Mittwoch, 27. November 2013

Offener Brief an das Finanzgericht Hamburg vom 27.11.13

Betreff: 
Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft
gegen
Finanzamt Hamburg-Bergedorf
Bezug:    
Beschluss vom 21.9.2012 (Az. 3 K 104/11
EuGH-Urteil vom 24.10.2013 (Rs. C-440/12)
hier:       
Unionsrechtswidriger Vorsteuerabzug bei Spielbanken,
Spielhallen und Gaststätten
Verstoß gegen die steuerliche Neutralität
Verstoß gegen das Dispensverfahren gem. Art. 395, 1
Verstoß gegen den Notifizierungszwang nach der InformationsverfahrensRL 98/34/EG
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Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Interesse habe ich die bisherigen Aufsätze und Kommentierungen zu der Entscheidung des EuGH in der Rs. C-440/12, auch in Bezug zum Wettbewerbsrecht und den Transparenzvorschriften der Union gelesen.

Ich interessiere mich für dieses Verfahren, da aus meiner Sicht die Abweichung von der Mehrwertsteuerrichtlinie, die Steuergeldverschwendung durch unzulässige Subventionierung staatlicher Casinos unzulässig ist und sich eine Ungleichbehandlung mit Griechenland in Bezug zu den laufenden Beihilfeverfahren [(IP/11/635 und SA.35602 (2012/CP)] verbietet.

Rettungsschirme für Spielbanken passen absolut nicht in die Landschaft,“ sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel.

Quelle:
http://www.mopo.de/politik/steuergeschenk-spielbankabgabe--senat-entlastet-casinos,5067150,24835356.html

Hiermit erlaube ich mir, Sie als Tatsacheninstanz in der Rs. Metropol auf die unionsrechtliche Rechtslage hinzuweisen, die durch die unmittelbar gültige DurchführungsVO zur MwSystRL  2006/112/EG vom 23. März 2011 vorgegeben ist.

MwStSystRL:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32006L0112:DE:NOT

Die Kompetenz zum Erlass einer DurchführungsVO liegt gem. Art. 397 MwStSystRL (allein) beim Rat ............

Unter der Rn. 4 des Amtsblattes der Europäischen Union, L 77 vom 23. März 2011 wird wie folgt vorgegeben:

„Da sie in allen Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt, wird die Einheitlichkeit der Anwendung am besten durch eine Verordnung gewährleistet.“

und auf Seite L 77/14:

“Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.“

Quelle:
http://eur-lex.europa.eu/JOHtml.do?uri=OJ%3AL%3A2011%3A077%3ASOM%3ADE%3AHTML
    
Mit dem Amtsblatt Nr. C 188  vom 28/06/2012 wurde erneut auf die Rechtslage hingewiesen und unter S. 0002 – 0003 vorgegeben:

"Die EU-Organe haben nach Artikel 113 des Vertrags für die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern wie z. B. die Mehrwertsteuer (MwSt) zu sorgen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten." 

Quelle:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2012:188:0002:0003:DE:PDF

Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (die „Mehrwertsteuerrichtlinie“) ist unter Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung veröffentlicht und für jedermann unter folgendem Link einsehbar:

http://europa.eu/legislation_summaries/taxation/l31057_de.htm

Unter Mehrwertsteuerbefreiungen ohne Recht auf Vorsteuerabzug wurden Steuerbefreiungen für folgende Tätigkeiten vorgesehen:

“bestimmte Umsätze, die unter anderem Versicherungen, die Gewährung von Krediten, bestimmte Bankdienstleistungen, die Lieferung von Postwertzeichen, Glücks- oder Geldspiele sowie bestimmte Immobilienlieferungen einschließen.“

Hieraus ergibt sich eine zwingende Mehrwertsteuerbefreiung für Glücksspielumsätze.

Die im EuGH-Urteil (Rs 440/12) vom 24.10.2013 angegebene Rechtslage ist insofern unvollständig, da sich diese nur auf das beschränkt was durch die Vorlagefragen vorgegeben wurde, weshalb in den bisherigen Verfahren die ebenfalls maßgeblichen Art. 137 und Art. 395, 1 der MwStSystRL  unberücksichtigt blieben.

Die Steuerbefreiung für Glücksspielumsätze ist durch Art. 135, 1 Buchstabe ”i”, dem Art. 401, der zwingend vorgibt, dass eine Umsatzsteuer oder eine damit vergleichbare Steuer weder “beibehalten“ noch "neu" ein-geführt werden darf, und durch Art. 137 vorgegeben, der explizit eine Mehrwertsteueroption ausschließt, weshalb sich auch ein Vorsteuerabzug verbietet.

Neufassung des Umsatzsteuergesetzes unanwendbar

Nach den Unionsrechtlichen Vorgaben verstößt schon die Neufassung von § 4 Nr. 9 Buchst. B, des deutschen Umsatzsteuergesetzes vom 28. April 2006 (BGBl. I S. 1095) aus “zwei“ Gründen gegen höheres Recht und ist entspr.  § 1 AO unanwendbar.

Die Rechtsänderung wurde weder notifiziert noch über ein Dispensverfahren durch den Rat genehmigt. Damit fehlt der Neufassung des deutschen Umsatzsteuergesetzes (BGBl. I S. 1095) die Rechtsgrundlage.

1. Dispensverfahren nach Art. 395, 1

Entsprechend den verbindlichen Vorgaben, dürfen Abweichungen von der MwStSystRL 2006/112/EG ausschließlich über ein Dispensverfahren gem. Art. 395, 1 durch den Rat der Union genehmigt werden.

Eine Ermächtigung zur Einführung einer Mehrwertsteuer auf Glücksspielumsätze (Sondermaßnahme in Bezug zu Art. 135,1,i; Art. 137 und Art. 401) konnte nicht festgestellt werden, wodurch sich die Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UstG vom 28. April 2006 (BGBl. I S. 1095) als unionsrechtswidrig und damit als unanwendbar darstellt.

Die Kompetenz, eine Abweichung von der DurchführungsVO zur MwStSystRL zu genehmigen, liegt gemäß Artikel 395 Absatz 1 allein beim Rat. Nur der Unionsgesetzgeber kann das harmonisierte Mehrwertsteuersystem ändern oder Ausnahmen über ein Dispensverfahren zulassen.

2. Notifizierungszwang

Entsprechend der InformationsverfahrensRL 98/34/EG, müssen Gesetzesänderungen gegenüber der Europäischen Kommission vorab notifiziert (d.h. im Entwurf mitgeteilt) werden. (vgl. EuGH Fortuna C-213/11, Grand C-214/11 und Forta C-217/11).

Nach diesseitigem Kenntnisstand wurde die Neufassung von § 4 Nr. 9 Buchst. B, des deutschen Umsatzsteuergesetzes vom 28. April 2006 (BGBl. I S. 1095) und der damit verbundene Vorsteuerabzug und die Umsatzsteuererstattung durch Verrechnung mit der Spielbankenabgabe der öffentlichen Spielbanken, weder notifiziert noch über ein Dispens-verfahren durch den Rat genehmigt.

Entsprechend der Entscheidung Fortuna u.a. fehlt somit die Rechtsgrundlage zur Erhebung einer Umsatzsteuer auf Glücksspielumsätze und der damit verbundene Vorsteuerabzug.

Im Hinblick auf die fehlende Notifizierung möchte ich noch auf den beigefügten Artikel aus der DStZ, Ausgabe 8/2013:

Steuerzahlungen ............... ohne Rechtsgrund?
Prof. Dr. Joachim E n g l i s c h /Rechtsanwalt Maximilian R i e g e

hinweisen, in dem die Autoren zu dem Ergebnis kommen, dass ohne eine ordnungsgemäße Notifizierung nach der InformationsverfahrensRL 98/34/EG, die Regelung unanwendbar ist und insofern zurzeit keine anwendbare Rechtsgrundlage für staatliche Steueransprüche darstellt. Bisher geleistete Steuerzahlungen erfolgten dementsprechend ohne Rechtsgrund.
Download:
http://www.timelaw.de/cms/upload/pdf/Seiten_aus_dstz_2013_08_Heftzusammenstellung.pdf

Ich hoffe mit diesen Zeilen zur Rechtsfindung beigetragen zu haben und bitte um Beachtung der Hinweise, insbesondere zum Notifizierungszwang und zum Dispensverfahren nach Art. 395, 1 der MwStSystRL.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Stiny

Anlage: Auszug aus der Zeitschrift „Deutsche Steuer-Zeitung“ (DStZ), Ausgabe 8/2013, Stollfuß Medien


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Hintergrund:

Wettbewerbsverzerrung durch Steuerstundung und Erlass

Kritische Anmerkungen zur EuGH-Entscheidung vom 24.10.2013 (Rs. C-440/12)

EuGH-Urteil vom 24.10.2013 (Rs. C-440/12)

Kommentar zum EuGH-Urteil vom 26.09.2013 (Rs. C-189/11)

Bereits mehrfach habe ich darauf hingewiesen, dass staatliche Spielbanken seit Jahren vom Steuerzahler subventioniert werden, wodurch u.a. gegen die Beihilfevorschriften, die Wettbewerbsvorschriften und gegen den Neutralitätsgrundsatz der Union verstoßen wird.

