Donnerstag, 14. April 2011

Freispruch für Pokerturnierveranstalter

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg spricht Pokerturnierveranstalter vom Vorwurf des § 284 StGB frei
Von Rechtsanwalt Axel Mittig

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat per einstimmigen Beschluss vom 24.03.2011 einen in strafrechtlicher Hinsicht erfreulichen Schlussstrich unter ein Strafverfahren gezogen, welches das Veranstalten von Sachpreisturnieren in der Hansestadt zum Gegenstand hatte:

Die Angeklagten veranstalteten im Jahre 2007 öffentliche Pokerturniere (Texas Hold'em). Diese waren wie die üblichen Sachpreisturniere strukturiert: Es wurden mehrere 1-Table-Sit-'n'-Gos mit jeweils zehn Teilnehmern gespielt. Jeder Tischsieger qualifizierte sich für eine Finalrunde, die als Multi-Table-Freeze-out-Turnier durchgeführt wurde und in der gesponserte Sachpreise ausgespielt wurden. Teilnehmer, die an ihrem Qualifikationstisch ausgeschieden waren, hatten die Möglichkeit, durch Zahlung weiterer € 15 an weiteren Qualifikationstischen teilzunehmen, um sich auf diese Weise doch noch für das Finale zu qualifizieren.

Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage, da aus ihrer Sicht jedenfalls durch die Möglichkeit des mehrfachen Absolvierens von Qualifikationstischen die Schwelle zum strafbaren Glücksspiel überschritten sei (die einmalige Teilnahme für € 15 hielt die Staatsanwaltschaft ausdrücklich für zulässig).

Das Amtsgericht Hamburg sprach die Angeklagten im Januar 2009 frei. Zuvor hatte das Amtsgericht sowohl den Erlass einer Durchsuchungsanordnung gegen die Beschuldigten als auch die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Jene Entscheidungen des AG wurden erst auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom Landgericht Hamburg aufgehoben.

Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin erfolgte die Verurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Hamburg wegen des gewerblichen Veranstaltens illegalen Glücksspiels zu erheblichen Geldstrafen.

Anders als das Amtsgericht vertrat das LG die Auffassung, es sei unerheblich, ob die ausgespielten Sachpreise wie im vorliegenden Fall von dritter Seite gesponsert oder von den Startgeldern der Teilnehmer finanziert worden seien. Es komme allein auf die Sichtweise der Teilnehmer an, ob ein "Einsatz" i.S.d. § 284 StGB vorliege. Die in dieser Frage anders lautenden Entscheidungen des OLG München, des OVG Münster und des VG Neustadt, welche sich auf entsprechende BGH-Rechtsprechung stützten, ließ das Landgericht dabei unberücksichtigt.

Zudem attestierte das Landgericht den Angeklagten den für eine Verurteilung erforderlichen Vorsatz. Dies, obgleich Gegenstand der Beweisaufnahme schriftliche Korrespondenz war, aus der sich ergab, dass die Angeklagten schon vor der Eröffnung des Betriebes den Kontakt zur zuständigen Behörde gesucht hatten und auch während des laufenden Geschäftsbetriebs mehrfach darum gebeten hatten, etwaige Bedenken gegen das Vorhaben zu benennen, damit entsprechend reagiert werden könne. Reaktionen der Verwaltungsbehörde erfolgten hierauf nicht, so dass die Angeklagten darauf vertrauten, es sei "alles in Ordnung". Genau in diesem Sinne hatte jedenfalls auch das Amtsgericht den Schriftverkehr mit der Verwaltungsbehörde ausgelegt und sein Urteil (u.a.) hierauf gestützt.

Die Revision der Angeklagten zum Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg war nunmehr erfolgreich (Beschluss vom 25.03.2011, Az. 3-57/10 (Rev)). Das OLG entschied dabei per Beschluss ohne mündliche Verhandlung, da es die Revision einstimmig für begründet erachtete, § 349 IV StPO.

