Dienstag, 12. November 2013

OLG Koblenz: Ordnungsbehörde rechtskräftig zu Entschädigungszahlung an Wettvermittler verurteilt


Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes

Mit insoweit rechtskräftigem Urteil vom 22.08.2013 hat das OLG Koblenz die Stadt Mainz verurteilt, einem vom Verfasser dieses Artikels anwaltlich vertretenen Wettvermittler die von ihm verauslagten Prozeßkosten aus einem im Ergebnis erfolglosen Eilverfahren im Jahre 2007 zu erstatten. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Stadt Mainz hat die Forderung inzwischen erfüllt, nachdem das Urteil insoweit Rechtskraft erlangt hat.

Der Kläger hatte Wetten an die Fa. Tipico Co. Ltd. vermittelt. Dies wurde ihm durch Ordnungsverfügung der Stadt Mainz vom 18.07.2007 untersagt. Er legte hiergegen Widerspruch ein und beantragte beim VG Mainz die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Der Antrag war erstinstanzlich erfolgreich, jedoch änderte das OVG Rheinland-Pfalz auf die Beschwerde der Stadt Mainz hin die Entscheidung und wies den Antrag ab. Daraufhin mußte der Vermittler seine Tätigkeit am 23.10.2007 einstellen. Er mußte zudem die Kosten des Eilverfahrens tragen. Im Hauptsacheverfahren stellte das OVG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 15.05.2012 die Rechtswidrigkeit der Verfügung seit ihrem Erlaß fest. Die hiergegen vom Land Rheinland-Pfalz (ADD Trier) als Funktionsnachfolger der Stadt Mainz erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zum BVerwG blieb insoweit erfolglos, als sie den Zeitraum bis 30.09.2010 betraf (Beschl. v. 17.10.2012, 8 B 62.12). Zwar muß das Land insoweit die Prozeßkosten tragen. Dies gilt jedoch nicht für das bereits 2007 abgeschlossene Eilverfahren. Die dort entstandenen Kosten konnten nur im Rahmen eines gesonderten Staatshaftungsprozesses zurückverlangt werden.

Im Jahre 2010 verklagte der Wettbürobetreiber die Stadt Mainz und später auch das Land Rheinland-Pfalz auf Entschädigung. Das LG Mainz hatte die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die Berufung hin wurde nunmehr die Stadt Mainz zur Erstattung der Prozeßkosten des 2007 geführten Eilverfahrens verurteilt. Die darüber hinausgehende Klage auf Feststellung der Pflicht der Stadt Mainz zum Ersatz weiterer Schäden, die für die Zeit ab 01.01.2008 auf das Land Rheinland-Pfalz erstreckt worden war, wurde hingegen als unzulässig abgewiesen, da dem Kläger eine Bezifferung der Schäden zumutbar sei. Insoweit ist beim BGH eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben worden.

Rechtsgrundlage für die Entschädigungsforderung ist § 68 Abs. 1 Satz 2 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG). Hiernach ist jemandem, der durch eine rechtswidrige Maßnahme der allgemeinen Ordnungsbehörden oder der Polizei einen Schaden erleidet, ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Ein Verschulden der Behörde ist nicht erforderlich.

