Freitag, 28. Februar 2014

BVerfG: Rückwirkende Gesetzänderungen sind nur ausnahmsweise zulässig

vgl. BVerwG 6 C 3.13 v. 26.02.2014
Bundesverwaltungsgericht hält Regelung zur eingeschränkten Rückwirkung telekommunikationsrechtlicher Entgeltgenehmigungen für verfassungswidrig

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob die in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 des Telekommunikationsgesetzes getroffene Regelung zur Rückwirkung telekommunikationsrechtlicher Entgeltgenehmigungen der Bundesnetzagentur mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbar ist.
Quelle: PM Nr. 15/2014

Das Bundesverwaltungsgericht entschied bereits 2010:

BVerwG 9 CN 1.09 vom 09.06.2010
Rn25 Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 <263>; Beschlüsse vom 9. August 1995 - 1 BvR 2263/94 und 229, 534/95 - BVerfGE 93, 213 <238> und vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396>). Dem entspricht § 7 Abs. 5 Satz 1 VStS nicht, weil die Frist, binnen der ein Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung für zurückliegende Zeiträume gestellt werden muss, nicht eingehalten werden kann. Danach kann eine Änderung der Steuerfestsetzung für zurückliegende Erhebungszeiträume nur innerhalb von sechs Wochen nach Inkrafttreten der Satzung beantragt werden. § 11 der Satzung bestimmt deren Inkrafttreten rückwirkend zum 19. Januar 1992. Die Antragsfrist wäre danach schon im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Satzung durch Abdruck im amtlichen Bekanntmachungsblatt der Antragsgegnerin „E.“ vom 14. September 2006 verstrichen gewesen. Angesichts des klaren Wortlauts der Norm lässt sich auch nicht durch verfassungskonforme Auslegung ermitteln, ab welchem anderen Termin die Sechs-Wochen-Frist laufen soll. Die Unwirksamkeit der Fristbestimmung in § 7 Abs. 5 Satz 1 VStS erfasst nicht die gesamte Satzung, weil nicht anzunehmen ist, dass der Satzungsgeber die Option für eine Besteuerung nach dem Spieleinsatz für zurückliegende Erhebungszeiträume ohne eine Fristbindung des darauf gerichteten Antrags nicht eröffnet hätte.

Bundesverfassungsgericht: Rückwirkende Gesetzänderungen sind nur ausnahmsweise zulässig

L e i t s ä t z e

zum Beschluss des Ersten Senats vom 17. Dezember 2013
1 BvL 5/08
Den Inhalt geltenden Rechts kann der Gesetzgeber mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den verfassungsrechtlichen Grenzen für eine rückwirkende Rechtsetzung feststellen oder klarstellend präzisieren.
    
Eine nachträgliche, klärende Feststellung des geltenden Rechts durch den Gesetzgeber ist grundsätzlich als konstitutiv rückwirkende Regelung anzusehen, wenn dadurch eine in der Fachgerichtsbarkeit offene Auslegungsfrage entschieden wird oder eine davon abweichende Auslegung ausgeschlossen werden soll.

BVerfG zu nachträglicher Klarstellung von Gesetzen
Der feine Unterschied zwischen unklar und verworren


Die entsprechende Regelung hat das BVerfG in einem am Donnerstag veröffentlichen Beschluss für nichtig erklärt und somit die ursprüngliche Rechtslage wieder hergestellt (v. 17.12.2013, Az. 1 BvL 5/08).

Die Entscheidung des BVerfG geht in ihren Gründen weit über das Steuerrecht hinaus und hat weitreichende Auswirkungen für die Kompetenzabgrenzung zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung. 

Rückwirkende Gesetzänderungen sind nur ausnahmsweise zulässig

Die vom BVerfG gesetzten Hürden für rückwirkende Klarstellungen seitens des Gesetzgebers sind hoch.
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Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 12/2014 vom 20. Februar 2014

Beschluss vom 17. Dezember 2013
1 BvL 5/08

Klarstellung des geltenden Rechts durch den Gesetzgeber kann als echte Rückwirkung verfassungsrechtlich unzulässig sein 

In einem heute veröffentlichten Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts seine Rechtsprechung zur echten Rückwirkung präzisiert. Den Inhalt geltenden Rechts kann der Gesetzgeber mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den verfassungsrechtlichen Grenzen für eine rückwirkende Rechtsetzung feststellen oder klarstellend präzisieren. Ein Gesetz, durch das eine offene Auslegungsfrage für die Vergangenheit geklärt werden soll, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutive Regelung anzusehen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit der echten Rückwirkung hat der Erste Senat im konkreten Fall verneint und das rückwirkende Gesetz für nichtig erklärt. Die Entscheidung ist im Ergebnis mit 5:3 Stimmen, hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grundsätze mit 6:2 Stimmen ergangen; der Richter Masing hat ein Sondervotum abgegeben.

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle betrifft die Frage, ob § 43 Abs. 18 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.

1. In der zweiten Jahreshälfte 2003 nahm sich der Gesetzgeber eines Auslegungsproblems zur ertragsteuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit von Gewinnminderungen bei Fondsbeteiligungen an. In Frage stand, ob § 8b Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung auch auf Kapitalanlagegesellschaften Anwendung findet, obwohl § 40a Abs. 1 KAGG auf diese Vorschrift ursprünglich nicht verwies. Am 22. Dezember 2003 wurde durch das „Korb II-Gesetz“ (BGBl I S. 2840) die Vorschrift des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG eingefügt, die eine ausdrückliche Verweisung auf § 8b Abs. 3 KStG enthält; gemäß der Begründung des Regierungsentwurfs handelt es sich um eine „redaktionelle Klarstellung“. Nach § 43 Abs. 18 KAGG ist der neue § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG „für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Festsetzungen noch nicht bestandskräftig sind“.

2. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Bank. In ihrem Umlaufvermögen hielt sie Anteile an Investmentfonds, deren Börsenkurse am 31. Dezember 2002 unter die Buchwerte des Jahresabschlusses 2001 gesunken waren. Die Klägerin nahm gewinnmindernde Abschreibungen vor und behandelte diese zunächst als steuerlich wirksam. Aufgrund des Korb II-Gesetzes reichte die Klägerin beim Finanzamt eine geänderte Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2002 ein. Sie erhöhte gemäß § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG in Verbindung mit § 8b Abs. 3 KStG den Gewinn außerbilanziell um die Abschreibungen, berief sich aber auf die Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung. Das mit der Klage befasste Finanzgericht hat das Verfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Es hält § 43 Abs. 18 KAGG für verfassungswidrig, weil die neue Fassung des § 40a Abs. 1 KAGG nicht lediglich klarstellend sei, sondern eine unzulässige echte Rückwirkung entfalte.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

§ 43 Abs. 18 KAGG ist verfassungswidrig und nichtig, soweit er die rückwirkende Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG in den Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 anordnet.

1. § 43 Abs. 18 KAGG entfaltet für diese Jahre in formaler Hinsicht echte Rückwirkung. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind, und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind. Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingreift, insbesondere eine bereits entstandene Steuerschuld ändert. Wirkt sich die Änderung einer Steuerrechtsnorm auf abgelaufene Veranlagungszeiträume aus, liegt insoweit eine echte Rückwirkung vor.

2. Die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Verbots echt rückwirkender Gesetze beanspruchen hier auch in materieller Hinsicht Geltung. § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG ist aus verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutive Rechtsänderung zu behandeln.

a) Die im Regierungsentwurf zum Korb II-Gesetz vertretene Auffassung, die Vorschrift habe nur klarstellenden Charakter, ist für die Gerichte nicht verbindlich. Zur verbindlichen Normauslegung ist in aller Regel die rechtsprechende Gewalt berufen; dies gilt auch bei der Frage, ob eine Norm konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hat. Der Gesetzgeber hat keine Befugnis zur authentischen Interpretation gesetzlicher Vorschriften. Er ist zwar befugt, den Inhalt einer von ihm gesetzten Norm zu ändern oder klarstellend zu präzisieren und dabei gegebenenfalls eine Rechtsprechung zu korrigieren, mit der er nicht einverstanden ist. Dabei hat er sich jedoch im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu halten.

b) Für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung aus verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutiv zu behandeln ist, genügt die Feststellung, dass die geänderte Norm in ihrer ursprünglichen Fassung von den Gerichten in einem Sinn ausgelegt werden konnte, der mit der Neuregelung ausgeschlossen werden sollte. So liegt der Fall hier.

c) Der Wunsch des Gesetzgebers, eine Rechtslage rückwirkend klarzustellen, verdient verfassungsrechtliche Anerkennung grundsätzlich nur in den durch das Rückwirkungsverbot vorgegebenen Grenzen.
Andernfalls würde der rechtsstaatlich gebotene Schutz des Vertrauens in die Stabilität des Rechts empfindlich geschwächt. Angesichts der allgemeinen Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit des Rechts könnte es dem Gesetzgeber regelmäßig gelingen, einen Klärungsbedarf zu begründen.
Eine von Vertrauensschutzerfordernissen weitgehend freigestellte Befugnis zur rückwirkenden Klarstellung des geltenden Rechts eröffnete dem Gesetzgeber den weit reichenden Zugriff auf zeitlich abgeschlossene Rechtslagen und ließe im Nachhinein politischen Opportunitätserwägungen Raum.

d) Ein legislatives Zugriffsrechtsrecht auf die Vergangenheit folgt auch nicht aus dem Demokratieprinzip, sondern steht zu diesem in einem Spannungsverhältnis. Die demokratische Verantwortung des Parlaments ist auf die Gegenwart und auf die Zukunft bezogen. Früher getroffene legislative Entscheidungen verfügen über eine eigenständige demokratische Legitimation. Der historische Legitimationskontext kann - jedenfalls soweit die Gesetzeswirkungen in der Vergangenheit liegen - nicht ohne Weiteres durch den rückwirkenden Zugriff des heutigen Gesetzgebers ausgeschaltet werden. Auch vom Demokratieprinzip ausgehend muss der Zugriff des Gesetzgebers auf die Vergangenheit die Ausnahme bleiben.

3. Die mit der konstitutiven Wirkung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG verbundene Belastung ist verfassungswidrig, soweit sie nach § 43 Abs. 18 KAGG hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 mit echter Rückwirkung versehen ist.

a) Die im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stehen Gesetzen mit echter Rückwirkung grundsätzlich entgegen. Von diesem Verbot bestehen jedoch Ausnahmen: Das Rückwirkungsverbot gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage.

b) Von den anerkannten Fallgruppen kommen hier nur diejenigen der Unklarheit und Verworrenheit der ursprünglichen Gesetzeslage oder ihrer Systemwidrigkeit und Unbilligkeit in Betracht. Keine von beiden vermag jedoch die Rückwirkung des § 43 Abs. 18 KAGG auf die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 zu rechtfertigen.

aa) Die höchstrichterlich nicht geklärte Auslegung des § 40a Abs. 1 KAGG und die insoweit uneinheitliche Rechtsprechung auf der Ebene der Finanzgerichte begründen noch keine verworrene Rechtslage. Allein die
Auslegungsbedürftigkeit einer Norm rechtfertigt nicht deren rückwirkende Änderung. Andernfalls könnte sich insbesondere in den Anfangsjahren einer gesetzlichen Regelung grundsätzlich nie ein schutzwürdiges Vertrauen gegen rückwirkende Änderungen entwickeln, solange sich keine gefestigte Rechtsprechung hierzu herausgebildet hat.

bb) Das ursprüngliche einfache Recht war auch nicht in einer Weise systemwidrig und unbillig, dass dies eine echte Rückwirkung rechtfertigen könnte. Keine der beiden Auslegungsvarianten (Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 8b Abs. 3 KStG auf Kapitalanlagegesellschaften) ist von Verfassungs wegen zwingend geboten.
Eine Ausgestaltung der Besteuerung von Kapitalanlagegesellschaften im Sinne der Auffassung des vorlegenden Gerichts bewegt sich im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ohne dass ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestünden. Von einer systemwidrigen Abwälzung der Verluste der Kapitalanlagegesellschaften auf die Allgemeinheit kann vorliegend nicht die Rede sein.

c) Auch über die anerkannten Fallgruppen hinaus besteht hier kein Anlass, von dem im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten Vertrauensschutz und dem darin wurzelnden Ausnahmecharakter zulässiger echter Rückwirkung abzuweichen. Eine solche Abweichung wäre es jedoch, wenn dem Wunsch des Gesetzgebers, den „wahren“ Inhalt früher gesetzten Rechts nachträglich festzulegen und eine seinen Vorstellungen widersprechende Auslegung auch für die Vergangenheit zu korrigieren, Grenzen nur im Hinblick auf bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Einzelverfahren oder bei Rechtslagen gesetzt wären, die keinen ernsthaften Auslegungsspielraum lassen. Damit würde der in der ständigen Rechtsprechung entwickelte besondere Schutz gegen Gesetze mit echter Rückwirkung ebenso preisgegeben wie die Differenzierung zwischen grundsätzlich unzulässiger echter und grundsätzlich zulässiger unechter Rückwirkung.

4. Hält das Bundesverfassungsgericht - wie hier - eine rückwirkende gesetzliche „Klarstellung“ für verfassungswidrig und nichtig, haben die Fachgerichte die hiervon betroffenen Streitfälle nach der alten Rechtslage durch Auslegung zu entscheiden. Die höchstrichterliche Klärung durch den Bundesfinanzhof kann vorliegend ergeben, dass die Norm so zu verstehen ist, wie es der Gesetzgeber nachträglich „klarstellen“ wollte.

Abweichende Meinung des Richters Masing:

Entgegen ihrem ersten Anschein betrifft die Entscheidung nicht fachrechtliche Spezialprobleme, sondern grundsätzliche Fragen zur Reichweite der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers für unklare, offengebliebene Rechtsfragen der Vergangenheit - hier für steuerrechtliche Abschreibungsmöglichkeiten von Verlusten, die Finanzinstitute insbesondere in Folge der Anschläge des 11. September 2001 erlitten haben. In ihr liegt eine gravierende Störung der Balance zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip zu Lasten des Parlaments.

1. Die Entscheidung entzieht dem Rückwirkungsverbot sein auf subjektive Freiheitssicherung ausgerichtetes Fundament und ersetzt sie durch abstrakte, in der Sache unzutreffende Vorstellungen der Gewaltenteilung.
Die Senatsmehrheit geht ausdrücklich davon aus, dass die Fachgerichte auf Basis des ursprünglichen Rechts zum Ergebnis kommen können, dass § 8b Abs. 3 KStG in den hier in Rede stehenden Fällen anwendbar ist. Diese Frage dürfe rückwirkend aber nicht der Gesetzgeber klären; die Klärung sei allein den Fachgerichten vorbehalten. Dem Gesetzgeber wird so eine Regelung verboten, die die Gerichte durch Auslegung ohne weiteres herbeiführen dürfen. Damit wird die Verankerung des Rückwirkungsverbots im Vertrauensschutz der Sache nach aufgehoben. Wenn hier überhaupt noch eine Brücke zu irgendeiner Form von Vertrauen auszumachen ist, so kann diese allenfalls in dem abstrakten Vertrauen in einen Vorrang der Rechtsprechung durch die Fachgerichte gesucht werden. Geschützt wird das Vertrauen in die Chance einer für die Betreffenden günstigen Rechtsprechung. Gerade dies aber zeigt, wie weit sich die Entscheidung von dem ursprünglichen Anliegen der Rückwirkungsrechtsprechung entfernt.
Galt die Rückwirkungsrechtsprechung zunächst dem Schutz des Vertrauens zur Sicherung individueller Freiheitswahrnehmung, so gilt sie nun der Durchsetzung objektiver Gewaltenteilungsvorstellungen und sichert ein Reservat der Rechtsprechung gegenüber dem Gesetzgeber.

2. Das Verbot der echten Rückwirkung wird im Ergebnis zu einem apriorischen Prinzip der Gewaltenteilung verselbständigt, das im Grundgesetz keine Grundlage hat. Zu entscheiden, was Recht sein soll, ist im demokratischen Rechtsstaat grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, der hierfür gewählt wird und sich in einem politischen Prozess vor der Öffentlichkeit verantworten muss. Dies betrifft grundsätzlich auch die Entscheidung über Probleme, die in der Vergangenheit wurzeln, oder die Klärung von Streitfragen, die offengeblieben und lösungsbedürftig sind.
Die Vorstellung, der Gesetzgeber habe nur einen Versuch frei, dürfe dann aber auf die im Laufe der Zeit aufkommenden Probleme bis zu einer Neuregelung pro futuro keinen klärenden Zugriff mehr nehmen, hat in den Legitimationsgrundlagen unserer Verfassungsordnung kein Fundament.
Selbstverständlich kann der Gesetzgeber nicht ohne Weiteres nachträglich in bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Einzelverfahren eingreifen oder für abgeschlossene Zeiträume ein Verhalten neu bewerten und mit Sanktionen belegen, mit denen die Betreffenden nicht rechnen mussten. Dies ist der zutreffende Kern der Rückwirkungsrechtsprechung.
Solche Einschränkungen des Gesetzgebers müssen sich aber jeweils mit einem spezifischen Schutzbedürfnis der Betroffenen begründen lassen.

Die Entscheidung leuchtet zudem weder funktional noch praktisch ein:
Angesichts der immer komplexer werdenden Anforderungen an die Gesetzgebung kann nicht ernsthaft erwartet werden, dass alle Zweifelsfragen, Missverständnisse und sinnwidrigen Praktiken, die eine Neuregelung hervorbringt, stets von vornherein überschaut werden können.
Eine rückwirkende Klarstellung durch den Gesetzgeber kann hier unter Umständen mit einem Schlag unmittelbar alle offenen Streitfälle einheitlich lösen und Rechtssicherheit schaffen. Als Folge der
Entscheidung müssen demgegenüber nun alle angefallenen Zweifelsfälle - gegebenenfalls mit hohen Kosten und über lange Zeiträume vor Gericht durch die Instanzen prozessiert werden. Hierbei haben die Gerichte nachdem vom Gesetzgeber gemeinten Sinn zu suchen und sehen sich unter Umständen zu demokratisch nicht angeleiteten Setzungen eigener Gerechtigkeitsvorstellungen genötigt.

3. In der Entscheidung liegt zugleich eine tiefgreifende Wende der Rückwirkungsrechtsprechung. Zwar knüpft die Entscheidung an Obersätze an, die der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnommen sind und entwickelt diese seinem Selbstverständnis nach nur präzisierend fort. Der Sache nach aber löst sie diese dabei aus ihrem bisherigen Kontext und gibt ihnen eine neue Bedeutung, die mit den Wertungen der bisherigen Entscheidungen des Gerichts bricht.

Eine Durchsicht der bisherigen Rechtsprechung zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Aufhebung von Gesetzen wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot bisher sehr zurückhaltend und immer streng auf den Schutz eines konkreten Vertrauens bedacht war. Noch nie ist eine Regelung aufgehoben worden, ohne dass Vertrauen auf eine Rechtslage enttäuscht wurde, die geeignet war, als Grundlage für individuelle Dispositionen zu dienen. Dies gilt insbesondere auch für Fälle, in denen sich der Gesetzgeber auf eine „authentische Interpretation“ berief.
Dabei wurde gerade in jüngerer Zeit ein solches Vertrauen selbst dann verneint, wenn eine höchstgerichtliche, durch den Gesetzgeber geänderte Rechtsprechung vorlag. Warum diese Kriterien, die dort in Bezug auf bestimmte Rentner und Beamte zum Tragen kam, gegenüber den Banken in einem weithin spekulativen Geschäftsbereich nicht zur Anwendung kommen sollen, ist nicht einleuchtend.

