Beschreibung: VG Köln 9. Kammer | 9 K 5923/14
Urteil | Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch Abstandsregelung zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe | Art 12 Abs 1 GG, § 4 Abs 1 S 1 GlüStVtr NW, § 4 Abs 1 S 2 GlüStVtr NW, § 10a Abs 5 S 2 GlüStVtr NW, § 3 Abs 4 GlüStVtrAG NW, ...
Verwaltungsgericht Köln, 9 K 5923/14
Datum: 19.06.2015
Gericht: Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper: 9. Kammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 9 K 5923/14
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2014 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
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Tatbestand
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Der Kläger vermittelt seit Januar 2012 in seiner Betriebsstätte in Köln, E. -L. T. 00, Sportwetten an einen in Malta ansässigen Sportwettanbieter. In dem parallel zur E. -L. T. verlaufenden, von der E. -L. T. abzweigenden Abschnitt der F. T. befinden sich das O. -B. -P. -Berufskolleg und das I. -C. -Berufskolleg, in der C1. T. , der vom Betrieb des Klägers aus gesehen zweiten Querstraße, die Fachhochschule Köln. Die Haupteingänge aller drei Einrichtungen befinden sich in weniger als 200 m Luftlinie zum Eingang des Betriebs des Klägers. Alle drei Bildungseinrichtungen befinden sich in öffentlicher Trägerschaft.
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Mit Schreiben vom 17. April 2014 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Untersagung der Sportwettvermittlung an, da seine Wettvermittlungsstelle den Mindestabstand von 200 m Luftlinie zu den drei Bildungseinrichtungen nicht einhalte.
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Mit Ordnungsverfügung vom 21. Oktober 2014 ordnete die Beklagte gegenüber dem Kläger in Nr. I. an, es nach Zustellung der Verfügung zu unterlassen:
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in seinem Betrieb in der E. -L. T. 00 in Köln, der durch das Bekleben der Scheiben nicht gut einsehbar sei und einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie zur Fachhochschule Köln, C1. T. 2, zum O. -B. -P. Berufskolleg in der F. Straße 00 und zum I. -C. -Berufskolleg in der F. T. 00-00, unterschreite, Sportwetten zu bewerben, zu vermitteln oder in sonstiger Weise – z.B. durch Bereitstellen von Onlinewettautomaten – die Teilnahme an solchen Sportwetten zu ermöglichen (Nr. 1.1 des Tenors) und Dritten seine Betriebsräume ganz oder teilweise zum Zwecke der Vermittlung von Sportwetten miet-, pacht- oder in sonstiger Weise zu überlassen (Nr. 1.2 des Tenors).
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In Nr. 2 des Tenors der Ordnungsverfügung fordert die Beklagte den Kläger auf, zur Umsetzung der Forderungen gemäß Nr. 1.1, in seinen Betriebsräumen bereitgehaltene Informationsunterlagen, Wettprogramme, Wettscheine sowie innerhalb oder außerhalb der Betriebsräume vorhandene Werbung für Sportwetten der in Nr. 1.1 genannten Art sowie die der Vermittlung von oder der Teilnahme an solchen Sportwetten dienenden Einrichtungen/Geräte zu entfernen.
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In Nr. 3 wird dem Kläger für den Fall, dass er Nr. 1.1 i.V.m. Nr. 2 (mit Ausnahme der Entfernung evtl. außen am Betrieb fest montierten Werbeanlagen) der Ordnungsverfügung nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung nachkommt (Nr. 3.1), die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht. Ferner wird für den Fall, dass er nicht innerhalb von zwei Wochen eventuell vorhandene, außen am Betrieb fest montierte Werbung entfernt, ein Zwangsgeld i.H.v. 5.000 € (Nr. 3.2) und für den Fall, dass er nach Zustellung der Ordnungsverfügung entgegen Nr. 1.2 seine Betriebsräume einem Dritten zum Betrieb eines Wettbüros für Sportwetten überlässt, für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 € (Nr. 3.3) angedroht.
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In Nr. 4 wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von insgesamt 500 € festgesetzt.
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Zur Begründung seiner rechtzeitig erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Verordnungsermächtigung im Ausführungsgesetz decke die hier einschlägige Abstandsregelung nach § 22 Abs. 1 Glücksspielverordnung nicht. Im Übrigen sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte die Regelung schematisch angewandt habe, indem sie pauschal ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auf die Luftlinienentfernung abgestellt habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2014 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Ordnungsverfügung.