Elektronisches Amtsblatt rechtsverbindlich
Aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 216/2013 besitzt die elektronische Fassung des EU-Amtsblatts ab dem 1. Juli 2013 Echtheit und entfaltet Rechtswirkung. Sie können mehr darüber lesen im neuen EUR-Lex.
Quelle


Dienstag, 26. November 2013

Kommission geht gegen Glückspielgesetzgebung vor

Pressemitteilung:
European Gaming & Betting Association (EGBA) informiert: Online-Glücksspiel: Kommission geht gegen Glückspielgesetzgebung in mehreren Mitgliedsstaaten vor

Brüssel (ots) – Die Europäische Kommission hat heute gegen die Online-Glücksspielgesetzgebung in 6 Mitgliedsstaaten ein offizielles Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Gegen Schweden wurden zwei ‘mit Gründen versehene Stellungnahmen’ abgegeben, weil das Land die entsprechenden EU-Vorschriften nicht einhält. Dieser Schritt erfolgt einerseits nach wiederholten Aufforderungen des Europäischen Parlaments an die EU-Kommission, die Einhaltung des EU-Vertrages sicherzustellen. Anderseits hat der Europäische Gerichtshof zunehmend Klarheit geschaffen in der Frage, wie Gemeinschaftsrecht in Bezug auf nationale Glücksspielgesetzgebung anzuwenden ist. Es ist in näherer Zukunft von ähnlich gelagerten Entscheidungen gegen weitere Mitgliedsstaaten auszugehen.
Die Kommission hat Mahnschreiben (1) an Belgien, Zypern, Tschechien, Litauen, Polen und Rumänien bezüglich ihrer Online-Glücksspielgesetzgebung übersandt (siehe: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-1101_de.htm). An Schweden, gegen das bereits zwei Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurden, hat die Kommission heute in der Folge zwei ‘mit Gründen versehene Stellungnahmen’ übermittelt. Das ist eine förmliche Aufforderung, die Gesetzgebung mit Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen, und stellt die letzte Stufe vor der potenziellen Einleitung eines Gerichtsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof dar. Schweden wurde von der Kommission eine zweimonatige Frist zur Stellungnahme gesetzt.
Die heutige Entscheidung dürfte nur einen ersten Schritt darstellen, zumal eine Reihe von ähnlichen Beschwerden vorliegen bzw. Vertragsverletzungsverfahren gegen mehr als 20 Mitgliedsstaaten (siehe: http://ots.de/kwrmB) nach wie vor anhängig sind. Während die Kommission das Verfahren gegen Finnland eingestellt hat, laufen weiterhin Untersuchungen gegen Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn und die Niederlande in Erwartung einer formellen Entscheidung. Welche Bedeutung der Kommissionsentscheidung zukommt, lässt sich daran erkennen, dass zuletzt im Februar 2008 vergleichbare Maßnahmen gesetzt worden waren.
Die von der Kommission eingeleiteten Schritte folgen wiederholten Aufforderungen seitens des Europäischen Parlaments – zuletzt im Bericht “Online-Glücksspiele im Binnenmarkt” vom Juni 2013 – “die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Verfahren weiterhin … wirksam zu kontrollieren und durchzusetzen und Vertragsverletzungsverfahren gegen jene Mitgliedstaaten einzuleiten, die offenbar gegen das EU-Recht verstoßen” (siehe: http://ots.de/WAZNq ).
Sie beruhen auf den jüngsten Klarstellungen durch den EuGH darüber, wie die Bestimmungen des EU-Vertrags auf den (Online-)Glücksspielsektor anzuwenden sind (siehe: http://ots.de/DwLLi ). Es wurde festgestellt, dass durch nationale Vorschriften, die die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen, die in anderen Mitgliedstaaten zugelassen sind, untersagen, die Freiheit von Gebietsansässigen, über das Internet die in anderen Mitgliedstaaten angebotenen Dienstleistungen zu erhalten, eingeschränkt wird. Außerdem müssen Glücksspiel-Konzessionssysteme transparent gestaltet werden und dürfen nicht diskriminierend und willkürlich sein. Vor allem stellte der EuGH klar, dass einzelstaatliche Regelungen insgesamt mit ihren Zielsetzungen und Maßnahmen in Einklang stehen müssen. Ferner obliegt es dem Mitgliedsstaat zu beweisen, dass verhängte restriktive Maßnahmen angemessen und notwendig sind.
Maarten Haijer, Generalsekretär der EGBA, kommentiert: “Die heutige Entscheidung der Kommission ist deshalb so wichtig, weil sie für den Online-Glücksspiel-Markt in der EU weitere Rechtsklarheit bringt. Besonders hervorzuheben ist die Ausdauer und das Engagement von Kommissar Barnier und seinen Dienststellen im Sinne einer zeitgemäßen und EU-konformen Glücksspielregelung. Die EGBA appelliert an die Mitgliedsstaaten, diese Gelegenheit zu nutzen, um eine Glücksspielgesetzgebung einzuführen, die Marktrealitäten entspricht sowie den Anforderungen des EuGH genügt und so den Gang vor den Gerichtshof zu vermeiden hilft.”
Haijer fügt hinzu: “Es ist durchaus möglich, Ziele des öffentlichen Interesses kohärent, systematisch und in Einklang mit EU-Recht zu erreichen. Die EGBA bekennt sich uneingeschränkt zur Verfolgung politischer Ziele, wie etwa zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Alle Mitglieder der EGBA unterziehen sich deshalb einer verpflichtenden Prüfung ihrer Übereinstimmung mit den CEN “Maßnahmen zum verantwortungsvollen Umgang mit im Fernabsatz angebotenen Glücksspielen und Wetten”
Hinweise an die Redaktion
(1) Vertragsverletzungsverfahren
Wenn ein Mitgliedsstaat geltendem EU-Recht nicht entspricht, stehen
der Kommission eigene Mittel zur Verfügung (Klage wegen
Nicht-Einhaltung), um den Verstoß zu beenden und sie kann die
Rechtssache wo erforderlich an den EUGH verweisen. Die erste Phase
ist das Vorverfahren. Der Zweck des Vorverfahrens ist es, dem
Mitgliedsstaat Gelegenheit zu geben, die Anforderungen des Vertrags
freiwillig zu erfüllen.
Das Mahnschreiben stellt den ersten Schritt des Vorverfahrens dar, in dem die Kommission einen Mitgliedsstaat dazu auffordert, sich zu einem beschriebenen Problem in Bezug auf die Anwendung des EU-Rechts zu äußern.
Der Zweck der mit Gründen versehenen Stellungnahme ist die Darstellung des Standpunktes der Kommission in Bezug auf die Verletzung und den Gegenstand einer möglichen Vertragsverletzungsklage vor dem Europäischen Gerichtshof darzulegen, sowie den Mitgliedsstaat dazu aufzufordern, den Verstoß abzustellen. In der mit Gründen versehenen Stellungnahme muss schlüssig und detailliert dargelegt werden, aus welchen Gründen die Europäische Kommission zu dem Schluss gekommen ist, dass der betreffende Mitgliedsstaat einer oder mehreren Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen ergeben, nicht nachgekommen ist. 4 Mitgliedsstaaten (Schweden, Ungarn, die Niederlande, und Griechenland) haben bereits eine mit Gründen versehene Stellungnahme erhalten.
Die Verweisung durch die Kommission an den Gerichtshof leitet das Vertragsverletzungsverfahren ein.
(2) CEN-Vereinbarung über “Maßnahmen zum verantwortungsvollen Umgang
mit im Fernabsatz angebotenen Glücksspielen und Wetten”
Das Europäische Komitee für Normung (CEN) hat die CEN-Workshop-Vereinbarung über den ‘Verantwortungsvollen Umgang mit im Fernabsatz angebotenen Glücksspielen und Wetten’ (CWA 16259: 2011) veröffentlicht, dass auf die Sicherung eines hohen Schutzniveaus für Online-Spieler in der Europäischen Union abzielt (siehe: http://ots.de/wko7h ).
Die CWA ist eine freiwillige Konsensvereinbarung und beinhaltet insgesamt 134 Durchführungsmaßnahmen, die auf die Erreichung 9 politischer Ziele abzielen, darunter der Schutz schutzbedürftiger Verbraucher und die Verhinderung der Teilnahme von Minderjährigen an Glücksspielen. Die CWA dient auch zur Information der Entscheidungsträger auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene über die erforderlichen Standards für die Aufrechterhaltung einer verantwortungsvollen und sicheren Umgebung für im Fernabsatz angebotene Glücksspiele und Wetten. Die Mitglieder der EGBA unterziehen sich einer verpflichtenden Prüfung der Einhaltung der Bestimmungen der CWA.
CWA 16259: 2011 – ‘Verantwortungsvoller Umgang mit im Fernabsatz angebotenen Glückspielen und Wetten’ ist bei den 31 nationalen Mitgliedern der CEN erhältlich.
Über EGBA
Die EGBA ist der Verband der führenden Europäischen Online Glücksspiel- und Sportwettenbetreiber Bet-at-home.com, BetClic, bwinparty,Digibet, Expekt und Unibet. Die Gibraltar Betting and Gaming Association (GBGA) ist ein assoziiertes Mitglied der EGBA http://gbga.gi/. Die EGBA ist eine Non-Profit Organisation mit Sitz in Brüssel. Sie fördert das Recht privater Glücksspiel- und Sportwettenanbieter, die in einem Mitgliedsstaat gesetzlich reguliert und als Lizenznehmer arbeiten, auf einen fairen Zugang zum EU-Markt. Online-Glücksspiele und Sportwetten stellen einen schnell wachsenden Markt dar, werden aber in den kommenden Jahrzehnten immer noch einen relativ kleinen Teil des gesamten Glücksspielmarktes einnehmen, in dem für die traditionellen landgestützten Angebote ein Wachstum von EUR 79,7 Milliarden GGR 2012 auf EUR 83 Milliarden GGR 2015 erwartet wird, so dass der Löwenanteil von 85 % des Marktes in diesem Bereich verbleibt. Quelle: H2 Gambling Capital, September 2013.
Pressekontakt:
Maarten Haijer: +32 2 554 08 90
maarten.haijer@egba.eu

Quelle

Kommission verlangt Einhaltung von EU-Recht

Streit um die Öffnung des Glücksspielmarktes
EGBA will einheitliche Regelung zu Online-Glücksspiel


Werbung und die Monopolgesetzgebung
Mit der Werbung für Glücksspiel, wird nach wie vor auch in Deutschland eine expansionistische Geschäftspolitik betrieben.