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein konsequentes Abstellen auf das Vertrauenskriterium den Grundsatz des Verbots echt rückwirkender Gesetze und die Schutzstandards der Rechtsprechung preisgebe, weil dann unter beliebiger Berufung auf Klärungsbedarf gesetzliche Entscheidungen nachträglich umgedreht werden könnten. Denn aus der Auslegungsbedürftigkeit des Rechts lässt sich nicht herleiten, dass gesetzliche Grundentscheidungen und die zu ihrer Umsetzung getroffenen Bestimmungen in aller Regel unbegrenzt auslegungsoffen sind und unsere Rechtsordnung schon grundsätzlich nicht in der Lage ist, konkretes Vertrauen in bestimmte Rechtsfolgen zu begründen oder Grundlagen zu schaffen, auf die sich Dispositionen stützen lassen. Immer, aber auch nur dann, wenn eine solches Vertrauen besteht, hat das Rückwirkungsverbot seine Berechtigung.

4. Die streitbefangenen Normen geben auch sachlich keinen Anlass, von einem Vertrauen der klagenden Banken in die steuerrechtliche Berücksichtigung ihrer Verluste auszugehen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber Gewinne aus Anteilen an Investmentfonds von Steuern freistellen, hiermit verbundene Verluste aber steuermindernd anerkennen wollte. Dass eine solche Lösung schon ursprünglich nicht intendiert war, ist bei sachgerechter Auslegung jedenfalls naheliegend - jedenfalls aber konnten die Banken auf eine solche Auslegung keine Dispositionen stützen konnten. Wenig einleuchtend sind auch die in der Entscheidung ergänzend herangezogenen Abgrenzungskriterien für die Anerkennung von Ausnahmen.
Verfassungsrechtlich zulässig sei eine rückwirkende Regelung nur, wenn die alte Regelung zu einer durchgreifend unverständlichen oder verworrenen Rechtslage geführt hätte. Danach darf der Gesetzgeber also das, was er als Redaktionsfehler ansieht, hier deshalb nicht selbst klären, weil der Fehler zu geringfügig war; hätte er gravierendere und größere Verwirrung stiftende Fehler begangen, wäre dies hingegen möglich. Solche Abgrenzungen überzeugen nicht.

Quelle: PM Nr. 12/2014 vom 20. Februar 2014




Donnerstag, 27. Februar 2014

Vergnügungssteuer bald vor Bundesgericht

Höchstwahrscheinlich wird die Frage der Vergnügungssteuer bald vor dem Bundesfinanzhof in München geklärt. Denn am 20. Februar 2014 sprach das Finanzgericht Bremen in einem Verfahren, welches den Einspruch gegen einen Vergnügungssteuerbescheid eines Bremer Finanzamtes zum Gegenstand hatte, zwar ein abweisendes Urteil, ließ aber Revision zu.

Die Gauselmann Gruppe strengte das Verfahren in Bremen an. Gerügt wurde seitens des Klägers unter anderem
  • die formelle Verfassungswidrigkeit des Bremer Vergnügungssteuergesetzes
  • die mangelnde kalkulatorische Abwälzbarkeit der Vergnügungssteuer
  • der Verbotscharakter des Bremer Vergnügungssteuergesetzes
  • die Unverhältnismäßigkeit des Vergnügungssteuergesetzes
  • die Ungleichbehandlung gegenüber Spielbanken

Der Justiziar des Bundesverband Automatenunternehmer, Stephan Burger, meint: "Obwohl es sich hier lediglich um einen Einzelfall handelt, scheint es angezeigt, Vergnügungssteuerbescheide nunmehr offen zu halten". Er rät allerdings dringend dazu, sich mit dem Steuerberater beziehungsweise Rechtsanwalt abzustimmen.

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Neue Systemrichtlinie veröffentlicht

Im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 9 vom 14. Januar 2009, Seite 12, wurde die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG veröffentlicht.

Sie trat am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Die Richtlinie 2008/118/EG wird die im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 76 vom 23. März 1992, Seite 1, veröffentlichte und in der Zwischenzeit mehrfach geänderte Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren ablösen, die mit Wirkung vom 1. April 2010 aufgehoben wird. Sie enthält Bestimmungen, nach denen Beförderungen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung zwischen den Mitgliedstaaten ab dem 1. April 2010 mit dem EMCS ("Excise Movement and Control System") erfolgen können. Ab dem 1. Januar 2011 ist das EMCS nach der neuen Systemrichtlinie dann zwingend anzuwenden.

Die Richtlinie 2008/118/EG wird mit dem Vierten Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, das von der Bundesregierung am 18. Februar 2009 beschlossen wurde, in nationales Recht umgesetzt. Die entsprechenden Änderungen der Verbrauchsteuergesetze sollen am 1. April 2010 in Kraft treten.
Weitere Informationen

Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008
Gesetzesentwurf vom 18. Februar 2009

Quelle: Zoll online

Allgemeines System, Besitz und Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren

Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für verbrauchsteuerpflichtige Waren fest, um deren freien Warenverkehr und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts in der Europäischen Union zu gewährleisten.

RECHTSAKT

Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG [Vgl. ändernde(r) Rechtsakt(e)].


ZUSAMMENFASSUNG

Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für Verbrauchsteuern fest, die auf den Verbrauch folgender Waren erhoben werden:

Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemäß der Richtlinie 2003/96/EG;
Alkohol und alkoholische Getränke gemäß den Richtlinien 92/83/EWG und 92/84/EWG;Tabakwaren gemäß den Richtlinien 95/59/EG, 92/79/EG und 92/80/EG.

Diese Waren werden verbrauchsteuerpflichtig mit:
ihrer Herstellung und, gegebenenfalls, ihrer Gewinnung, innerhalb des Gebiets der Europäischen Union (EU); ihrer Einfuhr in das Gebiet der EU.

Sofern keine Formalitäten beim Grenzübertritt innerhalb der EU anfallen, können die Mitgliedstaaten außerdem Steuern erheben auf:

andere als verbrauchsteuerpflichtige Waren;
Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt.

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EuGH erklärt spanische Spezial-Steuer rückwirkend für illegal

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Ungarische Sondersteuer unzulässig!
EuGH, vom 5. Februar 2014, Rechtssache C-385/12, s.u.
Nationale Steuerregelung, mit der eine Sondersteuer auf den Einzelhandelsumsatz in Verkaufsräumen eingeführt wird - Bestehen einer diskriminierenden Wirkung - Mittelbare Diskriminierung.
Generalanwältin Kokott weist darauf hin, dass die ungarische Sondersteuer möglicherweise gegen Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie verstoße. (s. 5. Rn. 90ff)

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Spanien hat vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine schwere Niederlage erlitten.

Verstoß gegen die Verbrauchsteuerrichtlinie


Der EuGH erklärte am Donnerstag in Luxemburg eine indirekte Steuer für illegal, die in Spanien in der Zeit von 2002 bis 2012 für den Einzelhandelsverkauf bestimmter Mineralöle erhoben worden war. Nach Ansicht des Gerichts verstieß die Abgabe gegen das EU-Recht...

Der spanische Staat hatte mit der Steuer insgesamt etwa 13 Milliarden Euro zu Unrecht bei Unternehmern und Verbrauchern eingenommen. Die Entscheidung des EuGH, dass die Abgabe illegal war, gilt auch rückwirkend. Das Gericht begründete dies damit, dass Spanien frühzeitig gewarnt worden sei, dass die Steuer mit dem EU-Recht nicht vereinbar sei.
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Hintergrund:

Nach der Richtlinie können jedoch auf Mineralöle andere indirekte Steuern als die durch sie eingeführte harmonisierte Verbrauchsteuer erhoben werden, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie). Zum einen müssen diese Steuern eine oder mehrere besondere Zielsetzungen verfolgen. Zum anderen müssen sie die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten.
Der EuGH ist der Auffassung, dass eine solche Steuer keine besondere Zielsetzung im Sinne der Verbrauchsteuerrichtlinie hat. Damit eine Zielsetzung besonders ist, dürfe sie nicht reine Haushaltszwecke verfolgen.
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EuGH: Schlussanträge Rs C-82/12
In seinen Schlussanträgen vertritt Generalanwalt Wahl die Auffassung, dass die IVMDH gegen die Verbrauchsteuerrichtlinie verstößt. Er prüft die IVMDH anhand der oben genannten Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Steuer wie die IVMDH mit der Verbrauchsteuerrichtlinie vereinbar ist.
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

27. Februar 2014(*)

„Indirekte Steuern – Verbrauchsteuern – Richtlinie 92/12/EWG – Art. 3 Abs. 2 – Mineralöle – Steuer auf den Einzelhandelsverkauf – Begriff ‚besondere Zielsetzung‘ – Übertragung von Zuständigkeiten auf die Autonomen Gemeinschaften – Finanzierung – Im Voraus festgelegte Verwendung – Ausgaben für die Gesundheitsversorgung und die Umwelt“

In der Rechtssache C-82/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Spanien) mit Entscheidung vom 29. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Februar 2012, in dem Verfahren

Transportes Jordi Besora SL

gegen

Generalitat de Catalunya

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Transportes Jordi Besora SL, vertreten durch C. Jover Ribalta und I. Mallol Bosch, abogadas,

–        der Generalitat de Catalunya, vertreten durch M. Nieto García und N. París Doménech, abogadas de la Generalitat,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch G. Papagianni als Bevollmächtigte,

–        der französischen Regierung, vertreten durch J.-S. Pilczer als Bevollmächtigten,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch A. Cunha, L. Inez Fernandes und R. Collaço als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und J. Baquero Cruz als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Oktober 2013

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Transportes Jordi Besora SL (im Folgenden: TJB) und der Generalitat de Catalunya wegen einer Entscheidung der Oficina Gestora de Impuestos Especiales de Tarragona (Amt für Verbrauchsteuerverwaltung von Tarragona, im Folgenden: Amt für Verbrauchsteuerverwaltung), mit der TJB die Erstattung der Steuer auf den Einzelhandelsverkauf bestimmter Mineralöle (Impuesto sobre las Ventas Minoristas de Determinados Hidrocarburos, im Folgenden: IVMDH) verweigert wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/12 heißt es:

„(1)      Diese Richtlinie findet auf Gemeinschaftsebene Anwendung auf die folgenden in den einschlägigen Richtlinien definierten Waren:

–        Mineralöle,



(2)      Auf die in Absatz 1 genannten Waren können andere indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden, sofern diese Steuern die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten.“

 Spanisches Recht

4        Mit Art. 9 des Gesetzes 24/2001 über steuer-, verwaltungs- und sozialrechtliche Maßnahmen (Ley 24/2001 de Medidas Fiscales, Administrativas y del Orden Social) vom 27. Dezember 2001 (BOE Nr. 313 vom 31. Dezember 2001, S. 50493) in der durch Art. 7 des Gesetzes 53/2002 über steuer-, verwaltungs- und sozialrechtliche Maßnahmen (Ley 53/2002 de Medidas Fiscales, Administrativas y del Orden Social) vom 30. Dezember 2002 (BOE Nr. 313 vom 31. Dezember 2002, S. 46086) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz 24/2001) wurde im spanischen Recht die IVMDH eingeführt, die am 1. Januar 2002 in Kraft trat.

5        Art. 9 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Gesetzes 24/2001 lautet:

„1.      Die [IVMDH] ist eine indirekte Abgabe auf [den] Verbrauch [bestimmter Mineralöle], die auf einer einzigen Stufe auf Einzelhandelsverkäufe von Waren, die in ihren sachlichen Anwendungsbereich fallen, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes erhoben wird.

2.      Die Übertragung der Steuer auf die Autonomen Gemeinschaften wird durch die Vorschriften über die Übertragung von Steuern des Staates auf die Autonomen Gemeinschaften geregelt; der Umfang und die Voraussetzungen werden für jede Autonome Gemeinschaft durch das Übertragungsgesetz der jeweiligen Gemeinschaft geregelt.

3.      Die Einnahmen aus dieser Steuer werden in vollem Umfang zur Finanzierung von Ausgaben im Gesundheitswesen verwendet, die an landesweit festgelegten objektiven Kriterien ausgerichtet sind. Unbeschadet dessen kann der Anteil der Einnahmen, der sich aus den Steuersätzen der Autonomen Gemeinschaften ergibt, zur Finanzierung von Umweltmaßnahmen verwendet werden, die an derselben Art von Kriterien ausgerichtet sein müssen.“

6        Nach Art. 9 Abs. 3 des genannten Gesetzes handelt es sich bei den Mineralölen, die in den sachlichen Anwendungsbereich der IVMDH fallen, insbesondere um Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin, das nicht als Heizstoff verwendet wird.

7        Nach Art. 9 Abs. 4 Nr. 1 des genannten Gesetzes sind unter Einzelhandelsverkäufen folgende Vorgänge zu verstehen:

„a)      Verkauf oder Lieferung von in den sachlichen Anwendungsbereich fallenden Waren, die zum unmittelbaren Verbrauch durch die Käufer bestimmt sind. Jedenfalls als ‚Einzelhandelsverkäufe‘ werden Verkäufe angesehen, die in öffentlichen Einzelhandelsverkaufslokalen im Sinne von Nr. 2 Buchst. a dieses Absatzes erfolgen, unabhängig davon, welche Bestimmung die Käufer den gekauften Waren geben;

b)      Einfuhr und innergemeinschaftlicher Erwerb von in den sachlichen Anwendungsbereich fallenden Waren, wenn sie unmittelbar zum Verbrauch durch den Importeur oder den Erwerber in einer Einrichtung für den Eigenverbrauch bestimmt sind.“

8        Art. 9 Abs. 8 des Gesetzes 24/2001 bestimmt die Entstehung der IVMDH wie folgt:

„1.      Die Steuer entsteht mit der Auslieferung der in ihren sachlichen Anwendungsbereich fallenden Ware an den Erwerber bzw. mit der Entnahme dieser Ware zum Eigenverbrauch, sofern das Verfahren der Steueraussetzung im Sinne von Art. 4 Abs. 20 des Gesetzes 38/1992 vom 28. Dezember 1992 über die Verbrauchsteuern beendet ist.

2.      Bei Einfuhren im Sinne von Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b entsteht die Steuer, wenn die in den sachlichen Anwendungsbereich fallenden Waren den Importeuren zur Verfügung gestellt werden, vorausgesetzt, dass die Überführung der genannten Waren in den zollrechtlich freien Verkehr und das Verfahren der Steueraussetzung im Sinne von Art. 4 Abs. 20 des Gesetzes 38/1992 beendet sind.“

9        Art. 9 Abs. 9 des Gesetzes 24/2001 bestimmt insbesondere, dass Bemessungsgrundlage das Volumen der steuerpflichtigen Waren ist.

10      Art. 9 Abs. 10 dieses Gesetzes definiert den Steuersatz folgendermaßen:

„1.      Der auf die jeweilige Ware anzuwendende Steuersatz ergibt sich aus der Summe des staatlichen Steuersatzes und des Steuersatzes der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft.

2.      Staatlicher Steuersatz:



3.      Der Steuersatz der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft wird nach Maßgabe des Gesetzes [21/2001] zur Regelung der … steuer- und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen des neuen Systems zur Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften und Autonomen Städte [Ley 21/2001, por la que se regulan las medidas fiscales y administrativas del nuevo sistema de financiación de las Comunidades Autónomas de Régimen Común y Ciudades con Estatuto de Autonomía, vom 27. Dezember 2001 (BOE Nr. 313 vom 31. Dezember 2001, S. 50383)] von der Autonomen Gemeinschaft festgelegt. Hat eine Autonome Gemeinschaft keinen Steuersatz festgelegt, wird nur der staatliche Steuersatz angewandt.

…“

11      Art. 9 Abs. 11 des Gesetzes 24/2001 bestimmt, dass der Steuerpflichtige den Betrag der geschuldeten Steuer auf den Erwerber der Waren abzuwälzen hat, der die Steuer zu tragen hat, soweit nicht der Steuerpflichtige Endverbraucher ist.

12      Die IVMDH wurde gemäß dem Gesetz 21/2001 auf die Autonomen Gemeinschaften übertragen.

13      Der autonom festgelegte Steuersatz der IVMDH, der seit dem 4. August 2004 in der Autonomen Gemeinschaft Katalonien anwendbar ist, wird durch das Gesetz 7/2004 über steuer- und verwaltungsrechtliche Maßnahmen (Ley 7/2004 de medidas fiscales y administrativas) vom 16. Juli 2004 (BOE Nr. 235 vom 29. September 2004, S. 32391) festgesetzt.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14      TJB, ein im Gebiet der Autonomen Gemeinschaft Katalonien niedergelassenes Gütertransportunternehmen, zahlte als Endverbraucher einen Betrag von 45 632,38 Euro als IVMDH für die Steuerjahre 2005 bis 2008.

15      Am 30. November 2009 beantragte TJB beim Amt für Verbrauchsteuerverwaltung die Erstattung des genannten Betrags mit der Begründung, dass die IVMDH gegen Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 verstoße, da diese Steuer ein rein budgetäres Ziel verfolge und weder die Struktur der unionsrechtlichen Regelung im Bereich der Mehrwertsteuer beachte noch diejenige im Bereich der Verbrauchsteuern.

16      Mit Entscheidung vom 1. Dezember 2009 lehnte das Amt für Verbrauchsteuerverwaltung Especiales den Antrag ab.

17      Mit Entscheidung vom 10. Juni 2010 wies das Tribunal Económico-Administrativo Regional de Cataluña (Regionales Wirtschaftsverwaltungsgericht von Katalonien) die Klage von TJB gegen die Entscheidung des Amts für Verbrauchsteuerverwaltung ab.

18      Das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberster Gerichtshof von Katalonien), bei dem Rechtsmittel gegen diese Entscheidung eingelegt worden ist, hat Zweifel an der Vereinbarkeit der IVMDH mit Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12. Es möchte insbesondere wissen, ob davon auszugehen sei, dass diese Steuer eine besondere Zielsetzung im Sinne dieser Bestimmung habe, da sie dazu bestimmt sei – neben möglichen Umweltausgaben –, die neuen auf die Autonomen Gemeinschaften im Gesundheitsbereich übertragenen Zuständigkeiten zu finanzieren, obwohl die durch die genannte Richtlinie geschaffene Verbrauchsteuer bereits darauf gerichtet sei, die Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Das vorlegende Gericht vertritt außerdem die Ansicht, dass die Bestimmungen über die Entstehung der IVMDH weder die Grundsätze der Verbrauchsteuern beachteten, da die IVMDH mit dem Verkauf an den Endverbraucher entstehe, noch die Grundsätze der Mehrwertsteuer, da die IVMDH nicht auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben werde.