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Die Kammer hat mit Beschluss vom 09. Januar 2015 – 9 L 2040/14 – dem Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 29014 stattgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren 9 L 2040/14 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
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Die Anordnungen in Nr. 1 und 2 des Tenors der angefochtenen Ordnungsverfügung finden ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV. Nach § 9 Abs. 1 S. 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden oder aufgrund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Die Beklagte als zuständige Behörde kann gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 GlüStV die hierfür erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Sie kann insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV. Die Entscheidung hierüber hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.
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Der Kläger hat für die Vermittlung von Sportwetten keine Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV i.V.m. § 10 a Abs. 5 S. 2 GlüStV und § 3 Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (AG GlüStV NRW) vom 13. November 2012. Das Vermitteln ohne diese Erlaubnis stellt unerlaubtes Glücksspiel dar und ist verboten, § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV. Ermessensfehlerfrei hat die Beklagte jedoch hierauf ihre Anordnungen nicht gestützt, da sie diesbezüglich anerkennt, dass derzeit wegen des noch laufenden Konzessionsverfahrens keine entsprechenden Erlaubnisse erteilt werden können.
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Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung darauf abgestellt, dass der Erlaubnisfähigkeit der Wettvermittlungsstelle des Klägers § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW entgegenstehe. Nach dieser Bestimmung darf die Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen u.a. nur erteilt werden, wenn die Wettvermittlungsstelle einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie zur nächstgelegenen Wettvermittlungsstelle und zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht unterschreitet. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil sich in einem Abstand von weniger als 200 Meter Luftlinie die Fachhochschule Köln , C1. T. 2, das O. -B. -P. -Berufskolleg, F. T. 00 sowie das I. -C. -Berufskolleg, F. T. 00-00, befinden.
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Auf diese Bestimmung kann die Beklagte ihre Ordnungsverfügung jedoch nicht stützen, da sie – soweit sie die Abstandsregelungen zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrifft - gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt und damit unwirksam ist.
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Durch die Abstandsregelung zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW wird in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit dürfen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG jedoch nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen und müssen überdies dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Beides ist hier nicht der Fall.
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Denn zum einen beruht § 22 Abs. 1 GlüSpVO, soweit er Mindestabstände von Wettannahmestellen zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe regelt, nicht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage und genügt damit nicht dem Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes.
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Danach bedürfen Eingriffe in Grundrechte einer den Eingriff tragenden gesetzlichen Grundlage. Die gesetzliche Grundlage muss das Wesentliche regeln und hinreichend bestimmt sein. Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen, vgl. Art. 70 Satz 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Auch das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichten den Gesetzgeber, im Bereich der Grundrechtsausübung die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und, sofern Einzelregelungen einer Verordnung überlassen bleiben, die Tendenz und das Programm schon so weit zu umreißen, dass sich der Zweck und der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen. Dabei genügt es allerdings, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte des Gesetzes.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82 -, BVerfGE 80, 1, juris, Rn. 58; und vom 05. Mai 1965 – 2 BvL 4/63 – BVerfGE 19, 17, juris Rn.60.
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Diese Anforderungen sind hier bezogen auf das Abstandsgebot zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht erfüllt. Nach § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW darf die Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen nur erteilt werden, wenn die Wettvermittlungsstelle einen Mindestabstand von 200 Metern Luftlinie zur nächstgelegenen Wettvermittlungsstelle und zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht unterschreitet. Die der GlüSpVO NRW zugrundeliegende Verordnungsermächtigung findet sich in § 22 Abs. 1 AG GlüStV NRW. Da § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW anders als die übrigen Absätze des § 22 GlüSpVO keine Verfahrensregelung, sondern eine materielle Genehmigungsvoraussetzung enthält, kommt als mögliche Rechtsverordnungsermächtigung hier nur § 22 Abs. 1 Nr. 3 AG GlüStV NRW in Betracht. Danach wird das für Inneres zuständige Ministerium ermächtigt, im Einvernehmen mit den fachlich zuständigen Ressorts durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über die Zahl, die räumliche Beschaffenheit und das Einzugsgebiet der Wettvermittlungsstellen nach § 13 sowie nähere Bestimmungen zur Nutzung in den zur Wettannahme bestimmten Geschäftsräumen. § 13 Abs. 3 AG GlüStV NRW konkretisiert den Umfang der Rechtsverordnungsermächtigung näher. Danach ist vorgesehen, dass Zahl, Einzugsgebiet und räumliche Beschaffenheit der Wettvermittlungsstellen sowie Bestimmungen zur Nutzung in den dafür bestimmten Geschäftsräumen an den Zielen des § 1 AG GlüStV NRW auszurichten sind. Nach § 1 Abs. 1 AG GlüStV NRW sind Ziele des Gesetzes gleichrangig u.a. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Spielsuchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (Nr. 2) und den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3). – § 13 Abs. 3 S. 3 AG GlüStV NRW bestimmt, dass bei den näheren Festlegungen die unterschiedlichen Gefährdungspotenziale der Glücksspiele, insbesondere auch die erhöhte Gefährdung durch Sportwetten nach § 21 Abs. 4 S. 3 GlüStV, zu berücksichtigen sind.
