Mittwoch, 30. Oktober 2013

Drei Verfassungsbeschwerden vor dem Staatsgerichtshof Stuttgart sind noch offen

Drei der derzeit noch in Stuttgart anhängigen Verfassungsbeschwerden betreffen das neue Glücksspielgesetz.

Hier sehen sich Spielhallenbesitzer in ihren Rechten verletzt.

Über diese Beschwerden wird voraussichtlich Anfang 2014 mündlich verhandelt.

Bürger tun sich schwer mit Verfassungsbeschwerden

Die Erfolgsquote von Verfassungsbeschwerden am bayerischen Verfassungsgerichtshof liegt bei 2,32 Prozent.

Beim Verfassungsgerichtshof in Sachsen werden mehr als 80 Prozent der Beschwerden als unzulässig zurückgewiesen.

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Donnerstag, 24. Oktober 2013

EuGH-Urteil vom 24.10.2013 (Rs. C-440/12)


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
24. Oktober 2013(*)
„Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Glücksspiele mit Geldeinsatz – Regelung eines Mitgliedstaats, nach der auf den Betrieb von Geldspielautomaten mit begrenzter Gewinnmöglichkeit kumulativ Mehrwertsteuer und eine Sonderabgabe erhoben werden – Zulässigkeit – Bemessungsgrundlage – Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer“
In der Rechtssache C‑440/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2012, in dem Verfahren
Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
gegen
Finanzamt Hamburg-Bergedorf
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie des Richters S. Rodin,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
–        der Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), vertreten durch Rechtsanwalt B. Hansen,
–        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
–        der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und A. Cordewener als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2, Art. 73, Art. 135 Abs. 1 Buchst. i und Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) (im Folgenden: Metropol) und dem Finanzamt Hamburg-Bergedorf (im Folgenden: Finanzamt) über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Einnahmen aus der Veranstaltung von Glücksspielen mit Hilfe von Geldspielautomaten mit begrenzter Gewinnmöglichkeit (im Folgenden: Spielgeräte oder Geldspielgeräte).
 Rechtlicher Rahmen
 Unionsrecht
 Mehrwertsteuerrichtlinie
3        Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.
Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.
…“
4        Art. 73 dieser Richtlinie lautet:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“
5        Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
i)      Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden.“
6        Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.“
 Deutsches Recht
7        § 4 (Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für den Ausgangsrechtsstreit maßgebenden Fassung sieht in Nr. 9 Buchst. b vor, dass „die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen“, steuerfrei sind.
8        § 12 Abs. 2 der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit – Spielverordnung (SpielV) in der für den Ausgangsrechtsstreit maßgebenden Fassung bestimmt im Wesentlichen, dass bei Geldspielgeräten Gewinne in solcher Höhe ausgezahlt werden müssen, dass bei langfristiger Betrachtung kein höherer Betrag als 33 Euro je Stunde als Kasseninhalt verbleibt.
9        In § 13 SpielV heißt es:
„(1)      Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:
1.      Die Mindestspieldauer beträgt fünf Sekunden; dabei darf der Einsatz 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen.
3.      Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 80 Euro nicht übersteigen.
…“
10      Das Hamburgische Gesetz über die Zulassung einer öffentlichen Spielbank in seiner geänderten Fassung sieht in § 3 vor:
„(1)      Das Spielbankunternehmen hat an die Freie und Hansestadt Hamburg eine Spielbankabgabe in Höhe von 70 vom Hundert der Bruttospielerträge zu entrichten. Zusätzlich hat das Spielbankunternehmen eine Sonderabgabe in Höhe von 20 vom Hundert des Bruttospielertrags zu entrichten. …
(2)      Die tarifliche Spielbankabgabe nach Absatz 1 ermäßigt sich um die nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldete und zu entrichtende Umsatzsteuer auf Grund von Umsätzen, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind. …“
11      § 4 Abs. 1 des Spielbankgesetzes des Landes Schleswig-Holstein in geänderter Fassung bestimmt:
„Die Spielbankabgabe beträgt 50 % des Bruttospielertrages. Auf die Spielbankabgabe wird die nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldete und entrichtete Umsatzsteuer aufgrund von Umsätzen, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, angerechnet.“
12      In § 7 des Spielbankgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern heißt es:
„(1)      Der Betrieb einer Spielbank unterliegt der Spielbankabgabe.
(2)      Die Spielbankabgabe beträgt
1.      bei einem Bruttospielertrag im Wirtschaftsjahr von bis zu 500 000 Euro 25 Prozent,
5.      für den zehn Millionen Euro im Wirtschaftsjahr übersteigenden Bruttospielertrag 80 Prozent des Bruttospielertrags.
(7)      … Auf die Spielbankabgabe ist die nach dem Umsatzsteuergesetz geschuldete und entrichtete Umsatzsteuer, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt ist, anzurechnen.“
 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
13      Im Wirtschaftsjahr 2010 betrieb die Klägerin des Ausgangsverfahrens in sieben Spielhallen in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Geldspielgeräte. Auf den Betrieb dieser Geräte wird durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in den beiden zuletzt genannten Ländern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg eine Vergnügungssteuer nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen erhoben.
14      An jedem Geldspielgerät wurde der Kassensaldo, d. h. das von den Spielern eingeworfene Geld abzüglich des an sie ausgezahlten Geldes, erhöht um Entnahmen und vermindert um Geräteauffüllungen (im Folgenden: Kasseneinnahmen), von der Klägerin des Ausgangsverfahrens monatlich aus der elektronischen Kontrolleinrichtung ausgelesen. Die Spielgeräte verfügen neben der Kasse über einen „Hopper“, d. h. eine Münzspeicher- und Auszahleinheit. Der Hopper verfügt über ein Fach mit 20-Cent-Münzen und ein Fach mit 2-Euro-Münzen und wird vor jeder Inbetriebnahme des Geräts vom Betreiber gefüllt. Werfen die Spieler Münzen zu 20 Cent und zu 2 Euro ein, fallen diese solange in den Hopper, bis er voll ist; der Überschuss wird sodann automatisch in die Kasse geleitet. Andere Münzen und eingeführte Scheine gelangen immer sofort zur Kasse, deren Bestand elektronisch gezählt wird. Bestandsveränderungen des Hoppers werden von der Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahme ebenfalls berücksichtigt.
15      Die Spielgeräte verfügen über einen Geldspeicher und einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Die Umbuchung von Geld in Punkte wird vom Gerät als „Einsatz“ registriert, die Umbuchung von Punkten in Geld als „Gewinn“, wobei ein Punkt einem Cent entspricht. Mit den Punkten kann das Spiel vom Spieler gestartet werden. Der Punktestand eines Spielers im Punktespeicher kann von ihm jederzeit in einen Geldbetrag im Geldspeicher umgebucht werden, und der Bestand im Geldspeicher kann jederzeit ausgezahlt werden.
16      Die Umbuchung vom Geldspeicher in den Punktespeicher, d. h. ein „Einsatz“ im Sinne der SpielV, ist in zweifacher Weise beschränkt, nämlich auf 20 Cent pro 5 Sekunden und auf 80 Euro pro Stunde, nach Abzug der Gewinne. Ist die Grenze von 80 Euro pro Stunde erreicht, kann für den Rest der Stunde nichts mehr vom Geldspeicher in den Punktespeicher umgebucht werden („Buchungspause“). Die Veränderungen des Punktestands im Punktespeicher (umgangssprachlich Spiele, Einsätze, Verluste oder Gewinne) unterliegen keinen rechtlichen Regelungen.
17      Die Jahressumme aller monatlichen Kasseneinnahmen aller Geräte der Klägerin des Ausgangsverfahrens belief sich im Wirtschaftsjahr 2010 auf 1 018 041,78 Euro (sogenannte „Bruttokasse“). Aufgrund des deutschen Mehrwertsteuer-Normalsatzes von 19 % errechnete Metropol daraus eine Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer von 855 497,29 Euro (sogenannte „Nettokasse“, entsprechend 100/119 von 1 018 041,78 Euro) und einen Umsatzsteuerbetrag von 162 544,49 Euro, der nahezu der gesamten geschuldeten Umsatzsteuer entsprach. Die Umsatzsteuer auf alle anderen von ihr getätigten Umsätze beträgt 1 790,20 Euro. Da Metropol Vorsteuer in Höhe von 69 355,76 Euro gezahlt hatte, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 29. März 2012 die noch geschuldete Umsatzsteuer auf 94 978,93 Euro fest.
18      Metropol erhob beim vorlegenden Gericht Klage gegen diesen Bescheid. Sie ist nämlich der Auffassung, die Modalitäten der Besteuerung der Geldspielgeräteumsätze verstießen gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität, der Abwälzbarkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer. Sie beantragt daher, den Umsatzsteuerbescheid für 2010 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer von 94 978,93 Euro auf 1 790,20 Euro herabgesetzt wird. Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
19      Das mit dieser Klage befasste nationale Gericht führt erstens aus, dass in anderen Bereichen eine Abgabe, die sich hinreichend von der Mehrwertsteuer unterscheide, immer neben ihr erhoben werden dürfe.
20      Zweitens müsse nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Mehrwertsteuer zum Preis der erbrachten Dienstleistungen genau proportional sein. Zwar habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. Mai 1994, Glawe (C‑38/93, Slg. 1994, I‑1679), entschieden, dass bei den dort in Rede stehenden Geldspielautomaten, die so eingestellt worden seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinne an die Spieler ausgezahlt werde, der den Gewinnen entsprechende, gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze nicht zur Bemessungsgrundlage gehöre. Im Anschluss an diese Rechtsprechung habe sich aber in Deutschland die Praxis herausgebildet, als Bemessungsgrundlage nicht die Summe aller Einsätze, sondern nur den Kasseninhalt – in der Regel pro Kalendermonat – zugrunde zu legen. Die monatlichen Kasseneinnahmen hingen allerdings von den Gewinnen und Verlusten der jeweiligen Spieler ab, und es bestehe seitdem keine Relation mehr zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und dem Einsatz des einzelnen Spielers.
21      Zudem sei die in Deutschland bis Ende 2005 geltende Mindestgewinnquote von 60 % der Einsätze abgeschafft und 2006 durch eine Begrenzung des Einsatzes und des Verlustes pro Zeiteinheit ersetzt worden. In technischer Hinsicht erfüllten die Hopper, bei denen es sich um eine Innovation der Spielgeräte handele, zwar grundsätzlich dieselbe Funktion wie seinerzeit die „Münzstapelrohre“, um die es im Urteil Glawe gegangen sei, doch habe der Betreiber auf den Inhalt der Hopper jederzeit Zugriff.
22      Drittens äußert das nationale Gericht Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Randnr. 24 des Urteils vom 8. Juni 1999, Pelzl u. a. (C‑338/97, C‑344/97 und C‑390/97, Slg. 1999, I‑3319), sowie der Randnrn. 28, 31, 34 und 37 des Urteils vom 3. Oktober 2006, Banca popolare di Cremona (C‑475/03, Slg. 2006, I‑9373), wonach es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend sei, dass sie auf den Endverbraucher abgewälzt werde. Aus diesen Urteilen gehe nämlich nicht klar hervor, ob die Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer lediglich ein typisches Merkmal dieser Steuer darstelle oder eine Voraussetzung für ihre Erhebung sei. Bestünden nun, wie hier, Preisbeschränkungen, könne der Unternehmer den Preis für die Leistung nicht erhöhen und die Mehrwertsteuer nicht auf den Verbraucher abwälzen, wenn er bereits am oberen Ende der zulässigen Preisspanne kalkuliere.
23      Viertens führt das Gericht aus, dass in Deutschland zwei rechtliche Regime für Glücksspiele bestünden. So bedürften Spielbankbetreiber einer Konzession, und die Einsätze und Gewinne seien im Prinzip unbegrenzt. Spielbanken müssten nach den Spielbankgesetzen der Länder Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern eine spezielle Spielbankabgabe zahlen, die darauf ausgerichtet sei, ihren Gewinn weitgehend abzuschöpfen. Die Gründung von Spielhallen sei demgegenüber grundsätzlich frei, werde aber behördlich überwacht und rechtlich reglementiert. Die Spielhallenbetreiber würden in der Regel mit einer örtlichen Sonderabgabe (Vergnügungssteuer) belegt.
24      Nach Streichung der früheren Umsatzsteuerbefreiung für die Spielbanken im Jahr 2006 müssten sie nunmehr Umsatzsteuer zahlen; diese werde auf die – im Vergleich zur Umsatzsteuer höhere – Spielbankabgabe angerechnet. Das vorgesehene Besteuerungssystem könnte eine Umgehung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes ermöglichen. So könnte ein Mitgliedstaat für zwei vergleichbare Gruppen von Steuerpflichtigen eine nationale Sonderabgabe einführen, die nicht den Charakter einer Umsatzsteuer aufweise, und bei einer dieser Gruppen die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf die Sonderabgabe anordnen. Ein solcher Fall liege hier allerdings nicht vor.
25      Schließlich gebe die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung den Mehrwertsteuerpflichtigen keinen Anreiz, bei den ihnen erbrachten Umsätzen u. a. für das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung Sorge zu tragen. Denn fehle die Rechnung oder sei sie nicht ordnungsgemäß, könnten sie zwar die Vorsteuer nicht abziehen, doch habe dies, da die dadurch höhere Umsatzsteuerschuld auf die Spielbankabgabe angerechnet werde, keine wirtschaftliche Auswirkung für sie.
26      Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Hamburg das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.      Ist Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dahin auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?
2.      Nur falls ja zu 1.:
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe, oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?
3.      Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt („elektronisch gezählte Kasse“) des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?
4.      Nur falls ja zu 3.:
Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?
5.      Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Was ist gegebenenfalls unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?
6.      Nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?
7.      Nur falls ja zu 5., nein zu 6. und nein zu 3.:
Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen – etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?
8.      Ist Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?
9.      Nur falls ja zu 8.:
Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?
 Zu den Vorlagefragen
 Zur ersten Frage
27      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dahin auszulegen ist, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ und nicht kumulativ erhoben werden dürfen.
28      Nach Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie „hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf … Spiele und Wetten … sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen“. Der Wortlaut dieses Artikels verbietet es den Mitgliedstaaten somit nicht, einen Umsatz der Mehrwertsteuer und, kumulativ, einer Sonderabgabe zu unterwerfen, die keinen Umsatzsteuercharakter hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1986, Kerrutt, 73/85, Slg. 1986, 2219, Randnr. 22).
29      Speziell zu Glücksspielen mit Geldeinsatz hat der Gerichtshof zum einen bereits entschieden, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuerrichtlinie, der „unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden“, eine Mehrwertsteuerbefreiung u. a. dieser Spiele vorsieht, dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis, Bedingungen und Beschränkungen für die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung festzulegen, gestattet ist, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von dieser Steuer zu befreien (Urteil vom 10. Juni 2010, Leo-Libera, C‑58/09, Slg. 2010, I‑5189, Randnr. 39).