19      Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 und insbesondere die Voraussetzung der „besonderen Zielsetzung“ einer bestimmten Steuer

a)      dahin auszulegen, dass diese Bestimmung verlangt, dass das verfolgte Ziel nicht mit einer anderen harmonisierten Steuer erreicht werden kann;

b)      dahin auszulegen, dass eine rein budgetäre Zielsetzung vorliegt, wenn eine bestimmte Abgabe gleichzeitig mit der Übertragung von Zuständigkeiten auf Autonome Gemeinschaften eingeführt worden ist, auf die wiederum die Erträge aus der Erhebung dieser Abgabe übertragen werden, damit sie einen Teil der aus den übertragenen Zuständigkeiten resultierenden Kosten bestreiten können, wobei die Autonomen Gemeinschaften unterschiedliche Steuersätze für ihr Gebiet einführen können?

c)      Sollte die vorhergehende Frage verneint werden: Ist der Begriff der „besonderen Zielsetzung“ dahin auszulegen, dass sie sich auf ein einziges Ziel bezieht, oder ist es vielmehr zulässig, mehrere verschiedene Ziele zu verfolgen, zu denen auch das rein budgetäre Ziel der Finanzierung bestimmter Zuständigkeiten gehört?

d)      Sollte die vorhergehende Frage dahin beantwortet werden, dass es zulässig ist, mehrere Ziele zu verfolgen: Welchen Grad an Bedeutung muss ein bestimmtes Ziel im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 haben, damit die Voraussetzung erfüllt ist, dass die Abgabe einer „besonderen Zielsetzung“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs dient, und nach welchen Kriterien richtet sich die Abgrenzung der hauptsächlichen von der untergeordneten Zielsetzung?

2.      Steht Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 und insbesondere die Bedingung, dass die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Steuerentstehung beachtet werden müssen,

a)      einer indirekten nicht harmonisierten Steuer (wie der IVMDH), die anders als die harmonisierte Steuer (Impuesto sobre Hidrocarburos, die erhoben wird, wenn die Waren das letzte Steuerlager verlassen) oder die Mehrwertsteuer (die zwar auch beim Einzelhandelsverkauf an den Endverbraucher erhoben wird, aber auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe geschuldet wird) nur auf der Stufe des Verkaufs des Treibstoffs an den Endverbraucher erhoben wird, entgegen, da sie nicht – mit den Worten des Urteils vom 9. März 2000, EKW und Wein & Co. (C-437/97, Slg. 2000, I-1157, Rn. 47) – einer dieser beiden Besteuerungstechniken, wie sie im Unionsrecht ausgestaltet sind, strukturell entspricht?

b)      Sollte die vorhergehende Frage verneint werden: Ist davon auszugehen, dass die Bedingung der Beachtung der genannten Grundsätze, ohne dass im Hinblick auf die Entstehung der Steuer Übereinstimmungen bestehen müssen, bereits erfüllt ist, weil die indirekte nicht harmonisierte Steuer (in diesem Fall die IVMDH) keine Auswirkungen auf den normalen Mechanismus der Entstehung der Verbrauchsteuern bzw. der Mehrwertsteuer hat, und zwar in dem Sinne, dass sie ihn weder behindert noch erschwert?

 Zu den Vorlagefragen

20      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, durch die eine Steuer auf den Einzelhandelsverkauf von Mineralölen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende IVMDH eingeführt wird.

21      Nach Art.  3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 können auf Mineralöle andere indirekte Steuern als die durch diese Richtlinie eingeführte Verbrauchsteuer erhoben werden, sofern diese Steuern eine oder mehrere besondere Zielsetzungen verfolgen und die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten (vgl. Urteil EKW und Wein & Co., Rn. 30).

22      Bei diesen beiden Voraussetzungen, durch die verhindert werden soll, dass der Handelsverkehr durch zusätzliche indirekte Steuern übermäßig behindert wird (Urteile vom 24. Februar 2000, Kommission/Frankreich, C-434/97, Slg. 2000, I-1129, Rn. 26, sowie EKW und Wein & Co., Rn. 46), handelt es sich, wie bereits aus dem Wortlaut der genannten Bestimmung hervorgeht, um kumulative Voraussetzungen.

23      Zur ersten der beiden Voraussetzungen geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass unter einer besonderen Zielsetzung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 eine Zielsetzung zu verstehen ist, die andere als reine Haushaltszwecke verfolgt (vgl. Urteile Kommission/Frankreich, Rn. 19, EKW und Wein & Co., Rn. 31, und vom 10. März 2005, Hermann, C-491/03, Slg. 2005, I-2025, Rn. 16).

24      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Einnahmen aus der IVMDH den Autonomen Gemeinschaften zugewiesen worden sind, um die Ausübung bestimmter Zuständigkeiten dieser Gemeinschaften zu finanzieren. Wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen hervorgeht, ergibt sich der Satz dieser Steuer aus der Summe des auf nationaler Ebene festgesetzten Steuersatzes und des von der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft festgesetzten Steuersatzes.

25      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die Stärkung der Autonomie einer Gebietskörperschaft durch die Einräumung der Befugnis zur Steuererhebung eine rein fiskalische Zielsetzung darstellt, die als solche keine besondere Zielsetzung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 darstellt (Urteil EKW und Wein & Co., Rn. 33).

26      Die Generalitat de Catalunya und die spanische Regierung, unterstützt durch die griechische und die französische Regierung, betonen jedoch, dass die Einnahmen aus der IVMDH den Autonomen Gemeinschaften nicht allgemein mit der rein budgetären Zielsetzung einer Stärkung ihrer Finanzkraft zugewiesen würden, sondern mit dem Ziel, die Belastung auszugleichen, die ihnen aus der Ausübung der im Gesundheits- und im Umweltbereich übertragenen Zuständigkeiten entstanden sei. Nach Art. 9 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes 24/2001 seien nämlich die Einnahmen aus dieser Steuer, die sich aus dem auf nationaler Ebene festgesetzten Steuersatz und aus dem durch die jeweilige Autonome Gemeinschaft festgesetzten Steuersatz ergäben, zwingend für die Finanzierung von Ausgaben im Gesundheitswesen zu verwenden, während der Anteil der Einnahmen, der sich aus dem letztgenannten Steuersatz ergebe, gegebenenfalls zur Finanzierung von Ausgaben im Umweltbereich verwendet werden könne. Im Unterschied zur Verbrauchsteuer, die speziell auf die Erzielung rein budgetärer Einnahmen gerichtet sei, trage die IVMDH durch ihre Ausgestaltung und ihre Auswirkungen zur besonderen Zielsetzung der Verringerung der Kosten bei, die der Allgemeinheit durch den Mineralölverbrauch entstünden.

27      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass jede Steuer notwendigerweise eine budgetäre Zielsetzung verfolgt und deshalb der bloße Umstand, dass eine Steuer wie die IVMDH ein budgetäres Ziel verfolgt, als solcher nicht ausreichen kann, um auszuschließen, dass diese Steuer auch eine besondere Zielsetzung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 hat, denn andernfalls würde diese Bestimmung ausgehöhlt (vgl. in diesem Sinne Urteil EKW und Wein & Co., Rn. 33).

28      Im Übrigen kann entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in den Nrn. 26 und 27 seiner Schlussanträge der Umstand, dass die Einnahmen aus einer Steuer wie der IVMDH im Voraus dafür bestimmt werden, dass regionale Behörden wie die Autonomen Gemeinschaften Zuständigkeiten finanzieren, die der Staat auf sie im Gesundheits- und im Umweltbereich übertragen hat, einen Gesichtspunkt darstellen, der für die Feststellung, ob eine besondere Zielsetzung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 vorliegt, zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil EKW und Wein & Co., Rn. 35).

29      Eine derartige Zweckbestimmung, die sich aus einer bloßen internen Organisationsvorschrift für den Haushalt eines Mitgliedstaats ergibt, kann dabei jedoch als solche nicht genügen, da jeder Mitgliedstaat unabhängig von der Zielsetzung vorschreiben kann, die Einnahmen aus einer Steuer zur Finanzierung bestimmter Ausgaben zu verwenden. Andernfalls könnte jede Zielsetzung als besonders im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 angesehen werden, was der durch diese Richtlinie eingeführten harmonisierten Verbrauchsteuer jede praktische Wirksamkeit nähme und gegen den Grundsatz verstieße, dass eine Ausnahmebestimmung wie Art. 3 Abs. 2 eng ausgelegt werden muss.

30      Damit bei einer Steuer wie der IVMDH von einer besonderen Zielsetzung im Sinne der genannten Bestimmung ausgegangen werden kann, muss sie vielmehr selbst darauf gerichtet sein, den Gesundheits- und den Umweltschutz zu gewährleisten. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 28 und 29 seiner Schlussanträge sinngemäß festgestellt hat, wäre dies insbesondere der Fall, wenn die Einnahmen aus dieser Steuer zwingend dafür zu verwenden wären, die sozialen und die umweltbezogenen Kosten zu senken, die auf spezifische Weise mit dem Verbrauch der mit der Steuer belasteten Mineralöle zusammenhängen, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Verwendung der Einnahmen und der Zielsetzung der fraglichen Steuer bestünde.

31      Im Ausgangsverfahren ist jedoch unstrittig, dass die Einnahmen aus der IVMDH von den Autonomen Gemeinschaften für gesundheitsbezogene Ausgaben im Allgemeinen und nicht für gesundheitsbezogene Ausgaben, die auf spezifische Weise mit dem Verbrauch der besteuerten Mineralöle zusammenhängen, verwendet werden müssen. Solche allgemeinen Ausgaben können aber durch die Einnahmen aus jedweder Steuer finanziert werden.

32      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen geht zudem hervor, dass die in Rede stehende nationale Regelung keinen Mechanismus vorsieht, durch den die Verwendung der Einnahmen aus der IVMDH zu Umweltzwecken im Voraus festgelegt würde. Ohne eine solche im Voraus vorgenommene Festlegung der Verwendung kann aber bei einer Steuer wie der IVMDH – wie dies der Generalanwalt in den Nrn. 25 und 26 seiner Schlussanträge sinngemäß festgestellt hat – nur dann davon ausgegangen werden, dass sie selbst auf die Gewährleistung des Umweltschutzes gerichtet ist und folglich eine besondere Zielsetzung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 verfolgt, wenn diese Steuer hinsichtlich ihrer Struktur, insbesondere des Steuergegenstands und des Steuersatzes, derart gestaltet ist, dass sie die Steuerpflichtigen davon abhält, Mineralöle zu verwenden, oder die Verwendung anderer Erzeugnisse mit weniger schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt fördert.

33      Aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten geht jedoch nicht hervor, dass dies im Ausgangsrechtsstreit der Fall wäre. Auch in den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wurde in keiner Weise geltend gemacht, dass die IVMDH derart ausgestaltet sei.

34      Daraus folgt, dass bei einer Steuer wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden IVMDH, die nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen gegenwärtig vom Satz der harmonisierten Verbrauchsteuer umfasst ist, nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie eine besondere Zielsetzung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 verfolgt.

35      Folglich ist – ohne dass es notwendig wäre, zu prüfen, ob die zweite Voraussetzung in Art. 3 Abs. 2 der genannten Richtlinie, nämlich die Beachtung der Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer, erfüllt ist – der Schluss zu ziehen, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 dahin auszulegen ist, dass er es ausschließt, eine Steuer wie die IVMDH als im Einklang mit den Erfordernissen dieser Bestimmung stehend anzusehen.

36      Daher ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, durch die eine Steuer auf den Einzelhandelsverkauf von Mineralölen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende IVMDH eingeführt wird, denn bei einer solchen Steuer kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine besondere Zielsetzung im Sinne dieser Bestimmung verfolgt, da diese Steuer, die dazu bestimmt ist, die Ausübung der Zuständigkeiten der betroffenen Gebietskörperschaften im Gesundheits- und im Umweltbereich zu finanzieren, nicht selbst darauf gerichtet ist, den Gesundheits- und den Umweltschutz zu gewährleisten.

 Zur zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des Urteils

37      In ihren schriftlichen Erklärungen haben die Generalitat de Catalunya und die spanische Regierung beantragt, die Wirkungen des vorliegenden Urteils zeitlich zu beschränken, falls der Gerichtshof feststellen sollte, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 der Einführung einer Steuer wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden IVMDH entgegensteht.

38      Die Generalitat de Catalunya und die spanische Regierung weisen den Gerichtshof zur Stützung ihres Antrags auf die schwerwiegenden finanziellen Folgen hin, die ein Urteil hätte, das eine solche Feststellung enthält. Die IVMDH habe in der Tat zu zahlreichen Verfahren geführt. Aber die Verpflichtung zur Erstattung dieser Steuer, deren Aufkommen im Zeitraum von 2002 bis 2011 sich auf ungefähr 13 Mrd. Euro belaufen habe, würde die Finanzierung der öffentlichen Gesundheit in den Autonomen Gemeinschaften gefährden.

39      Außerdem machen sie geltend, dass sie angesichts des Verhaltens der Europäischen Kommission guten Glaubens zu der Überzeugung gelangt seien, dass die genannte Steuer mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Die Dienststellen der Kommission, die von den spanischen Behörden vor der Einführung dieser Steuer konsultiert worden seien, hätten in ihren am 14. Juni 2001 den spanischen Behörden übermittelten Gutachten nicht die Möglichkeit in Abrede gestellt, eine Steuer auf Mineralöle einzuführen, die darauf abziele, die auf die Autonomen Gemeinschaften übertragenen Zuständigkeiten im Gesundheits- und im Umweltbereich zu finanzieren, sondern hätten sich darauf beschränkt, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die IVMDH mit dem Unionsrecht in Einklang gebracht werden könne. Auch die spanischen Gerichte hätten zu keinem Zeitpunkt die Vereinbarkeit dieser Steuer mit dem Unionsrecht angezweifelt. Zudem sei das von der Kommission im Jahr 2002 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren seit mehreren Jahren ausgesetzt. Schließlich hätten die spanischen Behörden nach der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission mit dem Organgesetz 2/2012 über die Haushaltsstabilität und die Rentabilität (Ley Orgánica 2/2012, de Estabilidad Presupuestaria y Sostenibilidad Financiera) vom 27. April 2012 (BOE Nr. 103 vom 30. April 2012, S. 32653) die IVMDH in die Verbrauchsteuer auf Mineralöle integriert.

40      Nach ständiger Rechtsprechung wird durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (vgl. u. a. Urteile vom 17. Februar 2005, Linneweber und Akritidis, C-453/02 und C-462/02, Slg. 2005, I-1131, Rn. 41, vom 6. März 2007, Meilicke u. a., C-292/04, Slg. 2007, I-1835, Rn. 34, und vom 10. Mai 2012, Santander Asset Management SGIIC u. a., C-338/11 bis C-347/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 58).

41      Nur ganz ausnahmsweise kann der Gerichtshof aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit beschränken, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (vgl. u. a. Urteile vom 10. Januar 2006, Skov und Bilka, C-402/03, Slg. 2006, I-199, Rn. 51, vom 3. Juni 2010, Kalinchev, C-2/09, Slg. 2010, I-4939, Rn. 50, und Santander Asset Management SGIIC u. a., Rn. 59).

42      Der Gerichtshof hat auf diese Lösung nur unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, namentlich, wenn eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Unionsbestimmungen bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte (vgl. insbesondere Urteile vom 27. April 2006, Richards, C-423/04, Slg. 2006, I-3585, Rn. 42, Kalinchev, Rn. 51, und Santander Asset Management SGIIC u. a., Rn. 60).

43      Zum ersten Kriterium, dem guten Glauben, ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass nicht nur der Gerichtshof bereits im Jahr 2000 im Urteil EKW und Wein & Co. anhand von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 über eine Steuer mit vergleichbaren Merkmalen wie die IVMDH entschieden hat, sondern außerdem entgegen dem Vorbringen der Generalitat de Catalunya und der spanischen Regierung in keiner Weise aus den von diesen Behörden vorgelegten Dokumenten hervorgeht, dass ihnen die Kommission zu irgendeinem Zeitpunkt mitgeteilt hätte, dass die IVMDH mit dieser Bestimmung vereinbar sei.

44      Hierzu ist anzumerken, dass das Gutachten der Dienststellen der Kommission, auf das sich die Generalitat de Catalunya und die spanische Regierung stützen, eindeutig zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Einführung einer Steuer auf Mineralöle mit einem je nach Autonomer Gemeinschaft unterschiedlichen Betrag, wie sie von den spanischen Behörden vorgeschlagen wurde, gegen das Unionsrecht verstoße. Die Dienststellen der Kommission betonten insbesondere, dass eine solche Steuer nur dann als mit Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12 vereinbar angesehen werden könne, wenn ein kohärenter Zusammenhang zwischen dem Betrag dieser Steuer und den Gesundheits- und Umweltschutzproblemen, die sie beseitigen solle, bestehe und sie nicht zum Zeitpunkt der Überführung von Mineralölen in den steuerrechtlich freien Verkehr entstehe. Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission im Jahr 2003, also dem auf das Inkrafttreten der IVMDH folgenden Jahr, wegen dieser Steuer ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich Spanien eingeleitet hat.

45      Unter diesen Voraussetzungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Generalitat de Catalunya und die spanische Regierung gutgläubig handelten, als sie die IVMDH während eines Zeitraums von mehr als zehn Jahren aufrechterhielten. Dass sie angeblich zu der Überzeugung gelangt sind, diese Steuer sei mit dem Unionsrecht vereinbar, kann diese Feststellung nicht in Frage stellen.

46      Entgegen dem Vorbringen der spanischen Regierung ist in diesem Zusammenhang irrelevant, dass die Kommission, indem sie einem anderen Mitgliedstaat im Jahr 2004 erlaubt habe, seine Regionalbehörden zu einer Erhöhung der Verbrauchsteuern auf Mineralöle zu ermächtigen, eine Steuermaßnahme akzeptiert habe, die jener entspreche, die die spanischen Behörden den Dienststellen der Kommission vor der Einführung der IVMDH vorgelegt hätten.

47      Da das erste in Rn. 41 des vorliegenden Urteils genannte Kriterium nicht erfüllt ist, braucht nicht geprüft zu werden, ob das zweite Kriterium, nämlich die Gefahr schwerwiegender Störungen, erfüllt ist.

48      Dennoch ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einem im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteil für einen Mitgliedstaat ergeben könnten, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen dieses Urteils rechtfertigen (Urteile vom 20. September 2001, Grzelczyk, C-184/99, Slg. 2001, I-6193, Rn. 52, und vom 15. März 2005, Bidar, C-209/03, Slg. 2005, I-2119, Rn. 68, Kalinchev, Rn. 52, und Santander Asset Management SGIIC u. a., Rn. 62).

49      Wäre dies nicht so, würden die schwersten Verstöße günstiger behandelt, da sie es sind, die die bedeutendsten finanziellen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten haben können. Zudem würde eine allein auf diese Art von Erwägungen gestützte zeitliche Beschränkung der Wirkungen eines Urteils darauf hinauslaufen, dass der gerichtliche Schutz der Rechte, die die Steuerpflichtigen aus den Steuervorschriften der Union herleiten, wesentlich eingeschränkt wäre (Urteil vom 11. August 1995, Roders u. a., C-367/93 bis C-377/93, Slg. 1995, I-2229, Rn. 48).

50      Demnach sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu beschränken.

 Kosten

51      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, durch die eine Steuer auf den Einzelhandelsverkauf von Mineralölen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuer auf den Einzelhandelsverkauf bestimmter Mineralöle (Impuesto sobre las Ventas Minoristas de Determinados Hidrocarburos) eingeführt wird, denn bei einer solchen Steuer kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine besondere Zielsetzung im Sinne dieser Bestimmung verfolgt, da diese Steuer, die dazu bestimmt ist, die Ausübung der Zuständigkeiten der betroffenen Gebietskörperschaften im Gesundheits- und im Umweltbereich zu finanzieren, nicht selbst darauf gerichtet ist, den Gesundheits- und den Umweltschutz zu gewährleisten.

Unterschriften

* Verfahrenssprache: Spanisch.

