Schreiben vom 17. April 2014 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Untersagung der Sportwettvermittlung an, da seine Wettvermittlungsstelle den Mindestabstand von 200 m Luftlinie zu den drei Bildungseinrichtungen nicht einhalte.
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Mit Ordnungsverfügung vom 21. Oktober 2014 ordnete die Beklagte gegenüber dem Kläger in Nr. I. an, es nach Zustellung der Verfügung zu unterlassen:
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in seinem Betrieb in der E.     -L.      T.      00 in Köln, der durch das Bekleben der Scheiben nicht gut einsehbar sei und einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie zur Fachhochschule Köln, C1.          T.      2, zum O.        -B.      -P.    Berufskolleg  in der F.        Straße 00 und zum I.    -C.       -Berufskolleg in der F.        T.      00-00, unterschreite, Sportwetten zu bewerben, zu vermitteln oder in sonstiger Weise – z.B. durch Bereitstellen von Onlinewettautomaten – die Teilnahme an solchen Sportwetten zu ermöglichen (Nr. 1.1 des Tenors) und  Dritten seine Betriebsräume ganz oder teilweise zum Zwecke der Vermittlung von Sportwetten miet-, pacht- oder in sonstiger Weise zu überlassen (Nr. 1.2 des Tenors).
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In Nr. 2 des Tenors der Ordnungsverfügung fordert die Beklagte den Kläger auf, zur Umsetzung der Forderungen gemäß Nr. 1.1, in seinen Betriebsräumen bereitgehaltene Informationsunterlagen, Wettprogramme, Wettscheine sowie innerhalb oder außerhalb der Betriebsräume vorhandene Werbung für Sportwetten der in Nr. 1.1 genannten Art sowie die der Vermittlung von oder der Teilnahme an solchen Sportwetten dienenden Einrichtungen/Geräte zu entfernen.
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In Nr. 3 wird dem Kläger für den Fall, dass er Nr. 1.1 i.V.m. Nr. 2 (mit Ausnahme der Entfernung evtl. außen am Betrieb fest montierten Werbeanlagen) der Ordnungsverfügung nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung nachkommt (Nr. 3.1), die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht. Ferner wird für den Fall, dass er nicht innerhalb von zwei Wochen eventuell vorhandene, außen am Betrieb fest montierte Werbung entfernt, ein Zwangsgeld i.H.v. 5.000 € (Nr. 3.2) und für den Fall, dass er nach Zustellung der Ordnungsverfügung entgegen Nr. 1.2 seine Betriebsräume einem Dritten zum Betrieb eines Wettbüros für Sportwetten überlässt, für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 € (Nr. 3.3) angedroht.
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In Nr. 4 wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von insgesamt 500 € festgesetzt.
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Zur Begründung seiner rechtzeitig erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Verordnungsermächtigung im Ausführungsgesetz  decke die hier einschlägige Abstandsregelung nach § 22 Abs. 1 Glücksspielverordnung nicht. Im Übrigen sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte die Regelung schematisch angewandt habe, indem sie pauschal ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auf die Luftlinienentfernung abgestellt habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2014 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Ordnungsverfügung.
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Die Kammer hat mit Beschluss  vom 09. Januar 2015 – 9 L 2040/14 – dem Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 29014 stattgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren 9 L 2040/14 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
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Die Anordnungen in Nr. 1 und 2 des Tenors der angefochtenen Ordnungsverfügung finden ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV. Nach § 9 Abs. 1 S. 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden oder aufgrund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Die Beklagte als zuständige Behörde kann gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 GlüStV die hierfür erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Sie kann insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV. Die Entscheidung hierüber hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.
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Der Kläger hat für die Vermittlung von Sportwetten keine Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV i.V.m. § 10 a Abs. 5 S. 2 GlüStV und § 3 Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (AG GlüStV NRW) vom 13. November  2012. Das Vermitteln ohne diese Erlaubnis stellt unerlaubtes Glücksspiel dar und ist verboten, § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV. Ermessensfehlerfrei hat die Beklagte jedoch hierauf ihre Anordnungen nicht gestützt, da sie diesbezüglich anerkennt, dass derzeit wegen des noch laufenden Konzessionsverfahrens keine entsprechenden Erlaubnisse erteilt werden können.
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Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung darauf abgestellt, dass der Erlaubnisfähigkeit der Wettvermittlungsstelle des Klägers § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW entgegenstehe. Nach dieser Bestimmung darf die Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen u.a. nur erteilt werden, wenn die Wettvermittlungsstelle einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie zur nächstgelegenen Wettvermittlungsstelle und zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht unterschreitet. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil sich in einem Abstand von weniger als 200 Meter Luftlinie die Fachhochschule Köln , C1.          T.      2, das O.        -B.      -P.    -Berufskolleg, F.        T.      00 sowie das I.    -C.       -Berufskolleg, F.        T.      00-00, befinden.
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Auf diese Bestimmung kann die Beklagte ihre Ordnungsverfügung jedoch nicht stützen, da sie – soweit sie die Abstandsregelungen zu Schulen und Einrichtungen  der Kinder- und Jugendhilfe betrifft - gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt und damit unwirksam ist.