30      Zum anderen hat der Gerichtshof in Randnr. 38 des genannten Urteils ferner entschieden, dass es hinsichtlich des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität ohne Belang ist, dass die Höhe einer nicht harmonisierten Abgabe auf Spiele, zu der bestimmte mehrwertsteuerpflichtige Veranstalter und Betreiber von Glücksspielen mit Geldeinsatz ebenfalls herangezogen werden, an die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer angepasst wird. Der Gerichtshof hat also bereits bestätigt, dass das Unionsrecht einer kumulativen Erhebung der Mehrwertsteuer und einer anderen allgemeinen Abgabe auf Glücksspiele, die nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat, grundsätzlich nicht entgegensteht.
31      Wie aus der Vorlageentscheidung und den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hervorgeht, ist aber unstreitig, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vergnügungssteuern nicht den Charakter einer Umsatzsteuer haben.
32      Infolgedessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dahin auszulegen ist, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.
 Zur zweiten Frage
33      Da die zweite Frage nur für den Fall gestellt worden ist, dass der Gerichtshof die erste Frage bejaht, ist sie nicht zu beantworten.
 Zur dritten Frage
34      Mit seiner dritten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird.
35      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der … Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom … Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen“, umfasst.
36      Überdies hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände, wie aus Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie hervorgeht, eines der wesentlichen Merkmale dieser harmonisierten Steuer ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1992, Dansk Denkavit und Poulsen Trading, C‑200/90, Slg. 1992, I‑2217, Randnr. 11, Pelzl u. a., Randnr. 25, und vom 11. Oktober 2007, KÖGÁZ u. a., C‑283/06 und C‑312/06, Slg. 2007, I‑8463, Randnr. 40).
37      In den Rechtssachen, in denen die in der vorstehenden Randnummer angeführten Urteile ergangen sind, hat der Gerichtshof auf die Proportionalität der Mehrwertsteuer nur Bezug genommen, um festzustellen, ob eine von dem betreffenden Mitgliedstaat erhobene innerstaatliche Gebühr oder Abgabe den Charakter einer Umsatzsteuer hatte und daher nicht kumulativ mit der in der Union harmonisierten Mehrwertsteuer erhoben werden durfte. In diesen Urteilen ging es hingegen nicht um die Frage, ob die Mehrwertsteuer proportional zu den Zahlungen sein muss, die mehrere Adressaten einer Dienstleistung im Laufe einer komplexen Tätigkeit erbringen, die als solche der Mehrwertsteuer unterliegt, und noch weniger um die Frage, ob die Mehrwertsteuer zwingend und in allen Fällen proportional zu den Zahlungen sein muss, die jeder einzelne Adressat leistet.
38      Hierzu ist festzustellen, dass sich der Grundsatz der Proportionalität der Mehrwertsteuer nur auf die Bemessungsgrundlage beziehen kann. Zwar entspricht die Bemessungsgrundlage meist dem Preis, den der Endverbraucher als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Gegenstands entrichten muss, doch geht schon aus dem Wortlaut von Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie hervor, dass dies nicht immer und zwangsläufig der Fall ist. Nach Art. 73 besteht die Bemessungsgrundlage nämlich aus allem, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Erbringer einer Dienstleistung von deren Empfänger „oder einem Dritten erhält“, und zwar „einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen“. Somit richtet sich die Bemessungsgrundlage danach, was der Steuerpflichtige tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 19. Juni 2003, First Choice Holidays, C‑149/01, Slg. 2003, I‑6289, Randnrn. 28 bis 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39      Eine Besteuerungspraxis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der als Bemessungsgrundlage für Umsätze mit Spielgeräten die monatlichen Kasseneinnahmen zugrunde gelegt werden, die ihrerseits von der Höhe der Gewinne und Verluste der jeweiligen Spieler abhängen, verstößt folglich nicht schon deshalb gegen das Unionsrecht, weil keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler besteht.
40      Zudem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass bei Geldspielautomaten, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt sind, dass durchschnittlich mindestens 60 % der Spieleinsätze als Gewinne an die Spieler ausgezahlt werden, die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, nur in dem Teil der Einsätze besteht, über den er effektiv selbst verfügen kann (Urteil Glawe, Randnr. 9). Zwar brauchte der Gerichtshof in diesem Urteil nicht über die Frage zu entscheiden, ob der Grundsatz der „Individualbesteuerung“ es gebietet, die Bemessungsgrundlage anhand der Einsätze für ein Spiel oder eine Spielserie – mit anderen Worten anhand der Einsätze eines bestimmten Spielers – zu errechnen. Aus den Randnrn. 5 und 14 dieses Urteils geht in Verbindung mit den Nrn. 27 bis 30 der Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in dieser Rechtssache aber klar hervor, dass dies nach Ansicht des Gerichtshofs nicht der Fall war.
41      Da der Sachverhalt in der Rechtssache, in der das Urteil Glawe ergangen ist, mit dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens vergleichbar ist, ist die vom Gerichtshof in diesem Urteil gegebene Antwort auf die vorliegende Rechtssache übertragbar. Von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung sieht nämlich § 12 Abs. 2 SpielV im Wesentlichen vor, dass bei Geldspielgeräten Gewinne in solcher Höhe ausgezahlt werden müssen, dass bei langfristiger Betrachtung kein höherer Betrag als 33 Euro je Stunde als Kasseninhalt verbleibt. Nach § 13 SpielV, der u. a. Begrenzungen für die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler vorsieht, müssen die Geräte so eingestellt sein, dass sie die Anforderungen der SpielV erfüllen, die zu einer Begrenzung der mit den Geräten erzielbaren Einnahmen führen.
42      Unter diesen Umständen wird die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, durch „zwingende gesetzliche Vorschriften“ festgelegt und besteht daher nur „in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann“ (vgl. Urteile Glawe, Randnr. 9, und vom 19. Juli 2012, International Bingo Technology, C‑377/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26), d. h. in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums.
43      Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Geldspielautomaten, die Gegenstand des Urteils in der Rechtssache Glawe waren, mit einem Münzstapelrohr versehen waren, das zur Auszahlung der gesetzlich vorgeschriebenen Gewinne an die Spieler diente, während die Spielgeräte, um die es im Ausgangsverfahren geht, zu diesem Zweck mit einem Hopper ausgestattet sind. Denn der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass der Hopper zwar eine technische Innovation der Spielgeräte darstellt, aber im Prinzip dieselbe Funktion erfüllt wie die früheren Münzstapelrohre. Irrelevant ist insoweit auch die vom vorlegenden Gericht angeführte Tatsache, dass der Betreiber jederzeit Zugriff auf den Inhalt des Hoppers hat. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wird nämlich jede Bestandsveränderung des Hoppers von einer Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahmen ebenfalls berücksichtigt. Diese Kasseneinnahmen, über die der Betreiber effektiv selbst verfügen kann, können folglich genau ermittelt werden.
44      Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.
 Zur vierten Frage
45      Da die vierte Frage nur für den Fall gestellt worden ist, dass der Gerichtshof die dritte Frage bejaht, ist sie nicht zu beantworten.
 Zur fünften, zur sechsten und zur siebten Frage
46      Mit der fünften, der sechsten und der siebten Frage, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Spieler abwälzen kann, und ob, wenn ja, zur Abwälzbarkeit die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises gehört. Gegebenenfalls möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine innerstaatliche Regelung, die das dem Betreiber zustehende Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränkt, so anzuwenden ist, dass das festgesetzte Entgelt die Mehrwertsteuer nicht einschließt. Schließlich möchte das vorlegende Gericht, falls die Mehrwertsteuer mangels Abwälzbarkeit nicht erhoben werden darf, wissen, ob für den gesamten Umsatz mit den Spielgeräten oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, keine Mehrwertsteuer zu erheben ist.
47      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere die Ziele des Verbraucherschutzes, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen können; in Ermangelung einer Harmonisierung der Regelung der Glücksspiele auf Unionsebene ist es danach außerdem Sache jedes Mitgliedstaats, in diesem Bereich im Einklang mit seiner eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben, sofern die vorgeschriebenen Beschränkungen den Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633, Randnrn. 56, 57 und 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
48      Dass es speziell eine „Preisregulierung“ und/oder eine gesetzliche Begrenzung der Verluste der Benutzer von Spielgeräten gibt, ist dem Grundsatz nach vom Gerichtshof im Urteil Glawe implizit gebilligt worden, insbesondere im Hinblick auf ihre Behandlung für die Zwecke der Erhebung der Mehrwertsteuer. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich unter Zugrundelegung eines gesetzlichen Gewinnanteils von 60 % ausgeführt, dass diese Gewinne, deren Auszahlung das deutsche Recht vorschrieb, nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen waren (vgl. Urteil Glawe, Randnr. 9). Die Einführung einer Regelung, mit der im Kern die Höhe der Verluste der Spieler bei Glücksspielen und infolgedessen die von den Betreibern solcher Spiele erzielten Einnahmen begrenzt werden, ist somit im Unionsrecht bereits für zulässig erachtet worden.
49      Demnach sind die Mitgliedstaaten im Bereich der Glücksspiele mit Geldeinsatz grundsätzlich berechtigt, insbesondere die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler temporär oder absolut zu begrenzen. Hat ein Mitgliedstaat, wie es im Ausgangsverfahren der Fall zu sein scheint, tatsächlich von diesem Recht Gebrauch gemacht, stellt sich nicht die Frage, ob die Betreiber von Spielgeräten ihre Einnahmen über die in der einschlägigen Regelung vorgesehenen Grenzen hinaus erhöhen dürfen, um die Mehrwertsteuer in höherem Maße auf die Spieler abwälzen zu können. Denn unter diesen Umständen ist eine solche Erhöhung schlicht in legitimer Weise verboten.
50      Sodann ist festzustellen, dass die fünfte, die sechste und die siebte Frage auf der Prämisse beruhen, dass eine innerstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende es den Betreibern von Spielgeräten nicht erlaubt, die Mehrwertsteuer in vollem Umfang auf die Endverbraucher, d. h. die Spieler, abzuwälzen. Eine Beantwortung dieser Fragen ist aber für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nur erforderlich, sofern diese Prämisse zutrifft.
51      Es hat jedoch nicht den Anschein, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Abwälzung der Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher verhindert.
52      Wie nämlich aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, ist Bemessungsgrundlage im vorliegenden Fall nur die „Nettokasse“, d. h. die Kasseneinnahmen abzüglich der geschuldeten Mehrwertsteuer. Nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung gehören zur Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer nur die Einnahmen, die der Betreiber von Spielgeräten tatsächlich erzielt, und die geschuldete Mehrwertsteuer, die sich aus der Anwendung des gesetzlichen Mehrwertsteuersatzes auf die Nettokasse als Bemessungsgrundlage ergibt, ist von den Endverbrauchern auch tatsächlich gezahlt worden.
53      Mithin ist festzustellen, dass eine innerstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die den Betrieb von Spielgeräten insbesondere in Bezug auf die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler je Zeiteinheit begrenzt, es dem Betreiber erlaubt, die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher abzuwälzen.
54      Da die fünfte, die sechste und die siebte Frage folglich hypothetischen Charakter haben, sind sie nicht zu beantworten.
 Zur achten Frage
55      Mit seiner achten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird.
56      Erstens ist hinsichtlich des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität, auf den das vorlegende Gericht in diesem Zusammenhang Bezug nimmt, darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz, der ein Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt, Ausdruck des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der Mehrwertsteuer ist. Er hat insbesondere zur Folge, dass die Steuerpflichtigen bei gleichartigen und miteinander in Wettbewerb stehenden Leistungen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen (vgl. u. a. Urteil vom 19. Dezember 2012, Grattan, C‑310/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
57      Wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, verpflichtet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Bereich der Mehrwertsteuer jedoch nur im Rahmen dieses harmonisierten Systems zur Gewährleistung von Gleichbehandlung und Neutralität. Da die geschuldete Mehrwertsteuer nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, könnte diese Regelung allenfalls Zweifel in Bezug auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Hinblick auf diese nicht harmonisierte Abgabe aufwerfen und nicht im Verhältnis zur Mehrwertsteuer. Im Ausgangsverfahren kommt dies jedenfalls nicht zum Tragen, da die Klägerin des Ausgangsverfahrens nach den Angaben des vorlegenden Gerichts keine Spielbankabgabe entrichten muss.
58      Überdies hat der Gerichtshof zu einer Argumentation, die im Wesentlichen dem in Randnr. 56 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Vorbringen entsprach, bereits festgestellt, dass es für den Grundsatz der steuerlichen Neutralität ohne Belang ist, dass die Höhe einer nicht harmonisierten Abgabe auf Spiele, zu der bestimmte mehrwertsteuerpflichtige Veranstalter und Betreiber von Glücksspielen mit Geldeinsatz ebenfalls herangezogen werden, an die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer angepasst wird (vgl. Urteil Leo-Libera, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59      Zweitens ist zu möglichen Problemen praktischer Art – wie dem fehlenden Anreiz des Leistungsempfängers, dafür zu sorgen, dass er von seinem Vertragspartner eine ordnungsgemäße Rechnung erhält – festzustellen, dass weder die Vorlageentscheidung noch die Erklärungen der Beteiligten substantiierte Ausführungen enthalten, aus denen der Schluss gezogen werden könnte, dass solche Probleme bereits in Deutschland aufgetreten sind, oder die es erlaubten, ihre Auswirkung auf das ordnungsgemäße Funktionieren des harmonisierten Mehrwertsteuersystems zu beurteilen. Mangels entsprechender konkreter Angaben ist daher über die möglichen Folgen dieser vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Hypothese nicht zu entscheiden.
60      Daher ist auf die achte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.
 Zur neunten Frage
61      Da die neunte Frage nur für den Fall gestellt worden ist, dass der Gerichtshof die achte Frage bejaht, ist sie nicht zu beantworten.
 Kosten
62      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1.      Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.
2.      Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.
3.      Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.
Unterschriften