Auch wenn die Prozeßkostenerstattung sich letztlich nur auf 1.402,60 Euro beläuft, so hat das Urteil doch eine wichtige symbolische Bedeutung, da erstmals überhaupt der Staat Entschädigungszahlungen für verwaltungsrechtliche Maßnahmen zur Unterbindung der grenzüberschreitenden Wettvermittlung zahlen mußte. Umstritten war dabei vor allem die Frage, ob eine Entschädigung deshalb ausgeschlossen sei, weil die Maßnahme angeblich – wie die Stadt Mainz argumentiert hat – auf legislativem Unrecht beruht habe. Das OLG Koblenz ist dieser Ansicht nunmehr entgegengetreten:
„Die Beklagte hat vorliegend die Landesgesetze zum Glücksspielwesen angewendet, die ihr ein Ermessen eingeräumt haben. Die gesetzlichen Vorgaben waren nicht dergestalt ausgerichtet, dass eine Untersagung der Wettvermittlung unbedingt aufgrund der gesetzlichen Vorschriften geboten war. Nach Maßgabe des Vorstehenden hatte die Beklagte zu 1. vielmehr in ihre Erwägungen einzubeziehen, dass aufgrund der strukturellen Umsetzungsdefizite im Rahmen der monopolisierten Glücksspiele durch Nichtveränderung der zielwidrigen Werbeaktivitäten der Lotto GmbH Rheinland-Pfalz ein Berufen auf die Monopolstellung derselben nicht mehr zulässig war. Maßgeblich zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung war daher nicht unbedingt die Gesetzesanwendung, sondern ein unzureichend ausgeübtes Ermessen im Rahmen eines umfassend bestehenden Ermessensspielraumes”. (UA S. 17)
Diese Fallkonstellation dürfte bei näherer Betrachtung für die behördlichen Maßnahmen gegenüber Sportwettvermittlern in Vergangenheit und Gegenwart typisch sein, da die Rechtswidrigkeit derartiger Maßnahmen in aller Regel aus Ermessensfehlern hergeleitet wird, dagegen nicht aus der Anwendung von verfassungs- und europarechtswidrigen Rechtsvorschriften. Insoweit ist nämlich zum einen zu bedenken, daß die Rechtsvorschriften, aus denen in der Vergangenheit das staatliche Wettmonopol abgeleitet wurde (die Erlaubniserteilungsverbote nach § 5 Abs. 4 LottStV, § 10 Abs. 5 GlüStV 2007), sich an die zuständigen Erlaubnisbehörden gerichtet haben und von diesen nur im Rahmen der (faktisch eher seltenen) Bearbeitung von Erlaubnisanträgen nichtstaatlicher Wettanbieter hätten angewendet zu werden brauchen, und genau genommen auch dies nur dann, wenn diese Erlaubnisanträge nicht schon aus anderen Gründen abweisungsreif waren. Demgegenüber gehörte die Anwendung der Monopolvorschriften nicht zum Aufgabenbereich örtlicher Ordnungsbehörden. Zum anderen hat das BVerwG die europarechtliche Unzulässigkeit der Anwendung der Monopolvorschriften insbesondere aus einer gesetzwidrigen Werbepraxis staatlicher Monopolanbieter hergeleitet, für die man den parlamentarischen Gesetzgeber nicht verantwortlich machen kann, so daß der Begriff „legislatives Unrecht“ ohnehin unpassend ist.

Auch wenn der zu ersetzende Schaden bereits 2007 entstanden war, läßt sich das Urteil auch auf die Zeit ab 2008 übertragen, zumal in den Urteilsgründen mehrfach auch auf die Rechtslage unter dem GlüStV Bezug genommen wird.

Bezogen auf die Gegenwart ist davon auszugehen, daß eine Ordnungsbehörde, die rechtswidrig gegen die erlaubnisfähige Vermittlung von Wetten an einen aussichtsreichen Konzessionsbewerber vorgehen würde, sich definitiv nicht auf eine Haftungsfreistellung wegen „legislativen Unrechts“ wird berufen können, da in einer solchen Konstellation das Fehlen einer Erlaubnis für die Vermittlung auf den fortbestehenden administrativen Problemen bei der Abwicklung des Konzessionsvergabeverfahrens beruht. Diese Vollzugsprobleme sind unabhängig davon, ob das Konzessionssystem als solches rechtmäßig ist oder nicht.

Schon in der Vergangenheit waren in Einzelfällen Entschädigungszahlungen an Wettvermittler wegen Betriebsunterbrechungen gezahlt worden. Dies beruhte jedoch durchweg auf der Anwendung des Strafrechtsentschädigungsgesetzes und betraf allein Betriebsunterbrechungen infolge strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen (z.B. Beschlagnahme von Wettkassen oder Wett-Terminals). Wurde hingegen die Wettvermittlung nicht von der Kriminalpolizei, sondern von der Ordnungsbehörde gestoppt, gingen die Wettvermittler bislang leer aus.

Die rheinland-pfälzische Regelung, aufgrund derer nunmehr die Stadt Mainz Entschädigung leisten mußte, basiert auf dem Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz (MEPolG) von 1977. Eine allein an die Rechtswidrigkeit des Handelns von Polizei- bzw. Ordnungsbehörden anknüpfende Haftung existiert dementsprechend auch in einer Reihe anderer Bundesländer, u.a. in Nordrhein-Westfalen (§ 39 Abs. 1 lit. b) OBG NRW). Die Urteile des BGH vom 18.10.2012 (III ZR 196/11, III ZR 197/11), die Schadensersatz für die Untersagung der Wettvermittlung im Jahre 2006 versagt haben, betreffen dagegen die Rechtslage in Bayern, wo eine vergleichbare polizeirechtliche Entschädigungsregelung nicht existiert.

Das Urteil des OLG Koblenz ist veröffentlicht auf www.vewu.com/urteile.php.

