Mittwoch, 27. Januar 2016

VGH-Kassel: Konzessionsverfahren nicht verfassungskonform


Überraschende Wendung beim VGH-Kassel in Sachen Konzessionsverfahren
Veröffentlicht am 27. Januar 2016

Zum Beschluss des VGH Kassel in 8 B 883/15 (VG Wiesbaden 5 L 1448/14)
Ein Beitrag von Ra. Rolf Karpenstein

Mit Beschluss vom 16.04.2015 (5 L 1448/14.WI) hatte das Verwaltungsgericht Wiesbaden Hessen im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, über den Konzessionsantrag eines Wettanbieters mit Sitz in Wien unter Beachtung der vom Verwaltungsgericht bestätigten Unionsrechtswidrigkeit der Bekanntgabe, des Glücksspieländerungsstaatsvertrages und des Konzessionsverfahrens erneut zu entscheiden. Auch sei die Beteiligung des Glücksspielkollegiums an dem Konzessionsverfahren verfassungsrechtlich problematisch. Diese erneute Entscheidung verweigert Hessen bis heute. Den darüber hinausgehenden Antrag auf Gleichbehandlung mit den vorläufig als „erste 20“ ausgewählten Bewerbern hatte das Verwaltungsgericht irrtümlich interpretiert als Anspruch auf eine (vorläufige) Konzession. Daher hatte der österreichische Wettanbieter Beschwerde vor dem VGH Kassel eingelegt und klargestellt, dass der Antrag auf Gleichbehandlung als Antrag zu verstehen sei, die Konzessionsvergabe an die vorläufig ausgewählten „ersten 20“ zu untersagen.

Der Verwaltungsgerichtshof sah in dieser Klarstellung in seinem Beschluss vom 04.01.2016 überraschend eine unzulässige Antragserweiterung. Dabei geht der Antrag auf Gleichbehandlung entweder dahin, dass die Beschwerdeführerin zu dem Kreis der Konzessionsanwärter hinzugezogen wird oder vorläufig keiner der Konzessionsanwärter eine Konzession bekommt. Worin eine Antragserweiterung liegen soll, bleibt denn im Beschluss offen.

Bemerkenswert ist aber, dass der VGH Kassel einen verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den 20 vorläufig ausgewählten Konzessionsbewerbern materiell-rechtlich scheitern lässt, weil kein verfassungskonformes Konzessionsverfahren existiert.

Wörtlich heißt es:
„Ein solcher Anspruch auf Gleichbehandlung mit den 20 ausgewählten Konzessionsbewerbern scheitert bereits daran, dass … derzeit kein verfassungsgemäßes Verfahren für die Vergabe von Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten besteht.“
Diese Sicht der Dinge ist erstaunlich. Der verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Anspruch auf Gleichbehandlung wird obsolet, weil die Staatsvertragsgesetzgeber ein verfassungswidriges Konzessionsverfahren konzipiert und angewendet haben. Wenn das Schule macht, wird es in Zukunft viele verfassungswidrig ausgestaltete Genehmigungsverfahren geben, um den Anspruch auf Gleichbehandlung auszuhebeln.

Der VGH jedoch bekräftigt seine Sicht. Die Beschwerdeführerin hatte geltend gemacht, dass ein Anspruch auf eine Konzession auch in einem unionsrechtswidrigen und verfassungswidrigen Konzessionsregime besteht, um vor dem Hintergrund des strafbewehrten Erlaubnis- und Konzessionsvorbehaltes die Effektivität des freien Dienstleistungsverkehrs zu gewährleisten und für ein unionsrechtliches Minimum an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu sorgen. Dieses Vorbringen legt der VGH hilfsweise als Geltendmachung eines Anspruchs auf Erteilung einer Konzession aus und wiederholt, dass ein solcher Anspruch „unwahrscheinlich“ ist, weil kein verfassungsgemäßes Verfahren für die Vergabe von Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten besteht.
„Sofern man den Vortrag der Antragstellerin … in der Weise auslegt, sie mache (auch) einen Anspruch auf Erteilung einer Konzession geltend, ist ein solcher Anspruch … überwiegend unwahrscheinlich, da derzeit kein verfassungsgemäßes Verfahren für die Vergabe von Konzessionen zur Veranstaltung von Sportwetten besteht.“
Der VGH-Beschluss bringt privaten Anbietern zwar in einem Punkt ein Plus an Rechtssicherheit: Die materiell-rechtlichen Beschränkungen des Staatsvertrages, wie insbesondere das durch § 4 Abs. 5 GlüÄndStV gelockerte Internetvertriebsverbot oder der derzeit oft diskutierte Ausschluss von Wetten auf „Ereignisse“ sind und bleiben nur für die mit einer deutschen Erlaubnis versehenen staatlichen Lotterieunternehmen maßgeblich. Alle übrigen Glücksspiel- und Wettanbieter, die im Schutze des freien Dienstleistungsverkehrs auf der Grundlage der Regulierung in ihrem EU-Sitzland verfassungswidrig und unionsrechtswidrig von einer deutschen Erlaubnis/Konzession ausgeschlossen sind, können hingegen weiter – selbstverständlich verantwortungsvoll – im Rahmen der allgemein gültigen unionsrechtskonformen deutschen Normen Glücksspiele oder Sportwetten über jeden Vertriebsweg anbieten, ohne verpflichtet zu sein, systematisch und kohärent sowie konsequent mögliche Suchtgefahren zu bekämpfen. Die Beschränkungen des Staatsvertrages müsste ein privater Anbieter nur einhalten, wenn er im Gegenzug eine der wenigen vorgesehenen deutschen Konzessionen bekommt und als Oligopolist einen entsprechenden Wettbewerbsvorteil hat. Diese zwingende Systematik des Staatsvertrages hat die Bundesregierung gegenüber dem EuGH in ihrer schriftlichen Stellungnahme in der Rechtssache C-336/14 (Ince) bestätigt und in Rn. 155 folgendes ausgeführt:
„Die derzeit illegal am Markt tätigen privaten Sportwettveranstalter haben ein erhebliches Interesse daran, eine rechtskräftig abgeschlossene Konzessionserteilung zu verhindern, da sie dann – im Falle eines Konzessionserhalts – den durch den Glücksspielstaatsvertrag vorgegebenen Beschränkungen unterliegen würden bzw. – im Falle ihrer Ablehnung – wieder ernsthaft damit rechnen müssten, dass die jeweiligen Aufsichtsbehörden gegen ihr illegales Sport-Wettangebot vorgehen würden.“
Diese Regelungssystematik des Staatsvertrages, der auf die Legitimation der restriktiven Erlaubnis-/Konzessionserteilung ausgerichtet ist, und nicht auf die Regulierung des nach deutschem Recht „illegalen“ Sportwetten- und Glücksspielangebotes, das die unionsrechtliche Unanwendbarkeit des Erlaubnisvorbehaltes und damit die Effektivität des freien Dienstleistungsverkehrs ausnutzt, darf nicht in Vergessenheit geraten. Glücksspielaufsichtsbehörden, die materiell-rechtliche Beschränkungen des Staatsvertrages zum Anlass für staatliche Eingriffe nehmen, rennen offen in die Staatshaftung. Ein das Verschulden ausschließender Irrtum kommt nicht in Betracht, nachdem diese Systematik vom Bundesverwaltungsgericht in 8 C 13.09, 14.09 und 15.09 und nunmehr sogar von der Bundesregierung gegenüber dem EuGH klargestellt wurde.

Bringt der Beschluss des VGH insoweit Rechtssicherheit, dass weiterhin nur die staatlichen Lotterieunternehmen unter dem Joch des Glücksspieländerungsstaatsvertrages agieren müssen, weil die Einbeziehung privater Anbieter in das nach wie vor monopolistisch aufgebaute Regime verfassungsrechtlich verhindert ist, so wirft er auch Fragen auf. Ist es wirklich der Weisheit letzter Schluss, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung ausgeschlossen ist, weil die anwaltlich beratene Exekutive der Bundesländer einen verfassungswidrigen Staatsvertrag vereinbart und in ihren Landesparlamenten ohne Änderungsmöglichkeit absegnen lässt? Dies wird in Hauptsacheverfahren genauso zu diskutieren sein, wie die Frage, ob dem Land Hessen von Verfassung wegen untersagt ist, eine Konzession – sei es auch nur im Wege eines Vergleiches oder auf richterliche Anordnung eines Verwaltungsgerichts – zu vergeben. Auch stellt sich die Frage, ob eine solche verfassungswidrig erteilte Konzession wegen des Fehlens eines verfassungsgemäßen Verfahrens für die Konzessionsvergabe von vornherein nichtig oder nur von Seiten Dritter anfechtbar ist.

Für die Bundesländer und ihre Adlaten ist der jüngste VGH-Beschluss ein ergiebiger Quell an weiterem Diskussionsbedarf. Für die privaten Glücksspiel- und Wettanbieter hingegen ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Rechtssicherheit. Allerdings dürfte entgegen dem VGH aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und vor allem der Effektivität des freien Dienstleistungsverkehrs ungeachtet der Unionsrechtswidrigkeit und der Verfassungswidrigkeit des Konzessionsverfahrens ein Anspruch auf eine Konzession frei von den Beschränkungen des Staatsvertrages folgen, jedenfalls solange dieser unionsrechtswidrige Staatsvertrag mit dem Erlaubnisvorbehalt nicht abgeschafft wird.

Rechtsanwalt Rolf Karpenstein
Gerhofstrasse 38, 20354 Hamburg
Mail: Karpenstein@raeblume.de

BVerfG: Schuldgrundsatz/Menschenwürde/Rechtsstaatsprinzip (2 BvR 2735/14)

Das Bundesverfassungericht verlangt entsprechend dem internationalem Recht den Nachweis von Tat und Schuld.

Dieser Vorgabe entspricht die "Schuldfeststellung" einer gefährlichen Körperverletzung ohne jeglichen Sachbeweis durch das LG Regensburg i.d. S. Mollath, nicht - was den BGH jedoch erneut nicht störte die Revison abzulehnen! weiterlesen
Jede strafrechtliche Sanktion setzt einen Nachweis von Tat und Schuld in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren voraus. (Rn 36, 57 s.u.)

Das deutsche Strafrecht beruhe auf dem Schuldgrundsatz, der in der Garantie der Menschenwürde sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert sei und zur „unverfügbaren Verfassungsidentität“ gehört. (Rn 53, 55 s.u.)

Die Verwirklichung des Schuldgrundsatzes sei gefährdet, wenn die Ermittlung des wahren Sachverhalts nicht sichergestellt sei. (Rn 53, 55 s.u.)

„Die Zumessung einer angemessenen Strafe, die zugleich einen sozial-ethischen Vorwurf darstellt, setzt die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Angeklagten und damit grundsätzlich dessen Anwesenheit voraus“, schreiben die Karlsruher Richter.

Der Schuldgrundsatz mache Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten im Strafprozess erforderlich, durch die gewährleistet werde, dass der Beschuldigte Umstände vorbringen und prüfen lassen kann, die zu seiner Entlastung führen oder für die Strafzumessung relevant sein können.

Bundesverfassungsgericht:  Das Europarecht genießt Vorrang, das Gericht behält sich aber die Prüfung vor.