Quelle   (pdf-download)

Kritische Anmerkungen zu der EuGH-Entscheidung

Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung  Quelle
Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (die „Mehrwertsteuerrichtlinie“)
Mehrwertsteuerbefreiungen ohne Recht auf Vorsteuerabzug
Aus sozioökonomischen Gründen wurden Steuerbefreiungen für folgende Tätigkeiten gewährt:
  •         bestimmte Umsätze, ... unter anderem  ......... Glücks- oder Geldspiele ...

Der Artikel 401 der RICHTLINIE 2006/112/EG DES RATES lautet:

”Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.”
Quelle
 
Ich verstehe den Artikel 401 so,

dass eine Umsatzsteuer weder beibehalten noch "neu" eingeführt werden darf !
Lediglich eine andere Besteuerung ist möglich, sofern diese nicht den Charakter von Umsatzsteuern hat und die Erhebung im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.

Dabei ist jedoch die RL 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem zu beachten. vgl. Schlussanträge in d. Rs C-82/12

Zweck der Mehrwertsteuerrichtlinie sei es, die Umsätze nach Art. 135 von der Mehrwertsteuer zu befreien und den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zu geben, diese Umsätze nach Art. 401 einer Sonderabgabe zu unterwerfen, die nicht den Charakter einer Umsatzssteuer haben. (vgl. BGZ Leasing; C-224/11, Rn. 67; Generalanwältin Kokott, Schlussanträge Rs: C-385/12, -ausführlich- Rn 90ff; Generalanwalt Bot, Schlussanträge vom 11. März 2010, - C-58/09 - Rs. Leo-Libera, Slg. 2010, I-05189, Rn. 43 f.)

Ich kann nicht verstehen wie der EuGH unter Mitwirkung der Richterin M. Berger* als Berichterstatterin zu obiger Entscheidung kommen konnte, mit der die Grundsätze der Proportionalität, der Abwälzbarkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage gestellt werden und der aktuellen Rechtsprechung, Urteil (Rs C-189/11) vom 26.09.2013 widersprochen wird. s.u.

Entgegen der verbindlichen DurchführungsVO zur MwStSystRL überlässt es der EuGH mit seiner Entscheidung v. 24.10.14, den Mitgliedsstaaten (...... erhoben werden dürfen) eine Mehrwertsteuer einzuführen bzw. beizubehalten.

Mit dem Urteil vom 24.10.2013 wird das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verfälscht und die rechtliche Vorgabe zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ausgehöhlt.
(s. Schlussanträge Rs: C-385/12, Rn 90ff)

Die MwSystRL soll gerade verhindern dass Mitgliedsstaaten eine eigene Rechtslage entwickeln. 

Unionsrechtsakte dürfen sich nicht widersprechen und müssen dem Grundsatz der Rechtssicherheit genügen (EuGH: T-50/06 RENV), weshalb eine durch einen Mitgliedstaat von der MwSystRL abweichende, und damit unzulässige Rechtsanwendung, nicht nachträglich über den EuGH legalisiert werden kann, wenn Abweichungen ausschließlich über den Rat der Union über ein Dispensverfahren gem. Art. 395, 1 MwSystRL genehmigt werden dürfen, weshalb ungenehmigte, abweichende nationale Regelungen grundsätzlich unzulässig sind.

Mit dem Urteil wird die Einheitlichkeit des harmonisierten Umsatzsteuer nicht gewahrt, die durch die DurchführungsVO zur MwStSystRL 2006/112/EG verbindlich vorgegeben ist und in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gilt. weiterlesen

Dr. Stix-Hackl, Generalanwältin am EuGH:
"Aufgabe des Gerichtshofs ist die "Wahrung des Rechts...."
Stix-Hackl:
Im Steuerbereich gibt es in der Gemeinschaft eine bruchstückhafte Teilharmonisierung durch einzelne anlassbezogene Entscheidungen des EuGH.

Das könnte man als eine Art "umgekehrte Integration" bezeichnen.
Quelle  (pdf-download)

Aus meiner Sicht wird mit obiger Rechtsauslegung den rechtlichen Vorgaben aus Art. 135,1,i in Verbindung mit Art. 137 und 401 der Richtlinie 2006/112/EG, mit dem eine Einführung oder Beibehaltung von Umsatzsteuern explizit ausgeschlossen wurden, sowie dem Geist der Richtline i.S. von Art. 131, der eine korrekte und einfache Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung verlangt, nicht gefolgt. (Rn 33; vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Januar 2006, Turn- und Sportunion Waldburg, C-246/04, Slg. 2006, I-589, Randnr. 31)

Der Artikel 135,1,i sieht vor:
1. Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

i) Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden**
Im Gegensatz zu einer Reihe von Umsätzen ist ein Ausschluß von der Umsatzsteuerbefreiung für Glücksspielumsätze nicht zulässig, auch nicht als Ausnahmeregelung. (vgl. Abs.2)

Gemäß Art. 137 können sich Steuerpflichtige nicht für eine Besteuerung der Glücksspielumsätze nach Art. 135 Absatz 1 Buchstabe i entscheiden - eine Besteuerung ist ausgeschlossen !

Art. 137 der MwStSystRL 2006/112/EG

Einer Steuerpflicht steht auch der Art. 137 der RL entgegen, der die Art. 135 und 401 ergänzt und ebenfalls eine grundsätzliche Steuerbefreiung vorgibt.

Der Art. 137 erlaubt nur bei den unter Art. 135, Abs. 1, angegebenen Buchstaben b bis g, sowie den unter Art. 12 genannten Umsätzen überhaupt die Möglichkeit einer Besteuerung, und nur, wenn sich der Steuerpflichtige selbst dazu entscheidet.

Artikel 137
(1) Die Mitgliedstaaten können ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, sich bei folgenden Umsätzen für eine Besteuerung zu entscheiden:
a) die in Artikel 135 Absatz 1 Buchstaben b bis g genannten Finanzumsätze;
b) Lieferung von anderen Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden als den in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a genannten;
c) Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe b;
d) Vermietung und Verpachtung von Grundstücken.

(2) Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten für die Inanspruchnahme des Wahlrechts nach Absatz 1 fest.
Die Mitgliedstaaten können den Umfang dieses Wahlrechts einschränken.

Da Glückspielumsätze gem. Buchstabe ”i” von dieser Möglichkeit ausgeschlossen wurden, kann sich der Steuerpflichtige nicht für eine Besteuerung nach Art. 135, Absatz 1, Buchstabe “i“ entscheiden, weshalb eine Besteuerung ausgeschlossen ist. Dies wird durch Absatz (2) bestätigt, der Umsätze aus 135,1,i  erneut ausschließt, weshalb die Mitgliedstaaten keine Möglichkeit haben, die Einzelheiten dieses Rechts zu regeln oder dessen Umfang einzuschränken oder zu erweitern.

Deshalb darf der Glücksspielunternehmer keine Umsatzsteuer abführen und keine Vorsteuern geltend machen, selbst wenn er das wollte. Der Mitgliedsstaat darf nach Art. 137 (1, 2) weder die Besteuerung verlangen noch eine gewünschte Steuerzahlung akzeptieren, bzw. einen Vorsteuerabzug gewähren.

Der Art. 137 unterstreicht nochmals die Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 135,1, i, die einen Vorsteuerabzug ausschließt. 

Auch, wenn durch die sich ergänzenden Art. 135, 137 und 401der Richtlinie, in ihrer Gesamtheit eine zwingende Steuerbefreiung vorgegeben ist, so stehen doch einige widersprüchliche Entscheidungen des EuGH im Raum, die dadurch zustande kamen, weil der EuGH nur zu einzelnen Artikeln befragt wurde.