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Eine Ermächtigung zum Erlass von auf öffentliche Schulen und öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezogene Abstandsregelungen ist diesen Bestimmungen nicht zu entnehmen. Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Nr. 3 AG GlüStV NRW wird der Verordnungsgeber u.a. zum Erlass von Vorschriften über das Einzugsgebiet von Wettvermittlungsstellen ermächtigt. Der amtlichen Begründung zu § 13 AG GlüStV NRW, der die Verordnungsermächtigung näher konkretisiert, ist insoweit nur zu entnehmen, dass damit den Behörden die Möglichkeit eröffnet werden sollte, auf eine gleichmäßige Verteilung der Wettannahmestellen hinzuwirken und Abstandsregelungen vorzusehen.
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Vgl. LT-Drucksache16/17, Seite 41.
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Dass damit aber neben Abstandsregelungen für Wettannahmestellen untereinander auch Abstandsregelungen zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen gemeint sein könnten, ergibt sich daraus nicht eindeutig. Vielmehr legt der Zusammenhang zur gleichmäßigen Verteilung der Wettannahmestellen nahe, dass Abstandsregelungen als Mittel zur Sicherung der gleichmäßigen Verteilung angesprochen werden.
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Auch dem Hinweis in der amtlichen Begründung, dass insbesondere die der Konkretisierung der Rechtsverordnungsermächtigung dienende Bestimmung des § 13 Abs. 3 AG GlüStV an die die Annahmestellen betreffende Regelung des § 5 AG GlüStV NRW angelehnt sei, lässt sich eine Ermächtigung zum Erlass von Abstandsregelungen zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen nicht entnehmen. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 AG GlüStV NRW wird das zuständige Ministerium ermächtigt, Vorschriften zu erlassen über die Zahl und das Einzugsgebiet der Annahmestellen nach § 5 Abs. 5 AG GlüStV NRW unter Berücksichtigung der Einwohnerzahlen im Umkreis des jeweiligen Geschäftsraums. Die hierauf beruhende Bestimmung des § 17 Abs. 1 GlüSpVO NRW, die dem § 15 GlüSpVO in der Fassung vom 24. Juni 2009 (GV.NRW.S.395) entspricht, bestimmt hierzu:
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Die Annahmestellen sollen bezogen auf die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 Satz 1 Glücksspielstaatsvertrag bedarfsgerecht verteilt sein. Von einem Bedarf ist in der Regel auszugehen, wenn die Zahl von 3 500 Einwohnerinnen und Einwohnern pro Annahmestelle bezogen auf eine Gemeinde nicht unterschritten wird. Bei Unterschreitung ist der Bedarf gesondert zu belegen. Dabei sind insbesondere
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1. die räumliche Entfernung der Annahmestellen zueinander und
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2. die unmittelbare Nachbarschaft der Annahmestellen zu öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu berücksichtigen.
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Wird im Falle der Nummer 1 eine räumliche Entfernung von 200 Metern Luftlinie unterschritten, ist für die Erteilung einer Erlaubnis der Nachweis der Erforderlichkeit anhand der prognostizierten Kundenströme und der übrigen Versorgung des Einzugsgebietes mit öffentlichen Glücksspielen zu erbringen. Im Falle der Nummer 2 sind zusätzlich zur Gewährleistung des Jugendschutzes gemäß § 1 Satz 1 Nummer 3 Glücksspielstaatsvertrag Vorkehrungen zur Vermeidung von Anreizwirkungen auf Kinder und Jugendliche zu treffen.