BVerfG/BGH/BFH: unvollständige Sachverhaltsaufklärung ist grundrechtswidrig!
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BVerfG: Richter sind verpflichtet der Wahrheit zu dienen !
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Effektiver Rechtsschutz
Die Grundsätze des effektiven Rechtsschutzes sind bei der Auslegung verfahrensrechtlicher Vorschriften zu beachten. weiterlesen

Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht

Das internationale Recht verlangt den rechtsförmlich erbrachten "Nachweis" einer Schuld
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Bundesverfassungsgericht:

Gewährleistung einzelfallbezogenen Grundrechtsschutzes im Rahmen der Identitätskontrolle
Pressemitteilung Nr. 4/2016 vom 26. Januar 2016

Beschluss vom 15. Dezember 2015
2 BvR 2735/14


Der Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht kann sich im Einzelfall auch auf unionsrechtlich determinierte Hoheitsakte erstrecken, wenn dies zur Wahrung der durch Art. 79 Abs. 3 GG verbürgten Verfassungsidentität unabdingbar geboten ist. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts durch heute veröffentlichten Beschluss mit Blick auf den Schuldgrundsatz entschieden, nach dem jede strafrechtliche Sanktion den Nachweis von Tat und Schuld in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren voraussetzt. Der Schuldgrundsatz wurzelt in der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und muss daher auch bei der Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit ergangenen Strafurteils in Vollzug des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl gewahrt werden. Einen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf über die Auslieferung eines US-Bürgers nach Italien, der dort in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von 30 Jahren verurteilt worden war, hat der Zweite Senat aufgrund dieser Maßstäbe aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Denn das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ihm in Italien keine erneute Beweisaufnahme in seiner Anwesenheit ermöglicht werde, erfordert weitere Ermittlungen des Oberlandesgerichts.

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika. Mit rechtskräftigem Urteil der Corte di Appello in Florenz wurde er 1992 in Abwesenheit wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie Einfuhr und Besitzes von Kokain zu einer Freiheitsstrafe von 30 Jahren verurteilt. Im Jahre 2014 wurde er auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls in Deutschland festgenommen. Im Auslieferungsverfahren machte er im Wesentlichen geltend, in dem nach italienischem Recht eröffneten Berufungsverfahren könne er keine erneute Beweisaufnahme erwirken. Das Oberlandesgericht hat die Auslieferung des Beschwerdeführers mit angegriffenem Beschluss vom 7. November 2014 gleichwohl für zulässig erklärt.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 1
Abs. 1 GG.

1. a) Hoheitsakte der Europäischen Union und - soweit sie durch das Unionsrecht determiniert werden - Akte der deutschen öffentlichen Gewalt sind mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts grundsätzlich nicht am Maßstab der im Grundgesetz verankerten Grundrechte zu messen. Der Anwendungsvorrang reicht jedoch nur soweit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen. Er wird durch die in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verfassungsänderungs- und integrationsfest ausgestaltete Verfassungsidentität des Grundgesetzes begrenzt.

b) Zu deren Sicherstellung dient die Identitätskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Die Prüfung kann - wie die Ultra-vires-Kontrolle - im Ergebnis dazu führen, dass Unionsrecht in Deutschland in eng begrenzten Einzelfällen für unanwendbar erklärt werden muss. Um zu verhindern, dass sich deutsche Behörden und Gerichte ohne weiteres über den Geltungsanspruch des Unionsrechts hinwegsetzen, verlangen die europarechtsfreundliche Anwendung von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG und der in Art. 100 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, dass die Feststellung einer Verletzung der Verfassungsidentität dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bleibt.

Die Identitätskontrolle ist der Sache nach in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV  angelegt und verstößt nicht gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit im Sinne von Art. 4 Abs. 3 EUV. Die Europäische Union ist ein Staaten-, Verfassungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungsverbund, der seine Grundlagen  in völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten findet. Als Herren der Verträge entscheiden diese durch nationale Geltungsanordnungen darüber, ob und inwieweit das Unionsrecht im jeweiligen Mitgliedstaat Geltung und Vorrang beanspruchen kann. Es bedeutet daher keinen Widerspruch zur Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, wenn das Bundesverfassungsgericht unter eng begrenzten Voraussetzungen eine Maßnahme der Europäischen Union für in Deutschland ausnahmsweise nicht anwendbar erklärt. Dies wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass sich auch im Verfassungsrecht zahlreicher anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vorkehrungen zum Schutz der Verfassungsidentität und der Grenzen der Übertragung von Souveränitätsrechten auf die Europäische Union finden. Eine substantielle Gefahr für die einheitliche Anwendung des Unionsrechts ergibt sich daraus nicht, weil die dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltenen Kontrollbefugnisse zurückhaltend und europarechtsfreundlich auszuüben sind. Soweit erforderlich, legt es seiner Prüfung dabei die Maßnahme in der Auslegung zugrunde, die ihr in einem Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV durch den Gerichtshof der Europäischen Union gegeben wurde.

c) Zu den Schutzgütern der Verfassungsidentität, die auch vor Eingriffen der supranational ausgeübten öffentlichen Gewalt geschützt sind, gehören die Grundsätze des Art. 1 GG. Die in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG für integrationsfest erklärten Schutzgüter dulden keine Relativierung. Vor diesem Hintergrund gewährleistet das Bundesverfassungsgericht im Wege der Identitätskontrolle den unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz uneingeschränkt und im Einzelfall.

d) Die strengen Voraussetzungen für eine Aktivierung der Identitätskontrolle schlagen sich in erhöhten Zulässigkeitsanforderungen an entsprechende Verfassungsbeschwerden nieder. Es muss im Einzelnen substantiiert dargelegt werden, inwieweit im konkreten Fall die Garantie der Menschenwürde verletzt ist.

2. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts überschreitet die durch Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen.

a) Durch den Vollzug des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl kann Art. 1 Abs. 1 GG verletzt werden, weil bei einer Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit ergangenen Strafurteils eine strafrechtliche Reaktion auf ein sozial-ethisches Fehlverhalten durchgesetzt wird, die ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar wäre.

aa) Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz, der in der Garantie der Menschenwürde sowie im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankert ist und zu der wegen Art. 79 Abs. 3 GG unverfügbaren Verfassungsidentität gehört. Die Verwirklichung des Schuldgrundsatzes ist gefährdet, wenn die Ermittlung des wahren Sachverhalts nicht sichergestellt ist. Die Zumessung einer angemessenen Strafe, die zugleich einen sozial-ethischen Vorwurf darstellt, setzt die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Angeklagten und damit grundsätzlich dessen Anwesenheit voraus. Der Schuldgrundsatz macht Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten im Strafprozess erforderlich, durch die gewährleistet wird, dass der Beschuldigte Umstände vorbringen und prüfen lassen kann, die zu seiner Entlastung führen oder für die Strafzumessung relevant sein können. Die durch den Schuldgrundsatz gebotenen Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten im Strafprozess sind auch bei der Entscheidung über die Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit ergangenen Strafurteils zu beachten.

bb) Das über die Auslieferung entscheidende Gericht trifft eine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts, die ebenfalls dem Schutz von Art. 1 Abs. 1 GG unterfällt. Hierzu gehört insbesondere die Behandlung, die der Verfolgte im ersuchenden Staat zu erwarten hat. Dies bedeutet nicht, dass die Grundlagen eines Auslieferungsersuchens von deutschen Gerichten stets umfassend nachvollzogen werden müssten. Denn gerade im europäischen Auslieferungsverkehr gilt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens. Dieses Vertrauen wird jedoch dann erschüttert, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Falle einer Auslieferung die unverzichtbaren Anforderungen an den Schutz der Menschenwürde nicht eingehalten würden. Das über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidende Gericht trifft insoweit die Pflicht, Ermittlungen hinsichtlich der Rechtslage und der Praxis im ersuchenden Mitgliedstaat anzustellen, wenn der Betroffene hinreichende Anhaltspunkte für solche Ermittlungen dargelegt hat. Umfang und Ausmaß der Ermittlungen, zu deren Vornahme das Gericht im Hinblick auf die Einhaltung des Schuldprinzips verpflichtet ist, richten sich nach Art und Gewicht der vom Verurteilten vorgetragenen Anhaltspunkte für eine Unterschreitung des durch Art. 1 Abs. 1 GG gebotenen Mindeststandards.

b) Die Absicherung des integrationsfesten Schuldprinzips rechtfertigt und gebietet eine auf diese verfahrensrechtlichen Mindestgarantien beschränkte Prüfung der Entscheidung des Oberlandesgerichts am Maßstab des Grundgesetzes, obwohl diese unionsrechtlich determiniert ist. Zwar kommt dem Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl in der deutschen Rechtsordnung grundsätzlich Anwendungsvorrang zu; er enthält nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Bezug auf die Auslieferung bei Abwesenheitsurteilen eine abschließende Regelung. Das entbindet das Oberlandesgericht jedoch nicht von der Verpflichtung, auch bei einer Auslieferung auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls die Einhaltung der Grundsätze des Art. 1 Abs. 1 GG in der Ausprägung des Schuldgrundsatzes sicherzustellen.

c) Im vorliegenden Zusammenhang bedarf es jedoch keiner Begrenzung des Anwendungsvorrangs unter Rückgriff auf Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, weil sowohl der Rahmenbeschluss selbst als auch das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen eine Auslegung gebieten, die den von Art. 1 Abs. 1 GG geforderten Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten bei einer Auslieferung Rechnung trägt.

aa) Die Pflicht, einem Europäischen Haftbefehl Folge zu leisten, ist schon unionsrechtlich begrenzt. Einem Europäischen Haftbefehl ist nach unionsrechtlichen Maßstäben nicht Folge zu leisten, wenn er den Anforderungen des Rahmenbeschlusses nicht genügt oder die Auslieferung mit einer Verletzung der unionalen Grundrechte einherginge. Art. 4a Abs. 1 Buchstabe d (i) des Rahmenbeschlusses schreibt ein Verfahren vor, bei dem der Sachverhalt, einschließlich neuer Beweismittel, erneut geprüft und die ursprüngliche Entscheidung aufgehoben werden „kann“. Hiermit wird dem mit der Sache befassten Gericht kein Ermessen eingeräumt; „kann“ dient vielmehr der Kennzeichnung der Befugnisse des Gerichts und bedeutet so viel wie „in der Lage ist“. Auch die Bindung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union an die Grundrechte, die Ausstrahlungswirkung der Grundrechtecharta auf das Sekundärrecht sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofes für Menschenrechte sprechen für diese Auslegung.

Dass der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens auch nach Unionsrecht nicht schrankenlos ist, bedeutet zugleich, dass die nationalen Justizbehörden bei entsprechenden Anhaltspunkten berechtigt und verpflichtet sind, die Einhaltung der rechtsstaatlichen Anforderungen zu prüfen, selbst wenn der Europäische Haftbefehl in formaler Hinsicht den Voraussetzungen des Rahmenbeschlusses entspricht. Eine effektive gerichtliche Kontrolle setzt auch aus der Sicht des Unionsrechts voraus, dass das über die Auslieferung entscheidende Gericht in der Lage ist, entsprechende Ermittlungen anzustellen, solange nur die praktische Wirksamkeit des durch den Rahmenbeschluss errichteten Auslieferungssystems nicht in Frage gestellt wird. Damit bleiben die unionsrechtlichen Anforderungen an die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nicht hinter denjenigen zurück, die Art. 1 Abs. 1 GG als Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten gebietet.

bb) Das den Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl umsetzende Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen begegnet im Hinblick auf den Schuldgrundsatz und seine in der Garantie der Menschenwürde verankerten Gewährleistungsinhalte insoweit keinen Bedenken.

d) Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts wird diesen Anforderungen nicht in vollem Umfang gerecht.

aa) Zwar hat das Oberlandesgericht zutreffend gesehen, dass die Auslieferung des Beschwerdeführers nur zulässig ist, wenn ihm nach seiner Überstellung ein effektiver Rechtsbehelf zur Verfügung steht. Es hat jedoch den Umfang der ihm obliegenden Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts und damit Bedeutung und Tragweite von Art. 1 Abs. 1 GG verkannt. Beim Vollzug des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen müssen die Gerichte im Einzelfall sicherstellen, dass die Rechte des Verfolgten zumindest insoweit gewahrt werden, als sie am Schutz des Art. 1 Abs. 1 GG teilhaben. Mit Blick auf den Schuldgrundsatz gehört dazu, dass dem Verfolgten, der in Abwesenheit verurteilt wurde und nicht über Durchführung und Abschluss des betreffenden Verfahrens unterrichtet war, zumindest die tatsächliche Möglichkeit eröffnet ist, sich nach Kenntniserlangung wirksam zu verteidigen, insbesondere Umstände vorzubringen und prüfen zu lassen, die zu seiner Entlastung führen können.

bb) Der Beschwerdeführer hat substantiiert dargelegt, dass ihm das italienische Prozessrecht nicht die Möglichkeit eröffne, eine erneute Beweisaufnahme im Berufungsverfahren zu erwirken. Dieses Vorbringen wird dadurch erhärtet, dass in der Vergangenheit mehrere Oberlandesgerichte die Auslieferung nach Italien aufgrund einer Abwesenheitsverurteilung mit der Begründung abgelehnt haben, dass nach italienischem Recht in der Berufungsinstanz eine erneute umfassende gerichtliche Überprüfung der Sachentscheidung nicht stattfinde. Den substantiierten und plausiblen Einwänden des Beschwerdeführers hätte das Oberlandesgericht nachgehen müssen. Es hat sich jedoch damit zufrieden gegeben, dass eine erneute Beweisaufnahme in Italien „jedenfalls nicht ausgeschlossen“ sei. Dies verletzt die Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 1 Abs. 1 GG.

3. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedarf es nicht. Die richtige Anwendung des Unionsrechts ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Darüber hinaus gerät das Unionsrecht mit dem Menschenwürdeschutz des Grundgesetzes im vorliegenden Fall nicht in Konflikt.

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Auszug aus dem Beschluss vom 15. Dezember 2015
2 BvR 2735/14


C.
35  Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 79 Abs. 3 GG.
I.
36  Hoheitsakte der Europäischen Union und - soweit sie durch das Unionsrecht determiniert werden - Akte der deutschen öffentlichen Gewalt sind mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts grundsätzlich nicht am Maßstab der im Grundgesetz verankerten Grundrechte zu messen (1.). Der Anwendungsvorrang findet seine Grenze jedoch in den durch Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG für integrationsfest erklärten Grundsätzen der Verfassung (2.). Dazu gehören namentlich die Grundsätze des Art. 1 GG einschließlich des in der Menschenwürdegarantie verankerten Schuldprinzips im Strafrecht (3.). Die Gewährleistung dieser Grundsätze ist auch bei der Anwendung des Rechts der Europäischen Union oder unionsrechtlich determinierter Vorschriften durch die deutsche öffentliche Gewalt im Einzelfall sicherzustellen (4.). Eine Verletzung dieses unabdingbaren Maßes an Grundrechtsschutz kann vor dem Bundesverfassungsgericht allerdings nur gerügt werden, wenn substantiiert dargelegt wird, dass die Würde des Menschen im konkreten Fall tatsächlich beeinträchtigt wird (5.).

37 1. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland an der Gründung und Fortentwicklung der Europäischen Union mit. Für den Erfolg der Europäischen Union ist die einheitliche Geltung ihres Rechts von zentraler Bedeutung (vgl. BVerfGE 73, 339 <368>; 123, 267 <399>; 126, 286 <301 f.="">). Als Rechtsgemeinschaft von derzeit 28 Mitgliedstaaten könnte sie nicht bestehen, wenn die einheitliche Geltung und Wirksamkeit ihres Rechts nicht gewährleistet wäre (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Costa/ENEL, 6/64, Slg. 1964, S. 1251 <1269 f.="">). Art. 23 Abs. 1 GG enthält insoweit auch ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das unionale Recht (vgl. BVerfGE 126, 286 <302>).

38  Mit der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, billigt das Grundgesetz daher  die im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen enthaltene Einräumung eines Anwendungsvorrangs zugunsten des Unionsrechts. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht (vgl.  BVerfGE 129, 78 <100>) und führt bei einer Kollision im konkreten Fall in aller Regel zu dessen  Unanwendbarkeit (vgl. BVerfGE 126, 286 <301>).

39  Auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 GG kann der Integrationsgesetzgeber nicht nur Organe und Stellen der Europäischen Union, soweit sie in Deutschland öffentliche Gewalt ausüben, von einer umfassenden Bindung an die Grundrechte und andere Gewährleistungen des Grundgesetzes freistellen, sondern auch deutsche Stellen, die Recht der Europäischen Union vollziehen (vgl. Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1989, S. 247 ff.). Das gilt nicht zuletzt für die Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene, wenn diese Sekundär- oder Tertiärrecht umsetzen, ohne dabei über einen Gestaltungsspielraum zu verfügen (vgl. BVerfGE 118, 79 <95>; 122, 1 <20>). Umgekehrt sind die bei Bestehen eines Gestaltungsspielraums zur Ausfüllung erlassenen Rechtsakte einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich (vgl. BVerfGE 122, 1 <20 f.="">; 129, 78 <90 f.="">).

40  2. Der Anwendungsvorrang reicht jedoch nur soweit,  wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen (vgl. BVerfGE 73, 339 <375 f.="">; 89, 155 <190>; 123, 267 <348 ff.="">; 126, 286 <302>; 129, 78 <99>; 134, 366 <384 26="" rn.="">). Der im Zustimmungsgesetz enthaltene Rechtsanwendungsbefehl kann nur im Rahmen der geltenden Verfassungsordnung erteilt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 <402>). Grenzen für die Öffnung deutscher Staatlichkeit ergeben sich - jenseits des  im Zustimmungsgesetz niedergelegten Integrationsprogramms in seiner konkreten Ausgestaltung - aus der in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (a). Dies ist mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) vereinbar (b) und wird auch dadurch bestätigt, dass sich im Verfassungsrecht der meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vergleichbare Grenzen finden (c).

41  a) Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts wird im Wesentlichen durch die in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verfassungsänderungs- und integrationsfest ausgestaltete Verfassungsidentität des Grundgesetzes begrenzt (aa). Zu deren Sicherstellung dient die Identitätskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht (bb).

42  aa) Soweit Maßnahmen eines Organs oder einer sonstigen Stelle der Europäischen Union Auswirkungen zeitigen, die die durch Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit den in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätzen geschützte Verfassungsidentität berühren, gehen sie über die grundgesetzlichen Grenzen offener Staatlichkeit hinaus. Auf einer primärrechtlichen Ermächtigung kann eine derartige Maßnahme nicht beruhen, weil auch der mit der Mehrheit des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG entscheidende Integrationsgesetzgeber der Europäischen Union keine Hoheitsrechte übertragen kann, mit deren Inanspruchnahme eine Berührung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität einherginge (vgl. BVerfGE 113, 273 <296>; 123, 267 <348>; 134, 366 <384 27="" rn.="">). Auf eine Rechtsfortbildung zunächst verfassungsmäßiger Einzelermächtigungen kann sie ebenfalls nicht gestützt werden, weil das Organ oder die Stelle der Europäischen Union damit ultra vires handelte (vgl. BVerfGE 134, 366 <384 27="" rn.="">).

43  bb) Im Rahmen der Identitätskontrolle ist zu prüfen, ob die durch Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärten Grundsätze durch eine Maßnahme der Europäischen Union berührt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 <344 353="" f.="">; 126, 286 <302>; 129, 78 <100>; 134, 366 <384 27="" f.="" rn.="">). Diese Prüfung kann - wie der Solange-Vorbehalt (vgl. BVerfGE 37, 271 <277 ff.="">; 73, 339 <387>; 102, 147 <161 ff.="">) oder die Ultra-vires-Kontrolle (BVerfGE 58, 1 <30 f.="">; 75, 223 <235 242="">; 89, 155 <188>; 123, 267 <353 ff.="">; 126, 286 <302 ff.="">; 134, 366 <382 23="" ff.="" rn.="">) - im Ergebnis dazu führen, dass Unionsrecht in Deutschland in eng begrenzten Einzelfällen für unanwendbar erklärt werden muss. Um zu verhindern, dass sich deutsche Behörden und Gerichte ohne weiteres über den Geltungsanspruch des Unionsrechts hinwegsetzen, verlangt die europarechtsfreundliche Anwendung von Art. 79 Abs. 3 GG zum Schutz der Funktionsfähigkeit der unionalen Rechtsordnung und bei Beachtung des in Art. 100 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens aber, dass die Feststellung einer Verletzung der Verfassungsidentität dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bleibt (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>). Dies wird auch durch die Regelung des Art. 100 Abs. 2 GG unterstrichen, nach der bei Zweifeln, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt, das Bundesverfassungsgericht angerufen werden muss  (vgl. BVerfGE 37, 271 <285>). Mit der Identitätskontrolle kann das Bundesverfassungsgericht auch im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) befasst werden (vgl. BVerfGE 123, 267 <354 f.="">).

44  b) Die Identitätskontrolle verstößt nicht gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit im Sinne von Art. 4 Abs. 3 EUV. Sie ist vielmehr in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV der Sache nach angelegt (vgl. zur Berücksichtigung der nationalen Identität auch EuGH, Urteil vom 2. Juli 1996, Kommission/Luxemburg, C-473/93, SIg. 1996, I-3207, Rn. 35; Urteil vom 14. Oktober 2004, Omega, C-36/02, Slg. 2004, I-9609, Rn. 31 ff.; Urteil vom 12. Juni 2014, Digibet und Albers, C-156/13, EU:C:2014:1756, Rn. 34) und entspricht insoweit auch den besonderen Gegebenheiten der Europäischen Union. Die Europäische Union ist ein Staaten-, Verfassungs-, Verwaltungs-  und Rechtsprechungsverbund, der seine Grundlagen letztlich in völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten findet. Als Herren der Verträge entscheiden diese durch nationale Geltungsanordnungen darüber, ob und inwieweit das Unionsrecht im jeweiligen Mitgliedstaat Geltung und Vorrang beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 75, 223 <242>; 89, 155 <190>; 123, 267 <348 381="" f.="" ff.="">; 126, 286 <302 f.="">; 134, 366 <384 26="" rn.="">). Nicht entscheidend ist, ob die Geltungsanordnung - wie in Frankreich (Art. 55 FrzVerf.), Österreich (Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl für die Republik Österreich Nr. 744/1994) oder Spanien (Art. 96 Abs. 1 SpanVerf.) - im nationalen Verfassungsrecht oder - wie in Großbritannien - im Zustimmungsgesetz (European Communities Act 1972; vgl. Court of Appeal, Macarthys v. Smith, <1981> 1 All ER 111 <120>; Macarthys v. Smith, <1979> 3 All ER 325 <329>; House of Lords, Garland v. British Rail Engineering, <1982> 2 All ER 402 <415>) ausdrücklich niedergelegt ist, ob sie - wie in Deutschland - aufgrund einer systematischen, teleologischen und historischen Auslegung dem Zustimmungsgesetz entnommen oder ob die Nachrangigkeit des nationalen Rechts gegenüber dem Unionsrecht - wie in Italien - durch eine einzelfallbezogene Handhabung des nationalen Rechts erreicht wird (vgl. Corte Costituzionale, Entscheidung Nr. 170/1984, Granital, EuGRZ 1985, S. 98).

45  Es bedeutet daher keinen Widerspruch zur Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (Präambel, Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG), wenn das Bundesverfassungsgericht unter eng begrenzten Voraussetzungen die Maßnahme eines Organs oder einer Stelle der Europäischen Union für in Deutschland ausnahmsweise nicht anwendbar erklärt (vgl. BVerfGE 37, 271 <280 ff.="">; 73, 339 <374 ff.="">; 75, 223 <235 242="">; 89, 155 <174 f.="">; 102, 147 <162 ff.="">; 123, 267 <354 401="">).

