Dienstag, 7. September 2010

Deutsche Glücksspielpolitik zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Urteile des EuGH vom 6. November 2003 (Strafverfahren gegen Gambelli u.a.) und vom 06.03.2007 (Strafverfahren gegen Placanica u.a.) s.u.  - Schlussanträge am Ende

von Volker Stiny

Im Hinblick auf die ab 8. September 2010 zu erwartenden Urteile des EuGH tritt die deutsche Glücksspielpolitik wieder in den Fokus.

Mit mehreren Urteilen 1 wurde als Zielsetzung die Einschränkung und Reduzierung von Spielsuchtgefahren (1 BvR 1054/01 v. 28.03.2006, Rn 133 ff) und der enge Rahmen vorgegeben unter dem ein Monopol überhaupt möglich ist, um die damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen zu rechtfertigen. Eine solche Einschränkung setzt allerdings voraus, dass die Praxis des staatlichen Wettmonopolisten in sich schlüssig und erkennbar darauf ausgerichtet ist, das Glücksspiel wirklich einzudämmen. Eine Praxis, die in Widerspruch hierzu darauf zielt, dem staatlichen Wettveranstalter möglichst hohe Einnahmen zu sichern, indem das Glücksspiel offensiv (um nicht zu sagen aggressiv) vermarktet wird und Menschen zum Wetten animiert werden sollen, erfüllt diese Anforderung erkennbar nicht.

Eine bedeutende Anzahl deutscher Gerichte bezweifeln die Vereinbarkeit der Glücksspielvorschriften mit dem Europa- und Verfassungsrecht, da die vom Bundesverfassungsgericht geforderte vollständige Kohärenz wohl nicht hergestellt ist.
Nach dem Bundesverfassungsgericht darf die Ausgestaltung des staatlichen Monopols in tatsächlicher Hinsicht keine grundlegenden Defizite mehr aufweisen (Rn. 24 und 44 – BA S. 13 unten unter bb). Mit seinem Beschluss vom 20.03.2009 – 1 BvR 2410/08, Rn.14, 29,46; zugleich BA S. 7,11, 13, 14) hat das BverfG erneut auf die Einhaltung hingewiesen und die Prüfung der vollständigen Kohärenz einem späteren Hauptsacheverfahren vorbehalten. Hervorzuheben ist der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab. Das Bundesverfassungsgericht hebt für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht auf die bloße Beseitigung des Regelungsdefizits ab. Maßstab ist vielmehr die "vollständige Konsistenz der rechtlichen und tatsächlichen Monopolausgestaltung" (Rn. 24- BA S. 10).

Statt einer Eindämmung erfolgt jedoch eine massive Ausweitung des staatlichen Glücksspiels, wodurch sich das vorgegebene Ziel offensichtlich nicht erreichen lässt.
Einige Landespolitiker wollen ganz einfach mehr Geld 2 in dem sie die Ausweitung des Glücksspiels sogar ganz offen fordern und fördern. Entgegen dem § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) wird staatliches Glücksspiel über das Internet 3 wieder möglich, auch soll ein Eurojackpot 4 mit einem Hauptgewinn von bis zu 90 Millionen Euro genehmigt werden, um einen zusätzlichen Umsatz von 590 Millionen € 4 zu erwirtschaften. Nach dem Urteil des BVerfG vom 28. März 2006 ist das Glücksspiel-Monopol nur dann zulässig und gesetzeskonform, wenn der Staat die Spielsucht seiner Bürger glaubhaft bekämpft, diese Sucht so weit wie möglich eindämmt und ihr Einhalt gebietet. Mit der Herausstellung von Jackpots bis 90 Millionen € werde sicherlich nicht die Spielsuchtbekämpfung verfolgt.