In Ihrem Schlussantrag weist die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston auf die Unzulässigkeit hin.

Montag, 25. November 2013

A-Glücksspielrecht: Schlussanträge zur Rs. C-390/12

update: EuGH Entscheidung Pfleger (EuGH- C-390/12) vom 30. April 2014

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SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
ELEANOR SHARPSTON
vom 14. November 2013(1)
Rechtssache C‑390/12
Robert Pfleger
Autoart a.s.
Mladen Vucicevic
Maroxx Software GmbH
Ing. Hans-Jörg Zehetner

(Vorabentscheidungsersuchen des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich [Österreich])
„Art. 56 AEUV – Freier Dienstleistungsverkehr – Glücksspiele – Regelung, wonach die Bereitstellung von Glücksspielautomaten ohne Konzession verboten ist – Begrenzte Zahl von Konzessionen – Strafrechtliche Sanktionen – Verhältnismäßigkeit – Charta der Grundrechte“

1.        Nach österreichischem Recht dürfen Glücksspiele mittels Automaten nur von konzessionierten Unternehmern durchgeführt werden. Die Konzessionen stehen nur in begrenzter Zahl zur Verfügung. Glücksspielautomaten, die ohne Konzession öffentlich zugänglich gemacht werden, unterliegen der Einziehung und Vernichtung. Wer nach den Feststellungen ohne Konzession an der Organisation von Glücksspielen teilnimmt, wird mit verwaltungsbehördlichen oder strafrechtlichen Sanktionen belegt.
2.        Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möchte wissen, ob Art. 56 AEUV und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union(2) (im Folgenden: Charta) diesen Beschränkungen bzw. den im Fall eines Verstoßes verhängten Sanktionen entgegenstehen.
 Rechtlicher Rahmen
 Unionsrecht
 Charta
3.        Nach Art. 15 Abs. 2 der Charta haben alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger die Freiheit, in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulassen oder Dienstleistungen zu erbringen. Nach Art. 16 wird die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt. Art. 17 garantiert das Recht, rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben; das Eigentum darf nur entzogen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt, in einem Gesetz vorgesehen ist und eine angemessene Entschädigung geleistet wird. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.
4.        Gemäß Art. 47 muss jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht haben, bei einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Art. 50 bestimmt, dass niemand wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden darf.
5.        Nach Art. 51 Abs. 1 gilt die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union.
 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
6.        Art. 56 AEUV verbietet Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind.
7.        Solche Beschränkungen können zugelassen werden, wenn insoweit eine ausdrückliche Ausnahme nach Art. 52 Abs. 1 AEUV gilt, der aufgrund von Art. 62 AEUV auf die Erbringung von Dienstleistungen Anwendung findet.
 Nationales Recht
8.        In § 2 des Glücksspielgesetzes (GSpG) in der derzeit geltenden Fassung(3) sind „Ausspielungen“ im Wesentlichen definiert als Glücksspiele, die ein Unternehmer öffentlich zugänglich macht, bei denen ein Einsatz geleistet und ein Gewinn ausgeschüttet wird. In diesem Sinne ist „Unternehmer“, wer selbständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Wenn von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander die Durchführung solcher Glücksspiele angeboten wird, gelten sie alle auch dann als Unternehmer, wenn bei ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der öffentlichen Zugänglichmachung des Glücksspiels nur beteiligt sind. Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nicht erteilt wurde, sind verboten.
9.        Nach § 3 GSpG ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten; hiervon ausgenommen sind Glücksspielautomaten, deren Betrieb aufgrund der §§ 4 bzw. 5 GSpG durch Gesetze der Bundesländer geregelt sind.
10.      Nach § 4 GSpG unterliegen Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten nach Maßgabe des § 5 nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes.
11.      § 5 GSpG bestimmt, dass jedes der neun Bundesländer bis zu drei Konzessionen an Unternehmer von sogenannten kleinen Glücksspielen mit Automaten erteilen kann. Die Konzessionen werden für einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren mit bestimmten ordnungspolitischen und den Spielerschutz betreffenden Auflagen bewilligt. Kleine Glücksspiele dürfen in Automatensalons mit mindestens zehn und höchstens 50 Automaten mit Einsätzen von höchstens 10 Euro und Gewinnen von höchstens 10 000 Euro pro Spiel oder in Einzelaufstellung mit höchstens drei Automaten mit Einsätzen von höchstens 1 Euro und Gewinnen von höchstens 1 000 Euro pro Spiel angeboten werden.
12.      Nach § 14 in Verbindung mit §§ 15 und 17 GSpG kann der Bund unter bestimmten Voraussetzungen das ausschließliche Recht zur Durchführung von Ausspielungen verschiedener Art durch Erteilung einer Konzession für die Dauer von höchstens 15 Jahren gegen Entrichtung einer Abgabe übertragen.
13.      Gemäß § 21 GSpG kann der Bund bis zu 15 Konzessionen mit einer Höchstdauer von 15 Jahren zur Durchführung von Glücksspielen in Spielbanken erteilen. Für jeden Konzessionsantrag ist eine Gebühr in Höhe von 10 000 Euro und für jede Konzessionserteilung eine weitere Gebühr in Höhe von 100 000 Euro zu zahlen. Die im Rahmen dieser Konzessionen durchgeführten Spiele werden zu einem Satz zwischen 16 % und 40 % pro Jahr besteuert (§§ 17, 28, 57 und 59a Abs. 1 GSpG).
14.      Nach § 52 GSpG ist mit einer Verwaltungsgeldstrafe von bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, wer als „Unternehmer“ Glücksspiele ohne Konzession durchführt oder sich daran beteiligt. Bei Einsätzen von über 10 Euro pro Spiel tritt hingegen Strafbarkeit nach dem stattdessen anwendbaren § 168 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) ein. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bei „Serienspielen“, für die der Einzeleinsatz unter 10 Euro, die Summe aller Einsätze aber über diesem Betrag liegt, ebenfalls die Strafbarkeit nach § 168 Abs. 1 StGB gegeben.
15.      Nach § 53 GSpG kann ein Glücksspielautomat vorläufig in Beschlag genommen werden, wenn der Verdacht besteht, dass der Betrieb des Automaten gegen Bestimmungen des GSpG verstößt.
16.      § 54 GSpG sieht die Einziehung von Gegenständen vor, mit denen gegen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wurde; die Einziehung ist allen Personen anzuzeigen, die ein Recht auf den Gegenstand geltend machen können. Eingezogene Gegenstände sind von der Behörde zu vernichten.
17.      Gemäß § 56a GSpG kann ein Betrieb, der Glücksspiele entgegen den gesetzlichen Vorschriften durchführt, geschlossen werden.
18.      Die Veranstaltung von Glücksspielen ohne Konzession für gewerbliche Zwecke stellt eine Straftat dar. Gemäß § 168 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, „[wer] ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden“. Glücksspiele, die ohne Konzession veranstaltet werden, sind verbotene Spiele im Sinne von § 52 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 4 GSpG. Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen geahndet. Nach § 168 Abs. 2 StGB wird ebenso bestraft, wer sich als „Unternehmer“ im Sinne von § 2 GSpG an einem solchen Spiel beteiligt.
 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen
19.      Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen von vier Rechtsstreitigkeiten, die verschiedene Einrichtungen in Oberösterreich betreffen (nach Angaben des vorlegenden Gerichts ist bei ihm eine Vielzahl weiterer gleichgelagerter Fälle anhängig). In den Ausgangsverfahren wenden sich Herr Pfleger, die Autoart a.s., Prag (im Folgenden: Autoart), Herr Vucicevic, die Maroxx Software GmbH (im Folgenden: Maroxx) und Herr Zehetner gegen behördliche Bescheide im Zusammenhang mit Glücksspielautomaten, die in verschiedenen Betriebsstätten in Oberösterreich ohne behördliche Konzession betriebsbereit aufgestellt waren.
20.      Im Rahmen des ersten Rechtsstreits nahm die Finanzpolizei sechs Geräte in einer Gaststätte in Perg, in der unzulässige Glücksspiele veranstaltet wurden, vorläufig in Beschlag. Herr Pfleger wurde als Veranstalter ermittelt, und Autoart, eine in der Tschechischen Republik eingetragene Gesellschaft, wurde als Eigentümerin der Geräte angesehen. Die zuständige örtliche Behörde bestätigte die Beschlagnahme. Mit seiner Berufung macht Herr Pfleger geltend, er sei weder Eigentümer oder Besitzer der Geräte noch Veranstalter der Glücksspiele gewesen, noch habe er die Automaten an den Lokalinhaber geliefert. Autoart macht geltend, sie stehe in keinerlei rechtlicher Beziehung zu den Geräten und sei insbesondere weder deren Eigentümerin, noch habe sie diese verliehen, vermietet, vertrieben oder besessen; die Geräte würden von ihr auch nicht „verwaltet“.
21.      Im Rahmen des zweiten Rechtsstreits nahm die Finanzpolizei in einem Lokal in Wels acht Glücksspielautomaten vorläufig in Beschlag, die nach den Feststellungen ohne die erforderliche Konzession öffentlich zugänglich gemacht worden waren. Eigentümer der Geräte war Herr Vucicevic. Die zuständige örtliche Behörde bestätigte die Beschlagnahme. Im Zuge seiner Berufung räumt Herr Vucicevic ein, das betreffende Lokal gekauft zu haben, bestreitet jedoch, zugleich auch Eigentümer der Automaten geworden zu sein.
22.      Im Rahmen des dritten Rechtsstreits nahm die Finanzpolizei zwei Glücksspielautomaten vorläufig in Beschlag, die in einer von der deutschen Staatsangehörigen Jacqueline Baumeister betriebenen Tankstelle in Regau ohne die erforderliche Konzession öffentlich zugänglich gemacht worden waren. Die zuständige örtliche Behörde bestätigte die Beschlagnahme; die von Frau Baumeister gegen die Beschlagnahme eingelegte Berufung wurde als verspätet zurückgewiesen. Anschließend wurde die Einziehung verfügt und Maroxx, einer in Österreich eingetragenen Gesellschaft, als Eigentümerin der Geräte angezeigt, die hiergegen Berufung einlegte.