46  Eine substantielle Gefahr für die einheitliche Anwendung des Unionsrechts ergibt sich daraus nicht.
Zum einen wird gerade im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Grundsätze des Art. 1 GG eine Verletzung schon deshalb nur selten vorkommen, weil Art. 6 EUV, die Charta der Grundrechte und die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Regel einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union gewährleisten (vgl. nur EuGH, Urteil vom 9. November 2010, Schecke und Eifert, C-92/09 und C-93/09, Slg. 2010, I-11063, Rn. 43 ff.; Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland und Seitlinger, C-293/12 und C-594/12, EU:C:2014:238, Rn. 23 ff.; Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 42 ff., 62 ff., 89 ff.; Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C-362/14, EU:C:2015:650, Rn. 91 ff.). Zum anderen sind die dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltenen Kontrollbefugnisse zurückhaltend und europarechtsfreundlich auszuüben (vgl. BverfGE 126, 286 <303>). Soweit erforderlich, legt es seiner Prüfung dabei die Maßnahme in der Auslegung zugrunde, die ihr in einem Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV durch den Gerichtshof der Europäischen Union gegeben wurde. Das gilt nicht nur im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle, sondern auch vor der Feststellung der Unanwendbarkeit einer Maßnahme von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union in Deutschland wegen einer Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 und 20 GG geschützten Verfassungsidentität (vgl. BVerfGE 123, 267 <353>; 126, 286 <304>; 134, 366 <385 27="" rn.="">).

47  c) Die Vereinbarkeit der verfassungsgerichtlichen Identitätskontrolle mit dem Unionsrecht wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass sich, mit Modifikationen im Detail, auch im Verfassungsrecht zahlreicher anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vorkehrungen zum Schutz der Verfassungsidentität und der Grenzen der Übertragung von Souveränitätsrechten auf die Europäische Union finden (vgl. insoweit BVerfGE 134, 366 <387 30="" rn.="">). Die weitaus überwiegende Zahl der Verfassungs- und Obergerichte der anderen Mitgliedstaaten teilt für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass der (Anwendungs-)Vorrang des Unionsrechts nicht unbegrenzt gilt, sondern dass ihm durch das nationale (Verfassungs-)Recht Grenzen gezogen werden (vgl. für das Königreich Dänemark: Højesteret, Urteil vom 6. April 1998 - I 361/1997 -, Abschn. 9.8; für die Republik Estland: Riigikohus, Urteil vom 12. Juli 2012 - 3-4-1-6-12 -, Abs.-Nr. 128, 223; für die Französische Republik: Conseil Constitutionnel, Entscheidung Nr. 2006-540 DC vom 27. Juli 2006, 19. Erwägungsgrund; Entscheidung Nr. 2011-631 DC vom 9. Juni 2011, 45. Erwägungsgrund; Conseil d’État, Urteil vom 8. Februar 2007, Nr. 287110 , Société Arcelor Atlantique et Lorraine, EuR 2008, S. 57 <60 f.="">; für Irland: Supreme Court of Ireland, Crotty v. An Taoiseach, <1987>, I.R. 713 <783>; S.P.U.C. Ltd. v. Grogan, <1989>, I.R. 753 <765>; für die Italienische Republik: Corte Costituzionale, Entscheidung Nr. 98/1965, Acciaierie San Michele, EuR 1966, S. 146; Entscheidung Nr. 183/1973, Frontini, EuR 1974, S. 255; Entscheidung Nr. 170/1984, Granital, EuGRZ 1985, S. 98; Entscheidung Nr. 232/1989, Fragd; Entscheidung Nr. 168/1991; Entscheidung Nr. 117/1994, Zerini; für die Republik Lettland: Satversmes tiesa, Urteil vom 7. April 2009 - 2008-35-01 -, Abs.-Nr. 17; für die Republik Polen: Trybunal Konstytucyjny, Urteile vom 11. Mai 2005 - K 18/04 -, Rn. 4.1., 10.2.; vom 24. November 2010 - K 32/09 -, Rn. 2.1. ff.; vom 16. November 2011 - SK 45/09 -, Rn. 2.4., 2.5.; für das  Königreich Spanien: Tribunal Constitucional, Erklärung vom 13. Dezember 2004, DTC 1/2004, Punkt 2 der Entscheidungsgründe, EuR 2005, S. 339 <343> und Entscheidung vom 13. Februar 2014, STC 26/2014, Punkt 3 der Entscheidungsgründe, HRLJ 2014, S. 475 <477 f.="">; für die Tschechische Republik: Ústavni Soud, Urteil vom 8. März 2006, Pl. ÚS 50/04, Abschn. VI.B.; Urteil vom 3. Mai 2006, Pl. ÚS 66/04, Rn. 53; Urteil vom 26. November 2008, Pl. ÚS 19/08, Rn. 97, 113, 196; Urteil vom 3. November 2009, Pl. ÚS 29/09, Rn. 110 ff.; Urteil vom 31. Januar 2012, Pl. ÚS 5/12, Abschn. VII.; für das Vereinigte Königreich: High Court, Urteil vom 18. Februar 2002, Thoburn v. Sunderland City Council, <2002> EWHC 195 , Abs.-Nr. 69; UK Supreme Court, Urteil vom 22. Januar 2014, R v. The Secretary of State for Transport, <2014> UKSC 3, Abs.-Nr. 79, 207; Urteil vom 25. März 2015, Pham v. Secretary of State for the Home Department, <2015> UKSC 19, Abs.-Nr. 54, 58, 72 bis 92).

48  3. Zu den Schutzgütern der in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten Verfassungsidentität, die auch vor Eingriffen durch die supranational ausgeübte öffentliche Gewalt geschützt sind, gehören die Grundsätze des Art. 1 GG, also die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG), aber auch der in der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt (vgl. BVerfGE 123, 267 <413>).

49  4. Die in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG für integrationsfest erklärten Schutzgüter dulden auch keine Relativierung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 113, 273 <295 ff.="">; 123, 267 <344>; 126, 286 <302 f.="">; 129, 78 <100>; 129, 124 <177 ff.="">; 132, 195 <239 106="" ff.="" rn.="">; 134, 366 <384 27="" ff.="" rn.="">). Dies gilt insbesondere mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 GG. Die Menschenwürde stellt den höchsten Rechtswert innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung dar (vgl. BVerfGE 27, 1 <6>; 30, 173 <193>; 32, 98 <108>; 117, 71 <89>). Ihre Achtung und ihr Schutz gehören zu den Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 131, 268 <286>; stRspr), denen auch der in der Präambel und in Art. 23 Abs.  1 Satz 1 GG zum Ausdruck kommende Integrationsauftrag und die Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>; 126, 286 <303>; 129, 124 <172>; 132, 287 <292 11="" rn.="">) Rechnung tragen müssen. Vor diesem Hintergrund gewährleistet das Bundesverfassungsgericht im Wege der Identitätskontrolle den gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 1 GG unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz uneingeschränkt und im Einzelfall.

50  5. Die strengen Voraussetzungen für eine Aktivierung der Identitätskontrolle schlagen sich in erhöhten Zulässigkeitsanforderungen an entsprechende Verfassungsbeschwerden nieder. Es muss im Einzelnen substantiiert dargelegt werden, inwieweit im konkreten Fall die durch Artikel 1 GG geschützte Garantie der Menschenwürde verletzt ist.

II.
51  Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts überschreitet die durch Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen. Der Vollzug des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl betrifft das Schuldprinzip, das in der Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelt und Teil der unverfügbaren Verfassungsidentität des Grundgesetzes ist (1.). Dies rechtfertigt und gebietet eine auf dieses Schutzgut beschränkte Prüfung der Entscheidung des Oberlandesgerichts am Maßstab des Grundgesetzes, obwohl diese unionsrechtlich determiniert ist (2.). Zwar genügen die der Entscheidung zugrunde liegenden Vorgaben des Unionsrechts und das zu dessen Umsetzung ergangene deutsche Recht den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 GG, da sie die notwendigen Rechte des Verfolgten bei Auslieferungen zur Vollstreckung von in Abwesenheit ergangenen Strafurteilen gewährleisten und eine angemessene Sachverhaltsaufklärung der mit der Auslieferung befassten Gerichte nicht nur zulassen, sondern fordern (3.). Ihre Anwendung durch das Oberlandesgericht verletzt das Schuldprinzip und damit den Beschwerdeführer jedoch in seinem Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG, weil sie der Bedeutung und Tragweite der Menschenwürde bei der Auslegung der Bestimmungen des Rahmenbeschlusses und des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen nicht hinreichend Rechnung trägt (4.).

52  1. Durch den Vollzug des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl kann Art. 1 Abs. 1 GG verletzt werden, weil bei einer Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils eine strafrechtliche Reaktion auf ein sozialethisches Fehlverhalten durchgesetzt wird, die ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar wäre (a). Auch in dem unionsrechtlich determinierten Verfahren der Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls müssen daher die der Ermittlung des wahren Sachverhalts dienenden rechtsstaatlichen Mindestgarantien an Verfahrensrechten des Beschuldigten sichergestellt  sein, die zur Verwirklichung des materiellen Schuldprinzips erforderlich sind (b).

53  a) Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz (BVerfGE 123, 267 <413>; 133, 168 <197 53="" rn.="">). Dieser den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrschende Grundsatz ist in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert (vgl. BVerfGE 45, 187 <259 f.="">; 86, 288 <313>; 95, 96 <140>; 120, 224 <253 f.="">; 130, 1 <26>; 133, 168 <197 53="" rn.="">). Mit seiner Grundlage in der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG gehört der Schuldgrundsatz zu der wegen Art. 79 Abs. 3 GG unverfügbaren Verfassungsidentität, die auch vor Eingriffen durch die supranational ausgeübte öffentliche Gewalt geschützt ist (vgl. BVerfGE 123, 267 <413>). Er muss daher auch bei einer Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils gewahrt werden.

54  aa) Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa) setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus, der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Willensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann. Dem Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 123, 267 <413>; 133, 168 <197 54="" rn.="">). Deshalb bestimmt Art. 1 Abs. 1 GG auf dem Gebiet der Strafrechtspflege die Auffassung vom Wesen der Strafe und dem Verhältnis von Schuld und Sühne (vgl. BVerfGE 95, 96 <140>) sowie den Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 80, 367 <378>; 90, 145 <173>; 123, 267 <413>; 133, 168 <197 54="" f.="" rn.="">). Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen (vgl.  BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>; 110, 1 <13>; 133, 168 <198 54="" rn.="">). Das damit verbundene Unwerturteil berührt den Betroffenen in seinem in der Menschenwürde wurzelnden Wert- und Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 96, 245 <249>; 101, 275 <287>). Eine solche staatliche Reaktion wäre ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>; 133, 168 <198 54="" rn.="">).

55  bb) Der Schuldgrundsatz ist somit zugleich ein zwingendes Erfordernis des Rechtsstaatsprinzips. Das Rechtsstaatsprinzip ist eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes (BVerfGE 20, 323 <331>; 133, 168 <198 55="" rn.="">). Es sichert den Gebrauch der  Freiheitsrechte, indem es Rechtssicherheit gewährt, die Staatsgewalt an das Gesetz bindet und Vertrauen schützt (BVerfGE 95, 96 <130>). Das Rechtsstaatsprinzip umfasst als eine der Leitideen  des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 7, 89 <92>; 7, 194 <196>; 45, 187 <246>; 74, 129 <152>; 122, 248 <272>) und schließt den Grundsatz der Rechtsgleichheit als eines der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate ein (vgl. BVerfGE 84, 90 <121>). Für den Bereich des Strafrechts werden diese rechtsstaatlichen Anliegen in dem Grundsatz aufgenommen, dass keine Strafe ohne Schuld verwirkt wird (BVerfGE 95, 96 <130 f.="">; 133, 168 <198 55="" rn.="">). Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Straftatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <286>; 27, 18 <29>; 50, 205 <214 f.="">; 120, 224 <241>; stRspr). Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 45, 187 <228>; 50, 5 <12>; 73, 206 <253>; 86, 288 <313>; 96, 245 <249>; 109, 133 <171>; 110, 1 <13>; 120, 224 <254>; 133, 168 <198 55="" rn.="">). In diesem Sinne hat die Strafe die Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BVerfGE 45, 187 <253 f.="">; 109, 133 <173>; 120, 224 <253 f.="">; 133, 168 <198 55="" rn.="">).