Auch wenn die Politik behauptet, dass es keine Defizite gäbe, ist die Vielzahl der gerichtlich festgestellten Verstöße 5 gegen den GlüStV durch die Monopolgesellschaften mittlerweile unübersehbar. 6

Eine Tatsache ist, dass der Lottopräsident E. Horak mit Ordnungshaft bedroht ist, wie das OLG München 7 mit dem Beschluss vom 27.04.2010, Az. 29 W 1209/10 bestätigte, weil sich die landeseigene Lottogesellschaft nicht an die gesetzlichen Vorgaben hielt. Die Lottogesellschaft hat die verbotene und die nach dem GlüStV seit 1.1.2008 unzulässige Werbung 14 erst eingestellt nachdem ein Bestrafungsantrag beim Landgericht München I einging. 8

Tatsache ist, dass die Lottogesellschaften Minderjährigen die Teilnahme zum Glücksspiel ermöglichten, wie aus mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen 9 und Gerichtsurteilen 5 hervorgeht.

Tatsache ist, dass das Ziel "Suchtbekämpfung" nicht ernsthaft verfolgt wird, wie die zahlreichen Verstöße der staatlichen Monopolbetreiber gegen die zur Suchtbekämpfung etablierten Werbebeschränkungen verdeutlichen. 14

Tatsache ist, dass die Lottogesellschaften im Internet 10 wieder Geld verdienen wollen, obwohl dies nach dem § 4 Abs. 4 GlüStV verboten ist. 14

Tatsache ist auch, dass das hessische Innenministerium vom Fachbeirat Glücksspielsucht auf Einhaltung 11 des GlüStV verklagt wird, weil dieses entgegen den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages das Lottospielen per E-Brief im Internet genehmigt habe. Das Ministerium sollte mit der ihr nachgeordneten landeseigenen Behörde eigentlich für die Einhaltung des GlüStV sorgen! 12

”Durch die Genehmigung der Lottoteilnahme über das Internet stehe die Vereinbarkeit des Glücksspielstaatsvertrags mit dem Verfassungs- und dem Europarecht und damit das staatliche Glücksspielmonopol auf dem Spiel“, erläuterte der Fachbeirat. Die gesamte Rechtfertigung des Monopols gerät nach Ansicht des Fachbeirats in eine Schieflage, da der Staat einen Anreiz zum suchtgefährdenden Glücksspiel setze, statt die Glücksspielsucht zu bekämpfen. Indem der Fachbeirat – das Gremium, das zur Bekämpfung der Glücksspielsucht zentral ist – umgangen werde, würden die "institutionelle Struktur und der substanzielle Gehalt des Glücksspielstaatsvertrages unterminiert".

Wie weit sich die ”unabhängigen” Richter in diesem Fall vom politischen Druck befreien können, 12 wird sich noch zeigen. Sollen auch hier Partikularinteressen über gesetzliche Vorgaben hinweg durchgesetzt werden ?
Von den Glücksspielaufsichtsbehörden, gemäß dem Beschluss v. 28.3.2006 des BVerfG (Rdnr. 151-154) geforderten Kontrollinstanz ”mit ausreichend Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates” wird trotz der eindeutigen Urteile offensichtlich in keinem Bundesland gegen die Lottogesellschaften eingeschritten, um für die Einhaltung des GlüStV zu sorgen. 13 Eine wirksame Kontrolle der Lottogesellschaften durch die Aufsichtsbehörden ist nicht ersichtlich.

So stellte das BVerfG 14 am 14.10.2008 (Az.: 1 BvR 928/08) unter der Rn 40/48 (Internetverbot) fest, dass das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) geeignet ist, problematisches Spielverhalten einzudämmen. Das Spielen per Internet ist durch ein hohes Maß an Bequemlichkeit sowie durch eine zeitlich unbeschränkte Verfügbarkeit des Angebots gekennzeichnet. Hinzu kommt ein im Vergleich zur Abgabe des Lottoscheins in der Annahmestelle höherer Abstraktionsgrad, der geeignet ist, das virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem Bedeutungszusammenhang herauszulösen und insbesondere die Tatsache des Einsatzes - und möglichen Verlustes von Geld - in den Hintergrund treten zu lassen. 14 Auch das Verwaltungsgericht Mainz entschied am 22.04.2010, dass nach Auffassung der Richter der Zweck des Internetverbots für Glücksspiele, Suchtprävention zu betreiben, nur erreicht werden kann, wenn das Verbot bereits bei der Ermöglichung der Spielteilnahme greift. 15
Das OVG Lüneburg stellte am 12.09.2008 fest, dass eine Ausweitung der Vertriebswege dem Ziel der Begrenzung des Glücksspielangebots widerspricht. Az.: 11 ME 476/07 16