23.      Im Rahmen des vierten Rechtsstreits nahm die Finanzpolizei drei Glücksspielautomaten in Beschlag, die ohne die erforderliche Konzession in einer von Herrn Hans-Jörg Zehetner betriebenen Tankstelle in Enns öffentlich zugänglich gemacht worden waren. Die zuständige Behörde ermittelte Maroxx als Eigentümerin der Geräte und erließ einen Bescheid, mit dem die Beschlagnahme bestätigt wurde. Gegen Herrn Zehetner wurde eine Geldstrafe in Höhe von 1 000 Euro (im Fall der Nichtzahlung eine Freiheitsstrafe in Höhe von 15 Stunden) verhängt. Die gegen Maroxx festgesetzte Geldstrafe betrug 10 000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 152 Stunden)(4).
24.      Mit seiner Berufung wendet Herr Zehetner ein, das nationale Recht sei mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 56 AEUV und bestimmten Vorschriften der Charta, unvereinbar.
25.      Da es nach Auffassung des vorlegenden Gerichts für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten auf die Auslegung des Unionsrechts ankommt, ersucht es um Vorabentscheidung folgender Fragen:
1.      Steht das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 der Charta zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den in den Ausgangsverfahren maßgeblichen Bestimmungen der §§ 3 bis 5 sowie §§ 14 und 21 GSpG, die die Durchführung von Glücksspielen mittels Automaten nur unter der – sowohl strafsanktionierten als auch unmittelbar sacheingriffsbedrohten – Voraussetzung der Erteilung einer vorangehenden, jedoch nur in begrenzter Anzahl verfügbaren Erlaubnis ermöglicht, obwohl bislang – soweit ersichtlich – von staatlicher Seite in keinem einzigen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren nachgewiesen wurde, dass eine damit verbundene Kriminalität und/oder Spielsucht tatsächlich ein erhebliches Problem, dem nicht durch eine kontrollierte Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten auf viele Einzelanbieter, sondern nur durch eine kontrollierte, mit bloß maßvoller Werbung verbundene Expansion eines Monopolisten (bzw. sehr weniger Oligopolisten) abgeholfen werden kann, darstellen, entgegen?
2.      Für den Fall, dass diese erste Frage zu verneinen ist: Steht das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 der Charta zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und § 168 StGB, durch die im Wege unbestimmter Gesetzesbegriffe im Ergebnis eine nahezu lückenlose Strafbarkeit auch vielfältiger Formen von nur sehr entfernt beteiligten (unter Umständen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässigen) Personen (wie bloßen Vertreibern, Verpächtern oder Vermietern von Glücksspielautomaten) eintritt, entgegen?
3.       Für den Fall, dass auch die zweite Frage zu verneinen ist: Stehen die demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen, wie diese offenkundig dem Art. 16 der Charta zugrunde liegen, und/oder das Fairness- und Effizienzgebot des Art. 47 der Charta und/oder das Transparenzgebot des Art. 56 AEUV und/oder das Doppelverfolgungs- und ‑bestrafungsverbot des Art. 50 der Charta einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und § 168 StGB, deren wechselseitige Abgrenzung mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung für einen Bürger ex ante kaum vorhersehbar und berechenbar, sondern im konkreten Einzelfall jeweils erst im Wege eines aufwendigen förmlichen Verfahrens klärbar ist, an die sich jedoch weitreichende Unterschiede hinsichtlich der Zuständigkeiten (Verwaltungsbehörde oder Gericht), der Eingriffsbefugnisse, der damit jeweils verbundenen Stigmatisierung und der prozessualen Stellung (z. B. Beweislastumkehr) knüpfen, entgegen?
4.      Für den Fall, dass eine dieser drei ersten Fragen zu bejahen ist: Steht Art. 56 AEUV und/oder Art. 15 bis 17 der Charta und/oder Art. 50 der Charta einer Bestrafung von Personen, die in einer der in § 2 Abs. 1 Z 1 und § 2 Abs. 2 GSpG genannten Nahebeziehung zu einem Glücksspielautomaten stehen, und/oder einer Beschlagnahme bzw. Einziehung dieser Geräte und/oder einer Schließung des gesamten Unternehmens solcher Personen entgegen?
26.      Herr Vucicevic, Maroxx, Herr Zehetner, die belgische, die niederländische, die österreichische, die polnische und die portugiesische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 17. Juni 2013 haben Herr Vucicevic, Maroxx, Herr Zehetner, die belgische und die österreichische Regierung sowie die Kommission mündlich verhandelt.
 Würdigung
 Zulässigkeit
27.      Nach Ansicht der österreichischen Regierung ist das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig, da der dargestellte Sachverhalt und die vorgelegten Fragen zu unpräzise seien, um dem Gerichtshof eine sachdienliche Antwort zu ermöglichen. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass die Rechtssache einen grenzüberschreitenden Bezug aufweise und somit der freie Dienstleistungsverkehr betroffen sei.
28.      Die Kommission hält die Fragen für zulässig. Es sei nicht auszuschließen, dass Rechtssubjekte aus anderen Mitgliedstaaten Glücksspiele in Österreich anbieten wollten und den in Rede stehenden nationalen Vorschriften unterlägen.
29.      Die anderen Verfahrensbeteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, äußern sich zur Frage der Zulässigkeit nicht.
30.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu übernehmen hat, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl zu beurteilen, ob eine Vorabentscheidung erforderlich ist, damit es sein Urteil erlassen kann, als auch, ob die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen erheblich sind. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen(5).
31.      Meines Erachtens sind der den Fragen hier zugrunde liegende Sachverhalt und die Fragen selbst klar genug herausgearbeitet, um dem Gerichtshof eine Entscheidung zu ermöglichen. Insbesondere sind in der Vorlageentscheidung die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften so detailliert aufgeführt, dass der Gerichtshof die für die Prüfung bedeutsamen Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts sachdienlich beantworten kann.
32.      Bezüglich des Einwands des nicht erkennbaren grenzüberschreitenden Bezugs ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs hinzuweisen, wonach eine nationale Regelung, die unterschiedslos auf die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten anwendbar ist, nur dann unter die Bestimmungen über Grundfreiheiten fallen kann, wenn sie für Sachlagen gilt, die eine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen(6). So hat der Gerichtshof in der Rechtssache Garkalns das Vorabentscheidungsersuchen für zulässig erklärt, obwohl kein Element des Rechtsstreits über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinauswies.
33.      Der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache zeigt, dass Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten ein Interesse an der Veranstaltung von Glücksspielen mittels Automaten in Österreich haben. Eine der beim nationalen Gericht anhängigen Berufungen wurde von einer deutschen Staatsangehörigen, Frau Baumeister, eingelegt, die eine Tankstelle betrieb, in der ein nicht zugelassener Glücksspielautomat entdeckt wurde; ein anderer Glücksspielautomat, der beschlagnahmt wurde, scheint von einer in der Tschechischen Republik eingetragenen Gesellschaft, Autoart, geliefert worden zu sein. Ich meine daher, dass das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.
 Anwendbarkeit der Charta
34.      Mit allen Vorlagefragen wird um die Auslegung von Bestimmungen der Charta ersucht. Es stellt sich die Vorfrage, ob die Charta Anwendung findet, wenn ein nationales Gericht eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche überprüft, die eine Ausnahme von den durch das Unionsrecht verliehenen Rechten vorsieht.
35.      Diese Problematik wird von Herrn Zehetner, der niederländischen, der österreichischen, der polnischen und der portugiesischen Regierung sowie von der Kommission angesprochen. Die vier Regierungen, die Erklärungen zu diesem Punkt abgegeben haben, sind der Ansicht, dass die Charta auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung keine Anwendung finde. Herr Zehetner und die Kommission vertreten die entgegengesetzte Auffassung.
36.      Meiner Meinung nach ist die Charta auf eine nationale Regelung anwendbar, die eine Ausnahme von den durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beinhaltet.
37.      Der Anwendungsbereich der Charta ist in ihrem Art. 51 Abs. 1 festgelegt, wonach sie für die Mitgliedstaaten „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“ gilt.
38.      Fraglich ist, ob der Begriff „Durchführung“ in Art. 51 der Charta deren Anwendung auf Fälle beschränkt, in denen ein Mitgliedstaat zu einem konkreten Tätigwerden (z. B. zur Umsetzung einer Richtlinie(7)) verpflichtet ist, um dem Unionsrecht nachzukommen.
39.      Meines Erachtens ist diese Frage zu verneinen.
40.      Es sei darauf hingewiesen, dass der Wortlaut der Charta in den verschiedenen gleichermaßen verbindlichen Sprachfassungen (erwartungsgemäß) in gewissem Grad sprachlich voneinander abweicht. So heißt es im Englischen „implementing“, im Deutschen „bei der Durchführung des Rechts der Union“ und im Französischen „lorsqu’ils mettent en oeuvre le droit de l’Union“. Die spanische und die portugiesische Sprachfassung (zum Beispiel) enthalten weiter gehende Formulierungen („cuando apliquen el Derecho de la Unión“ bzw. „quando apliquem o direito da União“). Angesichts dessen liegt es nahe, sich an die Erläuterungen zur Charta(8) zu halten, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind(9). Die Erläuterungen geben folgende Hinweise zu Art. 51 Abs. 1:
„Was die Mitgliedstaaten betrifft, so ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig zu entnehmen, dass die Verpflichtung zur Einhaltung der im Rahmen der Union definierten Grundrechte für die Mitgliedstaaten nur dann gilt, wenn sie im Anwendungsbereich des Unionsrechts handeln …“
Im Weiteren werden vier Urteile des Gerichtshofs angeführt: Wachauf, ERT, Annibaldi sowie Karlsson u. a.(10).