Quelle: Urteil vom 27.02.2014 (C-82/12)

EuGH: Schlussanträge Rs C-82/12
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

5. Februar 2014(*)

„Vorabentscheidungsersuchen – Direkte Steuern – Niederlassungsfreiheit – Nationale Steuerregelung, mit der eine Sondersteuer auf den Einzelhandelsumsatz in Verkaufsräumen eingeführt wird – Kaufhausketten – Bestehen einer diskriminierenden Wirkung – Mittelbare Diskriminierung“

In der Rechtssache C-385/12


betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Székesfehérvári Törvényszék (Ungarn) mit Entscheidung vom 26. Juli 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2012, in dem Verfahren

Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft.

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Főigazgatósága

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, E. Juhász, M. Safjan und J. L. da Cruz Vilaça, der Richter A. Rosas, A. Ó. Caoimh, J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft., vertreten durch L. Darázs und A. Dezső, ügyvédek,

–        der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Főigazgatósága, vertreten durch Z. Horváthné Ádám,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und F. Koppensteiner als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Talabér-Ritz und W. Mölls als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 5. September 2013

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 26, 49, 54 bis 56, 63, 65 und 110 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft. (im Folgenden: Hervis) und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Főigazgatósága (regionale Oberfinanzdirektion Közép-Dunántúl, die zur nationalen Steuer- und Zollverwaltung gehört) über die Entrichtung der von Ungarn für die Jahre 2010 bis 2012 eingeführten Sondersteuer auf den Umsatz bestimmter Sektoren des Einzelhandels in Verkaufsräumen.

 Rechtlicher Rahmen

3        In der Präambel des Gesetzes Nr. XCIV 2010 über die Sondersteuer für bestimmte Sektoren (egyes ágazatokat terhelő különadóról szóló 2010. évi XCIV. Törvény, im Folgenden: Sondersteuergesetz) heißt es:

„Im Rahmen der Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichts erlässt das Parlament das nachstehende Gesetz über die Einführung einer Sondersteuer zulasten der Steuerpflichtigen, deren Fähigkeit, einen Beitrag zur Bestreitung der öffentlichen Lasten zu leisten, die allgemeine Steuerpflicht übersteigt.“

4        Art. 1 („Erläuternde Bestimmungen“) dieses Gesetzes bestimmt:

„Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet:

1.       Einzelhandelstätigkeit in Verkaufsräumen: nach dem am 1. Januar 2009 geltenden System zur einheitlichen Klassifizierung der wirtschaftlichen Tätigkeiten die Tätigkeiten, die in Abschnitt Nr. 45.1 − mit Ausnahme des Großhandels mit Fahrzeugen und Anhängern −, in die Abschnitte Nrn. 45.32 und 45.40 − mit Ausnahme der Instandsetzung von und des Großhandels mit Krafträdern − sowie in die Abschnitte Nrn. 47.1 bis 47.9 eingereiht sind, d. h. alle gewerblichen Tätigkeiten, in deren Rahmen der Käufer auch eine nicht als Unternehmer geltende natürliche Person sein kann.



5.      Nettoumsatz: im Fall eines dem Buchhaltungsgesetz unterliegenden Steuerpflichtigen der aus dem Verkauf stammende Nettoumsatz im Sinne des Buchhaltungsgesetzes; im Fall eines der vereinfachten Steuer für Unternehmer unterliegenden Steuerpflichtigen, der nicht dem Buchhaltungsgesetz unterliegt, der Umsatz ohne [Mehrwertsteuer] im Sinne des Gesetzes über die Besteuerungsregelung; im Fall eines dem Gesetz über die Einkommensteuer der Privatpersonen unterliegenden Steuerpflichtigen die Einkünfte ohne Mehrwertsteuer im Sinne des Einkommensteuergesetzes. …

6.      Unternehmer: der Unternehmer im Sinne des Gesetzes über die örtlichen Steuern.“

5        Art. 2 des Sondersteuergesetzes lautet:

„Der Steuer unterliegen:

a)      der Einzelhandel in Verkaufsräumen;

b)       die Tätigkeiten der Telekommunikation und

c)       die Lieferung von Energie.“

6        Art. 3 dieses Gesetzes definiert die Steuerpflichtigen wie folgt:

„(1)  Steuerpflichtig sind die juristischen Personen, die sonstigen Organisationen im Sinne des allgemeinen Steuergesetzbuchs und die Selbständigen, die eine der Steuer unterliegende Tätigkeit im Sinne von Art. 2 ausüben.

(2)       Ebenfalls steuerpflichtig sind die gebietsfremden Organisationen und Privatpersonen für die der Steuer unterliegenden Tätigkeiten im Sinne von Art. 2, sofern sie diese Tätigkeiten auf dem Inlandsmarkt über Zweigniederlassungen betreiben.“

7        Art. 4 dieses Gesetzes lautet:

„(1)  Besteuerungsgrundlage ist der Nettoumsatz der Steuerpflichtigen aus den Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 im jeweiligen Steuerjahr.

(2)       Im Fall einer Tätigkeit im Sinne von Art. 2 Buchst. a umfasst die Besteuerungsgrundlage den Umsatz aus der Leistung, die im Rahmen der Vermarktung der angekauften Waren vom Lieferanten der zum Zweck eines Einzelhandelsverkaufs angekauften Waren (dem Hersteller oder Vertreiber der Ware) erbracht wird, und den Betrag der Einkünfte aus dem von diesem Lieferanten gewährten Preisnachlass.“

8        Art. 5 des Gesetzes, der den Satz dieser Steuer festsetzt, bestimmt:

„Der anwendbare Satz

a)      auf die Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 Buchst. a beträgt 0 % für den Teil der Besteuerungsgrundlage, der 500 Millionen [Ungarische Forint (HUF)] nicht übersteigt, 0,1 % für den Teil, der 500 Millionen HUF, jedoch nicht 30 Milliarden HUF übersteigt, 0,4 % für den Teil, der 30 Milliarden HUF, jedoch nicht 100 Milliarden HUF übersteigt, und 2,5 % für den Teil, der 100 Milliarden HUF übersteigt.

…“

9        Art. 6 des Sondersteuergesetzes, der Bestimmungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung enthält, lautet:

„Ist die Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 2 Buchst. c auch nach Art. 2 Buchst. a und/oder b steuerpflichtig, hat der Steuerpflichtige für die Tätigkeit im Sinne von Art. 2 Buchst. a oder b nur den höchsten der Beträge zu entrichten, die anhand der in Art. 5 Buchst. a und c oder Art. 5 Buchst. b und c festgelegten Sätze berechnet worden sind.“

10      Art. 7 des Gesetzes legt die Bedingungen fest, unter denen die Steuer auf sogenannte verbundene Unternehmen Anwendung findet:

„(1)  Die Steuer der als verbundenes Unternehmen im Sinne des Gesetzes [Nr. LXXXI 1996] über die Körperschaftsteuer und die Dividendensteuer [im Folgenden: Gesetz Nr. LXXXI 1996] eingestuften Steuerpflichtigen wird durch Zusammenrechnung der Nettoumsätze aus den Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 Buchst. a und b, die von Beziehungen eines verbundenen Unternehmens unterhaltenden Steuerpflichtigen ausgeübt werden, bestimmt, und der durch Anwendung des in Art. 5 festgelegten Satzes auf diese Summe erhaltene Betrag ist zwischen den Steuerpflichtigen entsprechend dem Anteil ihrer Nettoumsätze aus den Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 Buchst. a und Buchst. b am gesamten Nettoumsatz sämtlicher verbundener Steuerpflichtiger aus den Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 Buchst. a und b aufzuteilen.“

11      Art. 4 des Gesetzes Nr. LXXXI 1996, auf den Art. 7 des Sondersteuergesetzes Bezug nimmt, bestimmt den Begriff des verbundenen Unternehmens wie folgt:

„Im Sinne dieses Gesetzes



23.       wird ein verbundenes Unternehmen gebildet durch:

a)       den Steuerpflichtigen und eine Person, hinsichtlich deren er unmittelbar oder mittelbar über einen mehrheitlichen Einfluss nach dem Zivilgesetzbuch verfügt;

b)       den Steuerpflichtigen und eine Person, die unmittelbar oder mittelbar über einen mehrheitlichen Einfluss auf den Steuerpflichtigen nach dem Zivilgesetzbuch verfügt;

c)       den Steuerpflichtigen und eine andere Person, wenn ein Dritter unmittelbar oder mittelbar über einen mehrheitlichen Einfluss auf beide nach dem Zivilgesetzbuch verfügt; nahe Angehörige, die über einen mehrheitlichen Einfluss auf den Steuerpflichtigen und die andere Person verfügen, sind als Dritte anzusehen;

d)      einen ausländischen Unternehmer und seine ungarische Niederlassung, die Niederlassungen des ausländischen Unternehmers, die ungarische Niederlassung des ausländischen Unternehmers und jede Person, die mit dem ausländischen Unternehmer in einer Beziehung gemäß Buchstaben a bis c steht;

e)       den Steuerpflichtigen und seine ausländische Niederlassung sowie die ausländische Niederlassung des Steuerpflichtigen und jede Person, die mit dem Steuerpflichtigen in einer Beziehung gemäß Buchstaben a bis c steht.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

12      Hervis betreibt in Ungarn Sportartikelläden unter dem Firmenzeichen „Hervis Sport“. Ihre unmittelbaren Wettbewerber sind die Ladenketten „Décathlon“, „Intersport“ und „SPG Sporcikk“.

13      Hervis ist eine juristische Person und Tochtergesellschaft der SPAR Österreichische Warenhandels AG (im Folgenden: SPAR). Hervis gehört gemäß Art. 7 des Sondersteuergesetzes, der den Begriff „verbundene Unternehmen“ im Sinne dieses Gesetzes definiert, zur SPAR-Gruppe. In dieser Eigenschaft ist Hervis für einen ihrem Umsatzanteil entsprechenden Teil der Sondersteuer steuerpflichtig, die von allen dieser Gruppe angehörenden Unternehmen für ihren in Ungarn erzielten Gesamtumsatz geschuldet wird.

14      Wegen der Anwendung des stark progressiven Tarifs der Sondersteuer auf den Gesamtumsatz dieser Unternehmen unterlag Hervis einem deutlich höheren durchschnittlichen Steuersatz, als er der allein aus dem Umsatz ihrer eigenen Läden gebildeten Besteuerungsgrundlage entsprochen hätte. Nach Aussage von Hervis wird aber die Steuer, die von den mit ihr im Wettbewerb stehenden ungarischen Ladenketten geschuldet wird, auf der letztgenannten Grundlage berechnet, weil sie meistens als Franchiseverkaufsstätten mit eigener Rechtspersönlichkeit organisiert seien und keiner Gruppe angehörten.

15      Hervis leitet daraus ab, dass ein solches System gegen die Art.  18, 49 bis 55, 65 und 110 AEUV verstoße und eine verbotene staatliche Beihilfe darstelle, da es im Ergebnis der Sondersteuer unterliegende juristische Personen, die im Sinne des Gesetzes Nr. LXXXI 1996 mit gebietsfremden Unternehmen verbunden seien, höher besteuere. Nachdem die Steuerverwaltung ihren auf Befreiung von der Sondersteuer für das Jahr 2010 gerichteten Einspruch zurückgewiesen hatte, erhob Hervis beim als Verwaltungsgericht entscheidenden Székesfehérvári Törvényszék (Gericht Székesfehérvár) Klage auf Feststellung, dass die Bestimmungen des Sondersteuergesetzes gegen das Unionsrecht verstießen.

16      Unter diesen Umständen hat das Székesfehérvári Törvényszék das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit den Vertragsbestimmungen über den Grundsatz des allgemeinen Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV und Art. 26 AEUV), den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 54 AEUV), den Grundsatz der Gleichheit der Beteiligung am Kapital von Gesellschaften im Sinne von Art. 54 AEUV (Art. 55 AEUV), den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV), den Grundsatz des freien Kapitalverkehrs (Art. 63 AEUV und Art. 65 AEUV) und den Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung von Gesellschaften (Art. 110 AEUV) vereinbar, dass Steuerpflichtige, die eine Einzelhandelstätigkeit in Verkaufsräumen ausüben, eine Sondersteuer entrichten müssen, wenn ihr jährliches Nettoumsatzvolumen 500 Mio. HUF übersteigt?

 Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

17      Die ungarische Regierung macht geltend, dass es dem vom Székesfehérvári Törvényszék vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen an Genauigkeit mangele. Es stelle nämlich die genauen Gründe, die das vorlegende Gericht zu der Annahme veranlasst hätten, dass die Entscheidung des Rechtsstreits eine Auslegung der in der Vorlageentscheidung angeführten Bestimmungen des AEU-Vertrags erfordere, nicht hinreichend dar.

18      Die in der Vorlageentscheidung gemachten Angaben stehen jedoch in einem offenkundigen Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens und erlauben es, wie aus den Rn. 12 bis 15 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Tragweite der Vorlagefrage und den Kontext, in dem sie gestellt wird, zu bestimmen. Ferner gibt die Vorlageentscheidung, die das Vorbringen der Klägerin des Ausgangsverfahrens zur Auslegung des Unionsrechts zusammenfasst und Zweifel in Bezug auf die Richtigkeit dieser Auslegung zum Ausdruck bringt, die Gründe, die das vorlegende Gericht zu der Auffassung veranlasst haben, dass eine Auslegung des Unionsrechts für den Erlass seines Urteils erforderlich sei, hinreichend an.

19      Demnach ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 Zur Vorlagefrage

 Vorbemerkungen

20      Da sich die Vorlagefrage gleichzeitig auf die Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr bezieht, ist zunächst zu bestimmen, um welche Freiheit es im Ausgangsverfahren geht.

21      Hierzu ist nach gefestigter Rechtsprechung auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen (Urteil vom 13. November 2012, Test Claimants in the FII Group Litigation, C-35/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fällt in den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV, der die Niederlassungsfreiheit betrifft (vgl. Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens betrifft den angeblich diskriminierenden Satz der Sondersteuer für „als verbundenes Unternehmen eingestufte Steuerpflichtige“ im Sinne des Gesetzes Nr. LXXXI 1996. Art. 4 dieses Gesetzes bezieht sich für die Definition dieses Begriffs auf den Umstand, dass ein Unternehmen eine Beteiligung hält, die die unmittelbare oder mittelbare Ausübung eines Mehrheitseinflusses in einem anderen Unternehmen ermöglicht.

24      Unter diesen Umständen betrifft das Vorabentscheidungsersuchen die Auslegung der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit. Daher erübrigt sich eine Auslegung der Art. 56 AEUV, 63 AEUV und 65 AEUV, die den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr betreffen.

25      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Art. 18 AEUV als eigenständige Grundlage nur auf unionsrechtlich geregelte Fallgestaltungen angewendet werden kann, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht. Das Diskriminierungsverbot ist aber im Bereich der Niederlassungsfreiheit durch Art. 49 AEUV umgesetzt worden (Urteil vom 11. März 2010, Attanasio Group, C-384/08, Slg. 2010, I-2055, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Daher erübrigt sich auch eine Auslegung von Art. 18 AEUV und im Übrigen auch von Art. 26 AEUV.

27      Da es sich schließlich nicht erweist, dass die Sondersteuer Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker belastet als inländische Erzeugnisse, ist die Auslegung von Art. 110 AEUV im Rahmen des Rechtsstreits des Ausgangsverfahrens unerheblich.

28      Nach alledem ist davon auszugehen, dass mit der Vorlagefrage Auskunft darüber begehrt wird, ob die Art. 49 AEUV und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Umsatzsteuerregelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art entgegenstehen.

 Zur Auslegung der Art. 49 AEUV und 54 AEUV

29      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 49 AEUV und 54 AEUV einer Umsatzsteuerregelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art entgegenstehen, wenn diese Steuer potenziell diskriminierende Wirkung gegenüber steuerpflichtigen juristischen Personen entfaltet, die innerhalb einer Gruppe „verbundene Unternehmen“ im Sinne dieser Regelung mit einem Unternehmen bilden, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

30      Nach ständiger Rechtsprechung verbieten die Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund des Sitzes der Unternehmen, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (vgl. entsprechend u. a. Urteile vom 14. Februar 1995, Schumacker, C-279/93, Slg. 1995, I-225, Rn. 26, vom 22. März 2007, Talotta, C-383/05, Slg. 2007, I-2555, Rn. 17, und vom 18. März 2010, Gielen, C-440/08, Slg. 2010, I-2323, Rn. 37).

31      Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung stellt insbesondere ein Kriterium der Unterscheidung zwischen den Sondersteuerpflichtigen, die im Sinne der nationalen Regelung mit anderen Unternehmen in derselben Gruppe verbunden sind, und den Steuerpflichtigen, die keiner Unternehmensgruppe angehören, auf.

32      Dieses Unterscheidungskriterium führt keine unmittelbare Diskriminierung ein, da die Sondersteuer auf den Einzelhandel in Verkaufsräumen für alle Unternehmen, die in Ungarn entsprechend tätig sind, unter identischen Bedingungen erhoben wird.

33      Es bewirkt jedoch, dass juristische Personen, die mit anderen Unternehmen innerhalb einer Gruppe verbunden sind, gegenüber juristischen Personen benachteiligt werden, die keiner solchen Unternehmensgruppe angehören.

34      Dies ist mit der Kombination zweier Merkmale der Sondersteuer zu erklären.

35      Zum einen ist der Satz dieser Steuer je nach Umsatz, insbesondere auf seiner höchsten Tarifstufe, sehr stark progressiv. So beträgt er 0,1 % von 500 Mio. bis 30 Mrd. HUF, 0,4 % von 30 bis 100 Mrd. HUF und 2,5 % bei mehr als 100 Mrd. HUF.

36      Zum anderen wird dieser Tarif auf eine Bemessungsgrundlage angewandt, die bei einer Unternehmensgruppe angehörenden Steuerpflichtigen den konsolidierten Umsatz sämtlicher „verbundener“ Steuerpflichtiger der Gruppe (vor Aufteilung der gesamten Steuer nach dem Anteil des einzelnen Steuerpflichtigen am Umsatz) umfasst, während sie sich bei juristischen Personen wie den unabhängigen Franchisenehmern auf den Umsatz des Steuerpflichtigen für sich genommen beschränkt. Dies bedeutet, dass die einer Unternehmensgruppe angehörenden Steuerpflichtigen auf der Grundlage eines fiktiven Umsatzes besteuert werden.

37      Hervis, die österreichische Regierung und die Europäische Kommission machen geltend, dass die Art. 49 AEUV und 54 AEUV einer solchen unterschiedlichen Behandlung entgegenstünden, die rechtlich auf dem scheinbar objektiven Unterscheidungskriterium der Umsatzhöhe beruhe, jedoch faktisch die Tochtergesellschaften von Muttergesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten wegen der Struktur des Einzelhandels in Ungarn und insbesondere des Umstands, dass Großkaufhäuser, die solchen Unternehmen gehörten, allgemein, wie im Fall von Hervis, in Form von Tochtergesellschaften betrieben würden, benachteilige.

38      Es ist festzustellen, dass angesichts einer steuerlichen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die die Besteuerung des Umsatzes zum Gegenstand hat, die Situation eines Steuerpflichtigen, der einer Unternehmensgruppe angehört, mit derjenigen eines Steuerpflichtigen vergleichbar ist, der keiner solchen Gruppe angehört. Insbesondere unterliegen sowohl juristische Personen, die sich auf dem Markt des Einzelhandels in Verkaufsräumen im betreffenden Mitgliedstaat betätigen und einer Unternehmensgruppe angehören, als auch diejenigen, die keiner solchen Gruppe angehören, der Sondersteuer, und ihre Umsätze sind von denjenigen anderer Steuerpflichtiger unabhängig.