Zuvor überraschte die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg mit ihrer Stellungnahme zur Revisionsbegründung, indem sie sich im Stil einer Kehrtwende der Auffassung der Angeklagten, der Verteidigung, des Amtsgerichts Hamburg und des OLG München anschloss.

Nach der neuen Auffassung der Staatsanwaltschaft Hamburg

könne vorliegend offen bleiben, ob Poker ein Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel sei,

liege ein Glücksspiel im strafrechtlichen Sinn nicht vor, wenn die Gewinne nicht aus den Teilnahmeentgelten der Spieler finanziert, sondern von dritter Seite zur Verfügung gestellt werden,

würden die "gewonnenen" Teilnahmeberechtigungen an den Tages- und Wochenfinals keinen vermögenswerten Vorteil darstellen, sondern ein Sieg in einer Qualifikationsrunde (= 15 €- Sit'n'Go) würde lediglich die Grundlage dafür bilden, an weiteren Spielrunden teilzunehmen. Die Sit 'n'Go-Runden seien also nur eine Vorstufe zur Chance, sich die ausgelobten Sachpreise zu verschaffen. Die wiederholte Teilnahmemöglichkeit ändere nichts daran, dass ein "Einsatz" im Sinne des § 284 StGB in einer solchen Konstellation nicht vorliege.
Das OLG schloss sich dieser Auffassung uneingeschränkt an und stellte fest, dass der Straftatbestand des § 284 StGB nicht erfüllt und das Urteil des Landgerichts insofern aufzuheben sei.

Das OLG sah lediglich einen Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften als erfüllt an und verhängte gegen die Angeklagten aus diesem Grund Bußgelder.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich mit dem Hanseatischen OLG Hamburg nunmehr ein weiteres OLG der o.g. Meinung angeschlossen hat. Für Sachpreisturnierveranstalter bedeutet dies, dass sich das strafrechtliche Risiko weiter erheblich entschärft hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Sachpreise tatsächlich gesponsert werden und wenn der Turniermodus mit dem hier beschriebenen übereinstimmt (Sit 'n' Go-Qualifikationsrunden mit Tages- und Wochen-/Monatsfinalrunden).
Kontakt:
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Rechtsanwalt Axel Mittig
Grindelallee 20

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Rechtsgutachten zur Strafbarkeit des Bewerbens einer Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz
23.05.2010 04:30

Teil I des Rechtsgutachtens von Prof. Dr. Günter Heine, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung und Internationales Strafrecht, Mitdirektor des Instituts für Strafrecht und Kriminologie, Universität Bern, Mitherausg. ZfWG, kommentiert Kernvorschrift des Glueckspielrechts § 284 Strafgesetzbuch in Strafrechtskommentar Schoenke/Schroeder.

I. Sachverhalt
Die im Folgenden bezeichnete Marke "superpoker" und die dazugehörige bildliche Darstellung "Kreuz" ist für den hier zu untersuchenden Sachverhalt frei erfunden. Auch die Webseiten www.superpoker.com und www.superpoker.net werden hier lediglich als Synonym verwandt.

Der Sachverhalt ergibt sich aus folgenden Gegebenheiten:
  • der von Firma A betriebenen Echtgeld-Pokerseite www.superpoker.com (1.),

  • der von Firma B betriebenen Poker-Schulseite ohne Einsatz www.superpoker.net (2.)

  • sowie der Werbung für die von der Firma B betriebene Pokerschulseite ohne Einsatz durch ein Medienunternehmen in Deutschland (3.).