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Durch die Abstandsregelung zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW wird in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit dürfen  gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen und müssen überdies dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Beides ist hier nicht der Fall.
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Denn zum einen beruht § 22 Abs. 1 GlüSpVO, soweit er Mindestabstände von Wettannahmestellen zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe regelt, nicht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage und genügt damit nicht dem Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes.
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Danach bedürfen Eingriffe in Grundrechte einer den Eingriff tragenden gesetzlichen Grundlage. Die gesetzliche Grundlage muss das Wesentliche regeln und hinreichend bestimmt sein. Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen, vgl. Art. 70 Satz 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Auch das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichten den Gesetzgeber, im Bereich der Grundrechtsausübung die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und, sofern Einzelregelungen einer Verordnung überlassen bleiben, die Tendenz und das Programm schon so weit zu umreißen, dass sich der Zweck und der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen. Dabei genügt es allerdings, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte des Gesetzes.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82 -, BVerfGE 80, 1, juris, Rn. 58; und vom 05. Mai 1965 – 2 BvL 4/63 – BVerfGE 19, 17, juris Rn.60.
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Diese Anforderungen sind hier bezogen auf das Abstandsgebot zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht erfüllt. Nach § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW darf die Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen nur erteilt werden, wenn die Wettvermittlungsstelle einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie zur nächstgelegenen Wettvermittlungsstelle und zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht unterschreitet. Die der GlüSpVO NRW zugrundeliegende Verordnungsermächtigung findet sich in § 22 Abs. 1 AG GlüStV NRW. Da § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW anders als die übrigen Absätze des § 22 GlüSpVO  keine Verfahrensregelung, sondern eine materielle Genehmigungsvoraussetzung enthält, kommt als mögliche Rechtsverordnungsermächtigung hier nur § 22 Abs. 1 Nr. 3 AG GlüStV NRW in Betracht. Danach wird das für Inneres zuständige Ministerium ermächtigt, im Einvernehmen mit den fachlich zuständigen Ressorts durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über die Zahl, die räumliche Beschaffenheit und das Einzugsgebiet der Wettvermittlungsstellen nach § 13 sowie nähere Bestimmungen zur Nutzung  in den zur Wettannahme bestimmten Geschäftsräumen. § 13 Abs. 3 AG GlüStV NRW konkretisiert den Umfang der Rechtsverordnungsermächtigung näher. Danach ist vorgesehen, dass Zahl, Einzugsgebiet und räumliche Beschaffenheit der Wettvermittlungsstellen sowie Bestimmungen zur Nutzung in den dafür bestimmten Geschäftsräumen an den Zielen des § 1 AG GlüStV NRW auszurichten sind. Nach § 1 Abs. 1 AG GlüStV NRW sind Ziele des Gesetzes gleichrangig u.a. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Spielsuchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (Nr. 2) und den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3). – § 13 Abs. 3 S. 3 AG GlüStV NRW bestimmt, dass bei den näheren Festlegungen die unterschiedlichen Gefährdungspotenziale der Glücksspiele, insbesondere auch die erhöhte Gefährdung durch Sportwetten nach § 21 Abs. 4 S. 3 GlüStV, zu berücksichtigen sind.
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Eine Ermächtigung zum Erlass von auf öffentliche Schulen und öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezogene Abstandsregelungen ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen. Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Nr. 3 AG GlüStV NRW wird der Verordnungsgeber u.a. zum Erlass von Vorschriften über das Einzugsgebiet von Wettvermittlungsstellen ermächtigt. Der amtlichen Begründung zu § 13 AG GlüStV NRW, der die Verordnungsermächtigung näher konkretisiert, ist insoweit nur zu entnehmen, dass damit den Behörden die Möglichkeit eröffnet werden sollte, auf eine gleichmäßige Verteilung der Wettannahmestellen hinzuwirken und Abstandsregelungen vorzusehen.
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Vgl. LT-Drucksache16/17, Seite 41.
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Dass damit aber neben Abstandsregelungen für Wettannahmestellen untereinander auch Abstandsregelungen zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen gemeint sein könnten, ergibt sich daraus nicht eindeutig. Vielmehr legt der Zusammenhang zur gleichmäßigen Verteilung der Wettannahmestellen nahe, dass Abstandsregelungen als Mittel zur Sicherung der gleichmäßigen Verteilung angesprochen werden.
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Auch dem Hinweis in der amtlichen Begründung, dass insbesondere die der Konkretisierung der Rechtsverordnungsermächtigung dienende Bestimmung des § 13 Abs. 3 AG GlüStV an die die Annahmestellen betreffende Regelung des § 5 AG GlüStV NRW angelehnt sei, lässt sich eine Ermächtigung zum Erlass von Abstandsregelungen zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen nicht entnehmen. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 AG GlüStV NRW wird das zuständige Ministerium ermächtigt, Vorschriften zu erlassen über die Zahl und das Einzugsgebiet der Annahmestellen nach § 5 Abs. 5 AG GlüStV NRW unter Berücksichtigung der Einwohnerzahlen im Umkreis des jeweiligen Geschäftsraums.  Die hierauf beruhende Bestimmung des § 17 Abs. 1 GlüSpVO NRW, die dem § 15 GlüSpVO in der Fassung vom 24. Juni 2009 (GV.NRW.S.395) entspricht, bestimmt hierzu:
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Die Annahmestellen sollen bezogen auf die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 Satz 1 Glücksspielstaatsvertrag bedarfsgerecht verteilt sein. Von einem Bedarf ist in der Regel auszugehen, wenn die Zahl von 3 500 Einwohnerinnen und Einwohnern pro Annahmestelle bezogen auf eine Gemeinde nicht unterschritten wird. Bei Unterschreitung ist der Bedarf gesondert zu belegen. Dabei sind insbesondere
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1. die räumliche Entfernung der Annahmestellen zueinander und
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2. die unmittelbare Nachbarschaft der Annahmestellen zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen.
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Wird im Falle der Nummer 1 eine räumliche Entfernung von 200 Metern Luftlinie unterschritten, ist für die Erteilung einer Erlaubnis der Nachweis der Erforderlichkeit anhand der prognostizierten Kundenströme und der übrigen Versorgung des Einzugsgebietes mit öffentlichen Glücksspielen zu erbringen. Im Falle der Nummer 2 sind zusätzlich zur Gewährleistung des Jugendschutzes gemäß § 1 Satz 1 Nummer 3 Glücksspielstaatsvertrag Vorkehrungen zur Vermeidung von Anreizwirkungen auf Kinder und Jugendliche zu treffen.
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Die vom Gesetzgeber in der amtlichen Begründung in Bezug genommenen, existenten Bestimmungen zu den Annahmestellen im Sinne des § 5 AG GlüStV NRW sehen damit für öffentliche Schulen und öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe keine Mindestabstandsregelungen vor. Eine solche existiert allein für die räumliche Entfernung der Annahmestellen zueinander. Die unmittelbare Nachbarschaft zu einer öffentlichen Schule oder zu öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen wird hingegen hingenommen und löst nur zusätzlich zum Jugendschutz nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 Nr. 2 a) AG GlüStV NRW i.V.m. § 4 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag die Verpflichtung zu Vorkehrungen zur Vermeidung von Anreizwirkungen aus, und dies auch nur in den Fällen des § 17 Abs. 1 Satz 2 GlüSpVO NRW, also dann, wenn ein Bedarf wegen Unterschreitens der nach Satz 1 maßgeblichen Zahl von 3500 Einwohnern je Annahmestelle besonders zu begründen ist. Dass der Begriff des Einzugsgebietes seit jeher auch Abstandsregelungen zu Schulen und ähnlichen Einrichtungen umfasst, lässt sich damit aus den vorgefundenen Regelungen betreffend die Annahmestellen hieraus nicht entnehmen.
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Nach alldem ist  § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW, soweit er eine Abstandsregelungen zu Schulen enthält, nicht von einer den Grundsätzen des Gesetzesvorbehaltes genügenden gesetzlichen Grundlage gedeckt.
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Unabhängig davon beinhaltet das auf öffentliche Schulen und öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezogene Abstandsgebot aus § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW auch einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit.
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Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Stufentheorie besteht für Eingriffe in die Berufsfreiheit eine differenzierte Schrankensystematik. Während die Freiheit der Berufswahl nur eingeschränkt werden darf, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftgüter es zwingend erfordert, kann die Freiheit der Berufsausübung bereits dann beschränkt werden, wenn und soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen.
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Die Regelung, dass eine Wettannahmestelle nur erlaubnisfähig ist, wenn sie einen Abstand von mindestens 200 Metern zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhält, regelt nicht den Zugang zu einem Beruf, sondern ist eine Berufsausübungsregelung.
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Vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 1 L 395/13 -, juris, Rz. 8.
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Sie dient dem Jugendschutz und damit dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, indem Kinder- und Jugendliche vor den Reizen des Sportwettgeschäfts und dem mit diesem verbundenen Suchtpotential ferngehalten werden sollen. Die Regelung ist jedoch zur Wahrung der Belange des Jugendschutzes nicht erforderlich. Denn § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW knüpft die fehlende Erlaubnisfähigkeit einer Wettannahmestelle ausschließlich an die Unterschreitung von 200 m Luftlinie zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Sie fragt weder nach der Art der sich in der Nähe befindenden Schule oder Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe  noch nach den örtlichen Gegebenheiten. So erscheint es fernliegend, dass bereits Kindergartenkinder oder Kinder im Grundschulalter von Sportwettgeschäften angezogen werden. Eine ausnahmslos auf die Luftlinienentfernung abstellende Regelung erfasst zudem auch solche Fälle, in denen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, beispielsweise wegen trennender Verkehrswege, die Nutzer der Einrichtung mit der Wettannahmestelle regelmäßig nicht in Kontakt kommen.
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Vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 1 L 395/13 -, juris, Rz 11 ff.
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Hinzu kommt, dass § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW, der die räumliche Nähe von Spielhallen zu Schulen regelt, eine weniger strikte, die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zulassende Regelung enthält. Auch dies spricht letztlich gegen die Erforderlichkeit der strikten Regelung des § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW.
45