39      Wenn feststeht, dass auf dem Markt des Einzelhandels in Verkaufsräumen in dem betreffenden Mitgliedstaat die Steuerpflichtigen, die einer Unternehmensgruppe angehören und von der höchsten Tarifstufe der Sondersteuer erfasst werden, in den meisten Fällen mit Unternehmen, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten haben, im Sinne der nationalen Regelung „verbunden“ sind, birgt unter Umständen die Anwendung des stark progressiven Tarifs der Sondersteuer auf eine am Umsatz ausgerichtete konsolidierte Bemessungsgrundlage die Gefahr, sich insbesondere zum Nachteil der Steuerpflichtigen auszuwirken, die mit Unternehmen „verbunden“ sind, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben.

40      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Voraussetzung hinsichtlich des Gesamtkontextes erfüllt ist, in dem die nationale Regelung ihre Wirkungen entfaltet.

41      Ist dies der Fall, errichtet eine Regelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, obwohl sie keine förmliche Unterscheidung nach dem Sitz der Unternehmen einführt, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Sitzes der Unternehmen im Sinne der Art. 49 und 54 AEUV (vgl. in diesem Sinne Urteil Gielen, Rn. 48).

42      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine solche Beschränkung nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Sie muss dann aber außerdem geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 29. November 2011, National Grid Indus, C-371/10, Slg. 2011, I-12273, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      In diesem Zusammenhang hat sich die ungarische Regierung weder in ihren schriftlichen Erklärungen noch in der mündlichen Verhandlung auf einen Grund des Allgemeininteresses berufen, der es erlaubte, ein System wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende gegebenenfalls zu rechtfertigen.

44      Auf alle Fälle ist darauf hinzuweisen, dass weder der Schutz der Wirtschaft des Landes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2000, Verkooijen, C-35/98, Slg. 2000, I-4071, Rn. 47 und 48) noch die Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichts durch Erhöhung der Steuereinnahmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2002, X und Y, C-436/00, Slg. 2002, I-10829, Rn. 50) mit Erfolg zugunsten eines solchen Systems angeführt werden könnten.

45      Daher ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die Art. 49 AEUV und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats betreffend eine Steuer auf den Umsatz des Einzelhandels in Verkaufsräumen entgegenstehen, die die Steuerpflichtigen, die in einer Unternehmensgruppe „verbundene Unternehmen“ im Sinne dieser Regelung bilden, verpflichtet, ihre Umsätze im Hinblick auf die Anwendung eines stark progressiven Steuersatzes zusammenzurechnen und sodann den auf diese Weise erhaltenen Steuerbetrag anteilsmäßig nach ihrem tatsächlichen Umsatz untereinander aufzuteilen, wenn – was zu prüfen dem vorlegenden Gericht obliegt – die einer Unternehmensgruppe angehörenden und von der höchsten Tarifstufe der Sondersteuer erfassten Steuerpflichtigen in den meisten Fällen mit Unternehmen „verbunden“ sind, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben.

 Kosten

46      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats betreffend eine Steuer auf den Umsatz des Einzelhandels in Verkaufsräumen entgegenstehen, die die Steuerpflichtigen, die in einer Unternehmensgruppe „verbundene Unternehmen“ im Sinne dieser Regelung bilden, verpflichtet, ihre Umsätze im Hinblick auf die Anwendung eines stark progressiven Steuersatzes zusammenzurechnen und sodann den auf diese Weise erhaltenen Steuerbetrag anteilsmäßig nach ihrem tatsächlichen Umsatz untereinander aufzuteilen, wenn – was zu prüfen dem vorlegenden Gericht obliegt – die einer Unternehmensgruppe angehörenden und von der höchsten Tarifstufe der Sondersteuer erfassten Steuerpflichtigen in den meisten Fällen mit Unternehmen „verbunden“ sind, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben.

Unterschriften

* Verfahrenssprache: Ungarisch.

Quelle

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 5. September 2013(1)



Rechtssache C-385/12

Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft.

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-dunántúli Regionális Adó Főigazgatósága

(Vorabentscheidungsersuchen des Székesfehérvári Törvényszék [Ungarn])

„Steuerrecht – Niederlassungsfreiheit – Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG – Nationale Steuer auf die Einzelhandelstätigkeit bestimmter Wirtschaftssektoren in einem Geschäft – Progressiver Steuersatz bei einer umsatzbezogenen Bemessungsgrundlage – Vergleich von in einem Konzern und in einem Franchisesystem verbundenen Unternehmen“


I –    Einleitung

1.        Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre besinnen sich die Mitgliedstaaten wieder stärker einer traditionellen Einnahmequelle: der Erhebung von Steuern. Dies geschieht nicht nur in Form der Anhebung der Sätze bereits bestehender Steuern. Darüber hinaus ist auch die Einführung neuer Steuerarten zu beobachten.

2.        Eine solche neuartige Steuer betrifft das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen. Zur Bewältigung erhöhten staatlichen Finanzbedarfs hat Ungarn für einen begrenzten Zeitraum eine Steuer erhoben, die sich am Umsatz bestimmter Unternehmen orientierte, jedoch verbunden war mit einem für eine derartige Steuer ungewöhnlichen progressiven Steuersatz.

3.        Natürlich ist Kritik an einer neuen Steuer keine Überraschung. Den Gerichtshof wird vorliegend aber die Frage beschäftigen, ob auch die Kritik im Hinblick auf die unionsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Steuer berechtigt ist. Insoweit wird von Steuerpflichtigen insbesondere vorgetragen, dass die Steuer aufgrund des progressiven Tarifs den Wettbewerb zu Lasten ausländischer Unternehmen verzerre. Inwieweit solche Wettbewerbsverzerrungen lediglich bedenkliche wirtschaftliche Effekte hervorrufen oder aber darüber hinaus auch mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, wird zu klären sein.

II – Rechtlicher Rahmen

4.        Mit Gesetz Nr. XCIV 2010 über die besondere Steuer in bestimmten Sektoren (im Folgenden: Gesetz Nr. XCIV 2010) wurde in Ungarn eine Steuer u. a. auf die Einzelhandelstätigkeit bestimmter Wirtschaftssektoren in einem Geschäft (im Folgenden: Sondersteuer) eingeführt. Das Gesetz trat am 4. Dezember 2010 in Kraft und erfasste rückwirkend die Tätigkeit eines Steuerpflichtigen im gesamten Kalenderjahr 2010 sowie für einen anschließenden begrenzten Zeitraum.

5.        Bemessungsgrundlage dieser Steuer ist das in einem Steuerjahr erzielte Nettoumsatzvolumen eines Steuerpflichtigen. Der Steuersatz ist abhängig von der Höhe der Bemessungsgrundlage. Bis zu einem Umsatzvolumen von 500 Mio. HUF (ca. 1,7 Mio. Euro) beträgt der Steuersatz 0 %, danach steigt der Steuersatz in drei Stufen von 0,1 % über 0,4 % auf schließlich 2,5 % ab einem Umsatzvolumen von 100 Mrd. HUF (ca. 333 Mio. Euro). Aufgrund dieses Stufentarifs wird bis zu einer bestimmten Umsatzhöhe somit keine Steuer erhoben. Für den Fall, dass eine Steuer erhoben wird, ist der Durchschnittssteuersatz und damit die prozentuale Steuerbelastung umso höher, je höher der Umsatz ist.

6.        Gemäß Art. 7 des Gesetzes Nr. XCIV 2010 wird bei verbundenen Unternehmen im Sinne des ungarischen Körperschaftsteuerrechts die Steuerschuld in der Weise berechnet, dass zunächst der Steuertarif auf die Summe der Umsätze aller verbundenen Steuerpflichtigen angewendet wird. Die Steuerschuld jedes einzelnen Steuerpflichtigen ergibt sich sodann entsprechend seinem Anteil an der Summe der Umsätze aller verbundenen Steuerpflichtigen. Nach dem insoweit anzuwendenden ungarischen Körperschaftsteuerrecht gelten als verbundene Unternehmen u. a. solche Steuerpflichtige, bei denen der eine einen beherrschenden Einfluss über den anderen ausübt.

III – Ausgangsverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

7.        Die ungarische Gesellschaft Hervis Sport- és Divatkereskedelmi Kft. (im Folgenden: Hervis) vertreibt Sportartikel und unterliegt dabei der Sondersteuer.

8.        Hervis ist im Sinne des Art. 7 des Gesetzes Nr. XCIV 2010 mit einer in der Republik Österreich ansässigen Konzernmutter verbunden, die in Ungarn entweder selbst oder über weitere verbundene Unternehmen Umsätze insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel erzielt, die ebenfalls der Sondersteuer unterliegen. Infolge der Berücksichtigung sämtlicher Konzernumsätze bei der Anwendung des Steuertarifs ergibt sich für Hervis ein erheblich höherer Durchschnittssteuersatz, als wenn nur ihre eigenen Umsätze der Berechnung der Steuer zugrunde lägen.

9.        Hervis wendet sich gegen ihre Besteuerung für das Jahr 2010 mit der Begründung, dass die Erhebung der Sondersteuer gegen verschiedene Bestimmungen des Unionsrechts verstoße. Die Steuer diskriminiere nämlich Unternehmen ausländischer Eigentümer gegenüber Unternehmen ungarischer Eigentümer sowie Einzelunternehmen gegenüber Unternehmen, die in der Form eines Franchisenetzes betrieben werden. So würden gerade im Lebensmitteleinzelhandel Gesellschaften mit ungarischen Anteilseignern ihr Geschäft im Franchisesystem betreiben und somit einer Zusammenrechnung von Umsätzen im Rahmen der Sondersteuer entgehen, da nur die Umsätze jedes einzelnen Franchisenehmers für die Berechnung der Steuer relevant seien.

10.      Vor diesem Hintergrund hat das mittlerweile mit einer Klage von Hervis befasste Székesfehérvári Törvényszék (Gericht von Székesfehérvári) dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV die folgende Frage vorgelegt:

Ist es mit den Vertragsbestimmungen über den Grundsatz des allgemeinen Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV und Art. 26 AEUV), den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 54 AEUV), den Grundsatz der Gleichheit der Beteiligung am Kapital von Gesellschaften im Sinne von Art. 54 (Art. 55 AEUV), den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV), den Grundsatz des freien Kapitalverkehrs (Art. 63 AEUV und Art. 65 AEUV) und den Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung von Gesellschaften (Art. 110 AEUV) vereinbar, dass Steuerpflichtige, die eine Einzelhandelstätigkeit in einem Geschäft ausüben, eine besondere Steuer entrichten müssen, wenn ihr jährliches Nettoumsatzvolumen 500 Mio. HUF übersteigt?


11.      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben Hervis, Ungarn, die Republik Österreich sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht und an der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2013 teilgenommen.

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

12.      Zunächst ist die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens zu prüfen, die von Ungarn in Frage gestellt wird.

13.      Ungarn beklagt, dass die Vorlageentscheidung entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung keine Erläuterungen dazu enthalte, warum das vorlegende Gericht die in der Vorlagefrage genannten Bestimmungen des Unionsrechts für auslegungsbedürftig hält. Insbesondere werde nicht dargelegt, auf welche Weise die ungarische Sondersteuer eine diskriminierende Wirkung entfalten soll.

14.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss das nationale Gericht in seiner Vorlageentscheidung den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen festlegen, in den sich seine Vorlagefragen einfügen, oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutern, auf denen diese Fragen beruhen. Außerdem muss die Vorlageentscheidung die Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Unionsrechts fraglich erscheint, und muss den Zusammenhang erläutern, den es zwischen den Bestimmungen des Unionsrechts und den im Ausgangsverfahren anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt(2).

15.      Mit diesen Anforderungen sind zwei Ziele verbunden. Zum einen soll dadurch sichergestellt werden, dass der Gerichtshof dem nationalen Gericht eine nützliche Auslegung des Unionsrechts gewähren kann. Zum anderen soll ein Mindestmaß an Erläuterungen den Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten eines Verfahrens nach Art. 267 AEUV eine sachgerechte Stellungnahme ermöglichen. Da den Beteiligten nur die Vorlageentscheidung zugestellt wird, muss diese alle Informationen enthalten, damit die Beteiligten gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Erklärungen abgeben können(3).

16.      Es ist zwar in der Tat zweifelhaft, ob das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen für sich genommen den Anforderungen an ein Mindestmaß an Erläuterungen genügt. So stellt das vorlegende Gericht insbesondere nicht vollständig dar, auf welchen rechtlichen und tatsächlichen Umständen die von Hervis im Ausgangsverfahren behauptete Diskriminierung beruhen soll. Es fehlen nicht nur Angaben zu Art. 7 des Gesetzes Nr. XCIV 2010, sondern auch solche zur Einbindung von Hervis in eine Konzernstruktur sowie zur Steuerbelastung von Unternehmen in- und ausländischer Eigentümer bzw. von Unternehmen, die innerhalb oder außerhalb eines Franchisesystems tätig sind.

17.      Der Inhalt einer Vorlageentscheidung kann jedoch unter bestimmten Umständen durch weitere Informationsquellen ergänzt werden, ohne die mit den formellen Anforderungen an eine Vorlageentscheidung verbundenen Ziele entscheidend zu beeinträchtigen.

18.      So können insbesondere die schriftlichen Erklärungen der Beteiligten dem Gerichtshof eine nützliche Auslegung des Unionsrechts ermöglichen(4). Im vorliegenden Verfahren wurden die Angaben des vorlegenden Gerichts in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht durch die schriftlichen Erklärungen von Hervis und Ungarn hinreichend ergänzt.

19.      Darüber hinaus war im vorliegenden Verfahren auch den anderen Beteiligten eine sachgerechte Stellungnahme zu dem Vorabentscheidungsersuchen möglich. Dies wird zunächst dadurch bestätigt, dass die Republik Österreich und die Kommission mit ihren schriftlichen Erklärungen sachgerechte Stellungnahmen abgegeben haben(5). Zudem waren die hier relevanten Rechtsfragen teilweise schon Gegenstand einer öffentlichen Diskussion, insbesondere in Form von parlamentarischen Anfragen sowie Antworten der Kommission(6). Da im vorliegenden Fall außerdem eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, waren schließlich auch die übrigen Beteiligten spätestens nach Kenntnis der im Verfahren vor dem Gerichtshof abgegebenen schriftlichen Erklärungen in der Lage, im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine sachgerechte Stellungnahme abzugeben(7).

20.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist damit zulässig.

B –    Antwort auf die Vorlagefrage

21.      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob es mit verschiedenen Bestimmungen des AEUV vereinbar ist, dass Steuerpflichtige die ungarische Sondersteuer entrichten müssen, wenn ihr jährliches Nettoumsatzvolumen 500 Mio. HUF übersteigt.

22.      Hervis und die Republik Österreich haben vorgetragen, dass die Vorlagefrage nicht ausreichend differenziert gestellt wurde, und schlagen deren Umformulierung vor. Insbesondere unterschlage die Frage nämlich den besonderen Charakter der Steuer, die aufgrund der starken Progression des Steuersatzes und der unterschiedlichen Behandlung von Franchise- und Filialsystemen die von ausländischen Anteilseignern gehaltenen Einzelhandelsunternehmen benachteilige.

23.      Für eine Umformulierung der Vorlagefrage besteht insoweit jedoch kein Anlass. Die tatsächlichen Wirkungen der Erhebung der Sondersteuer, auf die Hervis und die Republik Österreich hingewiesen haben, sind im Rahmen der Auslegung des Unionsrechts gebührend zu berücksichtigen.

24.      Über die in der Vorlagefrage genannten Bestimmungen hinaus sollte der Gerichtshof allerdings auch auf die Bedeutung des Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(8) (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) für das vorliegende Verfahren eingehen, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben(9). Denn diese Vorschrift befasst sich speziell mit der unionsrechtlichen Zulässigkeit von Steuern auf den Umsatz(10).

25.      Zunächst werde ich mich jedoch den vom vorlegenden Gericht genannten Bestimmungen des Primärrechts zuwenden.

1.      Das steuerliche Diskriminierungsverbot für Waren

26.      Als Erstes ist zu prüfen, ob das Diskriminierungsverbot des Art. 110 AEUV die Erhebung der Sondersteuer verbietet. Nach dieser Vorschrift darf ein Mitgliedstaat auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben erheben als gleichartige inländische Waren zu tragen haben.

27.      Da auch bloß mittelbare Abgaben auf Waren erfasst sind, fallen unter diese Bestimmung nicht nur Abgaben, die auf eine Ware als solche erhoben werden. Vielmehr ist Art. 110 AEUV auch bei Abgaben zu beachten, die auf eine im Zusammenhang mit Waren erforderliche Tätigkeit erhoben werden, soweit sie sich unmittelbar auf den Preis der Waren auswirken(11).

28.      Zwar ist es durchaus möglich, dass sich die Sondersteuer aufgrund ihrer umsatzbezogenen Bemessungsgrundlage unmittelbar auf die Warenpreise ausgewirkt hat, soweit sie nicht für das Kalenderjahr 2010 rückwirkend erhoben wurde. Allerdings verstößt eine Abgabe nur dann gegen Art. 110 Abs. 1 AEUV, wenn sie auf eingeführte und auf gleichartige inländische Waren – wenigstens mittelbar(12) – in unterschiedlicher Weise berechnet wird und dadurch die eingeführte Ware zumindest in bestimmten Fällen höher belastet(13). Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht erkennbar, dass durch die Sondersteuer Waren aus anderen Mitgliedstaaten stärker belastet würden als inländische Waren. Denn selbst wenn Unternehmen ausländischer Eigentümer einer höheren Belastung ausgesetzt wären als Unternehmen inländischer Eigentümer, ist nicht ersichtlich, dass die vorliegend betroffenen Unternehmen ausländischer Eigentümer auch bevorzugt Waren ausländischer Herkunft vertreiben.

29.      Art. 110 AEUV steht folglich einer Sondersteuer, wie sie vom vorlegenden Gericht dargestellt wurde, nicht entgegen.

2.      Das Niederlassungsrecht

30.      Des Weiteren ist zu prüfen, ob Art. 49 in Verbindung mit Art. 54 AEUV der Erhebung der ungarischen Sondersteuer entgegensteht. Danach ist es den Mitgliedstaaten verboten, die freie Niederlassung einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu beschränken. Die freie Niederlassung umfasst gemäß Art. 49 Abs. 2 AEUV auch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

31.      Im vorliegenden Fall könnte die Konzernmutter von Hervis in ihrer freien Niederlassung in Ungarn durch die Erhebung der Sondersteuer in verbotener Weise beschränkt sein. In diesem Fall könnte sich auch Hervis auf das Niederlassungsrecht ihrer Muttergesellschaft berufen, um eine unionsrechtswidrige Erhebung der Sondersteuer ihr selbst gegenüber zu unterbinden(14).

a)      Diskriminierung

32.      Die Niederlassungsfreiheit verbietet grundsätzlich jede Diskriminierung aufgrund des Sitzes einer Gesellschaft(15). Eine Diskriminierung ist gegeben, wenn unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Sachverhalte oder dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Sachverhalte angewendet werden(16). Deshalb untersagt Art. 49 in Verbindung mit Art. 54 AEUV die unterschiedliche steuerliche Behandlung gebietsfremder und gebietsansässiger Gesellschaften, sofern sich diese Gesellschaften im Hinblick auf die betreffende nationale Maßnahme in einer objektiv vergleichbaren Lage befinden(17).