56  b) Die Verwirklichung des Schuldgrundsatzes ist gefährdet, wenn die Ermittlung des wahren Sachverhalts nicht sichergestellt ist (aa). Die Zumessung einer angemessenen Strafe, die zugleich einen sittlich-ethischen Vorwurf darstellt, setzt die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Angeklagten und damit grundsätzlich dessen Anwesenheit voraus. Der Schuldgrundsatz macht daher Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten im Strafprozess erforderlich, durch die gewährleistet wird, dass der Beschuldigte Umstände vorbringen und prüfen lassen kann, die zu seiner Entlastung führen oder für die Strafzumessung relevant sein können (bb). Diese Garantien müssen auch bei der Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit  des Verfolgten ergangenen Strafurteils gewahrt werden (cc).

57  aa) Die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt, ist zentrales Anliegen des Strafprozesses (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 118, 212 <231>; 122, 248 <270>; 130, 1 <26>; 133, 168 <199 56="" rn.="">). Dessen Aufgabe ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf, zu sichern  und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen (vgl. BVerfGE 122, 248 <270>; 133, 168 <199 56="" rn.="">). Dem Täter müssen Tat und   prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>; 133, 168 <199 56="" rn.="">). Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <371>; stRspr).

58  bb) Ziel und Aufgabe des Strafverfahrens ist es, die dem Täter und der Tat angemessene Strafe auszusprechen. Im deutschen Rechtskreis ist mit Strafe weit mehr als ein belastender Rechtseingriff oder ein Übel, das den Täter trifft, gemeint. Als Charakteristikum der Kriminalstrafe wird hier neben einem solchen Eingriff oder Übel mit dem Strafausspruch auch ein Tadel oder Vorwurf zum Ausdruck gebracht. Es handelt sich um einen sozial-ethischen  Vorwurf oder um eine besondere sittliche Missbilligung. Mit Strafe im Sinne des Grundgesetzes ist also nicht nur der Vorwurf irgendeiner Rechtsverletzung gemeint, sondern die Verletzung eines Teils des Rechts, das eine tiefere, nämlich eine sozial-ethische Fundierung besitzt (vgl. BVerfGE 25, 269 <286>; 90, 145 <200 -="" abw.="" m.="">; 95, 96 <140>; 96, 10 <25>; 96, 245 <249>; 109, 133 <167>; 109, 190 <217>; 120, 224 <240>; 123, 267 <408>; siehe im Vergleich hierzu die Bewertung von Geldbußen in BVerfGE 42, 261 <263>; aus der Literatur siehe nur Weigend, in: Leipziger Kommentar, Band 1, 12. Aufl. 2007, Einleitung Rn. 1; Radtke, in: MüKo, StGB, 2. Aufl. 2012, Vorbem. zu §§ 38 ff., Rn. 14; ders., GA 2011, S. 636 <646>; Roxin, Strafrecht AT, Band 1, 4. Aufl. 2006, § 3 Rn. 46, S. 89). Daraus folgt aber, dass eine Strafe, die die Persönlichkeit des Täters nicht umfassend berücksichtigt, keine der Würde des Angeklagten angemessene Strafe sein kann. Dies wiederum setzt grundsätzlich voraus, dass das Gericht in der öffentlichen Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten einen Einblick in seine Persönlichkeit, seine Beweggründe, seine Sicht der Tat, des Opfers und der Tatumstände erhält. Jedenfalls muss für den Angeklagten das Recht gewährleistet sein, insbesondere rechtfertigende, entschuldigende oder strafmildernde Umstände dem Gericht persönlich, im Gegenüber von Angeklagtem und Richter, darzulegen. Denn der Vorwurf eines sozial-ethischen Fehlverhaltens ist ein die Persönlichkeit des Verurteilten treffender Vorwurf (vgl. BVerfGE 96, 245 <249>; 101, 275 <287>), der ihn in seinem Wert- und Achtungsanspruch, der in der Menschenwürde wurzelt, berührt.

59  cc) Die durch den Schuldgrundsatz gebotenen Mindestgarantien von Beschuldigtenrechten im Strafprozess sind auch bei der Entscheidung über die Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit des Verfolgten ergangenen Strafurteils  zu beachten (1). Die deutschen Gerichte trifft insoweit eine „Gewährleistungsverantwortung“ mit Blick auf den ersuchenden Staat (2).

60  (1) In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass bei der Auslieferung zur Vollstreckung von Abwesenheitsurteilen die unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze (vgl. BVerfGE 59, 280 <282 ff.="">; BVerfGK 3, 27 <32>; 3, 314 <317>; 6, 13 <18>; 6, 334 <341 f.="">; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. November 1986 - 2 BvR 1255/86 -, NJW 1987, S. 830 <830>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 1991 - 2 BvR 1704/90 -, NJW 1991, S. 1411 <1411>) beziehungsweise der unverzichtbare Bestand der deutschen öffentlichen Ordnung (BVerfGE 63, 332 <338>) zu beachten sind. Der Senat hat daher die Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit  des Verfolgten ergangenen ausländischen Strafurteils für unzulässig erklärt, sofern der Verfolgte weder über die Tatsache der Durchführung und des Abschlusses des betreffenden Verfahrens unterrichtet noch ihm eine tatsächlich wirksame Möglichkeit eröffnet war, sich nach Erlangung dieser Kenntnis nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen und effektiv zu verteidigen (vgl. BVerfGE 63, 332 <338>; BVerfGK 3, 27 <32 f.="">; 3, 314 <318>; 6, 13 <18>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Januar 1991 – 2 BvR 1704/90 -, NJW 1991, S. 1411 <1411>).

61  Soll der Verfolgte im ersuchenden Staat nicht zum bloßen Objekt eines ihn betreffenden staatlichen Verfahrens gemacht werden, muss er die Möglichkeit haben, auf das Verfahren einzuwirken, sich persönlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, entlastende Umstände vorzutragen sowie deren Nachprüfung und gegebenenfalls auch Berücksichtigung zu erreichen.

62  (2) Die zuständigen Auslieferungsgerichte tragen insoweit auch für die Behandlung des Verfolgten im ersuchenden Staat Verantwortung. Zwar endet die grundrechtliche Verantwortlichkeit der deutschen öffentlichen Gewalt grundsätzlich dort, wo ein Vorgang in seinem wesentlichen Verlauf von einem fremden souveränen Staat nach dessen eigenem, von der Bundesrepublik Deutschland unabhängigen Willen gestaltet wird (vgl. BVerfGE 66, 39 <56 63="" f.="" ff.="">). Gleichwohl darf die deutsche Hoheitsgewalt die Hand nicht zu Verletzungen der Menschenwürde durch andere Staaten reichen (vgl. BVerfGE 59, 280 <282 f.="">; 60, 348 <355 ff.="">; 63, 332 <337 f.="">; 75, 1 <19>; 108, 129 <136 f.="">; 113, 154 <162 f.="">).

63  Das über die Auslieferung entscheidende Gericht trifft deshalb eine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts, die ebenfalls dem Schutz von Art. 1 Abs. 1 GG unterfällt (a). Dies gilt unbeschadet des den europäischen Auslieferungsverkehr beherrschenden Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens (b).

64  (a) Inhalt und Umfang der prozessualen Aufklärungspflicht im gerichtlichen Auslieferungsverfahren lassen sich nicht abstrakt-generell festlegen, sondern hängen von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab.

65  Zu dem von den deutschen Gerichten zu ermittelnden  Sachverhalt gehört insbesondere die Behandlung, die der Verfolgte im ersuchenden Staat zu erwarten hat. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung haben sie grundsätzlich die ihnen möglichen Ermittlungen zur Aufklärung einer behaupteten Verletzung der verfassungsrechtlichen Grundsätze von Amts wegen durchzuführen; den Betroffenen trifft insoweit keine Beweislast (vgl. BVerfGE 8, 81 <84 f.="">; 52, 391 <406 f.="">; 63, 215 <225>; 64, 46 <59>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 1996 - 2 BvR 66/96 -, EuGRZ 1996, S. 324 <326>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Dezember 1996 - 2 BvR 2407/96 -, juris, Rn. 6; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. September 2000 - 2 BvR 1560/00 -, NJW 2001, S. 3111 ).66  Umfang und Ausmaß der Ermittlungen, zu deren Vornahme das Gericht im Hinblick auf die Einhaltung des Schuldprinzips verpflichtet ist, richten sich nach Art und Gewicht der vom Verfolgten vorgetragenen Anhaltspunkte für eine Unterschreitung des durch Art. 1 Abs. 1 GG gebotenen Mindeststandards. Als Beweismittel kommen dabei sämtliche Erkenntnismittel in Betracht, die nach den Grundsätzen der Logik, allgemeiner Erfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnis geeignet sind oder geeignet sein können, die Überzeugung des Gerichts vom Vorhandensein entscheidungserheblicher Tatsachen und von der Richtigkeit einer Beurteilung oder Wertung von Tatsachen zu begründen (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 98 Rn. 3; Lagodny, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl.  2012, § 30 Rn. 22). Auch bietet sich eine Anfrage beim ersuchenden Staat an (vgl. § 30 Abs. 1, § 78 Abs. 1 IRG). Gegebenenfalls kann es erforderlich werden, ein Gutachten oder eine amtliche Auskunft einzuholen.67  (b) Dies bedeutet nicht, dass die Grundlagen eines Auslieferungsersuchens von deutschen Gerichten stets umfassend nachvollzogen werden müssten. Gerade im europäischen Auslieferungsverkehr gilt der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens. Dieses Vertrauen kann jedoch erschüttert werden. Die Grundsätze, die den Auslieferungsverkehr auf völkerrechtlicher Grundlage beherrschen (aa), sind auf Auslieferungen im Vollzug des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl im hier in Rede stehenden Umfang übertragbar (bb).97  Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Mai 1986, Johnston, C-222/84, Slg. 1986, S. 1651, Rn. 19; Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl EU Nr. C 303 vom 14. Dezember 2007, S. 17 ). Dazu gehört – als Teilgewährleistung - auch der Anspruch auf rechtliches Gehör in einem gerichtlichen Verfahren nach Art. 47 GRCh (vgl. Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, nach Art. 6 EUV Rn. 369 ). Dieser Anspruch gewährleistet, dass der Richter erst nach der Anhörung der Parteien und der Würdigung der Beweismittel über den Antrag entscheidet und seine Entscheidung begründet (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 1998, Schröder und Thamann/Kommission, C-221/97 P, Slg. 1998, I-8255, Rn. 24).98  (3) Nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh haben die Rechte der Grundrechtecharta, soweit sie den durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der Konvention verliehen wird. Das Recht der Union kann zwar einen  weitergehenden Schutz gewähren (vgl. Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GRCh); das Schutzniveau nach der  Grundrechtecharta darf jedoch nicht unter jenes der Konvention sinken. Nach den Erläuterungen zur Grundrechtecharta entspricht Art. 47 Abs. 2 GRCh dem Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 48 GRCh dem Art. 6 Abs. 2 und 3 EMRK (vgl. Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl EU Nr. C 303 vom 14.Dezember 2007, S. 17 ). Vor diesem Hintergrund stellen die Garantien des Art. 6 EMRK in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Mindestgarantien auch für den Rahmenbeschluss auf, hinter die dieser nicht zurückfallen darf.102  Die Anwesenheit der Strafverteidigung - sei es im Ausgangsverfahren oder bei nochmaliger Prüfung - gehört zu den wesentlichen Anforderungen von Art. 6  EMRK. Ist es der Verteidigung in einem Wiederaufnahmeverfahren gestattet, an der Verhandlung vor dem (Berufungs-)Gericht teilzunehmen und die Zulassung neuer Beweise zu beantragen, ist eine neue Bewertung des Schuldvorwurfs in faktischer und rechtlicher Hinsicht möglich. Das Verfahren kann dann in seiner Gesamtheit als fair angesehen werden (vgl. EGMR, Jones v. Vereinigtes Königreich, Entscheidung vom 9. September 2003, Nr. 30900/02; EGMR , Sejdovic v. Italien, Urteil vom 1. März 2006, Nr. 56581/00, § 85). Umgekehrt führt die Weigerung des Gerichts, das Verfahren wiederzueröffnen, im Falle einer Abwesenheitsverurteilung - von den erwähnten Ausnahmen abgesehen - regelmäßig zu einem Verstoß gegen Art. 6 EMRK und die ihm zugrunde gelegten Prinzipien (vgl. EGMR, Stoichkov v. Bulgarien, Urteil vom 24. März 2005, Nr. 9808/02, § 56).