41.      In nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon erlassenen Urteilen hat der Gerichtshof bestätigt, dass die Charta zu beachten ist, wenn eine nationale Rechtsvorschrift in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, und dass „[d]ie Anwendbarkeit des Unionsrechts … die Anwendbarkeit der durch die Charta garantierten Grundrechte [umfasst]“(11). Der Gerichtshof hat also bereits deutlich gemacht, dass darauf abzustellen ist, ob es sich um eine Fallgestaltung handelt, auf die das Unionsrecht Anwendung findet (d. h. die in den „Geltungsbereich des Unionsrechts“ fällt), und nicht auf das (wohl engere) Kriterium, ob der Mitgliedstaat das Unionsrecht durch ein konkretes Tätigwerden „durchführt“(12).
42.      Die in der Erläuterung zu Art. 51 Abs. 1 der Charta angeführte Rechtsprechung gibt Aufschluss darüber, was unter der Wendung „in den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen“ zu verstehen ist. In den Urteilen Wachauf und Karlsson u. a. ging es jeweils um nationale Vorschriften, durch die die Anwendung von Verordnungen der Union über die Erhebung einer Zusatzabgabe auf Milch leicht abgewandelt wurde. Zweifellos waren einige nationale Vorschriften erforderlich, um die unionsrechtliche Regelung zu ergänzen und durch detailliertere Ausgestaltung in vollem Umfang funktionsfähig zu machen. Diese nationalen Vorschriften mussten daher in Einklang mit den im Unionsrecht anerkannten Grundrechten stehen. Im Gegensatz dazu hatten die in der Rechtssache Annibaldi streitigen nationalen Bestimmungen (ein Regionalgesetz zur Einrichtung eines Natur- und Archäologieparks) eindeutig nichts mit der Durchführung (oder auch Funktionsweise) einer Gemeinschaftsvorschrift über die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte, über die Umwelt oder über die Kultur zu tun; es gab auch keinen anderen Anknüpfungspunkt an das Gemeinschaftsrecht.
43.      Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Rechtssache ist das Urteil ERT. Dieses betraf ein nationales Gesetz, wonach es einem einzigen Fernsehveranstalter gestattet war, das Fernsehmonopol im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats innezuhaben und Fernsehübertragungen jeder Art vorzunehmen. In diesem Rahmen stellte sich die Frage, ob die durch den Vertrag garantierte Dienstleistungsfreiheit diesem Gesetz entgegensteht. Der Gerichtshof hat entschieden, dass Art. 59 EWG-Vertrag (jetzt Art. 56 AEUV) einem solchen Monopol entgegenstehe, wenn sich dieses auf Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierend auswirke und die Regelung nicht durch einen der Gründe gerechtfertigt sei, die in Art. 56 EWG-Vertrag (jetzt Art. 52 Abs. 1 AEUV) angegeben seien, auf den Art. 66 EWG-Vertrag (jetzt Art. 62 AEUV) verweise(13). Die Rechtssache ERT betrifft daher eine Fallgestaltung, bei der ein Mitgliedstaat eine Ausnahme von der Grundfreiheit zur Erbringung von Dienstleistungen vorsieht.
44.      In der Rechtssache ERT ging es des Weiteren um die Frage der Vereinbarkeit des nationalen Gesetzes mit Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehörten, deren Wahrung er zu sichern habe, und dass keine Maßnahmen als rechtens anerkannt werden könnten, die mit diesen Grundrechten unvereinbar seien(14). Falle eine nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, habe der Gerichtshof, wenn er im Vorabentscheidungsverfahren angerufen werde, dem vorlegenden Gericht alle Auslegungskriterien an die Hand zu geben, die es benötige, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern habe(15). Insbesondere wenn ein Mitgliedstaat sich auf Art. 66 EWG-Vertrag in Verbindung mit Art. 56 EWG-Vertrag (jetzt Art. 62 AEUV in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 AEUV) berufe, um eine nationale Regelung zu rechtfertigen, die geeignet sei, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit zu behindern, sei diese Rechtfertigung im Licht der allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere der Grundrechte auszulegen. Nur wenn die nationale Regelung im Einklang mit den Grundrechten stehe, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern habe und zu denen auch das in Art. 10 EMRK verbürgte Recht gehöre, könne sie als Ausnahme von der Dienstleistungsfreiheit zugelassen werden(16).
45.      Dem Urteil ERT lässt sich somit entnehmen, dass eine Maßnahme, die ein Mitgliedstaat als Ausnahme von einer durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheit erlässt, in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt. Die Befugnis, unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von der unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheit vorzusehen, ist den Mitgliedstaaten vorbehalten und im Unionsrecht auch anerkannt; die Ausübung dieser Befugnis unterliegt jedoch den unionsrechtlichen Voraussetzungen. Prüft ein Gericht – sei es ein nationales Gericht oder der Gerichtshof –, ob für eine die Ausübung der Grundfreiheit behindernde nationale Regelung eine im Vertrag vorgesehene Ausnahme gilt (und die Regelung daher zulässig ist), wird diese Prüfung anhand des Unionsrechts und der daraus hergeleiteten Kriterien durchgeführt und nicht nach nationalem Recht und seinen Maßstäben. So ergeben sich z. B. sowohl die Auslegungsregel, dass solche Ausnahmen eng auszulegen sind, als auch die Voraussetzung, dass eine prima facie zulässige Ausnahme verhältnismäßig sein muss, aus dem Unionsrecht selbst. Da eine nationale Ausnahmeregelung nur dann zulässig ist, wenn die entsprechenden unionsrechtlichen Kriterien erfüllt sind (andernfalls hat die im Vertrag verankerte Freiheit Vorrang), fällt folglich die Ausnahmeregelung selbst in den Geltungsbereich des Unionsrechts. Meiner Meinung nach ist dies die notwendige Konsequenz sowohl der bekannten Systematik des Vertrags (geschütztes Recht, Ausnahme von diesem Recht in begrenzten Fällen) als auch der Aufnahme des Urteils ERT in die Erläuterung zu Art. 51 der Charta.
46.      Es ist daher davon auszugehen, dass ein Mitgliedstaat „bei der Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 handelt, wenn er eine Ausnahme von einer Grundfreiheit einführt. Folglich findet die Charta Anwendung. Da die in den Ausgangsverfahren hier in Rede stehende nationale Maßnahme in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt und mit ihr deshalb das Recht der Union „durchgeführt“ wird, ist sie im Licht der Charta auszulegen.
47.      Ich komme nunmehr zu den vorgelegten Fragen.
 Erste Frage
48.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 AEUV und/oder die Art. 15 bis 17 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die das Recht zur Durchführung von Glücksspielen mittels Automaten Personen oder Unternehmen vorbehält, die Inhaber von nur in begrenzter Anzahl verfügbaren Konzessionen sind. Insbesondere möchte das Gericht wissen, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt ist, wenn nicht dargetan wurde, dass Kriminalität und Spielsucht erhebliche Probleme darstellten und dass diesen Problemen, falls sie bestehen sollten, nicht durch eine kontrollierte Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten mit vielen Einzelanbietern, sondern nur durch eine kontrollierte Expansion mit einer geringen Zahl von Anbietern abgeholfen werden könne.
49.      Ich werde zunächst Art. 56 AEUV und dann die Charta prüfen.
 Art. 56 AEUV
50.      Mittlerweile liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Glücksspielen vor (einschließlich vier aufgrund früherer Vorabentscheidungsersuchen ergangener Entscheidungen zum GSpG(17)), in der die Kriterien aufgeführt sind, anhand deren die Frage nach der Auslegung von Art. 56 AEUV zu beurteilen ist.
51.      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass eine Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche, wonach nur eine begrenzte Anzahl von Konzessionären Glücksspiele durchführen dürfen und allen anderen Wirtschaftsteilnehmern, seien diese nun in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen, die Erbringung solcher Dienstleistungen untersagt ist, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt und daher nach Art. 56 AEUV verboten ist(18). Eine solche Beschränkung kann im Rahmen der im AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein(19).
52.      Nach Auffassung der österreichischen Regierung ist die Beschränkung gerechtfertigt, da mit ihr das Ziel der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für Spieler und der Verbrechensprävention verfolgt werde. Maroxx, Herr Vucicevic und Herr Zehetner dagegen machen geltend, Hauptziel der Regierung sei die Erhöhung des Steueraufkommens.
53.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können von den Mitgliedstaaten vorgesehene Beschränkungen für Dienstleistungen im Spielbereich gerechtfertigt sein, wenn sie auf die Sicherstellung des Verbraucherschutzes, einschließlich des Schutzes der Spieler vor Spielsucht(20) und der Verbrechensprävention(21), abzielen. Demgegenüber zählt die Erhöhung der Einnahmen eines Mitgliedstaats nicht zu den Zielen, die eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu rechtfertigen vermögen, wenngleich eine solche Erhöhung für die betreffende Regierung eine erfreuliche Nebenfolge sein mag(22).
54.      Welche Ziele mit der in Rede stehenden nationalen Regelung tatsächlich verfolgt werden, ist eine Tatsachenfrage, die vom vorlegenden Gericht zu klären ist(23). Gelangt das nationale Gericht zu dem Ergebnis, dass das eigentliche Ziel in erster Linie in der Erhöhung der Staatseinnahmen besteht, muss die Beschränkung als mit Art. 56 AEUV unvereinbar angesehen werden.
55.      Stellt das nationale Gericht hingegen fest, dass mit der Beschränkung tatsächlich die zulässigen Ziele des Verbraucherschutzes und der Verbrechensprävention verfolgt werden, hat es anschließend zu prüfen, ob die Beschränkung verhältnismäßig ist. Es hat sich zu vergewissern, dass die Beschränkung zur Erreichung des mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziels und des dabei angestrebten Schutzniveaus geeignet ist und nicht über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinausgeht.
