Mittwoch, 14. September 2016
160 Mrd. Umsatzsteuer jährlich weg
So fahren Firmen Karussell mit dem Fiskus
Weil die EU-Finanzminister schlafen, plündern Kriminelle schon seit mehr als 20 Jahren ungestört die Allgemeinheit: Mehrwertsteuer-Betrug kostet den Staat jährlich Milliarden. Doch die Politik tut sich schwer, den fatalen Systemfehler zu beheben.
Für die sechs Männer aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich sah es erst so aus, als würde sich die Sache lohnen. Mit dem Handel von CO2-Zertifikaten wurden sie auf Kosten der Staatskasse Millionäre.
Sie verkauften die Emissionsscheine so schnell im Kreis, dass dem Fiskus schwindlig wurde und ließen sich die Mehrwertsteuer, die dabei anfiel, illegal vom Finanzamt erstatten. Doch das bekam Wind von der Sache und nahm die Bande hoch. Alle sechs Männer wanderten ins Gefängnis. Auch sämtliche Manager der Deutschen Bank, die den Betrügern halfen, wurden zu hohen Haft- oder Bewährungsstrafen verurteilt. Schaden für den Fiskus: 230 Millionen Euro.
Die Ermittlungen mündeten 2011 in einen der größten deutschen Wirtschaftsprozesse. Doch das Verfahren ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn nicht nur die sechs verurteilten Manager, sondern tausende Kriminelle wickeln solche Kreisgeschäfte übers Ausland seit Jahrzehnten ungestört in ganz Europa ab, um den Fiskus zu schröpfen.
Die EU verschläft die Reform
Rund 160 Milliarden Euro Mehrwertsteuer gingen den EU-Ländern 2014 durch ineffiziente Erhebung und Betrug verloren - mehr als ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Im Schnitt versickern in jedem EU-Land etwa 14 Prozent aller Einnahmen. In Griechenland und Italien sind es 28 Prozent, in Litauen, Rumänien und Malta sogar über 35 Prozent. Deutschland liegt mit zehn Prozent im Mittelfeld.
"Das gegenwärtige System ist beklagenswert schlecht gegen Betrug gewappnet", kritisiert EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici. Er appelliert an die Mitgliedstaaten, sich nun rasch auf ein neues, sicheres System zu einigen. 2017 will die EU-Kommission Vorschläge dafür vorlegen.
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Mehrwertsteuer-Lücke: Fast 160 Mrd. Euro Verlust durch nicht eingenommene Steuern
Im Jahr 2014 gingen in der Europäischen Union 159 Mrd. Euro an Mehrwertsteuereinnahmen verloren. Das zeigen Zahlen, die die Europäische Kommission heute (Dienstag) veröffentlicht hat. Die sogenannte Mehrwertsteuer-Lücke bezeichnet die Gesamtdifferenz zwischen den erwarteten und den tatsächlichen Mehrwertsteuer-Einnahmen. Sie unterstreicht die Forderungen der Europäischen Kommission nach einer Reform des Mehrwertsteuer-Systems in der EU, um gegen Betrug vorzugehen und für mehr Effizienz zu sorgen. Es liegt nun an den EU-Saaten, Folgemaßnahmen zu dem von der Kommission im April dieses Jahres vorgelegten Aktionsplan für einen einheitlichen Mehrwertsteuerraum zu ergreifen und sich darauf zu einigen, wie ein endgültiges Mehrwertsteuer-System für den grenzüberschreitenden Handel in der Union verwirklicht werden kann. Kurzfristig angelegte Maßnahmen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuer-Betrugs sind bereits angelaufen. Die heute vorgelegten Zahlen zeigen jedoch, dass tiefer greifende Reformen erforderlich sind.
(06.09.2016) - Die Mehrwertsteuer-Lücke reicht von einem Höchstwert von 37,9 Prozent nicht eingenommener Mehrwertsteuer in Rumänien bis zu einem Tiefstwert von nur 1,2 Prozent in Schweden. In absoluten Zahlen wurde die größte Lücke mit 36,9 Mrd. Euro in Italien verzeichnet, während Luxemburg mit 147 Mio. Euro den niedrigsten Wert aufwies. In Deutschland lag die Mehrwertsteuer-Lücke bei 10,37 Prozent (23,5 Mrd. Euro).
Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, erklärte: „Unseren Mitgliedstaaten entgehen Mehrwertsteuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe. Das können wir nicht hinnehmen. Das derzeitige System ist beklagenswert schlecht geeignet, um gegen Probleme wie Mehrwertsteuer-Betrug und Fehlkalkulationen vorzugehen, und es ist ganz klar, dass sich die Zahlen nicht von selbst verbessern werden. Die Mitgliedstaaten müssen sich nun rasch auf ein endgültiges, betrugssicheres EU-Mehrwertsteuersystem einigen, wie von der Kommission bereits früher im Jahr ausgeführt. Ich fordere daher all unsere Mitgliedstaaten dringend auf, offene und zielführende Gespräche zur Vorbereitung der Vorschläge für das nächste Jahr zu führen, damit wir dieses Problem ein für alle Mal beheben können.“
Die Studie über die Mehrwertsteuer-Lücke wird von der Kommission im Rahmen ihrer Bestrebungen für eine Reform des MwSt-Systems in Europa finanziert und soll dazu beitragen, Steuerbetrug und Steuervermeidung abzustellen. Der heute vorgelegte Bericht belegt, dass zwar einige Mitgliedstaaten ihre Steuer-Erhebung verbessert haben, substanzielle Fortschritte jedoch nur erzielt werden können, wenn sich die Mitgliedstaaten darauf einigen, das derzeitige EU-System einfacher, betrugssicherer und unternehmensfreundlicher zu gestalten.
Die Schätzungen für 2014 sind dank der verbesserten Buchführungsdaten der EU-Mitgliedstaaten gemäß neuen internationalen Standards genauer als in den Vorjahren.
Die Kommission hat den Aktionsplan im Bereich der Mehrwertsteuer – auf dem Weg zu einem einheitlichen Mehrwertsteuerraum im April 2016 angenommen. Der Plan enthält dringende Sofortmaßnahmen gegen die Mehrwertsteuer-Lücke sowie langfristige Lösungen zur Bekämpfung von Betrug und zur Verbesserung der Mehrwertsteuer-Erhebung in der gesamten EU. Er beschreibt die notwendigen Schritte auf dem Weg zu einem einheitlichen EU-MwSt-Raum und legt dar, wie das MwSt-System an die digitale Wirtschaft und die Bedürfnisse von KMU angepasst werden sollte.
2017 wird die Kommission Gesetzesvorschläge zur Mehrwertsteuer-Erhebung auf den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU vorlegen. Der Anteil des grenzüberschreitenden Betrugs an der Mehrwertsteuer-Lücke beläuft sich auf 50 Mrd. Euro jährlich. Das neue System sollte den grenzüberschreitenden Betrug um 80 Prozent senken.
Quelle und weitere Informationen
MwSt-Lücke: Fast 160 Mrd. EUR Verlust durch nicht eingenommene Steuern in der EU im Jahr 2014
Vollständiger Bericht zur MwSt-Lücke 2016 (pdf-download)
MwSt-Lücke: Häufig gestellte Fragen
Pressekontakt: Reinhard Hönighaus, Tel.: +49 (30) 2280-2300
Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern beantwortet das Team des Besucherzentrums ERLEBNIS EUROPA per E-Mail oder telefonisch unter (030) 2280 2900.