Angesichts des Wortlauts der Regelung (darf nicht erteilt werden, wenn ....) ist eine verfassungskonforme Auslegung dahin gehend, dass die Regelung auch Raum zur Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles lässt, nach Auffassung der Kammer  nicht möglich.
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Nach alledem kann der angegriffene Bescheid nicht auf § 22 Abs. 1 GlüSpVO gestützt werden, da diese Bestimmung nicht auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruht.
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Auf den von der Beklagten angeführten verbotenen Sichtschutz (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 1 GlüSpVO NRW) kann die Ordnungsverfügung ebenfalls nicht gestützt werden. Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist insofern zunächst nur ein Vorgehen gerechtfertigt, das auf die Beseitigung des Verstoßes abzielt, nicht aber eine Untersagung der Sportwettvermittlung insgesamt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache mit Blick auf die Frage der Wirksamkeit des § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW grundsätzliche, über den vorliegenden Einzelfall hinausgreifende Bedeutung hat.

Quelle

s.a.:
EuGH zum Mindestabstand - Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit C-634/15 und C-168/14

Losverfahren zur Vergabe von Spielstättenkonzessionen vor Gericht

Verfassungsbeschwerden
gegen Spielhallengesetze


Freitag, 16. September 2016

DFB-Skandal - Welche Rolle spielt Oddset?

Die WirtschaftsWoche berichtet:


In der Affäre um Beckenbauers Honorar gerät nun Oddset in den Mittelpunkt

"Es war bekannt, dass Franz Beckenbauer im Umfeld der WM 2006 als Werbeträger für Oddset tätig war", sagte DFB-Chef Reinhard Grindel. "Es war uns bis Montagnachmittag nicht bekannt, dass er dafür die beachtliche Summe von 5,5 Millionen aus dem Topf für die Organisation der WM 2006 erhalten hat", so Grindel.