1. Echtgeld-Pokerseite www.superpoker.com

Die Webseite www.superpoker.com wird von der Firma A mit Sitz außerhalb von Deutschland betrieben. Auf dieser Webseite werden Echtgeld-Pokerspiele angeboten. Für diese Tätigkeit wurde der Firma A eine behördliche Erlaubnis eines europäischen Mitgliedstaats erteilt. Auf dieser Webseite kann man die deutsche Sprache auswählen. Der Server, über welchen die Echtgeldspiele abgewickelt werden, befindet sich außerhalb Deutschlands. Die Firma A besitzt die Markenrechte an "superpoker" und der dazugehörigen bildlichen Darstellung "Kreuz". Die Webseite www.superpoker.com wird in Deutschland nicht direkt beworben.

2. Kostenlose Pokerschulseite www.superpoker.net

Die Webseite www.superpoker.net wird durch die Firma B außerhalb von Deutschland betrieben. Bei dieser handelt es sich um eine Informationsseite zum Thema Pokern, auf der es Interessierten ermöglicht wird, Poker zu lernen und – ohne Einsatz von Geld – gegen andere User online Poker zu spielen. Diese Webseite wird in deutscher Sprache betrieben. Die Firma B hat sich von der Firma A die rechtmäßige Benutzung der Markenrechte "superpoker" und der dazugehörigen bildlichen Darstellung "Kreuz" einräumen lassen. Auf www.superpoker.net wird an keiner Stelle zur Teilnahme auf Seiten mit Echtgeldeinsatz aufgefordert, insbesondere wird nicht auf die Webseite www.superpoker.com verwiesen. Die Firma B ist eine eigenständige Gesellschaft, auf welche die Firma A keinerlei gesellschaftsrechtliche Einflussnahme ausübt.

Die Firma B verfügt über ein tragfähiges wirtschaftliches Konzept. Auf der Webseite sind auch Werbe-Links zu Firmen zu finden, die direkt überhaupt nichts mit Pokern zu tun haben, so z.B. eines Reisebüros und eines Musikdownloadportals. Die Firma B erzielt hierdurch Werbeeinnahmen. Die Firma B kann, auch aufgrund von Entwicklungen im europäischen Glücksspielrecht, wirtschaftlich betrachtet davon ausgehen, in einigen Jahren Gewinne zu erzielen, obwohl derzeit die Werbungskosten die Einnahmen noch überschreiten.

3. Werbung www.superpoker.net

Die Online-Pokerschule auf www.superpoker.net wird in Deutschland sowohl live im Fernsehen als auch über das Internet u.a. von deutschen Medienunternehmen beworben. Hierbei wird im Online-Bereich entweder eine sogenannte Microsite der Online-Pokerschule in einen Internetauftritt eingebunden oder ein Banner geschaltet.

II. Fragestellung

1. Ist das Bewerben einer Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz in Deutschland auf der Grundlage des beschriebenen Sachverhalts strafbar nach § 284 StGB bzw. können Aufsichtsbehörden unter Berufung auf § 284 StGB diese Bewerbung nach GlüStV untersagen?

Rechtsgutachtliche Stellungnahme

A. Frage 1

Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob das Bewerben einer Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz in Deutschland auf der Grundlage des beschriebenen Sachverhalts nach § 284 StGB strafbar ist bzw. Aufsichtsbehörden unter Berufung auf § 284 StGB diese Bewerbung nach GlüStV untersagen können (u. 1.). Im Anschluss wird untersucht, ob und unter welchen Voraussetzungen im Hinblick auf die von der Firma A betriebene Echtgeld- Pokerseite ein Umgehungstatbestand vorliegen könnte, der zur Untersagung berechtigen könnte (u. 2.).