Die bereits bekannten Missstände 17 in der deutschen Rechtsanwendung wurden durch die veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot nochmals betont, der mit aller Deutlichkeit vorträgt, dass es nach seiner Ansicht für die Frage der Europa-Rechtskonformität der Beschränkungen in erster Linie auf die tatsächlichen Umstände im Mitgliedsstaat ankommt und nicht auf das Vorliegen eines formalen Gesetzes (Rdn. 55) 18. Auch der Generalanwalt Mengozzi bestätigte, dass das deutsche Sportwettenmonopol dem europäischen Scheinheiligkeitstest nicht stand hielt. Im einzelnen hieß es hierzu, dass nicht die Spielsuchtbekämpfung, sondern vielmehr das Erzielen von Einnahmen die entscheidende Rolle gespielt habe. Der Generalanwalt Paolo Mengozzi hat in seinem Schlussantrag am 4.3.2010 für die Rechtslage nach dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag auf die Durchführung einer Kohärenzprüfung (hypocrisy test) hingewiesen, d.h. es ist das strenge europarechtliche Kohärenzkriterium (Hartlauer) also die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der Regelung von der deutschen Gerichtsbarkeit im Einzelfall zu prüfen. 19

Betrachtet man den Auftritt der Lotteriegesellschaften inklusive der Werbe- und Marketingmaßnahmen zum heutigen Zeitpunkt, 20 so wird man auch jetzt zu der Schlussfolgerung kommen müssen, dass weiterhin bzw. erneut eine verfassungs- und gemeinschaftswidrige Rechtslage besteht. 21

Auch aus formalen Gründen ist der GlüStV verfassungswidrig, da dieser gegen Art. 19 GG (Zitiergebot) verstößt. 22 Das Zitiergebot zwingt den Gesetzgeber seit dem 23.05.1949 unmissverständlich, jede Grundrechtseinschränkung in einfachen Gesetzen zu zitieren, damit jeder Bürger darüber informiert wird, welche Grundrechte in welchem Gesetz eingeschränkt werden. Werden diese Grundrechtseinschränkungen nicht zitiert, ist das gesamte Gesetz zwingend nichtig und ungültig. Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist eine zwingende Mussvorschrift die in keiner anderen Weise auslegbar und interpretierbar ist.
Die Staatsrechtslehre ebenso wie die Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland weiß um die absolute Wirkweise des sog. Zitiergebotes gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz GG ebenso gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG absolut Bescheid, Zitat:
“Verstöße gegen das Zitiergebot sind zwar nur ein Formfehler, aber mit gravierenden Folgen. Durch diesen wird jedes Gesetz ungültig. Der Gesetzgeber kann diesen Schaden nur durch eine neue Rechtsnorm heilen.“ Zitat von Prof. Rupert Scholz, 23.04.2010.

01 www.bundesverfassungsgericht.de
02 http://wettrecht.blogspot.com/2010/08/fdp-im-niedersachsischen-landtag.html
03 http://www.ad-hoc-news.de/lotto-hessen-bezahlt-versand-der-tippabgabe-per-e-brief--/de/News/21485504
04 http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,701754,00.html
05 http://winyourhome.blogspot.com/2010/05/glucksspielstaatsvertrag-fortgesetzter.html
06 http://winyourhome.blogspot.com/2010_02_01_archive.html