Ex-Politiker leiten Lottogesellschaften


Bereits im Mai hatten die WirtschaftsWoche und das ZDF-Magazins "Frontal21" über das chronisch Filz-gefährdete System der Lotteriegesellschaften berichtet. Parteien und Landesregierungen pflegen seit Jahrzehnten entbehrliche, aber verdiente Würdenträger an die Spitzen der Lottogesellschaften zu befördern. So wacht in Brandenburg Exfinanzstaatssekretär Horst Mentrup über den Spielbetrieb. In Rheinland-Pfalz leitet der frühere Innenstaatssekretär Jürgen Häfner das Geschäft mit den Kreuzchen.

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Mittwoch, 14. September 2016

160 Mrd. Umsatzsteuer jährlich weg


So fahren Firmen Karussell mit dem Fiskus


Weil die EU-Finanzminister schlafen, plündern Kriminelle schon seit mehr als 20 Jahren ungestört die Allgemeinheit: Mehrwertsteuer-Betrug kostet den Staat jährlich Milliarden. Doch die Politik tut sich schwer, den fatalen Systemfehler zu beheben.

Für die sechs Männer aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich sah es erst so aus, als würde sich die Sache lohnen. Mit dem Handel von CO2-Zertifikaten wurden sie auf Kosten der Staatskasse Millionäre.

Sie verkauften die Emissionsscheine so schnell im Kreis, dass dem Fiskus schwindlig wurde und ließen sich die Mehrwertsteuer, die dabei anfiel, illegal vom Finanzamt erstatten. Doch das bekam Wind von der Sache und nahm die Bande hoch. Alle sechs Männer wanderten ins Gefängnis. Auch sämtliche Manager der Deutschen Bank, die den Betrügern halfen, wurden zu hohen Haft- oder Bewährungsstrafen verurteilt. Schaden für den Fiskus: 230 Millionen Euro.

Die Ermittlungen mündeten 2011 in einen der größten deutschen Wirtschaftsprozesse. Doch das Verfahren ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn nicht nur die sechs verurteilten Manager, sondern tausende Kriminelle wickeln solche Kreisgeschäfte übers Ausland seit Jahrzehnten ungestört in ganz Europa ab, um den Fiskus zu schröpfen.

Die EU verschläft die Reform

Rund 160 Milliarden Euro Mehrwertsteuer gingen den EU-Ländern 2014 durch ineffiziente Erhebung und Betrug verloren - mehr als ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Im Schnitt versickern in jedem EU-Land etwa 14 Prozent aller Einnahmen. In Griechenland und Italien sind es 28 Prozent, in Litauen, Rumänien und Malta sogar über 35 Prozent. Deutschland liegt mit zehn Prozent im Mittelfeld.

"Das gegenwärtige System ist beklagenswert schlecht gegen Betrug gewappnet", kritisiert EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici. Er appelliert an die Mitgliedstaaten, sich nun rasch auf ein neues, sicheres System zu einigen. 2017 will die EU-Kommission Vorschläge dafür vorlegen.

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Mehrwertsteuer-Lücke: Fast 160 Mrd. Euro Verlust durch nicht eingenommene Steuern

Im Jahr 2014 gingen in der Europäischen Union 159 Mrd. Euro an Mehrwertsteuereinnahmen verloren. Das zeigen Zahlen, die die Europäische Kommission heute (Dienstag) veröffentlicht hat. Die sogenannte Mehrwertsteuer-Lücke bezeichnet die Gesamtdifferenz zwischen den erwarteten und den tatsächlichen Mehrwertsteuer-Einnahmen. Sie unterstreicht die Forderungen der Europäischen Kommission nach einer Reform des Mehrwertsteuer-Systems in der EU, um gegen Betrug vorzugehen und für mehr Effizienz zu sorgen. Es liegt nun an den EU-Saaten, Folgemaßnahmen zu dem von der Kommission im April dieses Jahres vorgelegten Aktionsplan für einen einheitlichen Mehrwertsteuerraum zu ergreifen und sich darauf zu einigen, wie ein endgültiges Mehrwertsteuer-System für den grenzüberschreitenden Handel in der Union verwirklicht werden kann. Kurzfristig angelegte Maßnahmen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuer-Betrugs sind bereits angelaufen. Die heute vorgelegten Zahlen zeigen jedoch, dass tiefer greifende Reformen erforderlich sind.