Gelegentlich sind die im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen Rechtsprechungsergebnisse nicht frei von Bedenken. So erscheint der Vorwurf durchaus nicht fernliegend, der Gerichtshof habe mit einigen Urteilen die auch seiner Rechtsprechung gesetzten Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten, indem er von den Vorgaben der verbindlichen MwStSystRL abwich.

*  Berichterstatterin und zuständige Richterin am EuGH, Maria-Margarethe Berger war von 1996 bis 2009 Abgeordnete zum Europäischen Parlament, und dazwischen von 2007 bis 2008 als Bundesministerin für Justiz im Kabinett unter dem damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) in Österreich tätig, der nunmehr zusammen mit dem deutschen EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) im Aufsichtsrat des Glücksspielriesen Novomatic tätig ist. s.a. Black Box in der Daddelhalle - Undurchsichtige Software steuert das Innenleben von Spielautomaten. Wird sie von großen Konzernen manipuliert?

** Bereits in der Rs 8/81 (Becker, Slg. 1982, 53) hat der EuGH festgestellt, dass sich die "Bedingungen" in keiner Weise auf den Inhalt der vorgegebenen Steuerbefreiung erstrecken dürfen (vgl. Leitsatz Nr 3, Rn 20 ff, 25, 33, 43, 44, 45, 46).

Das Urteil wirft weitere Fragen auf:

Darf eine Norm durch eine Rechtsauslegung so verändert werden, dass der Regelungsgehalt der Norm verändert wird und diese nicht mehr dem Grundsatz der Rechtssicherheit genügt?  (EuGH: T-50/06 RENV)

Durch Rechtsauslegung kann aus einer grundsätzlichen Steuerbefreiung keine Steuerpflicht werden!  (vgl. BVerwG, 27.06.2012 - 9 C 2.12, Rn 15)

Kann und darf ohne Notifizierung nach der InformationsverfahrensRL 98/34/EG überhaupt eine Umsatzsteuerpflicht für Glücksspielumsätze der Spielbanken nach der Entscheidung  Linneweber "neu" eingeführt werden? (vgl. EuGH-Fortuna C-213/11, Rn 38; s.u.a. Englisch/Riege zur unzureichenden Notifizierung, pdf-download)

Kann eine Umsatzsteuerpflicht unter Umgehung eines Dispensverfahren, gem. Art. 395 eingeführt werden, wenn der anzuwendende Art. ”135 i”  in Verbindung mit Art. 137 und Art. ”401, der Richtlinie 2006/112/EG eine Steuerbefreiung zwingend vorsieht?

Werden die Kohärenzbestimmungen des Unionsrechts gewahrt, wenn der EuGH nachträglich eine Abweichung von der Richtlinie 2006/112/EG “durchwinkt“ die ausschließlich über ein Dispensverfahren gem. Art. 395, 1 durch den Rat der Union genehmigt werden darf?

Können, entsprechend dem Gleichbehandlungsgrundsatz, auch die Automatenaufsteller die Verrechnung der “Sonderabgabe“ Vergnügungssteuer mit der MwSt verlangen, wenn die Spielbanken die MwSt mit der  “Sonderabgabe“ Spielbankabgabe verrechnen können ? (vgl. Rn 57)

Wird mit der neuerlichen Entscheidung des EuGH der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt, und den Grundsätzen der Rechtsklarheit, Rechtsbestimmtheit und Rechtsberechenbarkeit gefolgt, wenn die Erste Kammer am 24.10.2013 (Rs. C-440/12) entgegen der Entscheidung der Dritten Kammer vom 26.09.2013 (Rs C-189/11) eine pauschale Kassenbesteuerung für zulässig erachtet, während die 3. Kammer Spanien verurteilte, weil die Grundsätze der steuerlichen Proportionalität nicht eingehalten wurden, die vorgibt die Besteuerung auf jede einzelne Dienstleistung abzustellen?
„Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 168, 226 und 306 bis 310 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen,

dass es Reisebüros, soweit die genannte Sonderregelung auf sie anwendbar ist, gestattet, die  Steuerbemessungsgrundlage pauschal  für jeden Besteuerungszeitraum zu bestimmen.“  (Rs C-189/11, Rdnr. 108)
„… Als Kennzeichen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist in Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der  Richtlinie 2006/112 der Grundsatz verankert, dass die Mehrwertsteuer „bei allen Umsätzen“ geschuldet wird. In Art. 73 wird zur Definition der Steuerbemessungsgrundlage auf die einzelne Lieferung von Gegenständen bzw.  die  einzelne  Dienstleistung abgestellt. Außerdem können die Kunden bei einer  Regelung,  die  eine globale Berechnung  für jeden Steuerzeitraum und den Vortrag negativer Werte auf nachfolgende Zeiträume erlaubt, nicht erkennen, wie hoch der Mehrwertsteuerbetrag ist, den sie als  Vorsteuer entrichtet haben, und daher diesen Betrag gegebenenfalls nicht in Abzug bringen.“ (Quelle: Schlussanträge Generalanwältin Sharpston; Rs. C-189/11; Rdnr. 31)

Die MwSt wird auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben. (Quelle: Schlussanträge Generalanwalt Wahl; Rs C-82/12) Rechtsgrundlagen  (eu/taxation)

Die Auslegung des EuGH in der Rs. 440/12 führt zu dem Paradoxon, dass ausschließlich die “Leistungsempfänger“ die verloren haben, die Umsatzsteuer zahlen, da nur deren Einsatz in der Kasse verbleibt. (Versteuerung der Kasse nach Glawe)

Der Gewinner dagegen, hat keine Umsatzsteuer bezahlt !

Die Steuerbefreiung der Gewinner widerspricht dem Grundsätz der steuerlichen Proportionalität gem. dem aktuellen Urteil vom 26.09.2013 (Rs C-189/11).

Wenn eine Umsatzsteuer für Glücksspielumsätze eingeführt werden soll, so hat dies im Hinblick auf den Harmonisierungsauftrag gem. Art. 93 EG im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens zu erfolgen und nicht über eine zweifelhafte Rechtsauslegung, die nicht der DurchführungsVO zur MwStSystRL 2006/112/EG entspricht und allen Grundsätzen der Rechtsklarheit, Rechtsbestimmtheit und Rechtsberechenbarkeit widerspricht.

Mit dem Urteil vom 24.10.2013 wird das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verfälscht und die rechtliche Vorgabe zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ausgehöhlt.

Nicht die Mitgliedsstaaten können über die Gültigkeit der DurchführungsVO zur Richtlinie 2006/112/EG entscheiden die in allen Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt.

Mit der dualen Strategie, als Automatenbauer und -betreiber haben die expandierenden Großkonzerne ein Interesse an einem Vorsteuerabzug, der nach Art. 137 für Glücksspielumsätze ausgeschlossen ist.
Nur die Hersteller können über die eingesetzte Software die Auszahlungsquote der Geräte steuern und ihre eigenen Kunden (Automatenaufsteller und staatliche Casinos) an interessanten Standorten aus dem Markt drängen, um diese Standorte dann zu übernehmen. Bereits heute werden eine Reihe von staatlichen Casinos subventioniert.  

Auf die Wettbewerbsverzerrung durch Steuerstundung/Erlass ging der EuGH nicht ein.

Während den Ostsee-Spielbanken die Steuern lediglich gestundet wurden, wurden staatliche Spielbanken in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz steuerfrei gestellt.

Dadurch, dass staatliche Spielbanken in Baden-Württemberg, und in Rheinland-Pfalz steuerbefreit wurden, wird gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen, (vgl.  Linneweber- und die Rank-Entscheidung Rn 33 ff, 41, 68, 75/1ff, des EuGH; FG Baden-Württemberg, 28.11.2012 - 14 K 2883/10) womit die europarechtliche Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. “i“ der Richtlinie 2006/112/EG nicht verweigert werden darf, auf die der Veranstalter nach der Sechsten Richtlinie einen Rechtsanspruch hat, so der EuGH unter der Rn. 68 (Rank).

Hintergrund

Unter Missachtung der Richtlinie 2006/112/EG und ohne ausdrückliche Ermächtigung gem. Art. "395,1" wurde im Mai 2006 entgegen der zwingend anzuwendenden Art. ”135,1,i”  in Verbindung mit Art. "137" und Art. ”401” eine Umsatzsteuerpflicht für die Glücksspielumsätze der Spielbanken, durch Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ” eingeführt, die ohne Dispens gem. Art. 395,1  bereits aus formalen Gründen unwirksam und nichtig ist.

Aus meiner Sicht, hatte Deutschland zu dieser Rechtsänderung, die ausschließlich die Spielbanken bindet, keine Gesetzgebungskompetenz.

Das Finanzgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 21.9.2012 (Az. 3 K 104/11) den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung einer Reihe unionsrechtlicher Fragen angerufen, die die Umsatzbesteuerung von Spielgerätebetreibern betrifft.
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Rechtsanwalt Bernd Hansen schreibt zu dem heutigen Urteil auf seiner Webseite:

"Der Europäische Gerichtshof hat heute leider das erwartete politische Urteil verkündet.

... schön von dem ans Absurde grenzenden Vorbringen der Europäischen Kommission abgeschrieben. Anders als in den bisherigen Entscheidungen des EuGH in anderen Rechtssachen, soll es nun doch nicht mehr auf den Grundsatz der Individualbesteuerung ankommen.

In meinen Augen ist das Urteil ein Witz!

Halten Sie trotzdem Ihre Umsatzsteuerbescheide für die Zeit ab 2006 in jedem Fall - über die Entscheidung des EuGH hinaus - offen!!!

Für alle Fragen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise gegenüber Ihrem Finanzamt stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Jesteburg, den 24.10.2013

Rechtsanwalt Bernd Hansen"

Quelle


EuGH Kommentierung
Umsätze mit Geldspielgeräten

Die Frage, ob Art. 401 i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL es gebieten, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe (hier Spielbankabgabe) auf Glücksspiele nur alternativ und nicht kumulativ erhoben werden dürfen, hat der EuGH ganz klar mit Bezug auf frühere Rechtsprechung verneint.
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EuGH: Schlussanträge Rs C-82/12 (spanische Verbrauchssteuer auf best. Mineralöle)

Update: 27.02.2014
EuGH erklärt spanische Spezial-Steuer rückwirkend für illegal

vgl. Schlussanträge Rs: C-385/12 vom 5. September 2013

(auch ungarische Sondersteuer unzulässig)

EU-Gericht könnte Spanien zu Milliardenrückzahlung verdonnern
Chefankläger Nils Wahl ist der Überzeugung, dass eine Steuer auf Kraftstoffe gegen EU-Recht verstößt. Wahl sieht durch die Abgabe europäisches Recht verletzt, dass Bürger und Unternehmen vor indirekten Steuern schützen soll, die den EU-weiten Handel behindern.
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Schlussanträge
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Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 141/13
Luxemburg, den 24. Oktober 2013
Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-82/12
Transportes Jordi Besora / Tribunal Económico Administrativo Regional de Cataluña (TEARC), Generalitat de Catalunya

Nach Ansicht von Generalanwalt Wahl verstößt eine spanische Steuer auf den Einzelhandelsverkauf von Mineralölen gegen das Unionsrecht

Der Generalanwalt spricht sich auch gegen eine zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils des Gerichtshofs aus


In der Verbrauchsteuerrichtlinie 1 werden Regeln für die Erhebung von Verbrauchsteuern in der Europäische Union festgelegt, um zu verhindern, dass der Handelsverkehr durch zusätzliche indirekte Steuern übermäßig behindert wird. Diese Richtlinie gilt u. a. für Mineralöle wie Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin. Eine ihrer Bestimmungen 2 räumt den Mitgliedstaaten jedoch das Recht ein, indirekte nicht harmonisierte Steuern auf Waren einzuführen oder beizubehalten, die bereits Verbrauchsteuervorschriften unterliegen. Diese Möglichkeit besteht unter zwei Voraussetzungen, nämlich dass die betreffende Steuer i) einer besonderen, nicht haushaltsbezogenen Zielsetzung dient und ii) die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachtet.