1. Werbung für eine Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz in Deutschland

§ 284 Abs. 4 StGB, der durch das 6. StrRG eingefügt wurde, erweitert die Strafbarkeit auf Vorbereitungshandlungen der Absätze eins und zwei von § 284 und stellt die Werbung für ein Glücksspiel im Sinne dieser Absätze unter Strafe. Die Vorschrift richtet sich gerade auch gegen die Werbung ausländischer Anbieter gegenüber dem inländischen Publikum für illegale Glücksspiele, die unter Zuhilfenahme der Telekommunikationsmöglichkeiten unmittelbar vom inländischen Aufenthaltsort des Spielteilnehmers aus abgewickelt werden können und bei denen der Veranstalter von Abs. 1 im Inland die Voraussetzungen von § 9 StGB nicht erfüllt.1 Es handelt sich also um eine insoweit akzessorische Vorschrift. Notwendig ist daher, dass die Werbung überhaupt geeignet ist, einem deliktischen Anschlussverhalten, also der unerlaubten oder behördlich im Ausland nicht kontrollierten bzw. gemeinschaftsrechtlichen Standards nicht entsprechenden Veranstaltung eines Glücksspiels eine Basis zu bieten.2 Damit stimmt die Wertung von § 5 Abs. 4 GlüStV überein ("unerlaubtes Glücksspiel"). Und auch § 5 Abs. 3 GlüStV verlangt für das Verbot von Werbung im Internet bzw. im Fernsehen jedenfalls ein "öffentliches Glücksspiel".

Ein Spiel ist dann ein Glücksspiel im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB, wenn die Entscheidung über Gewinn oder Verlust ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, es auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet ist und für den Erwerb der Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird. Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gegebene Legaldefinition ist mit dem Glücksspielbegriff des § 284 Abs. 1 StGB deckungsgleich.3

Man mag schon Zweifel anmelden, ob an jener Grundsatzentscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1906, wonach bei Poker der Zufall stets den letzten Ausschlag über das mit dem Kaufen erzielte wirkliche Ergebnis gebe, festzuhalten ist.4 Denn fraglich ist nicht bloß, ob bei bestimmten Spielarten bzw. Spielformen nicht das Geschicklichkeitselement der Spieler maßgebend zum Durchbruch gelangt,5 sondern vor allem auch, ob allen Spielformen tatsächlich die tatbestandlich geforderte Eignung zukommt, die einschlägigen Rechtsgüter des § 284 StGB zu gefährden.6

Aber jedenfalls fehlt es an dem für den Glücksspielbegriff konstitutiven Erfordernis der Ausrichtung auf die Erzielung eines Gewinns bzw. des Verlangens eines Entgelts für den Erwerb der Gewinnchance, wenn eine Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz beworben wird. In diesem Fall ist unabweislich, dass mangels tauglichem Vertriebsobjekt keinerlei Gefahr für die einschlägigen Rechtsgüter (Verbraucherschutz unter Einbeziehung der Vermeidung von Spielsucht, Betrugsvorbeugung und Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für die Spiele u.v.m.7) eintreten kann. Und ebenso wenig kann das staatliche Glücksspielmonopol durch eine entsprechende Werbung gefährdet werden, weil dieses Monopol nicht betroffen sein kann, wenn es nicht um Werbung für ein öffentliches Glücksspiel geht.8

2. Strafbarkeit wegen "Umgehung"

Mit Umgehung ist Folgendes gemeint: Die Frage ist, ob die Werbung für die von der Firma B betriebenen Pokerschulseite ohne Geldeinsatz durch ein Medienunternehmen in Deutschland mittels Fernsehen oder Internet gleichsam als vorgeschaltete Veranstaltung anzusehen ist, welche die Voraussetzungen des § 284 Abs. 4 StGB erfüllt.

In Rede steht allein die möglicherweise unzulässige Bewerbung der von der Firma A betriebenen Echtgeld-Pokerseite www.superpoker.com.

a. Tatbestandsmerkmal "Werben" des § 284 Abs. 4 StGB nicht erfüllt!