33.      Auf den ersten Blick ist eine Ungleichbehandlung von ungarischen steuerpflichtigen Gesellschaften wie Hervis aufgrund des Sitzes ihrer Muttergesellschaft aufgrund der Regelungen zur Sondersteuer nicht zu erkennen. Denn ihre Erhebungsmodalitäten differenzieren nicht nach dem Sitz einer Muttergesellschaft. Das ungarische Gesetz Nr. XCIV 2010 behandelt rein formal Tochtergesellschaften inländischer Gesellschaften nicht anders als Tochtergesellschaften von Gesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind.

34.      Allerdings untersagt Art. 49 AEUV auch jede mittelbare oder versteckte Diskriminierung aufgrund des Sitzes einer Gesellschaft. Bei der versteckten Diskriminierung handelt es sich um die Anwendung eines anderen Unterscheidungskriteriums als des Sitzes einer Gesellschaft, die aber tatsächlich zu dem gleichen diskriminierenden Ergebnis führt(18).

35.      Hervis, die Republik Österreich und die Kommission haben verschiedene Gesichtspunkte vorgetragen, aus denen sich eine versteckte Diskriminierung der Tätigkeit ausländischer Gesellschaften in Ungarn ergeben soll. Diese betreffen eine behauptete unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen ausländischer und inländischer Anteilseigner aufgrund der Organisation in Filial- und Franchisesystemen sowie der Anbindung an eine Konzernstruktur oder an ein Franchisesystem. Die Beteiligten haben sich dabei nur zum Teil mit den Regelungen des Gesetzes Nr. XCIV 2010 selbst auseinandergesetzt und stattdessen vorwiegend die praktischen wirtschaftlichen Folgen der Sondersteuer für verschiedene Vertriebssysteme diskutiert.

36.      Entscheidend für die Annahme einer versteckten Diskriminierung sind aber allein die Kriterien, nach denen die Regelungen zur Sondersteuer differenzieren. Diese Regelungen behandeln Filial- und Franchisesysteme nicht als solche unterschiedlich, sondern unterschiedliche steuerliche Ergebnisse sind insoweit die Folge einer Regelung, die nach der Höhe des Umsatzes eines Steuerpflichtigen differenziert und die Umsätze aller seiner Geschäfte zusammenzählt. Entsprechend den Unterscheidungskriterien des Gesetzes Nr. XCIV 2010, aus denen die von den Beteiligten vorgetragenen Gesichtspunkte resultieren, werde ich deshalb im Folgenden die Kriterien der Umsatzhöhe eines Steuerpflichtigen (unter ii), der verbundenen Steuerpflichtigen (unter iii) und der Vertriebsstufe des Umsatzes (unter iv) im Hinblick auf eine mögliche versteckte Diskriminierung untersuchen.

i)      Voraussetzungen einer versteckten Diskriminierung

37.      Zunächst sind allerdings die genauen Voraussetzungen einer versteckten Diskriminierung zu klären. Aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit ergibt sich nämlich nicht zweifelsfrei, wann ein anderes Unterscheidungskriterium als der Sitz einer Gesellschaft tatsächlich zu einem gleichen diskriminierenden Ergebnis führt.

38.      Zum einen stellt sich die Frage, wie stark die Korrelation zwischen dem gewählten Unterscheidungskriterium und dem Sitz einer Gesellschaft sein muss, um eine Ungleichbehandlung aufgrund des Sitzes annehmen zu können. Der Gerichtshof hat hier bislang sowohl auf eine Übereinstimmung in den meisten Fällen(19) als auch auf ein bloßes Übergewicht der Betroffenheit Gebietsfremder abgestellt(20) oder spricht sogar nur von einer bloßen Gefahr der Benachteiligung(21). Feststehen dürfte bislang lediglich, dass eine 100 %ige Übereinstimmung des Kriteriums mit dem Sitz der Gesellschaft nicht zu fordern ist(22).

39.      Zum anderen ist nicht nur das nach der Rechtsprechung erforderliche Maß an Korrelation unsicher, sondern auch die Frage, ob diese Korrelation aus dem Wesen des Unterscheidungskriteriums folgen muss(23) oder auch auf eher zufälligen tatsächlichen Verhältnissen beruhen kann(24). Ein Zusammenhang zwischen dem Wesen eines Unterscheidungskriteriums und dem Sitz einer Gesellschaft würde voraussetzen, dass ein solches Kriterium typischerweise mit dem Sitz einer Gesellschaft korreliert. Für einen eher zufälligen tatsächlichen Zusammenhang reichte es hingegen aus, dass eine solche Korrelation in einer aktuellen Situation tatsächlich besteht. Diese Sichtweise impliziert, dass mit einer jederzeit möglichen Änderung einer aktuellen Situation eine versteckte Diskriminierung wieder entfiele.

40.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, für die Annahme einer versteckten Diskriminierung strenge Maßstäbe anzulegen. Denn die versteckte Diskriminierung soll keine Erweiterung eines Diskriminierungstatbestands bewirken, sondern lediglich auch solche Fälle erfassen, die rein formal betrachtet keine Diskriminierung darstellen, aber wie eine solche wirken.

41.      Die Korrelation zwischen dem Unterscheidungskriterium und dem Sitz der Gesellschaft muss daher zum einen in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle festzustellen sein. Ein bloßes Übergewicht der Betroffenheit Gebietsfremder reicht somit nicht aus.

42.      Zum anderen ist allerdings eine generelle Beschränkung der versteckten Diskriminierung auf Fälle, in denen die Korrelation aus dem Wesen des Unterscheidungskriteriums folgt und nicht nur auf eher zufälligen tatsächlichen Verhältnissen beruht, kein gangbarer Weg.

43.      Denn die Korrelation eines Unterscheidungskriteriums mit dem Sitz einer Gesellschaft findet ihre Grundlage stets in den tatsächlichen Verhältnissen. Dies gilt auch für das klassische Unterscheidungskriterium einer versteckten Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit: den Wohnsitz einer natürlichen Person(25). Die Korrelation zwischen Wohnsitz und Staatsangehörigkeit folgt nur deshalb aus dem Wesen des Unterscheidungskriteriums Wohnsitz, weil nach den aktuellen tatsächlichen Verhältnissen in einem Mitgliedstaat weit überwiegend Bürger mit der entsprechenden Staatsangehörigkeit leben. Inwieweit dieser Umstand aus dem Wesen oder der Natur eines Zusammenhangs zwischen Wohnsitz und Staatsangehörigkeit folgt, kann aber nicht unabhängig von den aktuellen tatsächlichen Verhältnissen im Hinblick auf die Mobilität der Unionsbürger und die Bedeutung der Rechte eines Staatsangehörigen beurteilt werden. Diese unterliegen aber der Wandlung, so dass letztlich auch hier die Ungleichbehandlung, die sich anerkanntermaßen aus dem Wesen des Unterscheidungskriteriums speist, ebenfalls auf den aktuellen tatsächlichen Verhältnissen beruht.

44.      Es steht einem Abstellen auf die aktuellen tatsächlichen Verhältnisse auch nicht entgegen, dass aufgrund einer Änderung dieser Verhältnisse eine nationale Regelung, die bei ihrem Erlass noch unionsrechtlich unbedenklich war, plötzlich einen diskriminierenden Charakter aufweist. Für die Erfordernisse des Binnenmarktes ist nämlich nur relevant, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit besteht, nicht hingegen, ob dem historischen nationalen Gesetzgeber insoweit ein Vorwurf zu machen ist.

45.      Somit kann sich auch aus einem rein tatsächlichen, eher zufälligen Zusammenhang zwischen dem Unterscheidungskriterium und dem Sitz einer Gesellschaft eine Ungleichbehandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Gesellschaften ergeben.

46.      Im Ergebnis liegt damit eine versteckte Ungleichbehandlung aufgrund des Sitzes einer Gesellschaft dann vor, wenn nach den aktuellen tatsächlichen Verhältnissen das in der nationalen Regelung gewählte Unterscheidungskriterium in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit einem gebietsfremden Sitz einer Gesellschaft verbunden ist.

47.      Voraussetzung für die Annahme einer versteckten Diskriminierung ist allerdings über die versteckte Ungleichbehandlung hinaus eine objektiv vergleichbare Lage der durch das Kriterium differenzierten Gruppen(26). Damit wird überprüft, ob eine festgestellte Ungleichbehandlung auf unterschiedlichen Sachverhalten beruht und somit eine Diskriminierung ausgeschlossen ist(27). Diese zusätzliche Voraussetzung verhindert auch, dass die Mitgliedstaaten sachlich berechtigte Differenzierungen ihrer Regelungen nur deshalb nicht vorsehen können, weil das Unterscheidungskriterium – mitunter auch zufällig – mit dem Sitz einer Gesellschaft korreliert.

ii)    Kriterium der Umsatzhöhe eines Steuerpflichtigen

48.      Vor diesem Hintergrund ist nun als Erstes zu prüfen, ob das Kriterium der Umsatzhöhe eines Steuerpflichtigen, das die ungarische Sondersteuer zur Bestimmung der Höhe des Steuersatzes heranzieht, eine versteckte Diskriminierung gebietsfremder Gesellschaften darstellt.

49.      Nach den Regelungen der Sondersteuer steigt der Steuersatz in Stufen, je nach Höhe des Umsatzes. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen mit einem hohen Umsatz durch die Sondersteuer im Hinblick auf den anzuwendenden Steuersatz schlechter behandelt werden als Unternehmen mit einem geringen Umsatz. Die Regelung hat auch zur Folge, dass Steuerpflichtige, die im Rahmen eines Filialsystems viele Ladenlokale betreiben, tendenziell einen höheren Durchschnittssteuersatz auf ihre Umsätze zu zahlen haben als Steuerpflichtige, die nur ein einzelnes Ladenlokal betreiben, wie beispielsweise Franchisenehmer.

–       Ungleichbehandlung

50.      Voraussetzung der Annahme einer versteckten Diskriminierung ist zunächst das Vorliegen einer versteckten ungleichen Behandlung von Steuerpflichtigen, je nach Sitz ihrer Muttergesellschaft. Eine versteckte Ungleichbehandlung gebietsfremder und gebietsansässiger Gesellschaften läge vor, wenn in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle Steuerpflichtige mit hohen Umsätzen von Gebietsfremden, Steuerpflichtige mit niedrigen Umsätzen hingegen von Gebietsansässigen betrieben würden.

51.      Diese Feststellung scheint mir nicht evident. Zwar werden in der Regel umsatzstarke Unternehmen eher geneigt sein, über die nationalen Grenzen hinaus im Binnenmarkt zu operieren, und möglicherweise besteht dadurch auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass derartige Unternehmen auch im anderen Mitgliedstaat hohe Umsätze anstreben und erzielen. Umsatzstarke Unternehmen können jedoch ebenso gut von Gebietsansässigen betrieben werden.

52.      Daher wäre es Aufgabe des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob eine versteckte Ungleichbehandlung gleichwohl aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in Ungarn im Streitjahr bestand.

53.      Die von Hervis für die Lebensmittelbranche vorgelegten Angaben reichen für eine solche Annahme nicht aus. Damit könnte zwar belegt werden, dass im Bereich des Lebensmittelhandels die Steuerpflichtigen mit ausländischen Anteilseignern in Filialsystemen organisiert sind, während große Lebensmittelketten, die inländischen Eigentümern zuzuordnen sind, in Franchisesystemen geführt werden. Diese Angaben betreffen jedoch ohnehin nur einen Teil des Anwendungsbereichs der Sondersteuer und insbesondere nicht die Branche, in der Hervis selbst tätig ist. Eine versteckte Ungleichbehandlung Gebietsansässiger und Gebietsfremder muss aber grundsätzlich für die gesamte Regelung festgestellt werden und kann sich nicht nur auf einen bestimmten Ausschnitt des Regelungsbereichs beschränken.

54.      Inwieweit die Zusammenrechnung der Umsätze von Hervis mit den Umsätzen ihrer Muttergesellschaft im Lebensmittelhandel eine versteckte Ungleichbehandlung darstellt, ist im Übrigen nicht für die unionsrechtliche Zulässigkeit des Kriteriums der Umsatzhöhe entscheidend, sondern muss im Rahmen der Prüfung des Kriteriums der Berücksichtigung verbundener Unternehmen untersucht werden(28).

55.      Vorbehaltlich anderweitiger Feststellungen des vorlegenden Gerichts ist somit nach den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben nicht zu erkennen, dass die Orientierung des Steuersatzes der Sondersteuer an der Umsatzhöhe eine versteckte Ungleichbehandlung Gebietsansässiger und Gebietsfremder darstellt.

–       Objektiv vergleichbare Lage

56.      Wenn das vorlegende Gericht gleichwohl eine versteckte Ungleichbehandlung feststellen sollte, wäre des Weiteren zu prüfen, ob sich umsatzstarke und umsatzschwache Steuerpflichtige im Hinblick auf die ungarische Sondersteuer in einer objektiv vergleichbaren Lage befinden.

57.      Die Kommission will insoweit eine objektiv vergleichbare Lage insbesondere in Bezug auf die unterschiedliche Behandlung von Filial- und Franchisesystemen nur dann verneinen, wenn ihre unterschiedliche Behandlung einer unterschiedlichen steuerlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Ein höherer Steuersatz der Sondersteuer, der aus der Zusammenrechnung der Umsätze der Filialen integrierter Einzelhandelsunternehmen resultiere, repräsentiere aber keine höhere Leistungsfähigkeit derartiger Unternehmen. Eine höhere Leistungsfähigkeit ergebe sich nur aus einem höheren Gewinn, der nicht nur Umsatz, sondern auch Kosten berücksichtige.

58.      Zunächst ist festzustellen, dass die unterschiedliche Behandlung umsatzstarker und umsatzschwacher Steuerpflichtiger gerade der Natur einer Steuer entspricht, die ihre Höhe am Umsatz ausrichtet. Eine Ungleichbehandlung ist nämlich auch dann gegeben, wenn eine solche Steuer nur einen einheitlichen Steuersatz vorsieht. Denn umsatzstarke Steuerpflichtige werden immer eine absolut höhere Steuer zahlen als umsatzschwache Steuerpflichtige.

59.      Im vorliegenden Fall stellt sich aber darüber hinausgehend die Frage, ob sich umsatzstarke und umsatzschwache Steuerpflichtige im Hinblick auf die Höhe des Steuersatzes in einer objektiv vergleichbaren Lage befinden. Mit anderen Worten ist zu klären, ob eine unterschiedliche Umsatzhöhe unter dem Aspekt der Gleichheit zu Recht zur Anwendung unterschiedlich hoher Steuersätze führt. Letztlich handelt es sich dabei um die Prüfung, ob es einen Gesichtspunkt gibt, der die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist üblicherweise Gegenstand der Untersuchung eines Rechtfertigungsgrundes(29).

60.      Unabhängig aber von der Frage der dogmatischen Einordnung einer solchen Prüfung bin ich mit der Kommission der Auffassung, dass die unterschiedliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen grundsätzlich zur Anwendung eines unterschiedlichen Steuersatzes berechtigen kann.

61.      Die Progression des Steuersatzes stellt insoweit im Ertragsteuerrecht, also bei Steuern, die sich nach dem Gewinn bemessen, eine anerkannte Differenzierung dar. Die Berechtigung einer Progression auch bei einer auf den Umsatz bezogenen Steuer will ich jedoch anders als die Kommission nicht von vornherein ausschließen. Denn die Höhe des Umsatzes kann einen typisierenden Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit darstellen, weil etwa ohne hohe Umsätze hohe Gewinne gar nicht möglich sind oder weil der Ertrag eines zusätzlichen Umsatzes (Grenzertrag) aufgrund sinkender Fixkosten pro Stück steigt.

62.      Ob vor diesem Hintergrund unterschiedliche Umsatzhöhen zur Anwendung unterschiedlicher Steuersätze berechtigen, kann aber letztlich nicht ohne Rückgriff auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Progression des Steuersatzes geklärt werden. Hierzu müsste das vorlegende Gericht eine Reihe von tatsächlichen Umständen ermitteln und abwägen. Insbesondere wäre zu klären, wie sich die Verteilung der Durchschnittsbelastung aller Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung des auf den verschiedenen Stufen des Tarifs anzuwendenden Steuersatzes darstellt und wie sich entsprechend typischerweise die Grenzmargen des Umsatzes der Steuerpflichtigen entwickeln.

63.      Unabhängig von der Frage aber, ob sich damit umsatzstarke und umsatzschwache Steuerpflichtige im Hinblick auf die Höhe des Steuersatzes in einer objektiv vergleichbaren Lage befinden, ist mangels zu erkennender Ungleichbehandlung gebietsfremder Gesellschaften(30) das Kriterium der Umsatzhöhe des Steuerpflichtigen kein Unterscheidungskriterium, das eine versteckte Diskriminierung gebietsfremder Gesellschaften begründen kann.

iii) Kriterium der verbundenen Steuerpflichtigen

64.      Des Weiteren ist zu prüfen, ob die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die mit anderen Steuerpflichtigen in bestimmter Weise verbunden sind, eine versteckte Diskriminierung aufgrund des Sitzes einer Gesellschaft darstellt.

65.      Die ungarische Sondersteuer differenziert bei der Höhe des anzuwendenden Steuersatzes nämlich nicht nur nach der Umsatzhöhe des Steuerpflichtigen. Unter bestimmten Umständen werden sogar die Umsätze verschiedener Steuerpflichtiger für die Bestimmung des Steuersatzes zusammengerechnet. Dies geschieht zwar bei Steuerpflichtigen, die in einem Konzern, nicht aber bei Steuerpflichtigen, die in einem Franchisesystem mit anderen Steuerpflichtigen verbunden sind. Da Hervis in eine Konzernstruktur eingebunden ist, die in Ungarn u. a. auch Umsätze im Lebensmittelhandel erzielt, ergibt sich für sie ein höherer Steuersatz als für Steuerpflichtige, die nur in ein Franchisesystem eingebunden sind.

66.      Das Unterscheidungskriterium besteht vorliegend also in der Art und Weise der Verbindung eines Steuerpflichtigen, entweder einer Tochtergesellschaft oder eines Franchisenehmers, zu einem Unternehmen, das Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Steuerpflichtigen hat. Im einen Fall ist jenes Unternehmen bestimmender Anteilseigner des Steuerpflichtigen, im anderen Fall stehen jenem Unternehmen unter Umständen weitgehende Rechte aufgrund eines Franchisevertrags zu.

67.      Zunächst müsste das vorlegende Gericht aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse überhaupt feststellen, dass eine versteckte Ungleichbehandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Unternehmen vorliegt. Dies wäre der Fall, wenn im Streitjahr die Einbindung eines Steuerpflichtigen in eine Konzernstruktur in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit einem gebietsfremden Sitz seiner Muttergesellschaft verbunden war.

68.      Sodann stellte sich die Frage, ob sich Steuerpflichtige, die in eine Konzernstruktur eingebunden sind, und Steuerpflichtige, die in ein Franchisesystem eingebunden sind, in einer objektiv vergleichbaren Lage befinden. Dafür ist entscheidend, ob im Hinblick auf die Bemessung der Sondersteuer nach dem Umsatz die Bindungen einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft mit den Bindungen eines Franchisenehmers an seinen Franchisegeber objektiv vergleichbar sind.