In der vorliegenden Rechtssache geht es darum, ob eine spanische Steuer (im Folgenden: IVMDH) mit dem Unionsrecht vereinbar ist, die auf den Verbrauch bestimmter Mineralöle (Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin) erhoben 3 und damit auf den Endverbraucher abgewälzt wird. Nach den spanischen Rechtsvorschriften über die IVMDH sind die Einnahmen aus dieser Steuer für Ausgaben im Gesundheits- oder Umweltwesen zu verwenden. Insbesondere soll mit ihr sichergestellt werden, dass den Autonomen Gemeinschaften ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, um die Gesundheitskosten bestreiten zu können, die sie im Rahmen der Übertragung von Zuständigkeiten im Gesundheitswesen von der nationalen auf die regionale Ebene übernommen haben. Die Einnahmen aus der IVMDH wurden u. a. für den Bau neuer Krankenhäuser verwendet.

Der Rechtssache liegt eine Klage der Transportes Jordi Besora, S.L. (im Folgenden: TJB) zugrunde, einem in der Autonomen Gemeinschaft Katalonien ansässigen Transportunternehmen. TJB erwirbt Treibstoff in großen Mengen für ihre Fahrzeuge. Zwischen 2005 und 2008 wurde IVMDH in Höhe von 45 632,38 Euro auf sie abgewälzt. Da die IVMDH nach Ansicht von TJB gegen die Verbrauchsteuerrichtlinie verstößt, hat das Unternehmen die Erstattung dieses Betrags beantragt. Das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Spanien), das über die Berufung in dieser Rechtssache entscheidet, möchte wissen, ob die IVMDH mit der Verbrauchsteuerrichtlinie vereinbar ist.

In seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag vertritt Generalanwalt Wahl die Auffassung, dass die IVMDH gegen die Verbrauchsteuerrichtlinie verstößt. Er prüft die IVMDH anhand der oben genannten Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Steuer wie die IVMDH mit der Verbrauchsteuerrichtlinie vereinbar ist.
___________________________
1 Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) in geänderter Fassung. Mit Wirkung vom 1. April 2010 wurde die Richtlinie 92/12 aufgehoben und ersetzt durch die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).
2 Art. 3 Abs. 2.
3 Ley 24/2001, de 27 de diciembre, de Medidas Fiscales, Administrativas y del Orden Social.
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Erstens erfüllt eine Steuer wie die IVMDH nach Ansicht des Generalanwalts nicht die Voraussetzung einer besonderen Zielsetzung,und zwar insbesondere deshalb nicht, weil mit ihr derselbe Zweck verfolgt wird wie mit der bereits harmonisierten Verbrauchsteuer auf Mineralöle, nämlich die Kosten (für Gesundheits- und Umweltschutz) zu verringern, die der Allgemeinheit durch den Verbrauch von Mineralöl entstehen. Wegen dieser Überschneidung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die IVMDH die Voraussetzung erfüllt, wonach die betreffende Steuer einer besonderen Zielsetzung dienen muss. Andernfalls würden die Bemühungen zur Harmonisierung des Verbrauchsteuerrechts zunichtegemacht und eine zusätzliche Verbrauchsteuer geschaffen, die dem Kernanliegen der Verbrauchsteuerrichtlinie, die verbleibenden Schranken auf dem Binnenmarkt zu beseitigen, zuwiderliefe. Liegt eine solche Überschneidung nicht vor, können nach Auffassung des Generalanwalts die Ausgestaltung oder die Verwendung der Steuer Hinweise darauf liefern, ob eine besondere nicht haushaltsbezogene Zielsetzung besteht. Was die Ausgestaltung betrifft, liegt eine nicht haushaltsbezogene Zielsetzung erkennbar dann vor, wenn eine Steuer in einer Höhe festgesetzt wird, die von einem bestimmten Verhalten abhält oder dieses fördert. Hier liegen jedoch keine Informationen vor, denen sich entnehmen lässt, dass die Ausgestaltung der IVMDH tatsächlich speziell darauf abzielt, vom Mineralölverbrauch abzuhalten oder zur Verwendung anderer, weniger schädlicher Erzeugnisse anzuhalten. Was die Verwendung der Steuer anbelangt, müssen die Einnahmen konkreten Maßnahmen zugewiesen sein. Im vorliegenden Fall genügt die bloße Zuweisung von Einnahmen aus der IVMDH für allgemeine Gesundheits- und Umweltmaßnahmen nicht für den Nachweis, dass die Steuer einer nicht haushaltsbezogenen Zielsetzung dient. Tatsächlich wurde kein unmittelbarer Bezug zwischen den mit den IVMDH-Einnahmen finanzierten Maßnahmen und dem Ziel der Beseitigung bzw. Korrektur der mit dem Mineralölverbrauch verbundenen negativen Auswirkungen dargelegt.

Zweitens entspricht nach Ansicht des Generalanwalts die IVMDH in Bezug auf die Steuerentstehung strukturell nicht der Verbrauchsteuer oder der Mehrwertsteuer. Sie wird nämlich zu einem Zeitpunkt erhoben, der weder mit den Erfordernissen des Unionsrechts in Bezug auf die Entstehung der Verbrauchsteuer noch mit denen in Bezug auf die Entstehung der Mehrwertsteuer im Einklang steht. Anders als die Verbrauchsteuer, die entsteht, wenn die Waren dem letzten Steuerlager entnommen werden, und die Mehrwertsteuer, die auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben wird, fällt die IVMDH an, wenn Mineralöle an den Verbraucher verkauft werden.

In der vorliegenden Rechtssache hat Spanien zudem beantragt, die zeitlichen Wirkungen des Urteils für den Fall zu beschränken, dass der Gerichtshof die IVMDH für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt. In der Praxis würde dies bedeuten, dass das Urteil nur Wirkungen für die Zukunft hervorriefe und in der Vergangenheit erhobene Steuern unberührt ließe. Hierzu weist Generalanwalt Wahl darauf hin, dass der Gerichtshof derartigen Anträgen nur ganz ausnahmsweise stattgibt, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss die Unvereinbarkeitsfeststellung eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen nach sich ziehen. Zum anderen muss eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung und der Tragweite der betreffenden Unionsbestimmungen bestehen.

In diesem Zusammenhang lässt sich nach Auffassung des Generalanwalts angesichts der erheblichen Summen, um dies es geht (13 Milliarden Euro nach Schätzung der spanischen Regierung 4), eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen nicht ausschließen. Dies gilt insbesondere aufgrund der prekären Finanzlage, in der sich Spanien und seine Autonomen Gemeinschaften derzeit befinden. Außerdem könnte eine Unvereinbarkeitsfeststellung schwerwiegende Auswirkungen auf das System haben, das zur Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften beiträgt, und zu Fehlleitungen und Engpässen in der regionalen Finanzausstattung der Gesundheitsversorgung führen. Doch besteht nach Ansicht des

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4 Die Kommission und TJB haben diese Schätzungen in Zweifel gezogen. Nach ihrer Auffassung würden die nationalen Verjährungsregeln automatisch Rückzahlungsansprüche ausschließen, deren Entstehung mehr als vier Jahre zurückliegt. Darüber hinaus hat die Kommission angesichts der Vielzahl der bereits anhängigen Verfahren die praktische Wirksamkeit einer Beschränkung der Rückwirkung einer Unvereinbarkeitsfeststellung in Frage gestellt.
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Generalanwalts keine bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung und der Tragweite der betreffenden Unionsbestimmungen. Insbesondere war zum Zeitpunkt der Einführung der IVMDH bereits eine Entscheidung des Gerichtshofs zur Unvereinbarkeit einer ähnlichen Steuer ergangen 5.

Schließlich weist der Generalanwalt darauf hin, dass es nicht kategorisch auszuschließen ist, dass der Gerichtshof eine Beschränkung der zeitlichen Wirkungen eines Urteils auch dann in Erwägung ziehen könnte, wenn die Voraussetzung der Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Unionsbestimmungen nicht erfüllt ist. Dies kommt in bestimmten ganz außergewöhnlichen Fällen in Betracht, in denen eine Rückwirkung besonders schwerwiegende finanzielle Konsequenzen hätte. Im vorliegenden Fall hat der Generalanwalt jedoch Bedenken, dieses Kriterium außer Acht zu lassen. Spanien scheint nämlich bewusst das Risiko eingegangen zu sein, die in Rede stehenden Vorschriften zu erlassen, so dass diese viele Jahre lang zum Nachteil der Endverbraucher und des Binnenmarkts angewandt worden sind.___________________
HINWEIS:  Die  Schlussanträge  des  Generalanwalts  sind  für  den  Gerichtshof  nicht  bindend.  Aufgabe  des Generalanwalts  ist  es,  dem  Gerichtshof  in  völliger  Unabhängigkeit  einen  Entscheidungsvorschlag  für  die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter des Gerichtshofs treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.

HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit  einer  Handlung  der  Union  vorlegen.  Der  Gerichtshof  entscheidet  nicht  über  den  nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die  Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des  Gerichtshofs  zu  entscheiden.  Diese  Entscheidung  des  Gerichtshofs  bindet  in  gleicher  Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

Quelle

Der Volltext der Schlussanträge wird am Tag der Verlesung auf der Curia-Website veröffentlicht

(Hervorhebungen durch mich)

Samstag, 19. Oktober 2013

Neue Studie zum Glücksspielmarkt Deutschland erschienen


Berlin, 17. Oktober 2013.Vor mehr als einem Jahr trat in Deutschland eine neue Glücksspielregulierung in Kraft. Ob sie die richtigen Weichen stellt, wird seitdem heftig diskutiert. Den Status quo und die künftigen Auswirkungen des es () hat das Beratungsunternehmen (http://www.goldmedia.com) analysiert und jetzt in einer umfangreichen Studie veröffentlicht.

Glücksspielmarkt 2012
Der deutsche Glücksspielmarkt umfasst die vier Spielarten Lotterien, Wetten, Casinos sowie Automaten. Da die Höhe der bei den einzelnen Spielarten stark variiert, lassen sich die Segmente am besten anhand von Brutto-Spielerträgen (Spieleinsatz abzüglich Auszahlungen) vergleichen. Im Jahr 2012 wurde mit Glücksspielen in Deutschland ein Brutto-Spielertrag von insgesamt 10,7 Mrd. Euro erwirtschaftet. Mit 4,4 Mrd. Euro generierten die gewerblichen Betreiber von stationären Spielautomaten den größten Anteil. Danach folgen die staatlichen Lotterieprodukte des Deutschen Lotto- und (), die kumuliert einen Gesamtertrag von 3,2 Mrd. Euro ausweisen. (Siehe Grafik)

Sportwettenmarkt 2012
Im Zentrum der Studie stehen Analysen zum Sportwettenmarkt. Der gesamte Wetteinsatz betrug hier im Jahr 2012 6,8 Mrd. Euro, bei ca. 1,0 Mrd. Euro Brutto-Spielertrag. Der Anteil des regulierten (, Oddset und Fußballtoto) lag bei nur 3,6 Prozent.

Im neuen Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 wurde die Öffnung des Sportwettenmarktes vorgesehen. Diese ist allerdings administrativ noch nicht umgesetzt worden. Der deutsche Markt agiert derzeit weiter in einer rechtlichen Grauzone.

Ergänzt wird die Status-quo-Betrachtung der Situation in Deutschland durch einen internationalen Vergleich der Glücksspielregulierungen ausgewählter europäischer Länder.

Studie mit Prognosen und Vergleichsszenarien bis 2017
Die Studie prognostiziert die Entwicklungen im Bereich Sportwetten sowie Online-Casino- und Online-Pokerspiele für den vollständig umgesetzten Glücksspieländerungsstaatsvertrag bis zum Jahr 2017. Zudem wurde ein hypothetisches Vergleichsszenario berechnet, das auf einem Regulierungsmodell basiert, wie es von 2011 bis 2012 in Schleswig-Holstein galt.

Wie die Prognosen der Studie zeigen, werden auch vier Jahre nach der Marktöffnung rund 70 Prozent der Umsätze von Anbietern generiert, die sich nicht an die Maßgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrages halten und sich der deutschen Regulierung entziehen. Grund hierfür ist die Ausgestaltung des GlüÄndStV, die es den regulierten deutschen Anbietern erschwert, sich im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern zu behaupten.