56.      Ebenso wie ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Grund zu der Annahme haben kann, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung ihm erlaubt, die Gefahren des Glücksspiels zu beherrschen(24), kann ein Mitgliedstaat auch Grund zu der Annahme haben, dass eine Regelung, wonach nur wenigen Anbietern eine Konzession erteilt wird, ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung dieser Gefahren darstellt. Im Urteil Engelmann(25) hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine Begrenzung der Zahl der Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken „ihrem Wesen nach ermöglicht, die Gelegenheiten zum Spiel einzuschränken … Da die Verbraucher sich an einen anderen Ort begeben müssen, um in einer Spielbank an den fraglichen Glücksspielen teilnehmen zu können, verstärkt eine Begrenzung der Zahl der Spielbanken die Hindernisse für die Teilnahme an derartigen Spielen.“
57.      Demnach dürfte die Begrenzung der Zahl von Glücksspielbetrieben ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes und der Verbrechensprävention sein. Durch Zulassung einer größeren Anzahl von Betrieben zur Erbringung solcher Dienstleistungen würde sich dieses Ziel wahrscheinlich nicht so gut erreichen lassen, da sich verstärkt Gelegenheit zum Spiel ergäbe. Ein solches Vorgehen ist zur Erreichung eines hohen Schutzniveaus weniger geeignet. Dies muss jedoch vom nationalen Gericht überprüft werden, das bei der Würdigung der Tatsachen und der ihm vorliegenden Beweismittel auch Art, Häufigkeit und Intensität der in konzessionierten Betrieben durchgeführten Kontrollen zu berücksichtigen haben wird(26).
58.      Die Beweislast dafür, dass die Beschränkung verhältnismäßig ist, tragen die österreichischen Behörden, die dem nationalen Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände vorlegen müssen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich zur Erreichung des angegebenen Ziels bestimmt und geeignet ist(27). Im Urteil Dickinger und Ömer(28) hat der Gerichtshof klargestellt, dass das vorlegende Gericht zu untersuchen hat, ob im entscheidungserheblichen Zeitraum die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten und die Spielsucht in Österreich ein Problem waren und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können. In den vorliegenden Verfahren muss das nationale Gericht in derselben Weise vorgehen.
59.      Ferner muss sich das vorlegende Gericht vergewissern, dass die nationale Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, das Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen(29). Da die Praktiken der wenigen Konzessionäre für die Erreichung oder Nichterreichung des Ziels entscheidend sein können, ist die von diesen verfolgte Geschäftspolitik für die Beurteilung von Bedeutung(30).
60.      In seiner Vorlageentscheidung weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Geschäftspolitik der Konzessionsinhaber sich nicht auf die kontrollierte Expansion mit umfangmäßig begrenzter Werbung beschränkt habe. Sie hätten vielmehr mit einem als „enorm“ zu bezeichnenden Kostenaufwand „aggressive“ Werbung betrieben, die ein positives Image von Glücksspielen fördere und zu aktiver Spielteilnahme anrege. Der Gerichtshof geht zwar davon aus, dass gemäßigte Werbung mit den Grundsätzen des Verbraucherschutzes vereinbar sein kann, allerdings nur dann, wenn die Werbung eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken(31). Werbung, die zum Spiel anregt, indem dieses verharmlost, ihm ein positives Image verliehen oder seine Anziehungskraft erhöht wird, zielt nicht auf die Lenkung des bestehenden Marktes auf bestimmte Anbieter, sondern auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten ab. Eine solche expansionistische Geschäftspolitik ist mit dem Ziel eines hohen Verbraucherschutzniveaus offenkundig unvereinbar. Wie der Gerichtshof im Urteil Dickinger und Ömer festgestellt hat: „Ein Mitgliedstaat kann sich … nicht auf Gründe der öffentlichen Ordnung berufen, die sich auf die Notwendigkeit einer Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel beziehen, wenn die Behörden dieses Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Glücksspielen teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen …“(32)
61.      Es ist Sache des nationalen Gerichts, das tatsächliche Ziel der in den Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung zu ermitteln sowie zu beurteilen, ob – sollte es sich um ein zulässiges Ziel handeln – die Regelung in einem angemessen Verhältnis zu diesem steht und es kohärent und frei von Widersprüchen verfolgt.
62.      Es stellt sich die Frage, ob eine weitere Prüfung der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften im Licht der Art. 15, 16 und 17 der Charta erforderlich ist.
 Art. 15, 16 und 17 der Charta
63.      Art. 15 Abs. 2 der Charta(33) erkennt allen Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern die Freiheit zu, in jedem Mitgliedstaat sich niederzulassen und Dienstleistungen zu erbringen. Nach den Erläuterungen zur Charta(34) wurden in Art. 15 Abs. 2 die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr aufgenommen, die durch die Art. 26 AEUV, 45 AEUV, 49 AEUV und 56 AEUV garantiert sind. Da diese Freiheiten in den Verträgen vorgesehen sind, richten sich ihr Umfang und ihre Auslegung nach Art. 52 Abs. 2 der Charta, wonach ihre „Ausübung … im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen [erfolgt]“. In der Erläuterung zu Art. 52 Abs. 2 der Charta heißt es außerdem, dass „[m]it der Charta … die Regelung hinsichtlich der durch den EG-Vertrag gewährten und in die Verträge übernommenen Rechte nicht geändert [wird]“. Was das vorliegende Verfahren betrifft, ist die Beachtung von Art. 15 Abs. 2 der Charta also gleichbedeutend mit der Einhaltung von Art. 56 AEUV.
64.      In Art. 16 der Charta wird die unternehmerische Freiheit anerkannt, die jedoch ausdrücklich nur „nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“ ausgeübt werden darf. Wie sich den Erläuterungen zur Charta ferner entnehmen lässt, kann diese Freiheit nach Art. 52 Abs. 1 der Charta beschränkt werden. Diese Bestimmung verlangt, dass jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen muss.
65.      Im Urteil Sky Österreich(35) hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „die unternehmerische Freiheit einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden [kann], die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können. … Dieser Umstand spiegelt sich vor allem darin wider, auf welche Weise nach Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu handhaben ist.“
66.      Meines Erachtens ist diese Freiheit gewahrt, wenn die einschlägigen Erfordernisse des Vertrags erfüllt sind, insbesondere das Gebot, bei der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
67.      Art. 17 der Charta erkennt das Eigentumsrecht an, wobei die Nutzung des Eigentums „gesetzlich geregelt werden [kann], soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist“. Nach der Erläuterung zu Art. 17 entspricht dieser dem Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK. Gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta hat das Eigentumsrecht somit die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie es ihm in der EMRK verliehen wird; Beschränkungen des Rechts sind zwar zulässig, dürfen aber das nach der EMRK zulässige Maß nicht überschreiten.
68.      Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs kann das Eigentumsrecht in angemessenem Verhältnis stehenden Beschränkungen unterworfen werden. So hat die Große Kammer im Urteil Križan u. a. entschieden, dass „[d]as Eigentumsrecht … nicht schrankenlos gewährleistet [ist], sondern … im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen werden [muss]. Folglich kann die Ausübung des Eigentumsrechts Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antastet“(36). Folglich stellt eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende und im Allgemeininteresse vorgenommene Beschränkung der Nutzung von Glücksspielautomaten keinen Verstoß gegen Art. 17 der Charta dar.
69.      Meines Erachtens ist bei einer Beschränkung der Nutzung von Glücksspielautomaten, die nach Art. 56 AEUV zulässig ist, die also u. a. auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt, Art. 17 der Charta ebenfalls Genüge getan. Eine solche Beschränkung der Nutzung des Eigentums geht nicht über das nach Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK Zulässige hinaus, dem zufolge das Eigentumsrecht dem „Recht des Staates [unterliegt], diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse … für erforderlich hält“.
70.      Meiner Meinung nach stellen die Art. 15 bis 17 der Charta keine strengeren Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs auf als diejenigen, die sich bereits der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 56 AEUV entnehmen lassen.
71.      Deshalb schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage in dem Sinne zu beantworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach nur eine begrenzte Anzahl von Konzessionsinhabern Glücksspiele durchführen darf, es sei denn, diese Beschränkung ist aufgrund eines zwingenden im Allgemeininteresse liegenden Ziels wie des Verbraucherschutzes und/oder der Verbrechensprävention gerechtfertigt, verfolgt dieses Ziel unter Berücksichtigung der Geschäftspolitik der Konzessionsinhaber kohärent und widerspruchsfrei und ist verhältnismäßig. Ob diese Kriterien erfüllt sind, ist vom nationalen Gericht zu entscheiden. Sofern eine Beschränkung diese Kriterien erfüllt, stehen ihr die Art. 15, 16 und 17 der Charta nicht entgegen.
 Zweite Frage
72.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 der Charta zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und § 168 StGB entgegensteht, durch die im Wege unbestimmter Gesetzesbegriffe die Strafbarkeit auf nur sehr entfernt beteiligte Personen (wie bloße Vertreiber, Verpächter oder Vermieter von Glücksspielautomaten) erstreckt wird.
73.      Diese Frage kommt ebenso wie die dritte und die vierte Frage nur dann zum Tragen, wenn das nationale Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass Art. 56 AEUV der in den Ausgangsverfahren fraglichen Beschränkung nicht entgegensteht. Falls Art. 56 AEUV dieser Beschränkung entgegensteht, sind auch strafrechtliche Sanktionen wegen Verstößen gegen die Beschränkung unionsrechtlich unzulässig(37).