69.      Die Vergleichbarkeit von Konzernstrukturen und Franchisesystemen ist jedoch insoweit jedenfalls für den hier vorliegenden Fall eines beherrschenden Einflusses einer Mutter- auf eine Tochtergesellschaft nicht gegeben. Aufgrund dieses beherrschenden Einflusses sind nämlich die Umsätze von Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft zurechenbar. Denn es liegt weitgehend in der Hand der beherrschenden Muttergesellschaft, Umsätze selbst oder durch eine steuerbare Tochtergesellschaft durchzuführen. Gleiches ist Franchisegebern aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Eigenständigkeit ihrer Franchisenehmer jedoch nicht möglich.

70.      Somit befinden sich nach dem Maßstab der Bemessung der ungarischen Sondersteuer nach dem Umsatz Steuerpflichtige, die einem Franchisesystem angeschlossen sind, und Steuerpflichtige, die in eine Konzernstruktur eingebunden sind, nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation.

71.      Das Unterscheidungskriterium der verbundenen Steuerpflichtigen kann somit nicht zur Annahme einer versteckten Diskriminierung führen.

iv)    Kriterium der Vertriebsstufe des Umsatzes

72.      Schließlich bleibt zu untersuchen, ob die Besteuerung nur der letzten Vertriebsstufe eine versteckte Diskriminierung von Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat darstellt.

73.      Nach den Regelungen zur Sondersteuer wird nämlich nur die Einzelhandelstätigkeit in einem Geschäft, nicht aber die Großhandelstätigkeit auf der vorangehenden Vertriebsstufe besteuert. Diese Differenzierung ist der Grund dafür, dass Steuerpflichtige mit Filialen im Vergleich zu einem ganzen System aus Franchisegebern und Franchisenehmern steuerlich unterschiedlich behandelt werden, weil die Umsätze der Franchisegeber gar nicht besteuert werden.

74.      Dieser Unterschied ist der Kern der Beschwerde insbesondere von Hervis, wonach in der Lebensmittelbranche, mit der Hervis über ihre Konzernmutter für die Zwecke der Sondersteuer verbunden ist, eine Ungleichbehandlung von Unternehmen ausländischer und inländischer Eigner erfolge.

75.      Auch in dieser Hinsicht hätte das vorlegende Gericht zunächst für die Annahme einer versteckten Ungleichbehandlung zu ermitteln, ob in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle Gebietsfremde in Ungarn mit einem Filialsystem agieren, während Gebietsansässige direkt oder indirekt als Franchisegeber ein Franchisesystem betreiben.

76.      Sofern dies festzustellen sein sollte, wäre zu prüfen, ob sich Unternehmen, die ein Filialsystem betreiben, und Franchisegeber im Hinblick auf die ungarische Sondersteuer in einer objektiv vergleichbaren Lage befinden.

77.      In dieser Hinsicht tragen Hervis und die Republik Österreich vor, dass sich das ungarische Franchisesystem kaum von integrierten Einzelhandelsunternehmen mit Filialen unterscheide. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf ein einheitliches Vorgehen bei Markenauftritt, Warenbezug, Preisgestaltung, Absatzförderung und elektronischer Datenverarbeitung.

78.      Für die Beurteilung einer objektiv vergleichbaren Lage ist jedoch nicht entscheidend, ob die zu vergleichenden Gruppen unter einigen oder vielen Gesichtspunkten vergleichbar sind. Entscheidend ist vielmehr, ob sie sich im Hinblick auf die nationale Regelung in einer vergleichbaren Lage befinden.

79.      Dies ist bei Franchisegebern und Unternehmen, die mit einem Filialsystem agieren, jedoch nicht der Fall. Denn soweit Franchisegeber nicht der Sondersteuer unterliegen, erbringen sie eben keine Umsätze gegenüber Endverbrauchern, sondern nur gegenüber ihren Franchisenehmern. Sie sind somit eher mit Großhändlern oder Produzenten zu vergleichen, deren Dienste auch Unternehmen, die ein Filialsystem betreiben, in Anspruch nehmen und die ebenfalls nicht der Sondersteuer unterliegen. Würde man Franchisegeber ebenfalls mit ihren Umsätzen der Sondersteuer unterwerfen, käme es zu einer Doppelbelastung von Produkten, indem sowohl auf der Stufe der Franchisegeber als auch auf der Stufe der Franchisenehmer Steuer erhoben würde. Einer vergleichbaren Doppelbelastung wären demgegenüber Unternehmen, die ein Filialsystem betreiben, nicht ausgesetzt.

80.      Somit führt auch das Unterscheidungskriterium der Vertriebsstufe des Umsatzes nicht zur Annahme einer versteckten Diskriminierung.

v)      Zwischenergebnis

81.      Die Regelungen zur ungarischen Sondersteuer enthalten im Ergebnis somit nach den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben keine Bestimmung, die Gesellschaften aufgrund ihres gebietsfremden Sitzes im Hinblick auf ihre Niederlassungsfreiheit offen oder versteckt diskriminiert.

b)      Diskriminierungsfreie Beschränkung

82.      Als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind über eine Diskriminierung hinaus nach ständiger Rechtsprechung alle Maßnahmen anzusehen, welche die Ausübung dieser Freiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen(31).

83.      Wie ich jedoch bereits an anderer Stelle ausgeführt habe, ist im Bereich des Steuerrechts eine Prüfung anhand dieses Maßstabs nicht möglich, da andernfalls sämtliche nationalen Abgaben stets auf dem Prüfstand des Unionsrechts stünden(32).

84.      Diese Sichtweise wird nicht nur vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung geteilt, da er im Bereich des Steuerrechts eine diskriminierungsfreie Beschränkung der Niederlassungsfreiheit noch nicht untersucht hat. Die Sonderstellung des Steuerrechts im Hinblick auf die Anwendung der Grundfreiheiten findet darüber hinaus auch in den Verträgen einen Halt. So sehen zahlreiche Bestimmungen des AEUV zur Gesetzgebung in der Union für den Bereich des Steuerrechts erhöhte formelle Voraussetzungen vor(33) und betonen somit die Steuersouveränität der Mitgliedstaaten.

c)      Zwischenergebnis

85.      Somit ist festzustellen, dass nach den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben die Konzernmutter von Hervis durch die Erhebung der Sondersteuer in ihrer freien Niederlassung in Ungarn nicht in verbotener Weise beschränkt ist.

3.      Der freie Dienstleistungs- und der freie Kapitalverkehr

86.      Da im vorliegenden Fall das Niederlassungsrecht der beherrschenden Konzernmutter von Hervis betroffen ist, tritt demgegenüber die Kapitalverkehrsfreiheit(34) zurück, wie auch die Verfahrensbeteiligten zutreffend dargelegt haben. Unabhängig von dem Konkurrenzverhältnis zwischen der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit sehe ich zudem im vorliegenden Fall den freien Dienstleistungsverkehr nicht betroffen, weil Gegenstand der Tätigkeit von Hervis der Vertrieb von Waren ist.

4.      Das allgemeine Diskriminierungsverbot

87.      Da das allgemeine Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit im Bereich der Niederlassung seinen Ausdruck im jetzigen Art. 49 AEUV findet(35), ist im vorliegenden Fall aus Gründen der Spezialität Art. 18 AEUV nicht anzuwenden.

5.      Die Zulässigkeit von Umsatzsteuern nach der Mehrwertsteuerrichtlinie

88.      Abschließend werde ich auf die Bedeutung des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie für die unionsrechtliche Zulässigkeit der Erhebung der vorliegenden Sondersteuer eingehen.

89.      Gemäß dieser Vorschrift hindert die Mehrwertsteuerrichtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran, Steuern zu erheben, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben. Daraus folgt aber, dass den Mitgliedstaaten die Erhebung von Steuern verboten ist, die einen solchen Charakter haben(36).

90.      Im vorliegenden Fall stellt sich in der Tat die Frage, ob die ungarische Sondersteuer, die sich nach dem Umsatz bemisst, den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufweist und damit unionsrechtlich verboten ist. Die Sondersteuer führt nämlich aufgrund ihres progressiven Steuersatzes zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung zwischen umsatzstarken und umsatzschwachen Unternehmen. Diese Wettbewerbsverzerrung stellt jedoch wie gesehen keine grenzüberschreitende Diskriminierung dar(37), so dass die Grundfreiheiten der Sondersteuer nicht entgegenstehen. Der Verhinderung derartiger Wettbewerbsverzerrungen widmen sich im Unionsrecht aber grundsätzlich nicht nur das Beihilfenrecht, sondern auch – speziell für den Bereich der Umsatzsteuern – die Bestimmungen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems.

91.      Mir ist bewusst, dass das vorlegende Gericht weder eine Frage zur Auslegung des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie gestellt, noch die Beteiligten sich vor dem Gerichtshof zu dieser Frage geäußert haben. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Verstoß gegen den jetzigen Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie bereits dann zu verneinen ist, wenn die nationale Steuer nur eines der vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer entbehrt(38). Zu diesen vier wesentlichen Merkmalen gehören ihre allgemeine Erhebung, ihre Bemessung nach dem Preis, ihre Erhebung auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe sowie die Gewährung des Vorsteuerabzugs, so dass sich die Steuer auf jeder Stufe nur auf den Mehrwert bezieht und letztlich der Endverbraucher belastet wird(39). Die ungarische Sondersteuer weist jedoch offensichtlich weder das dritte, noch das vierte Merkmal auf, da sie ausschließlich auf der Vertriebsstufe des Einzelhandels erhoben wird.

92.      Gleichwohl will ich die Bedeutung des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie für das vorliegende Verfahren ansprechen, da ich zum einen der Überzeugung bin, dass die abstrakten Voraussetzungen einer Anwendung dieser Bestimmung der Korrektur bedürfen, um die praktische Wirksamkeit dieser Vorschrift zu sichern (dazu unter a). Zum anderen ist es nach einer etwaigen Korrektur dieser Voraussetzungen durch den Gerichtshof zweifelhaft, ob die ungarische Sondersteuer mit Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar wäre (dazu unter b und c).

a)      Sinn und Zweck des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie

93.      Der Sinn des Verbots der Erhebung von Steuern, die den Charakter einer Umsatzsteuer haben, lässt sich wie folgt erklären: Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem der Union soll die zuvor in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden unterschiedlichen Umsatzsteuern ersetzen(40). Wie der vierte und der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 67/227/EWG zeigen(41), wurden zuvor in den meisten Mitgliedstaaten Umsatzsteuern in der Form eines kumulativen Mehrphasensystems, also nicht in der Form einer Mehrwertsteuer, erhoben. Durch das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sollen nun alle Umsatzsteuern in der Union durch eine bestimmte Form der Umsatzsteuer, nämlich die geltende Mehrwertsteuer, ersetzt werden.

94.      Folglich harmonisiert das gemeinsame Mehrwertsteuersystem nicht den Bereich der Mehrwertsteuern, sondern den weitergehenden Bereich der Umsatzsteuern, indem es eine bestimmte Spielart der Umsatzsteuer – die geltende Mehrwertsteuer – als verbindlich festlegt. Dieser Harmonisierung würde es natürlich widersprechen, wenn die Mitgliedstaaten neben dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem weitere Umsatzsteuern, gleich welcher Spielart, unterhielten.

95.      Bereits vor diesem Hintergrund ist die bisherige Sichtweise der Rechtsprechung zu eng, wonach eine nationale Steuer nur dann an dem Verbot des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie der Erhebung einer Umsatzsteuer scheitert, wenn diese Steuer die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweist(42). Bereits Generalanwalt Léger hat darauf hingewiesen, dass diese Sichtweise des Gerichtshofs paradoxerweise den Mitgliedstaaten die Wiedereinführung eines kumulativen Mehrphasensystems erlaubte, dessen Abschaffung das gemeinsame Mehrwertsteuersystem doch gerade dient(43). Denn ein kumulatives Mehrphasensystem weist eben nicht die wesentlichen Merkmale einer Mehrwertsteuer auf, da es keinen Vorsteuerabzug vorsieht.

96.      Es kommt hinzu, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Steuer dann den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie hat und somit unionsrechtlich untersagt ist, wenn sie das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt(44). Dieses Funktionieren beruht aber gerade darauf, dass eine bestimmte Form der Umsatzsteuer – nämlich die geltende Mehrwertsteuer – in allen Mitgliedstaaten für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen soll. Ausweislich des vierten Erwägungsgrundes der Mehrwertsteuerrichtlinie ist es nämlich das Ziel der Einführung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, in den Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern anzuwenden, durch die die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht und der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht behindert werden. Dabei sollen so weit wie möglich die Faktoren ausgeschaltet werden, die geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Unionsebene zu verfälschen.

97.      Konsequenterweise hat der Gerichtshof selbst in seinen letzten einschlägigen Entscheidungen verlangt, beim Vergleich einer nationalen Steuer mit den Merkmalen der Mehrwertsteuer ein besonderes Augenmerk auf das Erfordernis zu legen, dass die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems jederzeit gewährleistet sein muss(45). Es bleibt jedoch offen, warum nur eine Steuer, welche die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer erfüllt, das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigen kann. Wie Generalanwältin Stix-Hackl bereits zu Recht festgestellt hat, wird das gemeinsame Mehrwertsteuersystem am stärksten durch eine Steuer gestört, die sowohl wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer als auch solche aufweist, die im Konflikt mit der Mehrwertsteuer stehen(46).

98.      Gegen die enge Sichtweise der Rechtsprechung spricht somit nicht nur der Wortlaut des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der nicht auf den Charakter einer Mehrwertsteuer, sondern auf den Charakter einer davon zu unterscheidenden Umsatzsteuer abstellt. Vor allem nimmt die enge Auslegung dieser Vorschrift ihre praktische Wirksamkeit, weil sie die Erhebung nationaler Umsatzsteuern zulässt, die – wie etwa eine Umsatzsteuer nach dem kumulativen Mehrphasensystem – das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigen.

99.      Einen Anknüpfungspunkt für ein weitergehendes Verständnis des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie bietet die Rechtsprechung insoweit, als sie in gewisser Weise stets offengelassen hat, ob nicht noch andere Steuern als solche, welche die wesentlichen Merkmale einer Mehrwertsteuer erfüllen, unionsrechtlich untersagt sein könnten. Der Gerichtshof kann nämlich immer noch dahingehend verstanden werden, dass zumindest eine Steuer, welche die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweist, mit dem jetzigen Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar ist(47). Demnach wäre nicht ausgeschlossen, dass auch andere Steuern ebenfalls hiermit unvereinbar sein könnten(48).

100. Im Ergebnis erscheint mir klar, dass das Verbot einer Steuer nach Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie voraussetzt, dass eine nationale Steuer die wesentlichen Merkmale nicht einer Mehrwertsteuer, sondern einer Umsatzsteuer aufweist. Darüber hinaus verbietet diese Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck und entsprechend der bisherigen Rechtsprechung nur solche Steuern, die das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen, indem sie die Wettbewerbsbedingungen auf nationaler Ebene oder auf Unionsebene verfälschen.

101. Im Folgenden werde ich daher kurz untersuchen, welche Auswirkungen eine in dieser Weise veränderte Sichtweise der Rechtsprechung für den vorliegenden Fall haben könnte.

b)      Wesentliche Merkmale einer Umsatzsteuer

102. Zunächst wäre zu prüfen, ob die ungarische Sondersteuer die wesentlichen Merkmale einer Umsatzsteuer im Sinne des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufweist.

103. Als Ausgangspunkt für die Bestimmung der wesentlichen Merkmale einer Umsatzsteuer bieten sich die wesentlichen Merkmale einer Mehrwertsteuer nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs an. Denn Letztere sollten bereits die Merkmale des Überbegriffs der Umsatzsteuer enthalten sowie zusätzlich die speziellen Merkmale der Mehrwertsteuer.

i)      Gewährung des Vorsteuerabzugs und Abwälzbarkeit

104. Zunächst ist mit den Generalanwälten Mischo und Stix-Hackl festzustellen, dass der Vorsteuerabzug nicht zu den wesentlichen Merkmalen einer Umsatzsteuer gehören kann(49). Gerade dieses Merkmal würde verhindern, dass den Mitgliedstaaten die Wiedereinführung eines kumulativen Mehrphasensystems untersagt wäre, dessen Abschaffung das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gerade dient.

105. Auch die vom Gerichtshof geforderte Abwälzbarkeit der Steuer auf den Endverbraucher(50), die stets als Konsequenz des Vorsteuerabzugs dargestellt wird(51), ist keine Voraussetzung für die Annahme des Charakters einer Umsatzsteuer im Sinne des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Denn gerade in einem kumulativen Mehrphasensystem steht die Abwälzbarkeit der Steuer in Frage, weil keine gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen. Die Forderung nach der Abwälzbarkeit der Steuer würde im Übrigen letztlich dazu führen, dass gerade Steuern, die den Wettbewerb besonders verzerren und deshalb aufgrund stark unterschiedlicher Wettbewerbsbedingungen der Steuerpflichtigen nicht abwälzbar sind, vom Verbot des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht erfasst wären.

ii)    Erhebung auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe

106. Auch das Merkmal der Erhebung auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe stellt kein wesentliches Merkmal einer Umsatzsteuer dar(52).

107. Dies hat nicht nur der Gerichtshof bereits in früherer Rechtsprechung so gesehen(53). Darüber hinaus sind Einphasensysteme ebenfalls eine Alternative zum geltenden Mehrwertsteuersystem, da sie bei ihrer Anwendung auf Umsätze an Endverbraucher prinzipiell zum gleichen steuerlichen Ergebnis führen.

iii) Bemessung nach dem Preis

108. Das Merkmal der Bemessung nach dem Preis ist das eigentlich wesensgebende Merkmal einer Umsatzsteuer. Nur wenn die Steuer sich in ihrer Bemessungsgrundlage am Umsatz selbst orientiert, kann überhaupt von einer Umsatzsteuer gesprochen werden.

109. Unerheblich ist jedoch, ob sich die Bemessung an einem einzelnen Umsatz oder der Summe von Umsätzen eines bestimmten Zeitraums orientiert wie im vorliegenden Fall der ungarischen Sondersteuer. Denn selbst wenn eine Steuer nach dem Gesamtumsatz eines Jahres bemessen wird, wirkt sie sich auf jeden einzelnen Umsatz aus(54).

110. Der Gerichtshof hat zwar in älteren Verfahren teilweise die Anwendbarkeit des Verbots speziell auf eine Steuer verneint, die ähnlich wie die vorliegende Sondersteuer bestimmte Gruppen von Unternehmen nur auf der Grundlage des Gesamtjahresumsatzes belastete(55). Eine derartige Feststellung mag aber auch von dem teilweise in der Rechtsprechung anzutreffenden Missverständnis geleitet sein, dass die Mehrwertsteuer auf den bei jedem Umsatz erzielten Mehrwert erhoben wird(56). Dies ist jedoch steuertechnisch gesehen nicht der Fall, da die Bemessungsgrundlage nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie aus der vollständigen Gegenleistung gebildet wird.

111. Die ungarische Sondersteuer würde somit das Merkmal der Bemessung nach dem Preis erfüllen.

iv)    Allgemeine Erhebung

112. Schließlich gehört auch das Merkmal einer allgemeinen Erhebung zu den wesentlichen Merkmalen einer Umsatzsteuer im Sinne des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie.

113. Dies folgt unmittelbar aus der Auslegung des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Die Vorschrift nennt nämlich als Beispiele für Steuern, die nicht den Charakter einer Umsatzsteuer aufweisen, einzelne Steuerarten, die sich auf die Besteuerung bestimmter Leistungsinhalte wie Versicherungen, Grundstücke oder Spiele und Wetten konzentrieren. Solche speziellen Umsatzsteuern bleiben somit auch nach Einführung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems weiterhin zulässig. Verboten sind damit lediglich allgemeine Umsatzsteuern. Nur diese haben auch eine Reichweite, die in der Lage ist, das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beeinträchtigen.