Grafik: Glücksspielmarkt Deutschland, 2012 nach Brutto-Spielerträgen

Information zur Studie
Die Studie "Glücksspielmarkt Deutschland 2017" enthält aktuelle Marktdaten und Prognosen zum Glücksspielmarkt in Deutschland. Sie ist die Nachfolgepublikation von "Glücksspielmarkt 2015" (2010). Seitdem gab es in Deutschland erhebliche Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für Sportwetten durch den am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Auf der Basis einer detaillierten Analyse des deutschen Sportwettenmarktes und des deutschen Online-Marktes für Glücksspiel (Online-Casinospiele und Online-Poker) im Jahr 2012 enthält die Studie eine Prognose der Marktentwicklung bei Sportwetten sowie Online-Casino- und Online-Pokerspielen bis 2017. Zudem wird in einem Vergleichsszenario die nationale Entwicklung unter den Bedingungen einer regulierten Marktöffnung nach dem Vorbild des in Schleswig-Holstein gültigen dargestellt. Die Analyse basiert auf Unternehmenskennziffern und leitfragengestützten Experten-Interviews, die mit Anbietern aus dem deutschen Glücksspielmarkt geführt wurden.
Die Studie kann kostenpflichtig bestellt werden unter:
http://www.goldmedia.com/gluecksspielmarkt-2017-studie.html
Die Key Facts zur Studie (18 Seiten) stellt Goldmedia Interessenten kostenlos zur Verfügung. Bestellung über die Webseite: www.Goldmedia.com

Donnerstag, 17. Oktober 2013

VG Köln gewährt Eilrechtsschutz für Sportwettvermittlung in einer Gaststätte

Rechtsanwalt Peter Aidenberger
Nun auch VG Köln: Eilrechtsschutz für Sportwettvermittlung in einer Gaststätte

Nachdem bereits das VG Düsseldorf mit Beschluss vom 19.09.2013 zu Gunsten eines privaten Sportwettvermittlers im Eilverfahren entschieden hatte, hat nunmehr in einem ähnlich gelagerten Fall auch das VG Köln in einem von der Kanzlei Bongers geführten Verfahren mit Beschluss vom 04.10.2013 (1 L 885/13) Eilrechtsschutz gewährt. Auch diesem Verfahren lag eine Untersagung wegen der Vermittlung von Sportwetten innerhalb einer Gaststätte zu Grunde. Dem Vermittler wurde schließlich aufgegeben, sämtliche zur Sportwettvermittlung vorgehaltenen Geräte aus der Gaststätte zu entfernen.

Neben Argumenten, die sich beziehen auf die Ausgestaltung der konkreten Verfügung, führt das VG Köln aus, dass trotz aktueller Rechtslage eine Untersagung der Sportwettvermittlung in Gaststätten kein alternativloses Handeln darstellt. Soweit jedoch die Behörde davon ausgegangen sei, sie sei zu einem Eingreifen gezwungen, so stelle sich dies als nicht unbeachtlicher Ermessensfehler dar. Konkret führt das VG Köln in der Entscheidung aus:

„Die Antragsgegnerin hatte also eine Entscheidung zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu treffen; so kann von einer Untersagung mit Blick auf die den Beteiligten bekannten Rechtsprobleme des Glücksspielrechts und die derzeit in Hessen laufenden Konzessionsverfahren zumindest vorübergehend auch abgesehen werden…“

Auch, so das VG Köln, hätte die Behörde die Möglichkeit in Erwägung ziehen müssen, dass der Vermittler zukünftig nach Abschluss eines Erlaubniserteilungsverfahrens auf seine Gaststättenkonzession (oder den Betrieb von GGSG) verzichtet, sein Betrieb also im Rahmen des Erlaubnisverfahrens legalisiert werden kann. Gerade weil ein solches aber ohne Einflussmöglichkeit der Vermittler noch nicht einmal tatsächlich eröffnet sei, hätte dies in die Überlegungen der Behörde einfließen müssen. Insoweit greift das VG Köln einen Gedanken auf, den auch schon das VG Düsseldorf aufgegriffen hatte.

Rechtsanwalt Peter Aidenberger
Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Gustav-Heinemann-Ufer 56
D - 50968 Köln   
Tel.: +49 221 34804243
Fax: +49 221 34804244
E-Mail: kanzlei@ra-bongers.de


Verfassungsrichter: Keine Sportwetten in Spielhallen
Das hat der Verfassungsgerichtshof nach Mitteilung vom Mittwoch in Saarbrücken (Az.: Lv 1/13) entschieden.
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Mittwoch, 16. Oktober 2013

BverwG: Fantasy-League-Spiel „Super-Manager“ ist kein Glücksspiel

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2013 – 8 C 21.12
Urteil s. unten

Pressemitteilung
Nr. 73/2013
BVerwG 8 C 21.12
Fantasy-League-Spiel „Super-Manager“ ist kein Glücksspiel

Das Bundesverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass das im Internet veranstaltete und beworbene Fantasy-League-Spiel „Super-Manager“ kein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags ist.

Die Klägerin, ein in Berlin ansässiges Medienunternehmen, bot im Internet für die Bundesliga-Saison 2009/2010 das Fantasy-League-Spiel „Super-Manager“ an. Die Teilnehmer konnten gegen Zahlung von 7,99 € unter Einsatz eines Spielbudgets eine fiktive Fußballmannschaft aus 18 Spielern der Bundesliga zusammenstellen, die Aufstellung zu jedem Spieltag der Bundesliga neu festlegen und auf der Grundlage einer Jury-Bewertung der Leistung dieser Spieler Tabellenplätze in drei fiktiven Ligen erringen. Ein Teilnehmer durfte höchstens zehn Teams aufstellen, von denen jedes dritte kostenlos war. An die Bestplatzierten wurden Geld- und Sachgewinne ausgeschüttet. Der Super-Manager der Saison 2009/2010 gewann 100 000 € in bar. Das Regierungspräsidium Karlsruhe verbot der Klägerin das Veranstalten und Bewerben dieses Spiels sowie sonstiger Glücksspiele im Internet. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof die Untersagungsverfügung aufgehoben und festgestellt, das „Super-Manager“-Spiel falle nicht unter den Glücksspielstaatsvertrag.

Die Revision des beklagten Landes Baden-Württemberg hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Das „Super-Manager“-Spiel ist nicht als Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) einzuordnen. Diese Vorschrift setzt neben der Zufallsabhängigkeit des Gewinns voraus, dass im Rahmen des Spiels ein Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance verlangt wird. Dazu muss es sich in Anlehnung an den strafrechtlichen Glücksspielbegriff um einen Einsatz handeln, aus dem sich die Gewinnchance ergibt. Hingegen genügt nicht, dass eine bloße Teilnahmegebühr („Eintrittsgeld“) gefordert wird. Sie vermittelt lediglich die Berechtigung zum Mitspielen, ohne im Zusammenhang mit der Gewinnchance zu stehen. Das Entgelt für das „Super-Manager“-Spiel stellt lediglich eine solche Teilnahmegebühr dar. Es gestattet nur, am Spiel überhaupt teilzunehmen. Erst an die Zusammenstellung des Teams, an die allwöchentliche Aufstellung der Mannschaft und deren Erfolg knüpft sich die Gewinnchance. Eine weitere Auslegung des Glücksspielbegriffs in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV widerspräche auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes und dem rechtsstaatlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die weitgehenden Beschränkungen des Glücksspiels durch den Glücksspielstaatsvertrag sollen der Suchtbekämpfung, dem Jugend- und Spielerschutz und der Kriminalitätsbekämpfung dienen. Sie sind verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, soweit sie zur Bekämpfung dieser Gefahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sind. Das ist nicht der Fall bei Spielen, deren Gefährlichkeit allenfalls gering ist und durch weniger einschneidende Regelungen beherrscht werden kann. So liegt es nach den – zwischen den Beteiligten unstreitigen – Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bei dem „Super-Manager“-Spiel. Insbesondere lassen die Spielregeln es nicht zu, während der Laufzeit des Spiels weitere Geldbeträge aufzuwenden in der Erwartung, erlittene Misserfolge auszugleichen. Verbleibenden Gefahren kann im Rahmen des Gewerberechts begegnet werden.

BVerwG 8 C 21.12 – Urteil vom 16. Oktober 2013

Vorinstanzen:
VGH Mannheim 6 S 389/11 – Urteil vom 23. Mai 2012
VG Karlsruhe 3 K 3226/09 – Urteil vom 18. Oktober 2010

§ 3 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag lautet:

(1) Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. (…)

Nr. 73/2013 BVerwG 8 C 21.12
Quelle

Verwandte Dokumente zu Aktenzeichen BVerwG 8 C 21.12

BVerwG 8 C 21.12 (VGH Mannheim 6 S 389/11; VG Karlsruhe 3 K 3226/09)
16.10.2013
11:00 Uhr

B. GmbH & Co. KG - RA Gleiss und Lutz, Stuttgart - ./. Land Baden-Württemberg

Die Beteiligten streiten in dem Verfahren um die Frage, ob das von der Klägerin über das Internet vertriebene und beworbene Spiel „Super-Manager“ ein Glücksspiel darstellt, welches ihr von dem beklagten Land Baden-Württemberg mit Verfügung vom 12. November 2009 untersagt wurde.

Die Klägerin, ein in Berlin ansässiges Medienunternehmen, bot per Internet für die Bundesligasaison 2009/2010 das Spiel „Super-Manager“ unter Darstellung verschiedener Sach- und Geldgewinne an. Nach den Teilnahmebedingungen haben die Spieler ein Budget von 1 Mio. € zur Verfügung, mit dem sie insgesamt 18 Fußballspieler aus Bundesligavereinen zusammenstellen können. Die Spielteilnehmer können bis zu zehn Fußballteams aufstellen. Die Teilnahme kostet 7,99 €. Werden drei Teams auf einmal aufgestellt, ist das dritte Team kostenlos. Der Super-Manager der Saison 2009/2010 gewinnt 100 000 € in bar.

Die Klage gegen die Untersagungsverfügung wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Oktober 2010 ab. Im Berufungsverfahren hatte die Klage Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2012 das Spiel „Super-Manager“ nicht als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages eingestuft und die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen.
Quelle

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Das “Bundesligamanagerspiel” als Glücksspiel

Rechtsquellen:

GG Art. 20 Abs. 3
VwGO § 43
VwVfG § 37
StGB § 284
GewO §§ 33h, 33d
GlüStV Baden-Württemberg §§ 3, 9, 12

Stichworte:

Verwaltungsakt; Bestimmtheit; Begründung; Auslegung; Einzelfallregelung; konkret; Fußballmanagerspiel; Glücksspiel; Entgelt; Einsatz; Gewinn; Verlust; Zusammenhang, notwendiger; Deckungsgleichheit; Glücksspielbegriff; Teilnahmegebühr; Kompetenz; Landesgesetzgeber; Bundesgesetzgeber; Gefährdungspotenzial; Auslegung; verfassungsrechtlich; Unterhaltungsspiel; Bagatelleinsatz; Finanzierung; Dauer; gering.

Leitsatz:

1. § 33h Nr. 3 i.V.m. § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO lässt für eine landesrechtliche Regelung anderer Spiele mit Gewinnmöglichkeit als der von § 33c GewO erfassten Spiele an Spielgeräten nur Raum, wenn diese anderen Spiele Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind.

2. Ein Entgelt wird im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV für den Erwerb einer Gewinnchance verlangt, wenn zwischen ihm und der Gewinn-/Verlustmöglichkeit ein notwendiger Zusammenhang in der Weise besteht, dass keine weiteren Umstände für die Realisierung der Gewinn-/Verlustmöglichkeit hinzutreten müssen.