74.      Soweit die Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht berechtigt sind, Ausnahmen von Art. 56 AEUV vorzusehen und die Erbringung von Glücksspieldienstleistungen zu beschränken, dürfen sie auch strafrechtliche Sanktionen zur Durchsetzung dieser Beschränkungen verhängen, sofern diese Sanktionen verhältnismäßig und grundrechtskonform sind.
75.      Meines Erachtens ist die Verhältnismäßigkeit nur gewahrt, wenn der persönliche Anwendungsbereich der Vorschriften, durch die Verstöße gegen die im nationalen Recht vorgesehene Beschränkung unter Strafe gestellt werden, nur diejenigen Personen erfasst, die für den Verstoß unmittelbar oder mittelbar verantwortlich sind und die wussten oder hätten wissen müssen, dass sie eine Teilnahmehandlung an dem Verstoß begehen.
76.      Für den Bereich des freien Warenverkehrs hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Strafbarkeit auch auf Personen ausgedehnt werden kann, die Beihilfe zu einer Straftat leisten(38). Diese Personen sind nicht unmittelbar für den Strafrechtsverstoß verantwortlich – im vorliegenden Fall machen sie nicht selbst Glücksspielautomaten ohne die erforderliche Konzession öffentlich zugänglich –, aber sie ermöglichen den Verstoß.
77.      Die Einbeziehung von Personen, die mittelbar für den Verstoß gegen die Beschränkung verantwortlich sind und die wussten oder hätten wissen müssen, dass sie eine Teilnahmehandlung an dem Verstoß begehen, in den Anwendungsbereich der Strafbarkeitsbestimmungen stellt meines Erachtens einen Beitrag zur Durchsetzung der Beschränkung und damit zur Erreichung des angestrebten hohen Schutzniveaus dar. Die Ausdehnung der Strafbarkeit auf Personen, denen der Verstoß nicht bekannt war und nicht bekannt sein konnte, wäre hingegen unverhältnismäßig, da sie keine Möglichkeit haben, sich bewusst gegen eine Teilnahme an dem Verstoß zu entscheiden.
78.      Das nationale Gericht muss das nationale Recht so weit wie möglich unionsrechtskonform unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden auslegen, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten(39).
79.      Meiner Meinung nach stehen daher Art. 56 AEUV und die Art. 15, 16 und 17 der Charta einer Bestimmung nicht entgegen, durch die die Strafbarkeit auf Personen erstreckt wird, die für den Verstoß gegen eine Beschränkung der Erbringung von Glücksspieldienstleistungen unmittelbar oder mittelbar verantwortlich sind, sofern der persönliche Anwendungsbereich der Strafbarkeitsbestimmung nur Personen erfasst, die wussten oder hätten wissen müssen, dass sie eine Teilnahmehandlung an dem Verstoß begehen.
 Dritte Frage
80.      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 AEUV und/oder die Art. 16, 47 und 50 der Charta und/oder die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Sanktionen für Rechtsverstöße vorsehen, es der betreffenden Person aber nicht ermöglichen, sich im Voraus sicher zu sein, nach welcher Vorschrift sie zur Verantwortung gezogen werden wird.
81.      Meiner Ansicht nach steht Art. 50 der Charta solchen Vorschriften nicht entgegen. Den dem Gerichtshof vorliegenden Akten lässt sich nicht entnehmen, dass die These, es bestehe die Gefahr einer doppelten Strafverfolgung, begründet wäre. Die Tat wird entweder vor den Verwaltungsgerichten oder vor den Strafgerichten verhandelt. Offenbar greift das StGB bei Glücksspielen mit Einsätzen von mindestens 10 Euro oder bei „Serienspielen“ ein, bei denen der Einzeleinsatz unter diesem Betrag, die Summe aller Einsätze aber darüber liegt. In allen anderen Fällen wird die Tat als Verwaltungsübertretung nach den Bestimmungen des GSpG behandelt.
82.      Ob es sich um eine Verwaltungsübertretung handelt (bei verbotenen Ausspielungen mit Einsätzen von unter 10 Euro, die keine Serienspiele sind) oder um eine Straftat (bei verbotenen Ausspielungen mit Einsätzen von über 10 Euro oder mit geringeren Einsätzen als Teil von Serienspielen), lässt sich erst entscheiden, wenn alle Umstände des Einzelfalls bekannt sind. Etwaige Rechtsunsicherheiten sind also allein darauf zurückzuführen, dass auf unterschiedliche Sachverhalte unterschiedliche Bestimmungen Anwendung finden.
83.      Eine Verletzung von Art. 47 der Charta, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht verbürgt, liegt dann nicht vor, wenn die Person, der eine Straftat zur Last gelegt wird, Zugang zu einem Gericht hat, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um ein Verwaltungs- oder um ein Strafgericht handelt.
84.      Weder Art. 56 AEUV noch die Art. 16, 47 oder 50 der Charta stehen daher einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, wonach strafrechtliche Sanktionen bei verbotenen Ausspielungen mit Einsätzen von mindestens 10 Euro und bei „Serienspielen“ verhängt werden, bei denen ein Einzeleinsatz unter diesem Betrag, die Summe aller Einsätze aber darüber liegt, und wonach verwaltungsrechtliche Sanktionen bei verbotenen Ausspielungen mit Einsätzen von unter 10 Euro Anwendung finden.
 Vierte Frage
85.      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 AEUV und/oder die Art. 15 bis 17 und 50 der Charta Sanktionen wie die in §§ 53, 54 und 56a GSpG vorgesehenen entgegenstehen, zu denen die Einziehung und die Vernichtung der Glückspielautomaten sowie die Schließung des Betriebs gehören.
86.      Wie bereits dargelegt(40), darf ein Mitgliedstaat, der eine durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigte und deshalb nicht nach Art. 56 AEUV verbotene Beschränkung einführt, diese auch durch die Verhängung von Sanktionen im Fall ihrer Verletzung durchsetzen. Diese Sanktionen müssen jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte beachten.
87.      Aus den in der Vorlageentscheidung dargestellten Fallumständen und Rechtsvorschriften scheint sich zu ergeben, dass im Fall der Durchführung von Glücksspielen mittels Automaten ohne Konzession die Geräte automatisch eingezogen und anschließend vernichtet werden. Die entsprechenden Ermächtigungsnormen erlauben offenbar kein alternatives Vorgehen je nach dem Grad des Verschuldens des Automateneigentümers oder der anderen Personen, denen ein Recht an dem Gerät zusteht, bzw. nach der Schwere der Rechtsverletzung. Was auch immer die Person, der ein Recht an dem Gerät zusteht, zur Verteidigung hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung oder als mildernde Umstände vorbringt, vermag an diesem Ergebnis offensichtlich nichts zu ändern.
88.      Sollte es wirklich keine Möglichkeit zur Anpassung der Sanktion geben, um Faktoren wie etwa dem Verschuldensgrad Rechnung zu tragen, wäre die Sanktion unverhältnismäßig und sowohl nach Art. 56 AEUV selbst als auch nach den Art. 15, 16 und 17 der Charta unzulässig. Die Prüfung, ob dem so ist, ist jedoch Sache des nationalen Gerichts. (Meines Erachtens ist Art. 50 der Charta insoweit nicht einschlägig.)
89.      Im Gegensatz dazu ist die Entscheidung über eine Betriebsschließung nach § 56a GSpG offenbar Ermessenssache. Angesichts des Spielraums bei der Ausübung dieser Befugnis kann die Entscheidung, einen Betrieb zu schließen, eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Sanktion darstellen. Meiner Meinung nach steht Art. 56 AEUV dem § 56a GSpG nicht entgegen. Das nationale Gericht wird zu prüfen haben, ob die Befugnis in der Praxis unter gebührender Berücksichtigung der Begleitumstände und folglich mit der erforderlichen Flexibilität gehandhabt wird, um das Kriterium der Verhältnismäßigkeit zu erfüllen.
 Ergebnis
90.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (Österreich) gestellten Fragen in folgendem Sinne zu beantworten:
1.      Art. 56 AEUV steht einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, wonach nur eine begrenzte Anzahl von Konzessionsinhabern Glücksspiele durchführen darf, es sei denn, diese Beschränkung ist aufgrund eines zwingenden im Allgemeininteresse liegenden Ziels wie des Verbraucherschutzes und/oder der Verbrechensprävention gerechtfertigt, verfolgt dieses Ziel unter Berücksichtigung der Geschäftspolitik der Konzessionsinhaber kohärent und widerspruchsfrei und ist verhältnismäßig. Ob diese Kriterien erfüllt sind, ist vom nationalen Gericht zu entscheiden. Sofern eine Beschränkung diese Kriterien erfüllt, stehen ihr die Art. 15, 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) nicht entgegen.
2.      Art. 56 AEUV und die Art. 15, 16 und 17 der Charta stehen einer Bestimmung nicht entgegen, durch die die Strafbarkeit auf Personen erstreckt wird, die für den Verstoß gegen eine Beschränkung der Erbringung von Glücksspieldienstleistungen unmittelbar oder mittelbar verantwortlich sind, sofern der persönliche Anwendungsbereich der Strafbarkeitsbestimmung nur Personen erfasst, die wussten oder hätten wissen müssen, dass sie eine Teilnahmehandlung an dem Verstoß begehen.
3.      Weder Art. 56 AEUV noch die Art. 16, 47 oder 50 der Charta stehen einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, wonach strafrechtliche Sanktionen bei verbotenen Ausspielungen mit Einsätzen von mindestens 10 Euro und bei „Serienspielen“ verhängt werden, bei denen ein Einzeleinsatz unter diesem Betrag, die Summe aller Einsätze aber darüber liegt, und wonach verwaltungsrechtliche Sanktionen bei verbotenen Ausspielungen mit Einsätzen von unter 10 Euro Anwendung finden.
4.      Art. 56 AEUV und die Art. 15, 16 und 17 der Charta stehen einer nationalen Regelung entgegen, wonach Geräte, die für nicht konzessionierte Glücksspiele verwendet werden, automatisch eingezogen und vernichtet werden, ohne dass die Möglichkeit einer anderen Rechtsfolge unter Berücksichtigung des Grades des Verschuldens des Glücksspielautomateneigentümers und/oder des Umfangs der Zuwiderhandlung besteht. Art. 56 AEUV und die Art. 15, 16 und 17 der Charta stehen einer nationalen Regelung jedoch nicht entgegen, wonach ein Mitgliedstaat nach seinem Ermessen einen Betrieb schließen kann, in dem nicht konzessionierte Glücksspielautomaten öffentlich zugänglich gemacht worden sind.