Werbung in diesem Sinne bedeutet ein planmäßiges Vorgehen mit dem für den Durchschnittsadressaten erkennbaren Ziel, andere für ein illegales Glücksspiel zu gewinnen.9 Der werbende Hinweis auf eine Glücksspieleinrichtung ist voraussetzungsvoll, er erfüllt das Tatbestandsmerkmal des Werbens nur dann, wenn es sich um eine propagandistische, Gewinn versprechende Ankündigung oder Anpreisung handelt.10 Insoweit ist begriffsnotwendig eine im Hinblick auf jenes (illegale) Glücksspiel werbende Zielrichtung. Nach der Rechtsprechung genügt eine Handlung, die nur einen solchen Nebeneffekt hat, nicht.11 Vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 GG verlangt die Rechtsprechung eine umfassende Gesamtwürdigung entsprechender Texte,12 wobei der Kontext ausschlaggebend ist. Im Einklang damit steht die Rechtsprechung zu Umgehungsmaßnahmen im Bereich des UWG und berufsrechtlicher Werbeverbote: Stets wird vom BGH für unzulässige Werbung die Zielgerichtetheit der betreffenden Maßnahme als konstitutiv für ein Verbot vorausgesetzt (BGH, NJW-RR 1996, 1314, BGH, GRUR 1999, 1027, BGH, NJW 2007, 2329, BGH, NJW-RR 2008, 1068).

Dies bedeutet in casu Folgendes: Die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen der Firma A und der Firma B bzw. dem Medienunternehmen in Deutschland sind für den Werbebegriff praktisch irrelevant. Dies mag für gewerberechtliche Zwecke eine Rolle spielen, nicht aber für den Schutzzweck des Werbeverbots. Es geht um Grenzen der Information der Öffentlichkeit über verfassungs- und gemeinschaftsrechtlich geschützte Produkte und damit um eine zulässige Außenwirkung. Maßstab hierfür ist der aufgeklärte Durchschnittsverbraucher. Lediglich für den Hintergrund mag es von Bedeutung sein, dass insoweit gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit besteht und keinerlei faktische Einflussnahme ersichtlich ist.

Weiter ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 49 EG von Bedeutung, dass nach der Rechtsprechung die Verwendung eines ähnlichen Symbols als solches nicht einmal indiziell für Werbung spricht.13 Abstrakte Verwechslungsgefahr als solche ist daher kein relevantes Kriterium für "Werbung"!

Damit stimmt die rechtliche Wertung überein, wie sie für die Werbung für Tabakerzeugnisse gilt. So ist es rechtlich zulässig, für ein Produkt, z.B Parfum oder Lederwaren der Marke "Davidoff", zu werben, obwohl Werbung für Tabakerzeugnisse, u.a. solche der Marke "Davidoff", unzweifelhaft verboten ist. Die Parallele zur hiesigen Fragestellung ist offensichtlich. Die EG-Kommission wollte zwar ursprünglich ein umfassendes Verbot umsetzen (Richtlinie 98/43/EG vom 6.7.1998, Erwägungsgrund 9). Im Hinblick auf eine übermäßige Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit wurde diese Regelung aber durch die später erlassene Richtlinie 2003/33/EG aufgehoben, so dass die Verwendung eines identischen Produktnamens selbst in identischem Design nunmehr grundsätzlich zulässig ist. Einschränkungen können sich nur ausnahmsweise ergeben. Für eine solche indirekte Werbung müssen ganz besondere tatsächliche Umstände vorliegen. Solche Fakten wären etwa die zielgerichtete Weiterleitung von Konsumenten an die in Frage stehende Echtgeld-Pokerseite der Firma A. Hierfür ist in casu nichts ersichtlich. Umgekehrt genügt eine bloße abstrakte Verwechslungsgefahr keinesfalls. Hinzu kommen müssen allemal zielgerichtete Animierungsaktivitäten – andernfalls kann von "Werbung" keine Rede sein. Diese Grundsätze stimmen mit denjenigen überein, wie sie die deutsche Rechtsprechung zu § 284 Abs. 4 StGB entwickelt hat. In der Tat liegt der hiesige Sachverhalt auf derselben Wertungsstufe.