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL


BVerwG 8 C 21.12

VG Karlsruhe - 18.10.2010 - AZ: VG 3 K 3226/09
VGH Mannheim - 23.05.2012 - AZ: VGH 6 S 389/11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2013
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser, Dr. Held-Daab
und Dr. Rudolph
für Recht erkannt:

    Die Revision wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November 2009 aufgehoben und festgestellt wird, dass das von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 im Internet unter der Domain www... angebotene „Managerspiel“ kein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV ist.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe
I

1 Die Klägerin wendet sich gegen eine Untersagungsverfügung wegen unerlaubten Glücksspiels.

2 Die Klägerin - ein Medienunternehmen - bot in der Bundesligasaison 2009/2010 auf ihrer Webseite www... ein Bundesligamanagerspiel („...“) an und machte hierfür Werbung. Den Spielregeln zufolge stellt jeder Teilnehmer aus Spielern der ersten Fußballbundesliga eine fiktive Mannschaft zusammen, die während einer Bundesligasaison nach festgelegten Bewertungskriterien mit ebenfalls fiktiven Mannschaften anderer Teilnehmer konkurriert. Pro Mannschaft entrichtet der Teilnehmer, der mit höchstens zehn Mannschaften antreten kann, einen Betrag von 7,99 €, wobei jede dritte Mannschaft eines Teilnehmers kostenlos ist. Nach der Zahlung registrieren sich die Spieler über das Internet und stellen für jeden Spieltag ihre Mannschaft zusammen. Vom Veranstalter erhalten die Teilnehmer laufend Bewertungen für die Spieler ihrer Mannschaft. Es werden monatlich Sachpreise für die besten fünf Teilnehmer der nach Geschicklichkeitsstufen eingeteilten drei Ligen und am Ende der Saison für die Plätze 4 bis 100 ausgeschüttet. Geldpreise erhalten die Bestplatzierten nach der Hin- und Rückrunde (insgesamt je 8 000 €) sowie die drei Bestplatzierten der Gesamtwertung am Ende der Saison (insgesamt 135 000 €). Die Vergabe der Punkte an die Teilnehmer erfolgt zum einen auf der Grundlage der Bewertung der einzelnen Bundesligaspieler durch eine Jury der ...-Redaktion, zum anderen aufgrund bestimmter weiterer Bewertungskriterien, die im Verhältnis zur Redaktionsbewertung der Spieler eine doppelte Wertigkeit haben.

3 Nach Anhörung der Klägerin untersagte ihr das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Verfügung vom 12. November 2009, in Baden-Württemberg öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Nr. 1). Ferner wurde verfügt, die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung vorbezeichneter Tätigkeiten dem Regierungspräsidium Karlsruhe schriftlich mitzuteilen (Nr. 2). Für den Fall, dass die Klägerin den Verpflichtungen aus den Nummern 1 und 2 der Verfügung bis zwei Wochen nach Bekanntgabe der Verfügung nicht nachkam, wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 € angedroht (Nr. 3). Zur Begründung der Verfügung wurde ausgeführt: Die Untersagung beruhe auf § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Bei dem von der Klägerin veranstalteten Turnier handele es sich um ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV.

4 Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen, weil es sich bei dem von der Klägerin angebotenen Bundesligamanagerspiel um öffentliches Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages handele. Die Klägerin verfüge nicht über die dazu erforderliche Erlaubnis. Zudem verstoße sie gegen das Internetverbot. Die Verfügung sei auch im Übrigen ermessensfehlerfrei.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November 2009 aufgehoben. Ferner hat er festgestellt, dass die Klägerin in Baden-Württemberg ohne Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV berechtigt ist, im Internet das in der Bundesligasaison 2009/2010 unter der Domain www... angebotene Managerspiel zu veranstalten. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 GlüStV seien nicht gegeben. Bei dem von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 angebotenen Fußballmanagerspiel handele es sich nicht um Glücksspiel im Sinne des Gesetzes. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV liege ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt werde und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhänge. Letzteres könne offenbleiben. Jedenfalls fehle es für die Einordnung als Glücksspiel an dem erforderlichen Erwerb einer Gewinnchance gegen Entgelt. Bei dem von der Klägerin erhobenen Betrag von 7,99 € pro Team handele es sich nicht um ein solches Entgelt. Unter „Entgelt“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sei nicht jede geldwerte Leistung zu verstehen, die für die Teilnahme am Spiel erbracht werde. Voraussetzung sei vielmehr, dass gerade aus diesem Entgelt die Gewinnchance des Einzelnen erwachse (sogenannter Einsatz). Daran fehle es bei einer Teilnahmegebühr, die bloß eine Mitspielberechtigung gewähre, etwa um die Spieler an den Aufwendungen für die Organisation des Spiels zu beteiligen. Insoweit stimme der Glücksspielbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV mit dem strafrechtlichen Glücksspielbegriff des § 284 StGB überein. Das in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vorausgesetzte Entgelt müsse in den Gewinn einfließen. Für diese Deutung sprächen der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaatsvertrages, die auf eine Deckungsgleichheit des Glücksspielbegriffs im Glücksspielstaatsvertrag und im Strafrecht schließen ließen. Darüber hinaus stünden nur solche Glücksspiele einer Regelung durch Landesgesetz offen, die der Begriffsbestimmung des § 284 StGB unterlägen. Da die Teilnahmegebühr hier lediglich der Deckung der Veranstaltungskosten, nicht aber der Finanzierung der von Sponsoren zur Verfügung gestellten Gewinne diene, erwachse aus ihr nicht die Gewinnchance des Einzelnen. Die von der Klägerin erhobene Teilnahmegebühr ermögliche lediglich die Teilnahme am Spiel und sei stets verloren.

6 Selbst wenn das Bundesligamanagerspiel als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages anzusehen sein sollte, sei die Untersagungsverfügung nicht ermessensfehlerfrei ergangen, schon weil der Beklagte offensichtlich unzutreffend davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem Fußballmanagerspiel der Klägerin um die strafbare Veranstaltung öffentlichen Glücksspiels nach § 284 StGB handele. Zudem habe der Beklagte nicht sämtliche für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Gesichtspunkte in seine Erwägungen eingestellt. Zwar könne er sich bei der Ausübung seines Untersagungsermessens von dem Ziel der Suchtvorbeugung und -bekämpfung und den weiteren in § 1 GlüStV genannten Zielen leiten lassen. Bei relativ geringen Einsätzen, die zudem nur einmal im Jahr - zu Beginn der Bundesligasaison - zu leisten seien und dann zur Teilnahme an dem Managerspiel über den Zeitraum einer ganzen Bundesligasaison berechtigten, sei jedoch die Gefahr, dass die Spielsucht die Lebensgrundlage zerstören und zu Beschaffungskriminalität führen könne, ebenso nahezu ausgeschlossen wie die Gefahr der Geldwäsche, Manipulation oder nicht ordnungsgemäßer Gewinnauszahlung durch den Veranstalter. Kennzeichnend für das pathologische Glücksspiel und dessen Gefahren sei insbesondere das Kriterium des sich wiederholenden und gegebenenfalls steigernden Einsatzes zur Erreichung und Steigerung des Gewinns. Dies sei bei dem Managerspiel der Klägerin nicht gegeben.

7 Zur Begründung seiner Revision trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Der Verwaltungsgerichtshof gehe von einem fehlerhaften Verständnis des § 284 StGB aus. Der Strafrechtsgesetzgeber habe den Begriff des Glücksspiels nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei neben der Zufallsabhängigkeit die Zahlung eines Einsatzes erforderlich. Unter Einsatz verstehe der Bundesgerichtshof eine Leistung, die erbracht werde in der Hoffnung, im Falle eines Gewinns eine gleich oder höhere Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass diese im Falle des Verlierens dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheim falle. Diese Definition verlange nicht, dass der Einsatz zur Finanzierung der Gewinne herangezogen werde. Wende man diese Maßstäbe des Bundesgerichtshofs auf das Managerspiel der Klägerin an, dann handele es sich bei dem Entgelt, das je nach der Zahl der Mannschaften pro Spieler zwischen 7,99 € und 55,93 € betrage, um einen Einsatz im Sinne des § 284 StGB. Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung des Entgelts und der Möglichkeit, die ausgelobten Gewinne zu erhalten. Da diese Gewinne im Verhältnis zu dem zu zahlenden Entgelt sehr hoch seien, dürfte die Aussicht auf die ausgelobten Gewinne für viele Spieler auch einen Anreiz setzen, an dem Spiel teilzunehmen. Es sei anerkannt, dass auch kleine Lotterien im Sinne des § 18 GlüStV, deren Gewinne häufig von Sponsoren finanziert würden, Glücksspiele im Sinne des Gesetzes seien. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne auch, dass bei jedem Glücksspiel der Einsatz stets verloren sei. Der Spieler erhalte den Einsatz im Falle eines Gewinnes nicht zurück, sondern erhalte nur den Gewinn. Man könne bei dem Entgelt des Managerspiels auch keine Parallele zu den Eintrittsgeldern bei den Spielbanken ziehen, die in der Tat nicht als glücksspielrechtliches Entgelt angesehen werden könnten. Überdies habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Begriffs „öffentliches Glücksspiel“ entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bewusst weiter gefasst als der Strafgesetzgeber und dazu im Glücksspielstaatsvertrag eine eigene gesetzliche Definition des Glücksspiels aufgenommen. Danach sei das Vorliegen eines Glücksspiels nur dann ausgeschlossen, wenn für die Teilnahme an dem Spiel keinerlei Entgelt verlangt werde. Bei Glücksspielen im Internet liege stets eine Ermessensreduktion auf Null vor. Nichts anderes könne beim Anbieten von Glücksspielen über das Internet gelten. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch das Verhältnismäßigkeitsgebot fehlerhaft angewendet. Eine Untersagungsverfügung, die der Klägerin nur das untersage, was ihr auch kraft Gesetzes verboten sei, belaste die Klägerin nicht zusätzlich.

8 Der Beklagte beantragt,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zurückzuweisen.

9 Die Klägerin beantragt,

die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November 2009 aufgehoben und festgestellt wird, dass das von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 im Internet unter der Domain www... angebotene „Managerspiel“ kein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV ist.

10 Sie verteidigt das angegriffene Urteil des Berufungsgerichts.
II

11 Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat den streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2009 zu Recht aufgehoben (1.). Seine Feststellung, dass das von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 in Baden-Württemberg ohne Erlaubnis im Internet angebotene und dort beworbene Fußballmanagerspiel kein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages ist, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand (2.).

12 1. Die Anfechtungsklage der Klägerin hat schon deshalb Erfolg, weil die Untersagungsverfügung vom 12. November 2009 in ihrer Nummer 1 als Einzelfallregelung nicht dem Bestimmtheitserfordernis genügt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG, § 37 Abs. 1 LVwVfG BW, Art. 20 Abs. 3 GG). Revisionsrechtlich fehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin damit nicht nur das für die Bundesligasaison 2009/2010 angebotene Glücksspiel untersagt wird, sondern darüber hinaus die Veranstaltung, Vermittlung, Werbung oder Unterstützung weiteren öffentlichen Glücksspiels, obwohl nichts dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin neben dem Angebot des Bundesligamanagerspiels andere Glücksspiele im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV angeboten hätte oder deren Veranstaltung für die Zukunft beabsichtigte.

13 Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG, § 37 Abs. 1 LVwVfG BW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (Urteil vom 15. Februar 1990 - BVerwG 4 C 41.87 - BVerwGE 84, 335 <338> = Buchholz 406.11 § 39b BBauG Nr. 1).

14 Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (stRspr; vgl. Beschluss vom 4. Dezember 2008 - BVerwG 2 B 60.08 - juris Rn. 2 m.w.N.). Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts (Urteil vom 18. Juni 1980 - BVerwG 6 C 55.79 - BVerwGE 60, 223 <228 f.=""> = Buchholz 448.0 § 25a WPflG Nr. 2). Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, sodass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 39 Rn. 26 m.w.N.).

15 In Nummer 1 der angefochtenen Verfügung wird der Klägerin allgemein untersagt, in Baden-Württemberg öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Dass der Beklagte damit nicht nur das von der Klägerin in der Bundesligasaison 2009/2010 im Internet angebotene und beworbene Spiel untersagte, sondern jegliche künftigen Internetauftritte der Klägerin, mit denen öffentliches Glücksspiel betrieben wird, verdeutlicht die Begründung des Bescheids auf Seite 7. Mit dieser weiten Fassung der Untersagungsverfügung hat der Beklagte keine bestimmte, konkrete Einzelfallregelung getroffen, sondern lediglich die abstrakt-generelle gesetzliche Regelung wiedergegeben und deren Konkretisierung offengelassen.