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Die vom Gesetzgeber in der amtlichen Begründung in Bezug genommenen, existenten Bestimmungen zu den Annahmestellen im Sinne des § 5 AG GlüStV NRW sehen damit für öffentliche Schulen und öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe keine Mindestabstandsregelungen vor. Eine solche existiert allein für die räumliche Entfernung der Annahmestellen zueinander. Die unmittelbare Nachbarschaft zu einer öffentlichen Schule oder zu öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen wird hingegen hingenommen und löst nur zusätzlich zum Jugendschutz nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 Nr. 2 a) AG GlüStV NRW i.V.m. § 4 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag die Verpflichtung zu Vorkehrungen zur Vermeidung von Anreizwirkungen aus, und dies auch nur in den Fällen des § 17 Abs. 1 Satz 2 GlüSpVO NRW, also dann, wenn ein Bedarf wegen Unterschreitens der nach Satz 1 maßgeblichen Zahl von 3500 Einwohnern je Annahmestelle besonders zu begründen ist. Dass der Begriff des Einzugsgebietes seit jeher auch Abstandsregelungen zu Schulen und ähnlichen Einrichtungen umfasst, lässt sich damit aus den vorgefundenen Regelungen betreffend die Annahmestellen hieraus nicht entnehmen.
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Nach alldem ist § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW, soweit er eine Abstandsregelungen zu Schulen enthält, nicht von einer den Grundsätzen des Gesetzesvorbehaltes genügenden gesetzlichen Grundlage gedeckt.
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Unabhängig davon beinhaltet das auf öffentliche Schulen und öffentliche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bezogene Abstandsgebot aus § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW auch einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit.
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Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Stufentheorie besteht für Eingriffe in die Berufsfreiheit eine differenzierte Schrankensystematik. Während die Freiheit der Berufswahl nur eingeschränkt werden darf, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftgüter es zwingend erfordert, kann die Freiheit der Berufsausübung bereits dann beschränkt werden, wenn und soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen.
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Die Regelung, dass eine Wettannahmestelle nur erlaubnisfähig ist, wenn sie einen Abstand von mindestens 200 Metern zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einhält, regelt nicht den Zugang zu einem Beruf, sondern ist eine Berufsausübungsregelung.
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Vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 1 L 395/13 -, juris, Rz. 8.
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Sie dient dem Jugendschutz und damit dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, indem Kinder- und Jugendliche vor den Reizen des Sportwettgeschäfts und dem mit diesem verbundenen Suchtpotential ferngehalten werden sollen. Die Regelung ist jedoch zur Wahrung der Belange des Jugendschutzes nicht erforderlich. Denn § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW knüpft die fehlende Erlaubnisfähigkeit einer Wettannahmestelle ausschließlich an die Unterschreitung von 200 m Luftlinie zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Sie fragt weder nach der Art der sich in der Nähe befindenden Schule oder Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe noch nach den örtlichen Gegebenheiten. So erscheint es fernliegend, dass bereits Kindergartenkinder oder Kinder im Grundschulalter von Sportwettgeschäften angezogen werden. Eine ausnahmslos auf die Luftlinienentfernung abstellende Regelung erfasst zudem auch solche Fälle, in denen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, beispielsweise wegen trennender Verkehrswege, die Nutzer der Einrichtung mit der Wettannahmestelle regelmäßig nicht in Kontakt kommen.
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Vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 1 L 395/13 -, juris, Rz 11 ff.
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Hinzu kommt, dass § 16 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW, der die räumliche Nähe von Spielhallen zu Schulen regelt, eine weniger strikte, die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zulassende Regelung enthält. Auch dies spricht letztlich gegen die Erforderlichkeit der strikten Regelung des § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW.
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Angesichts des Wortlauts der Regelung (darf nicht erteilt werden, wenn ....) ist eine verfassungskonforme Auslegung dahin gehend, dass die Regelung auch Raum zur Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles lässt, nach Auffassung der Kammer nicht möglich.
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Nach alledem kann der angegriffene Bescheid nicht auf § 22 Abs. 1 GlüSpVO gestützt werden, da diese Bestimmung nicht auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruht.
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Auf den von der Beklagten angeführten verbotenen Sichtschutz (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 1 GlüSpVO NRW) kann die Ordnungsverfügung ebenfalls nicht gestützt werden. Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist insofern zunächst nur ein Vorgehen gerechtfertigt, das auf die Beseitigung des Verstoßes abzielt, nicht aber eine Untersagung der Sportwettvermittlung insgesamt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache mit Blick auf die Frage der Wirksamkeit des § 22 Abs. 1 GlüSpVO NRW grundsätzliche, über den vorliegenden Einzelfall hinausgreifende Bedeutung hat.
Quelle
s.a.:
EuGH zum Mindestabstand - Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit C-634/15 und C-168/14
Losverfahren zur Vergabe von Spielstättenkonzessionen vor Gericht
Verfassungsbeschwerden gegen Spielhallengesetze