(06.09.2016) - Die Mehrwertsteuer-Lücke reicht von einem Höchstwert von 37,9 Prozent nicht eingenommener Mehrwertsteuer in Rumänien bis zu einem Tiefstwert von nur 1,2 Prozent in Schweden. In absoluten Zahlen wurde die größte Lücke mit 36,9 Mrd. Euro in Italien verzeichnet, während Luxemburg mit 147 Mio. Euro den niedrigsten Wert aufwies. In Deutschland lag die Mehrwertsteuer-Lücke bei 10,37 Prozent (23,5 Mrd. Euro).

Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, erklärte: „Unseren Mitgliedstaaten entgehen Mehrwertsteuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe. Das können wir nicht hinnehmen. Das derzeitige System ist beklagenswert schlecht geeignet, um gegen Probleme wie Mehrwertsteuer-Betrug und Fehlkalkulationen vorzugehen, und es ist ganz klar, dass sich die Zahlen nicht von selbst verbessern werden. Die Mitgliedstaaten müssen sich nun rasch auf ein endgültiges, betrugssicheres EU-Mehrwertsteuersystem einigen, wie von der Kommission bereits früher im Jahr ausgeführt. Ich fordere daher all unsere Mitgliedstaaten dringend auf, offene und zielführende Gespräche zur Vorbereitung der Vorschläge für das nächste Jahr zu führen, damit wir dieses Problem ein für alle Mal beheben können.“

Die Studie über die Mehrwertsteuer-Lücke wird von der Kommission im Rahmen ihrer Bestrebungen für eine Reform des MwSt-Systems in Europa finanziert und soll dazu beitragen, Steuerbetrug und Steuervermeidung abzustellen. Der heute vorgelegte Bericht belegt, dass zwar einige Mitgliedstaaten ihre Steuer-Erhebung verbessert haben, substanzielle Fortschritte jedoch nur erzielt werden können, wenn sich die Mitgliedstaaten darauf einigen, das derzeitige EU-System einfacher, betrugssicherer und unternehmensfreundlicher zu gestalten.

Die Schätzungen für 2014 sind dank der verbesserten Buchführungsdaten der EU-Mitgliedstaaten gemäß neuen internationalen Standards genauer als in den Vorjahren.

Die Kommission hat den Aktionsplan im Bereich der Mehrwertsteuer – auf dem Weg zu einem einheitlichen Mehrwertsteuerraum im April 2016 angenommen. Der Plan enthält dringende Sofortmaßnahmen gegen die Mehrwertsteuer-Lücke sowie langfristige Lösungen zur Bekämpfung von Betrug und zur Verbesserung der Mehrwertsteuer-Erhebung in der gesamten EU. Er beschreibt die notwendigen Schritte auf dem Weg zu einem einheitlichen EU-MwSt-Raum und legt dar, wie das MwSt-System an die digitale Wirtschaft und die Bedürfnisse von KMU angepasst werden sollte.

2017 wird die Kommission Gesetzesvorschläge zur Mehrwertsteuer-Erhebung auf den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU vorlegen. Der Anteil des grenzüberschreitenden Betrugs an der Mehrwertsteuer-Lücke beläuft sich auf 50 Mrd. Euro jährlich. Das neue System sollte den grenzüberschreitenden Betrug um 80 Prozent senken.

Quelle und weitere Informationen

MwSt-Lücke: Fast 160 Mrd. EUR Verlust durch nicht eingenommene Steuern in der EU im Jahr 2014

Vollständiger Bericht zur MwSt-Lücke 2016  (pdf-download)

MwSt-Lücke: Häufig gestellte Fragen

Pressekontakt: Reinhard Hönighaus, Tel.: +49 (30) 2280-2300

Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per E-Mail oder telefonisch unter (030) 2280 2900.


Sonntag, 11. September 2016

EGMR schützt Whistleblower

Heute im TV
Mo, 12. Sep 2016 · 09:25-11:01 · arte
Schweig, Verräter!
Whistleblower im Visier

Dokumentarfilm

Whistleblower packen aus.
Nicht über die brisanten Geheimdienstinformationen, die sie öffentlich machten, sondern über ihr Schicksal als "Verräter" und angeklagte Straftäter.

Weil sie die Wahrheit sagten, stehen sie nun am Pranger.