16 2. Die Feststellungsklage ist ebenfalls zulässig und begründet. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass das von der Klägerin angebotene Glücksspiel im Internet kein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV ist.

17 a) Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen nicht.

18 Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 VwGO). Diese Subsidiaritätsregelung will eine unnötige Feststellungsklage vermeiden, wenn dem Kläger eine andere sachnähere oder effektivere Klageart zur Verfügung steht. Aus Gründen der Prozessökonomie soll der Rechtsschutz auf dasjenige Verfahren konzentriert werden, welches seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird.

19 Die Anfechtungsklage gegen die Untersagungsverfügung stellt für die Klägerin keinen gleich wirksamen Rechtsschutz dar. Namentlich ist offen, ob die Anfechtungsklage zur Klärung der Frage führt, ob das von der Klägerin betriebene Managerspiel ein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages ist. Für die Klägerin bestand die Gefahr, dass diese Frage im gerichtlichen Verfahren nicht entscheidungserheblich wird, etwa wegen der fehlenden Bestimmtheit der Verfügung oder wegen Ermessensfehlern. Wirksamen und effektiven Rechtsschutz bezüglich der Zulässigkeit ihres Geschäftsmodells konnte sie nur über eine zusätzliche Feststellungsklage erreichen.

20 b) Der Verwaltungsgerichtshof hat das von der Klägerin angebotene Fußballmanagerspiel zu Recht nicht als Glücksspiel angesehen. Seine Annahme, die von der Klägerin geforderten 7,99 € seien als Teilnahmegebühr zu qualifizieren und nicht als Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Da das Revisionsgericht diejenige Rechtslage zugrunde legen muss, die das Berufungsgericht, entschiede es jetzt, anzuwenden hätte (stRspr; vgl. Urteil vom 18. Dezember 1992 - BVerwG 7 C 16.92 - BVerwGE 91, 334 <338> = Buchholz 113 § 12 InVorG Nr. 1; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Kommentar, Rn. 23 zu § 137; jeweils m.w.N.), beurteilt sich dies nach dem Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung des am 1. Juli 2012 in Baden-Württemberg in Kraft getretenen Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages vom 15. November 2011 - GlüStV -, der gemäß § 33 GlüStV nunmehr revisibel ist.

21 (1) Ein Glücksspiel liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Frage der Zufallsabhängigkeit offengelassen und darauf abgestellt, dass es bei dem Fußballmanagerspiel der Klägerin jedenfalls an dem erforderlichen Erwerb einer Gewinnchance gegen Entgelt fehle. Das Zahlungsverlangen von 7,99 € pro Team sei eine Teilnahmegebühr an dem Spiel und kein Entgelt im Sinne des Gesetzes.

22 Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Tatbestandsmerkmal des Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sich mit dem des Einsatzes für ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB jedenfalls insoweit deckt, als verlangt wird, dass die Gewinnchance gerade aus dem Entgelt erwächst. Das Berufungsurteil nimmt nur unzutreffend an, dies setze eine Verwendung des Entgelts zur Finanzierung der Gewinne voraus. Stattdessen genügt es, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Entgelt und Gewinnchance besteht. Dazu muss die Gewinnchance - und nicht der Gewinn selbst - sich gerade aus der Entgeltzahlung ergeben. Daran fehlt es, wenn mit ihr lediglich die Berechtigung zur Teilnahme erworben wird. Dann handelt es sich nur um eine Teilnahmegebühr mit der Folge, dass kein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vorliegt.

23 Diese Auslegung ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der glücksspielrechtlichen Regelung mit § 33h Nr. 3 Gewerbeordnung (GewO), der seinerseits auf § 284 StGB Bezug nimmt. Sie entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und ist mit dessen Wortlaut und der Entstehungsgeschichte vereinbar.

24 § 33h GewO normiert das Verhältnis der gewerberechtlichen Vorschriften, die Gewinnspiele betreffen, zu den landesrechtlichen, ordnungsrechtlichen Glücksspielregelungen. Im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Nr. 11 Grundgesetz (GG) hat der Bundesgesetzgeber das gewerbliche Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit (§ 33c GewO) sowie das gewerbliche Veranstalten anderer Spiele mit Gewinnmöglichkeit (§ 33d GewO) unter Erlaubnisvorbehalt gestellt und in §§ 33c ff. GewO näher geregelt. § 33g Nr. 2 GewO normiert einen Vorbehalt, die Erlaubnispflicht auf bestimmte nicht gewerbsmäßig betriebene Gewinnspiele auszudehnen. §§ 33c bis 33g GewO sind nach § 33h Nr. 1 und 2 GewO jedoch nicht auf die dort aufgeführten Spielbanken, Lotterien und Ausspielungen anzuwenden. Nach § 33h Nr. 3 GewO gelten sie auch nicht für diejenigen „anderen“ Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind. Diese - und nur diese - „anderen“ Spiele bleiben der Regelung durch den Landesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das Ordnungsrecht überlassen. Die Übrigen, die nicht unter § 284 StGB fallen, sind in § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO detailliert und abschließend geregelt. Diese Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Gewerbeordnung vollzieht die Abgrenzung zwischen der Bundesgesetzgebungskompetenz für das Wirtschaftsrecht und der Landesgesetzgebungskompetenz für das Ordnungsrecht nach (vgl. BTDrucks 8/1863 S. 10 f.; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 33h, Stand: Mai 2011, Rn. 1). Sie steht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers. Er darf den ordnungsrechtlichen Begriff des Glücksspiels bei „anderen“ Spielen mit Gewinnmöglichkeit, wie dem hier umstrittenen Fußballmanagerspiel, nicht weiter fassen als den Glücksspielbegriff des § 284 StGB. Das Tatbestandsmerkmal des für den Erwerb einer Gewinnchance verlangten Entgelts im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV darf deshalb nicht weiter ausgelegt werden als der Begriff des Einsatzes, der Bestandteil der Definition des Glücksspiels im Sinne des § 284 StGB ist.

25 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zu jedem Glücksspiel in dem in § 284 StGB vorausgesetzten Sinn ein Einsatz; denn bei einem Glücksspiel geht es um die Erzielung eines Gewinns oder um den Verlust eines Einsatzes. Unter den Begriff des Einsatzes fällt jede Leistung, die in der Hoffnung erbracht wird, im Falle des Gewinnens eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Falle des Verlierens dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheim fällt. Wegen der notwendigen Abgrenzung zum bloßen Unterhaltungsspiel darf der Einsatz allerdings nicht nur ganz unbeträchtlich sein. Von einem Glücksspieleinsatz kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn zwischen Aufwendung eines Vermögenswerts und dessen Gewinn oder Verlust ein notwendiger Zusammenhang besteht (BGH, Beschluss vom 29. September 1986 - 4 StR 148/86 - BGHSt 34, 171 <171 ff.=""> m.w.N.). Daraus folgt auch für den ordnungsrechtlichen Glücksspielbegriff, dass sich bereits aufgrund der Zahlung des Entgelts die Gewinnchance oder die Verlustmöglichkeit ergeben muss. Daran fehlt es, wenn erst weitere Umstände wie etwa das Verhalten von Mitspielern oder Aktivitäten des Spielteilnehmers selbst die Gewinnchance oder Verlustmöglichkeit entstehen lassen. Für den erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Zahlung des Entgelts und der Gewinn- oder der Verlustmöglichkeit genügt nicht schon, dass die Zahlung die Berechtigung zur Teilnahme am Spiel vermittelt.

26 Der Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV spricht ebenfalls dafür, als Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance nur einen Einsatz im Sinne des strafrechtlichen Glücksspielbegriffs zu verstehen. Die ordnungsrechtliche Regelung dient nach § 1 GlüStV dazu, die Spielsucht zu bekämpfen, den Jugendschutz zu gewährleisten und vor Begleitkriminalität zu schützen. Dieser Zweck erfordert nicht, über einen Einsatz hinaus auch eine bloße Teilnahmegebühr in den Tatbestand einzubeziehen. Nach den tatsächlichen Annahmen der Vorinstanz besteht die potenziell zur Spielsucht führende Versuchung, die Gewinnchancen durch Erhöhen des Einsatzes steigern und erlittene Verluste mit weiteren Einsätzen wettmachen zu wollen, bei einer festen Teilnahmegebühr nicht oder jedenfalls nicht in vergleichbarem Maß. Gleiches gilt für das Risiko kriminellen Verhaltens. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO mangels wirksamer Verfahrensrügen gebunden. Selbst der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass von dem Fußballmanagerspiel für die Spieler keine Suchtgefahr ausgehe.

27 Diese Feststellungen lassen die Auslegung des Entgelterfordernisses im Sinne eines Einsatzes auch verfassungsrechtlich geboten erscheinen. Vor dem rechtsstaatlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit sind die Beschränkungen durch den Glücksspielstaatsvertrag nur gerechtfertigt, soweit sie zur Bekämpfung der genannten Gefahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind. Bei Spielen, für die kein Einsatz, sondern nur eine Teilnahmegebühr verlangt wird, gehen die glücksspielrechtlichen Anforderungen an die Aufklärung der Spieler, das Erstellen eines Sozialkonzepts und ein System der Spielersperre (§§ 6 bis 8 GlüStV) weit über das zur Suchtbekämpfung erforderliche Maß hinaus. Den Anforderungen des Jugendschutzes und der Abwehr krimineller Taten kann bereits durch eine Regulierung auf dem Niveau des § 33d GewO Rechnung getragen werden. Dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages auf ein wesentlich höheres Gefahrenniveau zugeschnitten sind, zeigen die Bestimmungen über die Ausnahmen vom Internetverbot (§ 4 Abs. 5 GlüStV), die eine Freigabe bei Einsätzen bis zu 1 000 € monatlich zulassen, und die Öffnung des Glücksspielstaatsvertrages bezüglich der Erlaubniserteilung für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial (vgl. §§ 12 ff. GlüStV). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist entgegen der Auffassung des Beklagten jeweils die konkrete Spielgestaltung in den Blick zu nehmen und nicht auf eine mögliche Gefährdung durch ein Zusammenwirken aller auf dem Markt angebotenen Glücksspiele abzustellen.

28 (2) Bei dem von der Klägerin angebotenen Fußballmanagerspiel ist der erforderliche notwendige Zusammenhang zwischen der Zahlung des Entgelts und der Gewinnchance bzw. der Verlustmöglichkeit nicht gegeben. Nicht die bloße Zahlung hat eine Gewinnchance zur Folge, sondern erst das sich daran anschließende Spielverhalten des jeweiligen Spielteilnehmers und seiner Mitkonkurrenten. Eine Gewinnchance eröffnet sich nicht schon mit der entgeltlichen Registrierung, sondern erst und nur, wenn der Teilnehmer sich entscheidet, sich in das Spielgeschehen einzubringen und den in der Spielsaison erforderlichen zeitlichen Aufwand zu investieren. Diese Entscheidung erfolgt unabhängig von der Zahlung des Entgelts. Der Teilnehmer kann auch jederzeit aus dem Spiel wieder aussteigen, ohne dass für ihn ein Anreiz besteht, einen Vermögensverlust wieder wettmachen zu wollen. Das Entgelt für die Registrierung erhält er in keinem Fall zurück. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, bei dem von der Klägerin geforderten Betrag handele es sich nur um eine Teilnahmegebühr, ist in Anbetracht des dargestellten Spielmodells revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Dr. Deiseroth
Dr. Hauser
Dr. Held-Daab
Dr. Rudolph

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2013 – 8 C 21.12

s.a. Rechtslupe mit Verlinkungen

Inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes
Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG, § 37 Abs. 1 LVwVfG BW muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können.
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Das “Bundesligamanagerspiel” als Glücksspiel

Das “Bundesligamanagerspiel” als Glücksspiel
vgl. Glücksspielrecht seit 1999 rechtswidrig?
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