1 – Originalsprache: Englisch.

2 – ABl. 2010, C 83, S. 389.

3 – In seiner Vorlageentscheidung führt das vorlegende Gericht die nationalen Rechtsvorschriften in ihrer derzeit geltenden Fassung auf. Offenbar wurden jedoch einige der als strafbar eingestuften Handlungen vor Inkrafttreten dieser Gesetzesfassung begangen. Das nationale Gericht wird zu entscheiden haben, welche Fassung des Gesetzes zur maßgebenden Zeit galt.

4 – Mir ist nicht klar, wie gegen eine juristische Person (und sei es nur alternativ) eine Freiheitsstrafe verhängt werden kann; ich entnehme dies so dem Vorlagebeschluss.

5 – Urteile vom 19. Juli 2012, Garkalns (C‑470/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 17), und vom 10. März 2009, Hartlauer (C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, Randnr. 24).

6 – Urteil Garkalns (oben in Fn. 5 angeführt, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

7 – Für mich besteht ein deutlicher Unterschied zwischen „Umsetzung“ und dem erheblich weiteren Begriff „Durchführung“.

8 – Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17).

9 – Vgl. Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42), und vom 22. Dezember 2010, DEB (C‑279/09, Slg. 2010, I‑13849, Randnr. 32).

10 –      Urteile vom 13. Juli 1989, Wachauf (5/88, Slg. 1989, 2609), vom 18. Juni 1991, ERT (C‑260/89, Slg. 1991, I‑2925), vom 18. Dezember 1997, Annibaldi (C‑309/96, Slg. 1997, I‑7493), und vom 13. April 2000, Karlsson u. a. (C‑292/97, Slg. 2000, I‑2737).

11 –      Urteile vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 21 – Hervorhebung nur hier), und vom 26. September 2013, TEXDATA Software (C‑418/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 73 – Hervorhebung nur hier).

12 – Der mögliche Bedeutungsunterschied verringert sich, wenn man die Begriffe „umsetzen“ und „durchführen“ nicht als Synonyme ansieht – siehe oben, Fn. 7.

13 – Randnr. 26.

14 – Randnr. 41.

15 – Randnr. 42.

16 – Randnr. 43.

17 – Die Bestimmungen des GSpG waren auch Gegenstand der im Wege des Vorlageverfahrens erlassenen Urteile vom 9. September 2010, Engelmann (C‑64/08, Slg. 2010, I‑8219), betreffend das Erfordernis, dass Inhaber von Spielbankkonzessionen ihren Sitz im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats haben, vom 15. September 2011, Dickinger und Ömer (C‑347/09, Slg. 2011, I‑8185), betreffend ein Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele zugunsten eines einzigen Betreibers, und vom 12. Juli 2012, HIT und HIT LARIX (C‑176/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), betreffend die Werbung für Spielbanken. Die jüngste Entscheidung in diesem Bereich, das Urteil vom 24. Januar 2013, Stanleybet International u. a. (C‑186/11 und C 209/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), betreffend das vom Staat einer einzigen börsennotierten Aktiengesellschaft übertragene ausschließliche Recht für die Verwaltung, die Organisation und das Funktionieren von Glücksspielen erging nach dem Vorabentscheidungsersuchen in der vorliegenden Rechtssache.

18 – Urteil Stanleybet International u. a. (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 21).

19 – Ebd. (Randnr. 22); vgl. auch Urteil Garkalns (oben in Fn. 5 angeführt, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20 – Urteil vom 8. September 2010, Stoß u. a. (C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07, Slg. 2010, I‑8069, Randnrn. 74 und 75 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

21 – Urteil vom 11. September 2003, Anomar u. a. (C‑6/01, Slg. 2003, I‑8621, Randnrn. 61 bis 75).

22 – Urteile vom 30. Juni 2011, Zeturf (C‑212/08, Slg. 2011, I‑5633, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie Dickinger und Ömer (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 55).

23 – Urteil Stanleybet International u. a. (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24 – Urteil Stanleybet International u. a. (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 29).

25 – Urteil Engelmann (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 45).

26 – Mithilfe einer solchen Würdigung mag das nationale Gericht auch den wahren Zweck des Konzessionserfordernisses ermitteln können – siehe oben, Nrn. 54 und 55.

27 – Vgl. Urteil Stoß u. a. (oben in Fn. 20 angeführt, Randnr. 71).

28 – Oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 66.

29 –      Urteile Stanleybet International u. a. (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 27), und vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633, Randnrn. 49 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30 – Urteil Dickinger und Ömer (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 58).

31 – Urteil Dickinger und Ömer (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 68).

32 – Ebd. (Randnr. 62).

33 – Im vorliegenden Fall ist nur Art. 15 Abs. 2 einschlägig. Art. 15 Abs. 1 betrifft das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben, während nach Art. 15 Abs. 3 die Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten arbeiten dürfen, Anspruch auf Arbeitsbedingungen haben, die denen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger entsprechen.

34 – Oben in Fn. 8 angeführt.

35 – Oben in Fn. 9 angeführt, Randnrn. 46 und 47.

36 – Urteil vom 15. Januar 2013 (C‑416/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37 – Urteil Dickinger und Ömer (oben in Fn. 17 angeführt, Randnrn. 32 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

38 – Urteil vom 21. Juni 2012, Donner (C‑5/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

39 – Urteil vom 5. September 2012, Lopes Da Silva Jorge (C‑42/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 54 bis 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40 – Siehe oben, Nr. 74.

   
Quelle