114. Der Gerichtshof hat bislang als allgemeine Umsatzsteuern nur solche Steuern angesehen, welche die Gesamtheit der wirtschaftlichen Vorgänge in einem Mitgliedstaat erfassen(57).

115.  Allerdings ist festzustellen, dass selbst die geltende Mehrwertsteuer längst nicht alle Umsätze besteuert. So enthalten insbesondere die Art. 132 und 135 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Vielzahl von Steuerbefreiungen für einzelne Leistungen oder gar ganze Branchen. Insofern kann die allgemeine Erhebung einer Steuer nicht voraussetzen, dass wirklich sämtliche Leistungsinhalte besteuert werden. Eine solche Auslegung würde auch dem Verbot des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie jeden praktisch relevanten Anwendungsbereich nehmen(58).

116. Insbesondere bei einer Steuer wie der vorliegenden, die nur auf der letzten Vertriebsstufe erhoben wird, kann nicht gefordert werden, dass sie sämtliche Arten von Umsätzen erfasst. Im Hinblick auf die allgemeine Erhebung der Umsatzsteuer stellt sich bei einer solchen Steuer allein die Frage, ob sie im Hinblick auf die an Endverbraucher erbrachten Umsätze allgemeinen Charakter hat.

117. Unabhängig von der Frage, wann insoweit von einer allgemeinen Erhebung auszugehen ist(59), fehlen hierzu im vorliegenden Verfahren die notwendigen Angaben zum Anwendungsbereich der Steuer. So weist das nationale Gericht lediglich darauf hin, dass die Sondersteuer Einzelhandelstätigkeiten in bestimmten, mit Nummern bezeichneten Sektoren der in Ungarn geltenden einheitlichen Nomenklatur der Wirtschaftstätigkeiten erfasst. Wie weitreichend die Besteuerung der Umsätze an Endverbraucher ist, ergibt sich hieraus jedoch nicht.

118. Aufgrund der vorliegenden Informationen kann somit nicht beurteilt werden, ob eine Steuer wie die ungarische Sondersteuer eine allgemeine Umsatzsteuer im Sinne des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt.

c)      Verfälschen der Wettbewerbsbedingungen

119. Falls festzustellen wäre, dass es sich bei der ungarischen Sondersteuer um eine allgemeine Umsatzsteuer im Sinne des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie handelt, setzte ein unionsrechtliches Verbot weiterhin voraus, dass diese Steuer das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie die Wettbewerbsbedingungen auf nationaler Ebene oder auf Unionsebene verfälscht.

120. Dies dürfte bei der Sondersteuer der Fall sein. Denn der Verkauf der gleichen Produkte unterliegt aufgrund der Progression des Steuersatzes je nach Steuerpflichtigem im Ergebnis einer unterschiedlich hohen Steuerbelastung. Dies gilt allerdings nicht im Hinblick auf die rückwirkende Erhebung der Sondersteuer, die aufgrund ihrer Unkenntnis zum Zeitpunkt des Umsatzes den Wettbewerb nicht verfälschen konnte.

121. Darüber hinaus wird aufgrund der Art und Weise der Erhebung der Sondersteuer die Länge des Produktions- und Vertriebswegs entgegen dem grundlegenden Prinzip des Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie wieder für die Steuerbelastung bedeutsam. Sofern ein Großhändler nämlich an kleine Einzelhändler liefert, ergibt sich nach dem Stufentarif der Sondersteuer keine Steuerbelastung. Wird der Vertriebsweg jedoch um eine Stufe reduziert, indem der vormalige Großhändler nunmehr als großer Einzelhändler tätig wird, entsteht aufgrund der Progression des Tarifs eine Steuerbelastung. Auch die unterschiedliche Behandlung von Filial- und Franchisesystemen ist das Resultat dieser mit den Prinzipien des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems nicht übereinstimmenden Erhebung der Sondersteuer(60).

122. Damit würde die ungarische Sondersteuer aufgrund ihres Stufentarifs grundsätzlich das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen, indem sie die Wettbewerbsbedingungen auf nationaler Ebene verfälscht. Anders als im Fall der Grundfreiheiten ist hier eine grenzüberschreitende Wettbewerbsverzerrung nicht erforderlich.

d)      Zwischenergebnis

123. Vor dem Hintergrund der unzureichenden Angaben des Vorabentscheidungsersuchens im Hinblick auf den allgemeinen Charakter der Sondersteuer sowie in Anbetracht des Umstands, dass die Auslegung des Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie im Ausgangsverfahren bislang keine Rolle gespielt zu haben scheint, schlage ich dem Gerichtshof nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vor, um den Beteiligten insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

124. Es erscheint mir zweckmäßiger, im vorliegenden Verfahren nur die vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragen zum Primärrecht zu klären und im Übrigen dem vorlegenden Gericht nur den Hinweis zu geben, Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie angemessen zu berücksichtigen. Sollte das vorlegende Gericht angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs und der hier angestellten Erwägungen einen Verstoß der ungarischen Sondersteuer gegen Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht für ausgeschlossen halten, sollte es erneut den Weg eines Vorabentscheidungsersuchens beschreiten.

6.      Ergebnis

125. Die Vorlagefrage ist somit in der Weise zu beantworten, dass der im vorliegenden Fall anzuwendende Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV der Erhebung der ungarischen Sondersteuer, wie sie vom vorlegenden Gericht dargestellt wurde, nicht entgegensteht. Das vorlegende Gericht hat jedoch zu prüfen, ob die Sondersteuer mit Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu vereinbaren ist.

V –    Ergebnis

126. Somit schlage ich vor, auf die Vorlagefrage des Székesfehérvári Törvényszék wie folgt zu antworten:

Der im Ausgangsverfahren in Verbindung mit Art. 54 AEUV anzuwendende Art. 49 AEUV steht der Erhebung einer Steuer, wie sie vom vorlegenden Gericht dargestellt wurde, nicht entgegen. Das vorlegende Gericht hat jedoch zu prüfen, ob eine solche Steuer mit Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zu vereinbaren ist.

1 – Originalsprache: Deutsch.

2 – Vgl. nur Urteil vom 21. Dezember 2011, Enel Produzione (C-242/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Anforderungen regelt nunmehr auch Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vom 25. September 2012 (ABl. L 265, S. 1), der im vorliegenden Verfahren allerdings noch keine Anwendung findet.

3 – Vgl. nur Urteil vom 27. November 2012, Pringle (C-370/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 84 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).

4 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 1994, Vaneetveld (C-316/93, Slg. 1994, I-763, Randnr. 14).

5 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. September 1999, Brentjens‘ (C-115/97 bis C-117/97, Slg. 1999, I-6025, Randnr. 40), und vom 10. März 2009, Heinrich (C-345/06, Slg. 2009, I-1659, Randnr. 35).

6 – Vgl. insbesondere die parlamentarischen Anfragen vom 20. Dezember 2010 (E-010535/2010), vom 2. Februar 2011 (E-000576/2011) und vom 19. Januar 2012 (O-000009/2012) sowie die Antwort der Kommission vom 15. März 2011 auf die Anfragen E-000576/11 und E-000955/11.

7 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Brentjens‘ (zitiert in Fn. 5, Randnr. 42), und vom 11. April 2000, Deliège (C-51/96 und C-191/97, Slg. 2000, I-2549, Randnr. 38).

8 – ABl. L 347, S. 1.

9 – Vgl. zu dieser Befugnis des Gerichtshofs nur Urteile vom 20. März 1986, Tissier (35/85, Slg. 1986, 1207, Randnr. 9), und vom 30. Mai 2013, Worten (C-342/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 30).

10 – Vgl. insoweit auch die Antwort der Kommission vom 15. März 2011 auf die Anfragen E-000576/11 und E-000955/11, der zufolge sich die Kommission aufgrund einer entsprechenden Beschwerde bereits mit der Möglichkeit eines Verstoßes der Sondersteuer gegen Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie befasst hat.

11 – Vgl. Urteile vom 8. November 2007, Stadtgemeinde Frohnleiten und Gemeindebetriebe Frohnleiten (C-221/06, Slg. 2007, I-9643, Randnr. 43), und vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C-206/06, Slg. 2008, I-5497, Randnr. 44), jeweils zu Art. 90 EG.

12 – Vgl. Urteil vom 9. Mai 1985, Humblot (112/84, Slg. 1985, 1367, Randnr. 14), zu Art. 95 EWG; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 17. September 1987, Feldain (433/85, Slg. 1987, 3521, Randnr. 16), und vom 3. März 1988, Bergandi (252/86, Slg. 1988, 1343, Randnr. 28), zu Art. 95 EWG.

13 – Urteil Stadtgemeinde Frohnleiten und Gemeindebetriebe Frohnleiten (zitiert in Fn. 11, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung), zu Art. 90 EG.

14 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 1994, Halliburton Services (C-1/93, Slg. 1994, I-1137).

15 – Siehe nur Urteile vom 22. Dezember 2008, Truck Center (C-282/07, Slg. 2008, I-10767, Randnr. 32), und vom 18. Juni 2009, Aberdeen Property Fininvest Alpha (C-303/07, Slg. 2009, I-5145, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16 – Vgl. u. a. Urteile vom 14. Februar 1995, Schumacker (C-279/93, Slg. 1995, I-225, Randnr. 30), vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (C-374/04, Slg. 2006, I-11673, Randnr. 46), und vom 2. April 2009, Elshani (C-459/07, Slg. 2009, I-2759, Randnr. 36).

17 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (zitiert in Fn. 16, Randnr. 46) und Truck Center (zitiert in Fn. 15, Randnr. 36).

18 – Vgl. u. a. Urteile vom 5. Dezember 1989, Kommission/Italien (C-3/88, Slg. 1989, 4035, Randnr. 8), vom 13. Juli 1993, Commerzbank (C-330/91, Slg. 1993, I-4017, Randnr. 14), vom 8. Juli 1999, Baxter u. a. (C-254/97, Slg. 1999, I-4809, Randnr. 10), vom 25. Januar 2007, Meindl (C-329/05, Slg. 2007, I-1107, Randnr. 21), und vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C-570/07 und C-571/07, Slg. 2010, I-4629, Randnrn. 117 f.).

19 – Vgl. Urteile vom 7. Juli 1988, Stanton und L‘Étoile 1905 (143/87, Slg. 1988, 3877, Randnr. 9), Commerzbank (zitiert in Fn. 18, Randnr. 15), Baxter u. a. (zitiert in Fn. 18, Randnr. 13) und vom 22. März 2007, Talotta (C-383/05, Slg. 2007, I-2555, Randnr. 32); vgl. auch Urteile Bergandi (zitiert in Fn. 12, Randnr. 28) zu Art. 95 EWG und vom 26. Oktober 2010, Schmelz (C-97/09, Slg. 2010, I-10465, Randnr. 48) zur Dienstleistungsfreiheit.

20 – Vgl. Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez (zitiert in Fn. 18, Randnr. 119).

21 – Vgl. Urteile Talotta (zitiert in Fn. 19, Randnr. 32) sowie Blanco Pérez und Chao Gómez (zitiert in Fn. 18, Randnr. 119); vgl. auch Urteil vom 8. Mai 1990, Biehl (C-175/88, Slg. 1990, I-1779, Randnr. 14) zur Arbeitnehmerfreizügigkeit.

22 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2012, Erny (C-172/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41) zur Arbeitnehmerfreizügigkeit.

23 – Vgl. Urteile Baxter u. a. (zitiert in Fn. 18, Randnr. 13) und Blanco Pérez und Chao Gómez (zitiert in Fn. 18, Randnr. 119).

24 – Vgl. Urteil Kommission/Italien (zitiert in Fn. 18, Randnr. 9); vgl. auch Urteil Humblot (zitiert in Fn. 12, Randnr. 14) zu Art. 95 EWG.

25 – Vgl. Urteil Schumacker (zitiert in Fn. 16, Randnr. 28).

26 – Siehe oben, Nr. 32.

27 – Vgl. in diesem Sinne nur Urteil Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation (zitiert in Fn. 16, Randnr. 46).

28 – Siehe unten, Nrn. 64 ff.

29 – Vgl. insoweit auch meine Schlussanträge vom 19. Juli 2012, A (C-123/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nrn. 40 f.).

30 – Siehe oben, Nrn. 48 ff.

31 – Vgl. nur Urteile Truck Center (zitiert in Fn. 15, Randnr. 33), Blanco Pérez und Chao Gómez (zitiert in Fn. 18, Randnr. 53) sowie vom 6. September 2012, DI. VI. Finanziaria di Diego della Valle & C. (C-380/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32 – Siehe im Einzelnen meine Schlussanträge vom 21. Dezember 2011, X (C-498/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nr. 28).

33 – Siehe zur Binnenmarktgesetzgebung Art. 114 Abs. 2 und Art. 115, zur Industriepolitik Art. 173 Abs. 3 Unterabs. 2, zur Umweltpolitik Art. 192 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und zur Energiepolitik Art. 194 Abs. 3 AEUV.

34 – Vgl. hierzu Urteil vom 13. November 2012, Test Claimants in the FII Group Litigation (C-35/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 91 und 94).

35 – Vgl. Urteil vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a. (C-397/98 und C-410/98, Slg. 2001, I-1727, Randnr. 39).

36 – Siehe nur Urteile vom 31. März 1992, Dansk Denkavit und Poulsen Trading (C-200/90, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 17. September 1997, UCAL (C-347/95, Slg. 1997, I-4911, Randnr. 32).

37 – Siehe oben, Nrn. 48 ff.

38 – Vgl. u. a. Urteile vom 9. März 2000, EKW und Wein & Co (C-437/97, Slg. 2000, I-1157, Randnr. 23), vom 19. September 2002, Tulliasiamies und Siilin (C-101/00, Slg. 2002, I-7487, Randnr. 105), vom 3. Oktober 2006, Banca popolare di Cremona (C-475/03, Slg. 2006, I-9373, Randnrn. 27 f.), und vom 11. Oktober 2007, KÖGÁZ u. a. (C-283/06 und C-312/06, Slg. 2007, I-8463, Randnr. 36); vgl. ähnlich bereits Urteil vom 7. Mai 1992, Bozzi (C-347/90, Slg. 1992, I-2947, Randnr. 10).

39 – Siehe u. a. Urteile vom 8. Juni 1999, Pelzl u. a. (C-338/97, C-344/97 und C-390/97, Slg. 1999, I-3319, Randnr. 21), Banca popolare di Cremona (zitiert in Fn. 38, Randnr. 28) und KÖGÁZ u. a. (zitiert in Fn. 38, Randnr. 37).

40 – Siehe nur Urteile Banca popolare di Cremona (zitiert in Fn. 38, Randnr. 23) und KÖGÁZ u. a. (zitiert in Fn. 38, Randnr. 31).

41 – Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. Nr. 71, S. 1301).

42 – Vgl. nur Urteil KÖGÁZ u. a. (zitiert in Fn. 38, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 13. März 1997, Solisnor-Estaleiros Navais (C-130/96, Slg. 1997, I-5053, Nr. 42).

44 – Siehe nur Urteile Banca popolare di Cremona (zitiert in Fn. 38, Randnrn. 23 bis 25) und KÖGÁZ u. a. (zitiert in Fn. 38, Randnrn. 31 und 34); vgl. bereits Urteil vom 27. November 1985, Rousseau Wilmot (295/84, Slg. 1985, 3764, Randnr. 16).

45 – Urteile Banca popolare di Cremona (zitiert in Fn. 38, Randnr. 29) und KÖGÁZ u. a. (zitiert in Fn. 38, Randnr. 38).

46 – Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 14. März 2006, Banca popolare di Cremona (C-475/03, Slg. 2006, I-9373, Nr. 36).

47 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Dansk Denkavit und Poulsen Trading (zitiert in Fn. 36, Randnr. 11), vom 26. Juni 1997, Careda u. a. (C-370/95 bis C-372/95, Slg. 1997, I-3721, Randnr. 14), vom 19. Februar 1998, SPAR (C-318/96, Slg. 1998, I-785, Randnr. 22), Pelzl u. a. (zitiert in Fn. 40, Randnr. 20) und KÖGÁZ u. a. (zitiert in Fn. 38, Randnrn. 34 f.).

48 – Vgl. insoweit Urteil vom 13. Juli 1989, Wisselink u. a. (93/88 und 94/88, Slg. 1989, 2671, Randnr. 11) zum kumulativen Mehrphasensystem sowie Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 18. März 1999, Pelzl u. a. (C-338/97, C-344/97 und C-390/97, Slg. 1999, I-3319, Nr. 85).

49 – Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 27. April 1989, Wisselink u. a. (93/88 und 94/88, Slg. 1989, 2671, Nr. 50), und Schlussanträge Banca popolare di Cremona der Generalanwältin Stix-Hackl (zitiert in Fn. 46, Nr. 110).

50 – Vgl. u. a. Urteile Careda u. a. (zitiert in Fn. 47, Randnrn. 14 f.) und KÖGÁZ u. a. (zitiert in Fn. 38, Randnrn. 50 und 57).

51 – Vgl. u. a. Urteile Pelzl u. a. (zitiert in Fn. 39, Randnr. 21), Banca popolare di Cremona (zitiert in Fn. 38, Randnr. 28) und KÖGÁZ u. a. (zitiert in Fn. 38, Randnr. 37).

52 – Schlussanträge Wisselink u. a. (zitiert in Fn. 49, Nr. 50).

53 – Vgl. Urteil Wisselink u. a. (zitiert in Fn. 48, Randnrn. 11 f.).

54 – Schlussanträge Pelzl u. a. (zitiert in Fn. 48, Nrn. 44 und 57); vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 17. März 2005, Banca popolare di Cremona (C-475/03, Slg. 2006, I-9373, Nrn. 46 ff.), und Schlussanträge Banca popolare di Cremona der Generalanwältin Stix-Hackl (zitiert in Fn. 46, Nr. 79).

55 – Vgl. Urteile Rousseau Wilmot (zitiert in Fn. 44, Randnr. 16) und Pelzl u. a. (zitiert in Fn. 39, Randnr. 25); anders aber im Ergebnis Urteil Dansk Denkavit und Poulsen Trading (zitiert in Fn. 36).

56 – Vgl. Urteile vom 19. März 1991, Giant (C-109/90, Slg. 1991, I-1385, Randnr. 14), und vom 16. Dezember 1992, Beaulande (C-208/91, Slg. 1992, I-6709, Randnr. 18).

57 – Urteile Beaulande (zitiert in Fn. 56, Randnr. 16), vom 17. September 1997, Solisnor-Estaleiros Navais (C-130/96, Slg. 1997, I-5053, Randnr. 17), sowie Tulliasiamies und Siilin (zitiert in Fn. 38, Randnr. 101); vgl. auch Urteil EKW und Wein & Co (zitiert in Fn. 38, Randnr. 24).

58 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Saggio vom 1. Juli 1999, EKW und Wein & Co (C-437/97, Slg. 2000, I-1157, Nr. 21).

59 – Vgl. insoweit die verschiedenen Lösungsansätze der Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 19. März 1992, Bozzi (C-347/90, Slg. 1992, I-2947, Nr. 14), und der Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 20. November 1997, SPAR (C-318/96, Slg. 1998, I-785, Nr. 33).

60 – Vgl. oben, Nrn. 72 ff.

Quelle