Dass die Einbindung der Microsite der Online-Pokerschule in einen Internetauftritt oder einen Banner den Nebeneffekt für einen Durchschnittsadressaten haben kann, auf die von der Firma A betriebene Echtgeld-Pokerseite quasi aufzusteigen, oder anders ausgedrückt: insoweit eine abstrakte Gefahr besteht, dies allein genügt demnach keinesfalls für strafbare Werbung. Eine irgendwie nolens volens begünstigte Ermöglichung der Teilnahme an der von der Firma A betriebenen Echtgeld-Pokerseite ist strafrechtlich unbeachtlich. Hinzukommt, dass das Bewerben der Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz im Hinblick auf die Firma A völlig wertungsfrei ist, insbesondere die Gewinn versprechende Anpreisung gänzlich fehlt.

Dies bedeutet, dass es in casu bereits an dem Tatbestandsmerkmal "Werben" im Sinne des § 284 Abs. 4 StGB fehlt.

b. Werben im Sinne von § 5 Abs. 3 GlüStV nicht erfüllt!

Die weitere Frage, die sich stellt, ist, ob das Bewerben einer Online-Pokerschule unter Berufung von § 5 Abs. 3 GlüStV behördlich untersagt werden kann, ist danach doch die Werbung für "öffentliches Glücksspiel" im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen verboten.

Anhaltspunkte dafür, dass § 5 Abs. 3 GlüStV ein anderer, namentlich ein umfassenderer Begriff der Werbung zugrunde liegt, ergeben sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Entstehungsgeschichte des Staatsvertrages. Und aus Sinn und Zweck kann sich schon deshalb kein Unterschied ergeben, weil § 284 StGB als verwaltungsakzessorische Strafvorschrift begriffen wird.14 Das "umfassende Werbeverbot" des § 5 Abs. 3 GlüStV15 hat sich deshalb rundum an dem oben Gesagten messen zu lassen. Ebenso wenig wie dort genügt eine bloß ähnliche Symbolik (im Vergleich zu Anbieter Firma A) und ebenso wenig genügt, dass eine Microsite oder ein Banner als bloßer Nebeneffekt eine Schlussfolgerung auf ein öffentliches Glücksspiel gegen Geld zulassen.

Auch bei einer Gesamtwürdigung ist keinesfalls die Schlussfolgerung gerechtfertigt, es handle sich um eine "propagandistische, gewinnversprechende Anpreisung eines öffentlichen Glücksspiels". Denn erstens geht es, wie gesehen, bei der Werbung für die von der Firma B betriebene Pokerschulseite um kein Glücksspiel, zum anderen fehlen der Microsite bzw. dem Banner die genannten notwendigen Voraussetzungen für ein "Werben" im Hinblick auf die von der Firma A betriebene Echtgeld-Pokerseite www.superpoker.com.

Anderes würde nur dann gelten, wenn über die Werbung die Teilnehmer "gezielt auf die Teilnahme am unerlaubten Glücksspiel angesprochen" würden.16 Dies wäre dann der Fall, wenn von den Werbeadressaten persönliche Daten erhoben würden bzw. eine Registrierung zwingend vorgesehen wäre, die jeweils ausschließlich dem Zweck dienen, jene Teilnehmer wiederum gezielt auf ein gewinnversprechendes Glücksspiel gleichsam anzusetzen. Hierfür ist nichts ersichtlich, so dass bereits das Erfordernis der Werbung des § 5 Abs. 3 GlüStV nicht vorliegt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Allgemeine diffuse Befürchtungen, Konsumenten der von Medienunternehmen geschalteten Microsite bzw. Banner würden irgendwie auf die Echtgeld-Pokerseite der Firma A gleichsam überspringen, sind von der Eingriffsgrundlage des § 5 Abs. 3 GlüStV nicht gedeckt. Andernfalls würden unter der Prämisse "Aufrechterhaltung des staatlichen Glücksspielmonopols" die gesetzlichen Voraussetzungen verabschiedet.