Spielbank Bad Steben bangt noch immer um Existenz


Bad Steben setzt auf Freistaat
Spielbank bangt um Existenz


Der kleine oberfränkische Kurort Bad Steben ist stolz auf seine Spielbank. Kein geringerer als Star-Architekt Meinrad von Gerkan hat sie entworfen. Der wellenförmige Bau erinnert an das Auf und Ab des Glücksspiels - und das der Spielbank selbst. Der Oberste Rechnungshof fordert seit Jahren ihre Schließung. Dazu wird sich heute Nachmittag Finanzstaatssekretär Albert Füracker (CSU) im Landtag äußern.
Vor den Glückspielautomaten sitzen einige ältere Frauen und junge Männer. Konzentriert blicken sie auf die drehenden Scheiben, lassen sich auch nicht ablenken, als der Bad Stebener Spielbank-Direktor Udo Braunersreuther eine Besuchergruppe in den Saal führt: "In der Regel sind die Spielsäle geteilt, es gibt einen Automaten-Spielsaal und es gibt einen Spielsaal fürs große Spiel, fürs Roulettespiel und für das Kartenspiel. Bei uns hat man es aufgrund der Größe oder der Kleinheit des Hauses in einem Spielsaal gemacht, um hier einfach für etwas mehr Belebung zu sorgen, auch wenn weniger los ist."

Udo Braunersreuther, Direktor Spielbank Bad Steben:
"Eines der großen Probleme ist nach wie vor die Flut an Spielhallen, die hier wie Pilze jahrelang aus dem Boden geschossen sind, Internetangebot ist ein Thema, und auch ein großes Thema für uns ist das Rauchverbot, weil es noch zumindest auch Alternativen gibt, in Tschechien zum Beispiel."
Allein das Rauchverbot habe 30 Prozent Umsatzeinbußen verursacht, sagt Braunersreuther.

Bad Steben und Bad Kötzting machten seit ihrer Eröffnung eigentlich nur Verluste. Die Konkurrenz aus Tschechien oder dem Internet und das Rauchverbot sorgten trotz umfangreichem Personalabbau für eine Halbierung des Bruttospielertrags aller neun bayerischen Spielbanken. Seit 2011 summierten sich staatliche Finanzspritzen auf 25 Millionen Euro.
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Seit Jahren müssen staatliche Spielbanken subventioniert werden
Gewinnorientierung steht für Freistaat nicht an oberster Stelle – warum auch, der Steuerzahler zahlt alles!
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Neue Spielbank in NRW

Grundstück gehört der Stadt Köln Spielkasino kommt an den Ottoplatz in Köln-Deutz
Die Entscheidung über den Standort für eine Spielbank ist offenbar gefallen. Die Westspiel GmbH will am Ottoplatz östlich des Deutzer Bahnhofs einen fünfgeschossigen Neubau errichten.
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Neue Spielbank in Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt bekommt ein zweites Spiel-Kasino.
Das neue soll sich vor allem auf die Automatenspiele konzentrieren. Beide werden durch die Merkur Spielbanken GmbH (Gauselmann-Gruppe) betrieben.
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Dienstag, 26. Januar 2016

A: Steuerzahler subventioniert sinkende Glücksspiel-Abgaben.


Glücksspiel: Wie sich drei Länder Millionenbeträge vom Bund sicherten


Drei Bundesländer ließen sich ihre Zustimmung zum Glücksspielgesetz 2010 teuer abkaufen. Seither muss das Finanzministerium "Garantiebeträge“ an diese Länder überweisen.

Niederösterreich und der Steiermark wurde ein jährlicher "Ausgleichsbetrag“ von jeweils knapp 20 Millionen Euro zugesagt. Wien, wo damals mit rund 3500 Geräten die meisten Glücksspielautomaten standen, erhielt mit 55 Millionen die höchste Ausfallsgarantie. Kärnten mit 700 Geräten immerhin noch mehr als acht Millionen.

Getrickst haben offenbar alle vier Landeschefs, wie sich jetzt herausstellt.

Und die Steuerzahler dürfen die neue Glücksspielregelung mitfinanzieren.

Die Grazer Anwältin Julia Eckhart, die Glücksspielanbieter vertritt, hat die eigenwillige Geldbeschaffung penibel dokumentiert:
"Die Bundesländer haben sich für ihre Zustimmung zum neuen Glücksspielgesetz vom Finanzministerium eine Garantie ausgehandelt. Sobald sie aus dem Glücksspiel weniger als erwartet einnehmen, springt der Bund ein und überweist den Ländern vorher fix vereinbarte Millionenbeträge.“
Nach Ansicht der auf Glücksspielrecht spezialisierten Juristin Eckhart hält die Republik Österreich die EU-Auflagen zur Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols nicht ein:
"Ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Regelungen dem Spielerschutz und der Kriminalitätsbekämpfung, nicht aber der Maximierung der Staatseinnahmen dienen.“
Denn eigentlich müsste der fiskalpolitische Anreiz darin bestehen, dass Bundesländer im Finanzausgleich belohnt werden, wenn sie weniger Automaten aufstellen oder wenn die Einsatz- und Gewinngrenzen unter dem gesetzlich zulässigen Limit liegen. Die damals im Finanzausgleichsgesetz (§ 22) verankerte Regelung sieht dies nicht vor.
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Verstoß gegen der durch Art. 56 AEUV garantierten Dienstleistungsfreiheit und gegen die Grundrechtecharta

Das an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot des Art. 56 AEUV soll nämlich gerade verhindern, dass die öffentliche Hand das Recht des Bürgers auf freie Dienstleistung mit der Zielsetzung verletzt, selbst in den Wettbewerb einzugreifen und die staatlichen Einnahmen zu vermehren oder abzusichern. vgl. EuGH, Rs. Zeturf (C-212/08); Rs. Pfleger (C-390/12)

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits mehrfach (z.B. Pfleger / Engelmann) das österreichische Glückspielrecht als nicht mit Unionrecht vereinbar erklärt hatte, wird aus obigem Verhalten deutlich, dass noch immer die  Maximierung der Staatseinnahmen im Vordergrund stehen.

Wollte Österreich den EuGH hinters Licht führen ?
Tatsächlich würde der Bund finanzielle Einbußen der Länder im Wege des Finanzausgleichs nur dann kompensieren, wenn die Höchstzahl an Automaten ausgeschöpft wird. 
Damit wird bestätigt, dass eine wirkliche Reduktion nie vorgesehen war.

Landesverwaltungsgericht (LVWG): Mit dem geltenden Bundesgesetz wird insbesondere der Zweck verfolgt, die Glücksspiele zu regulieren, um ihre Ausübung einzuschränken und dem Staat möglichst hohe Einnahmen aus ihnen zu sichern. Der Europäische Gerichtshof habe aber bereits entschieden, dass die Staatseinnahmen eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen könnten.

Soll mit einem Verbot der Markt, wie in Ungarn neu verteilt werden?


Auch in Deutschland soll das gewerbliche Geld-Gewinnspiel im Ergebnis zugunsten der sich im Monopol der Länder befindenden Glücksspielangebote, vor allem zugunsten der Spielbanken, vom Markt verdrängt werden.

Dank Automaten"verbot" verfünffachen die ungarischen Casinos ihre Umsätze

Mit dem Urteil Pfleger (C-390/12), werden dem Glücksspielunternehmer subjektive Rechte unmittelbar aus den Grundrechten eingeräumt. Schutzobjekt ist nicht mehr ausschließlich die Freiheit des Marktes für Glücksspiele, sondern das Individualinteresse in Form von grundrechtlichen Abwehrrechten.

Ungarn im Nebel der Korruption

EuGH: Berlington (C-98/14) Die ungarischen Rechtsvorschriften, die den Betrieb von Geldspielautomaten außerhalb von Spielkasinos verbieten, verstoßen möglicherweise gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit. Widerruft der nationale Gesetzgeber eine Genehmigung, die ihrem Inhaber die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, muss er eine angemessene Entschädigungsregelung oder einen hinreichend langen Übergangszeitraum vorsehen, damit sich der Inhaber der Genehmigung darauf einstellen kann.


Automaten manipuliert: Statt Gewinn gab's Strafe


Der Trick, wie man dem Glück am Roulette-Automaten nachhelfen kann, stand auf Facebook. Bei einem 46-jährigen türkischen Kellner aus Erding und seinem Landsmann (40) aus Nandlstadt klingelte erst die Kasse – dann landeten sie wegen versuchten Betrugs auf der Anklagebank.

Dabei bedienten sie sich einer Anweisung, die zuvor auf Facebook die Runde gemacht hatte: U.a. musste man sein Geld auf Schwarz setzen und dann eine bestimmte Zahlenkombination auswählen, den roten Rückgabeknopf und dann auf „Autostart” drücken.

Das Ergebnis: Der Automat spielte selbstständig weiter und – der Traum jeden Zockers – zeigte ständig Gewinne an. Zuletzt knapp 3.000 Euro. Allerdings wurde das Geld vom Automaten nicht bar ausbezahlt, sondern so genannte „Empfangsbestätigungen” ausgestellt. Als die beiden Spieler diese Scheine am 17. Februar einlösen wollten, wurde ihnen allerdings die Auszahlung verweigert. Der Trick war längst aufgeflogen....

Vor der 2. Strafkammer des Landgerichts erklärte sein Verteidiger Dr. Peter Labus, dass sein Mandant zwar einräume, mit der Internet-Anleitung gespielt und dabei die Gewinne erzielt zu haben, sich aber keinerlei schuldhaften Verhaltens bewusst sei: „Es war legal, die Softwarefehler des Automaten auszunutzen.”
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Mit diesem Fall wurde erneut aufgedeckt, dass diese Geräte nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen.

Die rechtlichen Vorgaben verlangen jedoch manipulationssichere Geräte!