Kontakt:
Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes
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Anwendungsvorrang des Unionsrechts
Nach Art. 4 Abs, 3 S. 3 EUV sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Unionsrecht, inbegriffen die Grundfreiheiten, zu wahren. Um die einheitliche und volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu sichern, sind unionsrechtswidrige mitgliedstaatliche Regelungen nicht nur unmittelbar zu beseitigen, sondern dürfen aufgrund des Anwendungsvorrangs auch nicht weiter angewendet werden.
(vgl. etwa EuGH, Rs. C-409/06, Winner Wetten, Slg. 2010, I-8015, Rn. 53-69)
Demnach müssen die nationalen Behörden und Gerichte die Vorschriften, die mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, unangewandt lassen.

Die Schadenersatzpflicht gebietet, die Wiederherstellung eines früheren realen Zustandes. S. 31 (4.)
Quelle: Die Bestimmtheit und Offenheit der Rechtssprache: Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 29. April 1987 von Prof. Dr. Paul Kirchhof

Rechtsprechung zur Staatshaftung nach Unionsrecht
Wichtige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes

Zum Grundsatz der Staatshaftung
aus dem EuGH-Urteil v. 30.09.2003, Rs. C-224/01 - Köbler / Österreich
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Grundsatz der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen des EG-Vertrags folgt.. (s.u.)


Schadenersatz:
Francovich-Entscheidung: Dem einzelnen Bürger steht bei einer Verletzung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat ein Anspruch auf Ersatz zu, wenn dem Einzelnen durch den staatlichen Verstoß ein Schaden entstanden ist.
Quelle: wikipedia

Der EuGH hat dem Grunde nach anerkannt, dass europarechtswidrige Mitgliedstaatsurteile einen Haftungsanspruch auslösen.

Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Haftung der Mitgliedstaaten wegen Verstoßes gegen das EU-Recht
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Rechtsprechung zur Staatshaftung nach Unionsrecht (Auszug)

1. Leitentscheidung Francovich (1991): gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der Mitgliedstaaten für die Nichtumsetzung von Richtlinien
2. Leitentscheidung Brasserie du Pêcheur/Factortame (1996): gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung für die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht
• Rechtfertigung der richterrechtl. Einführung der Staatshaftung aus der Aufgabe der Sicherung der "Wahrung des Rechts" nach Art. 164 (heute 220) EGV
• Bestimmung der Haftungsvoraussetzungen analog zu Art. 215 II (heute 288 II) EGV nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind
• insbes. Haftung nur bei hinreichend qualifiziertem Verstoß; dafür Haftung auch ohne Verschulden
• Haftung auch für legislatives Unrecht
• angemessener Umfang der Entschädigung (grds. auch entgangener Gewinn)
3. Weitere wichtige Entscheidungen
a) British Telecommunications (1996): Haftung auch für fehlerhafte Umsetzung von Richtlinien
b) Dillenkofer (1996): zu den Haftungsvoraussetzungen des hinreichend qualifizierten Verstoßes und der Verleihung subj. Rechte (Verb. Rs. C-178/94 u.a., Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845, Nr. 23 ff)
c) Hedley Lomas (1996): Haftung auch für gemeinschaftsrechtswidrige Verwaltungspraxis (Rs. C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Nr. 28)
d) Köbler (2003): Haftung auch für höchstrichterliche Entscheidungen
• typische Effet-utile-Rspr.
Quelle: DAS RECHT DER EU UND SEINE DURCHSETZUNG IN DEN MITGLIEDSTAATEN


Zum Grundsatz der Staatshaftung aus dem EuGH-Urteil
v. 30.09.2003, Rs. C-224/01 - Köbler / Österreich

30. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Grundsatz der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen des EG-Vertrags folgt (Urteile vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Randnr. 35, Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 31, vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-392/93, British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, Randnr. 38, vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Randnr. 24, vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-178/94, C-179/94 und C-188/94 bis C-190/94, Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnr. 20, vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-127/95, Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I-1531, Randnr. 106, und Haim, Randnr. 26).

31. Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass dieser Grundsatz für jeden Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht unabhängig davon gilt, welches mitgliedstaatliche Organ durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß begangen hat (Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 32, vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-302/97, Konle, Slg. 1999, I-3099, Randnr. 62, und Haim, Randnr. 27).

32. Im Völkerrecht wird der Staat, dessen Haftung wegen Verstoßes gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung ausgelöst wird, als Einheit betrachtet, ohne dass danach unterschieden würde, ob der schadensverursachende Verstoß der Legislative, der Judikative oder der Exekutive zuzurechnen ist. Dasselbe muss erst recht in der Gemeinschaftsrechtsordnung gelten, da alle staatlichen Instanzen einschließlich der Legislative bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die vom Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Normen, die die Situation des Einzelnen unmittelbar regeln, zu beachten haben (Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 34).