In ihrer Geschichte spiegelt sich das Bild einer panischen politischen Praxis der USA im Kampf gegen den internationalen Terror.  Edward Snowden, prominenter Whistleblower, ist bei weitem kein Einzelfall. Er ist in Gesellschaft einer Vielzahl von ehemaligen Geheimdienstfunktionären, die "Top Secret"-Informationen öffentlich machten. In den USA stehen diese Menschen am Pranger. "Schweig Verräter - Whistleblower im Visier" begleitet einige von ihnen. Ihre Überzeugung und ihr Mut hat sie zu Helden der Menschlichkeit gemacht - und zugleich ins soziale Abseits gestellt. Im Alltag Morddrohungen, Hetze und Schikane ausgesetzt, wird ihnen vor Gericht der Prozess gemacht. Weil sie ihrem Gewissen folgten und nicht wegsehen konnten, als Folter salonfähig wurde, weil sie glauben "America is better than that", gelten sie heute als Straftäter. Ein Paradox? Mit Sicherheit. Doch es passt zur politischen Praxis der Vereinigten Staaten seit dem Trauma von 9/11. Die Angst vor dem Terrorismus hat sich derart tief in das kollektive Bewusstsein eingeschrieben, dass nationale Sicherheitsbehörden wie die NSA oder CIA seitdem mit unermesslichen Vollmächten ausgestattet sind.

Moralische, ethische und demokratische Grundwerte scheinen dem Kampf gegen den Terror nur im Weg zu stehen.
Sie werden politisch und juristisch ausgehebelt und in ihr Gegenteil verkehrt: In der Überzeugung, Gutes zu tun, werden einzelne Menschenleben wertlos.

Und jene, die weiter bedingungslos an die Würde eines jeden Einzelnen glauben, werden kaltgestellt.

Utilitarismus- gone wrong! Die Reaktionen der USA im Angesicht des globalen Terrorismus sind panisch - Gegenwehr um jeden Preis.

Wer die Wahrheit kennt und ausspricht, begibt sich in große Gefahr.

Zusätzliche Information
Weitere Informationen zum Thema unter: future.arte.tv  auch bei ARTE+7: www.arte.tv/guide/de/plus7
Herkunft/ Produktionsjahr: Usa 2014
Regie: James Spione
Produzent: ZDF
Mediathek: http://www.arte.tv/guide/de/051400-000-A/schweig-verrater

EGMR schützt Whistleblower

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Fall
«Heinisch gegen Deutschland»
die Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK) höher gewichtet als die Treuepflicht einer Arbeitnehmerin, welche ihren Arbeitgeber angezeigt hatte.

Die Beschwerdeführerin hatte während fünf Jahren als Alterspflegerin in einem Berliner Pflegeheim gearbeitet. Nach Personalkürzungen machte sie ihren Arbeitgeber mehrmals auf Qualitätseinbussen aufmerksam. Der Arbeitgeber wies die Vorwürfe stets zurück, die Beschwerdeführerin reichte schliesslich im Dezember 2004 eine Strafanzeige wegen qualifizierten Betruges ein. Der Arbeitgeber kündigte ihr wenig später regulär. Die Beschwerdeführerin verteilte daraufhin einen Prospekt, in dem sie ihre Kolleginnen und Kollegen zum Widerstand gegen die Missstände aufrief. Der Arbeitgeber kündigte ihr kurz danach fristlos. Die Untersuchung gegen das Pflegeheim wurde eingestellt, es kam nie zu einer Anklage.

Der EGMR hält nun in seinem Urteil fest, dass die fristlose Entlassung in diesem Fall Art. 10 EMRK verletzt. Demnach findet Art. 10 EMRK zumindest dann auch Anwendung auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse, wenn eine staatliche Institution oder Organisation Arbeitgeber ist.
In der Schweiz besteht seit dem 1. Januar 2011 in Art. 22a Bundespersonalgesetz für Bundesangestellte eine ausdrückliche Regelung über Melderecht und Meldepflicht über festgestellte Misstände. Für den Privatsektor liegt ein Vorentwurf für eine Teilrevision des Obligationenrechts nach erfolgter Vernehmlassung wieder beim Bundesrat. Ausdrücklich geregelt werden sollen das Meldeverfahren bei Missständen sowie die Sanktionen bei ungerechtfertigten und missbräuchlichen Kündigungen.

EGMR schützt Whistleblower
Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR), Newsletter vom 26. Oktober 2011

Quelle