§ 13   Spielverordnung (SpielV)
10.   Das Spielgerät und seine Komponenten müssen der Funktion entsprechend nach Maßgabe des Standes der Technik zuverlässig und gegen Veränderungen gesichert gebaut sein.

s.a.: Ali T verurteilt
Fünfeinhalb Jahre Gefängnis wegen Automatenmanipulation


Hohe Haftstrafen für „Spielhallen-Bande“
Wendeburg. Gestern fiel vor dem Braunschweiger Landgericht das Urteil für die sechs Mitglieder der „Spielhallen-Bande“ und ihre mitangeklagte 29-jährige Komplizin. Die Haupttäter wurden zu Gefängnisstrafen zwischen zwei und fünf Jahren verurteilt

Die sechs Männer im Alter zwischen 28 und 37 Jahren rumänischer Herkunft waren wegen zwölf Taten angeklagt, die durch umfangreiche Ermittlungs- und Observierungsarbeit der Polizei aufgedeckt werden konnten. Sie waren unter anderem im Mai letzten Jahres in Wendeburg in eine Spielhalle eingebrochen und hatten dort einen Geldwechselautomaten mit rund 6000 Euro Bargeld erbeutet (PAZ berichtete). Weitere Einbruch-Diebstähle in wechselnder Besetzung fanden in Königslutter, Velpke, Bitterfeld, Staßfurt, Celle, Bergen, Lehre, Garbsen, Wolfsburg und Nienhagen statt. Dabei erbeutete die Bande rund 160 000 Euro und richtete einen Sachschaden von knapp 90 000 Euro an.
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BGH 1 StR 490/14 - Beschluss vom 16. April 2015 (LG Stuttgart)
Bandenmäßige Fälschung technischer Aufzeichnungen (Begriff des Verfälschens; Begriff der störenden Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang; Begriff der Aufzeichnung; Begriff des technischen Geräts; Begriff des Datums; Begriff der Bande); Hinterziehung von kommunaler Vergnügungssteuer (Europarechtskonformität: Harmonisierung, Mehrwertsteuersystemrichtlinie); Fälschung beweiserheblicher Daten.
§ 268 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 StGB; § 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB; § 269 AO; § 7 Abs. 1 Nr. 1 KAG Baden-Württemberg; § 370 Abs. 1 AO
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Natürlich ist die Verfälschung technischer Aufzeichnungen rechtswidrig.
Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob man überhaupt gegen eine verfassungswidrige Steuererhebung  verstoßen kann?
Wie das OVG Sachsen mit den Urteilen vom 24. Februar 2016 - 5 A 251/10, 5 A 252/10 – feststellte, war die Abwälzbarkeit nicht gegeben, wodurch die Verbrauchssteuern zu unzulässigen Unternehmenssteuern wurden.
Eine “neuartige” Steuererhebung von weiteren Unternehmenssteuern wäre verfassungswidrig!

Denn die Verbrauchsteuer ist ihrem Wesen nach auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den End- oder Letztverbraucher angelegt (vgl. BVerfGE 14, 76 <95 f.="">[BVerfG 10.05.1962 - 1 BvL 31/58];  27, 375 <384>[BVerfG 21.01.1970 - 2 BvL 27/63];  31, 8 <20>[BVerfG 31.03.1971 - 1 BvL 9/68]). Die Steuer wird lediglich der Einfachheit halber beim Verteiler oder Hersteller des verbrauchsteuerbaren Gutes erhoben. Sie soll aber wirtschaftlich nicht vom Steuerschuldner, sondern vom Konsumenten getragen werden.
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vs





Macht Schach süchtig?

Seit dem 6. Jahrhundert wird in Persien Schach gespielt.

"Ein Werk des Teufels"Saudi-arabischer Großmufti verbietet Schach

Im Wüstenkönigreich gilt eine neue Fatwa:
Nach Ansicht des höchsten muslimischen Geistlichen macht Schach süchtig, ist unislamisch und führt häufig zu Streit.

Trotzdem wollen Organisatoren im Wallfahrtsort Mekka ein geplantes Turnier durchführen.

In Saudi-Arabien ist das Schachspiel verboten.
Schach ist nach Ansicht des höchsten muslimischen Geistlichen Saudi-Arabiens "ein Werk des Teufels" und im Islam verboten. Das bestätigte Großmufti Abdul-Aziz al Sheikh internationalen Medienberichten zufolge bereits kurz vor Weihnachten während einer TV-Sendung, in der er Zuschauerfragen zu Alltagsdingen beantwortete.

"Schach ist verboten", es sei "Zeit- und Geldverschwendung" und als Glücksspiel einzuordnen, sagte der islamische Geistliche.
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Mehrwertsteuerbetrug durch kriminelles Umsatzsteuerkarussell


s.a.: Mehrwertsteuer / Karussellbetrug: Deutschland um hundert Millionen geprellt
Das Umsatzsteuersystem ist besonders betrugsanfällig!
Europol hebt Ring von Mehrwertsteuer-Betrügern aus
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update:
Handel mit CO2-Zertifikaten
Sieben Deutschbanker wegen Betrugsvorwürfen vor Gericht

Das Geldhaus hatte sich die Förderung des Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten auf die Fahnen geschrieben, als die Bundesregierung die Zertifikate 2009 an die Industrie verteilte. Doch der Handel zog Betrüger an, die sich die Tatsache zunutze machen wollten, dass die Papiere umsatzsteuerpflichtig waren. Sie führten die Zertifikate steuerfrei aus dem Ausland ein und verkauften sie in Deutschland weiter. Dafür machten sie Steuern beim Finanzamt geltend, die nie gezahlt worden waren. Am Ende wurden die Papiere stets an die Deutsche Bank verkauft, die sie ins Ausland transferierte.
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Staatsanwälte klagen mutmaßlichen Drahtzieher von CO2-Betrug an
Der Angeschuldigte soll das Steuerkarussell "maßgeblich organisiert" und die zum Teil bereits zu langjährigen Haftstrafen verurteilten Händler gesteuert haben.
Seit Februar läuft dort ein Prozess gegen ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Bank, über die die Zertifikate wieder ins Ausland geschafft wurden. Dabei soll geklärt werden, ob die Banker den Betrügern bewusst oder leichtfertig bei dem groß angelegten Steuerbetrug geholfen haben.
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Der Strafprozess um betrügerische CO-Deals beginnt im Februar.

Angeklagt sind acht Mitarbeiter der Deutschen Bank.


Es dürfte ein langer Prozess werden und, so viel ist jetzt schon absehbar, für die Deutsche Bank ein schmerzhafter. Am 15. Februar beginnt beim Landgericht Frankfurt ein Verfahren gegen acht Angeklagte, das sich bis in den Herbst ziehen könnte. Bei den Beschuldigten handelt es sich um sieben suspendierte Beschäftigte der Deutschen Bank und einen Ex-Manager, der im Ruhestand ist. Sie sollen beim Handel mit CO₂-Verschmutzungsrechten an kriminellen Umsatzsteuerkarussells mitgewirkt haben. Deren einziger Zweck: die Staatskasse zu plündern. "Bandenmäßige Steuerhinterziehung", lautet daher der Vorwurf in der 865-seitigen Anklageschrift, die das Landgericht kürzlich zur Hauptverhandlung zugelassen hat.

Zahlreiche Prozesstermine sind bereits bis zum 30. Mai angesetzt. Danach wird weiter verhandelt, solange das nötig ist. Viele peinliche Details über Geschäfte der Deutschen Bank sollen zur Sprache kommen. Auch wenn das Geldinstitut formal nicht selbst auf der Anklagebank sitzt:
Für den Finanzkonzern ist es gleichwohl ein neuer Tiefpunkt in all den kriminellen Affären von Zins-Tricksereien bis hin zu Geldwäsche-Vorwürfen.
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Deutsche-Bank-Mitarbeiter könnten wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis kommen

Wenn in einem Monat vor dem Landgericht Frankfurt die Anklage mit dem Aktenzeichen 7510 Js 209624/11 WI aufgerufen wird, dann wissen die acht angeblichen Missetäter der Deutschen Bank genau, was sie erwartet: ein strenger Richter und die Aussicht auf Gefängnis. Und sie wissen erst recht, was von ihnen erwartet wird: Geständnisse! Nur in diesem Fall, das hat Richter Martin Bach bereits wissen lassen, könnten vier der acht Angeklagten nach derzeitigem Stand der Dinge mit Bewährungsstrafen rechnen. Sie müssten also, im Gegensatz zu ihren Kollegen, die keine Gnade erwarten können, nicht hinter Gitter.

Richter Bach greift bei kriminellen Geschäften zulasten der Finanzämter hart durch. Ende 2011 hat seine Strafkammer sechs Geschäftsleute aus dem In- und Ausland, deren Firmen beim Handel mit CO₂-Zertifikaten die Finanzbehörden um hohe Millionenbeträge betrogen hatten, zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Täter und ihre Firmen waren Kunden der Deutschen Bank gewesen. Der Handel mit Verschmutzungsrechten hätte der Umwelt nützen sollen. Die Emission von Schadstoffen sollte teuer und unrentabel werden. So aber wurde der Fiskus ausgenommen.
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Ratingagentur stuft Deutsche Bank auf Commerzbank-Niveau ab
Rückschlag für die Deutsche Bank: Die Ratingagentur Moody’s hat die Bonitätsnote des größten deutsche Bankhauses herabgestuft. Der "Junk"-Status ist nicht mehr fern.
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Die Deutsche Bank rechnet einem Zeitungsbericht zufolge mit einer Kündigungswelle von Investmentbankern in London. Die Deutsche Bank erwartet für 2015 einen Rekordverlust von 6,7 Milliarden Euro. So schlecht hatte sie nicht einmal auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 abgeschnitten.
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Richter zweifelt an Vorwürfen gegen Deutsche-Bank-Manager
Im Betrugsprozess gegen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen und frühere Topmanager des Instituts macht Richter Peter Noll den Angeklagten Hoffnung auf ein glimpfliches Ende."
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Mittwoch, 20. Januar 2016

BGH: Verhandlungstermine am 2. Juni 2016 (Glücksspiel)

BGH: Verhandlungstermine am 2. Juni 2016, i. S. I ZR 203/12 und I ZR 241/12 (Glücksspiel)


Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle

_______________________________________________


Nr. 015/2016 vom 20.01.2016

Verhandlungstermine am 2. Juni 2016, 9.00 Uhr, in Sachen I ZR 203/12 und I ZR 241/12 (Glücksspiel)


In den zur Verhandlung anstehenden Parallelverfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Frage zu entscheiden, ob das Angebot von Glücksspielen und Sportwetten im Internet nach einer Neuregelung des Glückspielrechtes auch mit Blick auf das Unionsrecht als wettbewerbswidrig anzusehen ist. Gegenstand des Verfahrens I ZR 203/12 ist ferner die Frage, ob der in § 4 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages 2008 (GlüStV 2008) und in § 4 Abs. 1 des 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüStV 2012) niedergelegte allgemeine Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Glücksspielen sowie die praktische Umsetzung des seit Inkrafttreten des GlüStV 2012 geltenden Konzessionsmodells für Sportwetten mit dem Recht der Europäischen Union in Einklang zu bringen sind.

Die beklagten Gesellschaften bieten im Internet Sportwetten und teils auch Glücksspiele an.

Die Klägerin im Verfahren I ZR 203/12, die mit behördlicher Erlaubnis auf dem Gebiet des Bundeslandes Sachsen-Anhalt Sportwetten veranstaltet, hält dieses Angebot für wettbewerbswidrig. Sie nimmt die beklagten Gesellschaften und ihre Geschäftsführer auf Unterlassung der Veranstaltung von Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis sowie auf Schadensersatz und Auskunftserteilung in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage mit den von der Klägerin zuletzt gestellten Anträgen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dass den Beklagten jedenfalls mit Blick auf eine fehlende behördliche Erlaubnis kein unlauteres Wettbewerbsverhalten entgegengehalten werden könne, weil der in § 4 Abs. 1 GlüStV 2008 niedergelegte allgemeine Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten von Glücksspielen mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren sei. Auch unter der Geltung des GlüStV 2012 sei das Verhalten der Beklagten nicht wettbewerbswidrig, solange ihnen keine effektive Möglichkeit zur Erlangung einer entsprechenden Erlaubnis zur Verfügung stehe. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Im Verfahren I ZR 241/12 werden die Beklagten von der staatlichen Lottogesellschaft von Nordrhein-Westfalen auf Unterlassung der Veranstaltung und des Bewerbens von Sportwetten und Glücksspielen im Internet in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und einer auf Unterlassung der Bewerbung von Glücksspielen durch die Klägerin gerichteten Hilfswiderklage stattgegeben. Mit der vom Oberlandesgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelten die beklagten Gesellschaften bis zum 31. Dezember 2011 wettbewerbswidrig, soweit sie gegen die Vertriebs- und Werbeverbote für Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag 2008 (GlüStV 2008) verstießen (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 92/09 - Sportwetten im Internet II). Nach Rechtsänderungen stellt sich auch insoweit die Frage, ob das deutsche Glücksspielrecht noch mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Verfahren I ZR 203/12 im Anschluss an das - inzwischen durch Rücknahme der Revision erledigte (vgl. Pressemitteilung Nr. 80/2015) - Verfahren I ZR 171/10 ausgesetzt, in dem er dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) vorgelegt hat (vgl. Pressemitteilung Nr. 12/2013).

Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen dahin beantwortet, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen sei, dass er einer der Mehrheit der Gliedstaaten eines föderal strukturierten Mitgliedstaats gemeinsamen Regelung, die die Veranstaltung und die Vermittlung von Glücksspielen im Internet grundsätzlich verbietet, während ein einzelner Gliedstaat für einen begrenzten Zeitraum neben den restriktiven Rechtsvorschriften der übrigen Gliedstaaten bestehende weniger strenge Rechtsvorschriften beibehalten hat, dann nicht entgegensteht, wenn diese gemeinsame Regelung den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt. Ob dies der Fall sei, sei durch das das vorlegende Gericht zu prüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014 - C-156/13).

Vorinstanzen:

I ZR 203/12

LG Magdeburg - Urteil vom 11. März 2011 - 36 O 235/07

OLG Naumburg - Urteil vom 27. September 2012 - 9 U 73/11

BGH - Beschluss vom 30. Oktober 2013 - I ZR 203/12

I ZR 241/12

LG Köln - Urteil vom 24. Juni 2010 - 31 O 504/09

OLG Köln - Urteil vom 30. November 2012 - 6 U 114/10

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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s.a.: Terminhinweis des Bundesgerichtshofs: Verhandlungstermin am 2. Juni 2016 (vorher: 12. November 2015) in Sachen I ZR 203/12 und I ZR 241/12 (Angebot von Glücksspielen im Internet)
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s.a.: BGH (KZR 25/14): Schadensersatzansprüche wegen eines Kartellrechtsverstoßes gg. Lottogesellschaft NRW

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit nur dann mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, wenn ihre Eignung, legitime Allgemeininteressen zu verfolgen, nicht durch Ausnahmen und Einschränkungen beseitigt wird (Kohärenzgebot).
Der Bundesgerichtshof hat allerdings zu prüfen, ob die in Rede stehende Regelung allen sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt.

Der BGH (Rs. III ZR 204/13) stellte am 16.04.2015 fest, dass das Sportwettenmonopol 2008, zumindest seit den Urteilen des EuGH vom 8. September 2010 zweifelsfrei unionsrechtswidrig war.
(Der BGH bestätigte insofern die EuGH Vorgaben s.u.)

BGH: Keine Wettbewerbswidrigkeit von Sportwett-, Lotterie- und Casinospielen während der Übergangszeit  (weiterlesen)

Bereits am 18. November 2010 entschied der BGH (I ZR 168/07) mit seiner Leitsatzentscheidung:

UWG § 4 Nr. 11; StGB §§ 284, 287

a) Vor dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 war es auch nicht wettbewerbswidrig, andere Wetten als Sportwetten (hier: Lotterien und Kasinospiele) ohne behördliche Erlaubnis anzubieten. 

b) Während der Übergangszeit im Zeitraum nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 war das private Angebot von Sportwetten und anderen Wetten (hier: Lotterien und  Kasinospielen) ohne behördliche Erlaubnis nicht wettbewerbswidrig.
Direktlink zum Urteil

Am 8.9.2010 stellte der EuGH fest, dass die nationalen Regelungen für die Übergangszeit (28.3.2006 bis zum 1.1.2008) wie auch der GlüStV 2008 unionsrechtswidrig waren, und verbot ausdrücklich eine weitere Anwendung dieser Regelungen. Wie aus dem EuGH-Verfahren Ince hervorgeht, wurden die Behörden von den Innenministerien der Länder angewiesen, entgegen dieser verpflichtenden Rechtsvorgabe die Ausführungsgesetze der Länder weiter anzuwenden. Somit wurde den Behörden ein Verstoß gegen die Verträge (s. Art. 267 AEUV) vorgegeben. (vgl. EuGH C-581/14)
Pressemitteilung Nr: 78/10 des Europäischen Gerichtshofs zu den Urteilen vom 08.09.2010
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Auch mit dem Urteil (III ZR 333/13) bestätigt der BGH, dass über Weisungen den Aufsichtsbehörden jegliches Ermessen verboten wurde, wodurch diesen verwehrt war die Vorgaben des Unionsrechts (EuGH) einzuhalten. (pdf-download)

Dadurch wird der Grundrechtsschutz aufgehoben und der Grundrechtsträger rechtlos gestellt.

Indem die Behörden Recht ohne gesetzliche Grundlage anwenden, wird gegen das Grundgesetz und gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes des Unionsrechts verstoßen.

(vgl. EuGH Ince (C-336/14); Pfleger (C-390/12) ; BVerfG (1 BvR 223/05) (BvR 1682/07)) weiterlesen


Vielleicht bekommt der BGH für die obigen Verfahren, erneut Hilfestellung durch den EuGH, der, falls er dem Gutachten des Generalanwaltes folgen sollte, auch den 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüStV 2012) für „zweifelsfrei unionsrechtswidrig“ einstufen, und für unanwendbar erklären wird.
(update: der EuGH hat am 4.2.16 in der Rs Ince die Rechtswidrigkeit des GlüStV 2012 festgestellt)

Nach Art. 4 Abs, 3 S. 3 EUV (Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Unionsrecht, inbegriffen die Grundfreiheiten, zu wahren.
Ausnahmeregelungen fallen selbst in den Geltungsbereich des Unionsrechts. (Rs. Pfleger)
Pflicht zur Befolgung der Vorgaben eines übergeordneten Gerichts (Rs C-581/14)
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vgl. Strafverfahren gegen:
Sebat Ince
Domenico Politano
s.a.:
Glücksspielrecht seit 1999 rechtswidrig?
Kurt Beck´s Experiment ist gescheitert - das Regulierungschaos ist perfekt !

Verstoß gegen Verfassungsrecht:
Das Bundesverfassungsgericht (BvR 1682/07) hat am 1. Dezember 2010 zum Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), einstimmig beschlossen:
„Dazu gehöre, nicht durch Kostenbarrieren von der Verfolgung berechtigter Interessen und geschützter Positionen auf dem Rechtsweg abgehalten zu werden oder zu deren Durchsetzung aussichtslose und zugleich kostenträchtige Gerichtsverfahren führen zu müssen.“ (Rn 15)
Quelle: BvR 1682/07 vom 1. Dez. 2010


Kommentar zum EuGH, Urteil vom 12. 6. 2014 – C-156/13 Digibet & Albers (Auszug)

Keine abschließende unionsrechtliche Beurteilung des GlüStV
Der EuGH verweist ausdrücklich darauf, dass seitens des BGH keine Fragen zur Rechtfertigung gestellt wurden.
...... der EuGH zeigt mit Bezug zu seiner bisherigen Rechtsprechung auf, dass eine mitgliedstaatliche Maßnahme, wie im Ausgangsverfahren (Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet sowie die Werbung) eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV darstellt.
EuGH, 12. 6. 2014 – C-156/13, K&R 2014, 579, Rn. 21 – Digibet und Albers.

„Gefangen“ in den Vorlagefragen und dem tatschlichen Vorbringen hat der EuGH ausschließlich auf die horizontale Kohrenzproblematik Bezug genommen. Die Chance einer zeitnahen umfassenden unionsrechtlichen Beurteilung des GlüStV wurde nicht genutzt. Den Ausführungen des BGH zu seinen Bewertungen der Rechtmäßigkeit der deutschen Glücksspielregulierung muss wohl entnommen werden, dass dies auch so gewollt war.

Ungewöhnlich deutlich stellte der EuGH fest, dass der BGH keine Fragen vorgelegt hat, “die die Rechtfertigung der in Rede stehenden Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs betreffen”, und erteilte dem BGH nicht nur im Tenor der Entscheidung den klaren Handlungsauftrag, als zuständiges Gericht zu prüfen, ob die Regelungen des GlüStV den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen.
EuGH, 12. 6. 2014 – C-156/13, K&R 2014, 579, Rn. 25 – Digibet und Albers

EuGH, 12. 6. 2014 – C-156/13, K&R 2014, 579, Tenor, Rn. 25, 39, 40, 41 – Digibet und Albers

In der Digibet-Entscheidung wiederholt der EuGH gebetsmühlenartig seine bisherige Rechtsprechung zu rechtfertigungsbedürftigen Eingriffen in Grundfreiheiten im Bereich des Glücksspielrechts unter Bezugnahme auf die Schutzniveauautonomie und die daraus resultierende Darlegungs- und Beweislast der Mitgliedstaaten, insbesondere zur Verhältnismäßigkeit und Kohärenz.

Glücksspielrechtliche Beschränkungen sind rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in Grundfreiheiten, wobei der Mitgliedstaat zunächst frei ist, sein Regulierungsmodell selbst zu wählen.
Insoweit greift der Schutz der nationalen Identität über Art. 4 Abs. 2 EUV, der allerdings seine Grenze in der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts gem. § 4 Abs. 3 EUV finden sollte.

Dieser Spielraum wird allerdings durch einen hohen Anspruch an die Darlegungs- und Beweislast der Handelnden relativiert, die entsprechenden Nachweise für die Verhältnismäßigkeit und damit auch der Kohärenz der regulatorischen Maßnahmen zu liefern.

Aus Kohärenzgesichtspunkten ist bisher kein den unionsrechtlichen Darlegungslasten entsprechender Nachweis vorgelegt worden, warum die erhebliche Differenzierung im Schutzniveau zwischen Online-Casino/Poker (Totalverbot) und Sportwetten (zahlenmäßig beschränktes Erlaubnismodell) gerechtfertigt sein soll.
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13.09.2013 Die Landesregierung habe den Vollzug vorerst ausgesetzt berichtet der Schwarzwälder-Bote. Es soll abgewartet werden wie der Staatsgerichtshof über die drei Verfassungsbeschwerden entscheidet!
"Da wird etwas beschlossen, von dessen Rechtmäßigkeit der Gesetzgeber fünf Monate später selbst nicht mehr überzeugt ist", sagte er. Das habe mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun.

Da ist dem städtischen Ordnungsamtsleiter Matthias Rehfuß beizupflichten!
Die Verwaltung darf nur gültige Gesetze anwenden!  weiterlesen

Gemeinsam ist den Grundrechten, dass sie primär den Staat verpflichten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Exekutive, Legislative oder Judikative, Bund oder Land handelt. Keine Rolle spielt auch, ob der Staat unmittelbar oder mittelbar (etwa durch Selbstverwaltungskörperschaften), ob er privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich oder gar durch juristische Personen des Privatrechts tätig wird: stets ist die öffentliche Gewalt grundrechtsverpflichtet (Art. 1 Abs. 3 GG). Quelle: wikipedia

Der Gesetzgeber ist verpflichtet für eine unionskonforme Gesetzgebung (Art. 25 GG) zu sorgen, die den verfassungsrechtlichen Grundlagen (Art. 20/3 GG) entspricht.  (vgl. wikipedia)

Staatsrechtler halten auch den "neuen" Glücksspielstaatsvertrag für  verfassungswidrig!