33. In Anbetracht der entscheidenden Rolle, die die Judikative beim Schutz der dem Einzelnen aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen zustehenden Rechte spielt, wäre die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen beeinträchtigt und der Schutz der durch sie begründeten Rechte gemindert, wenn der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen dann keine Entschädigung erlangen könnte, wenn seine Rechte durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verletzt werden, der einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats zuzurechnen ist.

34. Hierbei ist von Belang, dass ein letztinstanzliches Gericht definitionsgemäß die letzte Instanz ist, vor der der Einzelne die ihm aufgrund des Gemeinschaftsrechts zustehenden Rechte geltend machen kann. Da eine durch eine rechtskräftige Entscheidung eines solchen Gerichts erfolgte Verletzung dieser Rechte regelmäßig nicht rückgängig gemacht werden kann, darf dem Einzelnen nicht die Befugnis genommen werden, den Staat haftbar zu machen, um auf diesem Wege den gerichtlichen Schutz seiner Rechte zu erlangen.

35. Im Übrigen ist ein Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, insbesondere deshalb nach Artikel 234 EG zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet, um zu verhindern, dass dem Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht verliehene Rechte verletzt werden.

36. Demnach verlangt der Schutz der Rechte des Einzelnen, der sich auf das Gemeinschaftsrecht beruft, zwingend, dass diesem das Recht zustehen muss, vor einem nationalen Gericht den Ersatz des Schadens zu verlangen, der auf die Verletzung seiner Rechte durch eine Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts zurückzuführen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 35).

37. Einige Regierungen, die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens Erklärungen eingereicht haben, haben geltend gemacht, dass der Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, nicht auf Entscheidungen eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts Anwendung finden könne. Sie haben sich u. a. auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, insbesondere die Rechtskraft, auf die richterliche Unabhängigkeit und Autorität sowie auf das Fehlen eines für die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten über die Staatshaftung aufgrund solcher Entscheidungen zuständigen Gerichts berufen.

38. Hierzu ist festzustellen, dass die Bedeutung des Grundsatzes der Rechtskraft nicht zu bestreiten ist (Urteil Eco Swiss, Randnr. 46). Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können.

39. Die Anerkennung des Grundsatzes der Staatshaftung für Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte stellt jedoch die Rechtskraft einer solchen Entscheidung nicht in Frage. Ein Verfahren zur Feststellung der Haftung des Staates hat nicht denselben Gegenstand und nicht zwangsläufig dieselben Parteien wie das Verfahren, das zur rechtskräftigen Entscheidung geführt hat. Obsiegt nämlich der Kläger mit einer Haftungsklage gegen den Staat, so erlangt er dessen Verurteilung zum Ersatz des entstandenen Schadens, aber nicht zwangsläufig die Aufhebung der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung, die den Schaden verursacht hat. Jedenfalls verlangt der der Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnende Grundsatz der Staatshaftung eine solche Entschädigung, nicht aber die Abänderung der schadensbegründenden Gerichtsentscheidung.

Anerkannt ist jedenfalls, daß derjenige, der durch pflichtwidriges Vorverhalten eine Gefahrenlage für Dritte geschaffen hat, verpflichtet ist, den dadurch drohenden Schaden abzuwenden; dies gilt mindestens dann, wenn das Vorverhalten die Gefahr des Schadenseintritts als naheliegend erscheinen läßt (Adäquanz) und die Pflichtwidrigkeit gerade in der Verletzung eines solchen Gebotes besteht, das dem Schutz des gefährdeten Rechtsguts zu dienen bestimmt ist (Pflichtwidrigkeitszusammenhang, vgl. BGHSt 34, 82; BGH NStZ 1987, 171; BGH, Urt. v. 9. Mai 1990 - 3 StR 112/90, BGH, 06.07.1990 - 2 StR 549/89

Beiträge zum Europarecht - Vertrauensschutz im europäischen Verwaltungsverfahren
......Neben der fundamentalen Bedeutung von Vertrauen als elementarer Tatbestand des sozialen Lebens erscheint der Vertrauensschutzgedanke in seiner rechtlichen Dimension als ethischer Mindestgehalt einer jeden auf die Verwirklichung materieller Gerechtigkeit ausgerichteten Rechtsordnung und wird zu Recht als ihr normatives Fundament bezeichnet....
......Zusammen mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist er Garant dafür, dass die Forderung nach eindeutigen, klaren und bestandskräftigen Hoheitsakten, auf die sich der Bürger verlassen kann, erfüllt wird.....
Quelle: Europarecht Uni-Göttingen