Ergebnis:

Das Bewerben der Online-Pokerschule ohne Geldeinsatz ist, da es am Erfordernis des "Werbens für ein öffentliches Glücksspiel" fehlt, weder nach § 284 Abs. 4 StGB strafbar noch kann es nach § 5 Abs. 3 GlüStV ordnungsbehördlich untersagt werden.


1) Vgl. BT-Drs. 13/8587, S. 67 f., 13/9064 S. 21, BGH (Z), NJW 2002, S. 2175, Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, §
284 RN 24, Eser/Heine, in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 284 RN 25a.

2) H.M., siehe z.B. Heine, wistra 2003, S. 447, Horn, NJW 2004, S. 2053, Krehl, LK, StGB, 12. Aufl. 2008, §
284 RN 25, Sievers, ZfWG 2006, S. 104, Wohlers, NK, 2000, § 284 RN 12, vgl. aber zur älteren Rspr. BGH
NStZ 2003, S. 374.

3) S. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 10.6.2008, Az. 4 B 606/08, S. 2, Fischer, StGB, § 284 RN 4,
Eser/Heine, in Schönke/Schröder, § 284 RN 5 ff., Krehl, LK, § 284 RN 7-12a, Heine, FS-Amelung, 2009, S.
413 ff., III. 1, je m. zahlr. Nachw. Zur Identität der Begriffe s. auch Entwurf Staatsvertrag GlüStV v.
14.12.2006, S. 11 sowie Landtagsdrucksache NW 14/4849, S. 13, 13/5365, S. 7.

4) RG, JW 1906, Nr. 35, S. 789 f., s. auch OLG Stuttgart, ZStW 1924, S. 620 f.

5) S. Holznagel, MMR 2008, S. 439 ff., Kretschmer, ZfWG 2007, S. 93.

6) S. Heine, FS-Amelung,, S. 413 ff., III. 5. vgl. aber auch Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 159 f.

7) S. dazu EuGH "Schindler", EuZW 1994, S. 2015 RN 57 f., BVerfG, NJW 2006, S. 1261 ff., Eser/Heine, in
Schönke/Schröder, § 284 RN 2 ff., Krehl, LK, § 284 RN 10, Heine, ZfWG 2008, S. 306 ff., je mit zahlr.
Nachw.

8) Ebenso OVG Nordrhein-Westfalen (o. Anm. 3), S. 3.

9) H.M., s. z.B. Hoyer, SK, StGB, 6. Aufl. 1999, § 284 RN 26, Krehl, LK, § 287 RN 30, Lackner/Kühl, StGB, §
284 RN 15, vgl. BGHR § 129a III Werben 1,4 sowie Lenckner/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, § 129
RN 14b m. weit. Nachw. Vgl. auch OLG Nürnberg, SpuRt 2001, S. 158.

10) Lackner/Kühl, § 287 RN 15, Wohlers, NK, § 284 RN 58.

11) S. Bay ObLG, NStZ-RR 1996, S. 135, KG StV 1990, S. 210, OLG Schleswig, NJW 1988, S. 352,
Lenckner/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, § 129 RN 14b.

12) BGHSt 33, S. 18, Fischer, StGB, § 129 RN 27; vgl. auch BGH, NJW 2007, S. 2329, NJW-RR 2008, S. 1067.

13) BGH, MDR 1993, S. 505, OLG Koblenz, StV 1989, S. 205, Lenckner/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder,
§ 129 RN 14c.

14) H.M., s. nur BGH, NJW 2007, S. 3078, OLG München, NJW 2006, S. 3592, Fischer, StGB, § 284 RN 2. Vgl.
auch OVG Nordrhein-Westfalen (o. Anm. 3), S. 2.

15) S. Entwurf zum Staatsvertrag v. 14.12.2006, S. 16.

16) VG Frankfurt, NJW 2008, S. 1096, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen (Anm. 3), S. 3.


Quelle: TIME LAW NEWS 2/2010 (www.timelaw.de) Hambach & Hambach Rechtsanwälte