07 http://www.wettbewerbszentrale.de/de/aktuelles/_news/?id=967
08 http://winyourhome.blogspot.com/2010/09/bayerns-lotto-chef-erwin-horak-und-der.html
09 http://winyourhome.blogspot.com/2010/03/teenager-im-glucksspiel-taumel.html
10 http://www.welt.de/die-welt/wirtschaft/article8997937/Lotto-Hamburg-will-wieder-im-Internet-Geld-verdienen.html
11 http://www.be24.at/blog/entry/643757/
12 http://winyourhome.blogspot.com/2010/08/fachbeirat-glucksspielsucht-ist-mit.html
13 http://winyourhome.blogspot.com/2010/08/staatliche-glucksspielaufsichten.html
14 http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20081014_1bvr092808.html
15 http://wettrecht.blogspot.com/2010/04/verwaltungsgericht-mainz-aktion-mensch.html
16 http://www.gluecksspiel-und-recht.de/urteile/Service-Terminals-in-Sparkassen-zur-Lotto-Annahme-nicht-zugelassen-11-ME-476-07-Oberverwaltungsgericht-Lueneburg-20080912.html

17 http://www.faircontrol.de/PDFs/Presse/2008-7_Presseartikel_Focus.pdf
18 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62006C0409:DE:NOT
19 http://wettrecht.blogspot.com/2010/03/eugh-generalanwalt-verweist-frage-zur.html
20 http://wettrecht.blogspot.com/2010/05/verwaltungsgericht-stuttgart-gewahrt.html
21 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_minden/j2010/3_L_63_10beschluss20100317.html
22 http://winyourhome.blogspot.com/2010/08/ist-der-deutsche-glucksspielstaatsvertr.html

mehr zum Grundgesetz: Deutscher Bundestag


Urteil des Gerichtshofes vom 6. November 2003.
Strafverfahren gegen Piergiorgio Gambelli und andere.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale di Ascoli Piceno - Italien.

Niederlassungsfreiheit - Freier Dienstleistungsverkehr - Sammeln von Sportwetten in einem Mitgliedstaat und Übermittlung über Internet in einen anderen Mitgliedstaat - Strafbewehrtes Verbot - Mitgliedstaatliche Regelung, die bestimmten Einrichtungen das Recht zum Sammeln der Wetten vorbehält.


Europäischer Gerichtshof
Urteil v. 06.11.2003 - Az.: C-243/01:

Leitsatz:

1. Eine nationale Regelung, die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, via Internet enthält, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Artikeln 43 EG und 49 EG dar, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt.
2. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

Tenor:

In der Rechtssache betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunale Ascoli Piceno (Italien) in dem bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen Piergiorgio Gambelli u. a. vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 43 EG und 49 EG erlässt

DER GERICHTSHOF

folgendes Urteil

Sachverhalt:

(vgl. Entscheidungsgruende)


Entscheidungsgründe:

1. Das Tribunale Ascoli Piceno hat mit Beschluss vom 30. März 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juni 2001, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung der Artikel 43 EG und 49 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.Diese Frage stellt sich in einem Strafverfahren gegen Herrn Gambelli und 137 weitere Beschuldigte (im Folgenden: die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens), denen zur Last gelegt wird, widerrechtlich heimlich Wetten organisiert zu haben und Inhaber von Zentren zu sein, in denen Daten über Wetten gesammelt und übermittelt werden, wobei eine solche Tätigkeit den Tatbestand des Betruges zu Lasten des Staates erfülle.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3.Artikel 43 EG hat folgenden Wortlaut: Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.

4.Nach Artikel 48 Absatz 1 EG ... stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.

5.Artikel 46 Absatz 1 EG bestimmt: Dieses Kapitel und die aufgrund desselben getroffenen Maßnahmen beeinträchtigen nicht die Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind.

6.Artikel 49 Absatz 1 EG lautet: Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

Nationale Regelung

7.Gemäß Artikel 88 des Regio Decreto Nr. 773, Testo Unico delle Leggi di Pubblica Sicurezza (Königliches Dekret Nr. 773, Testo Unico der Gesetze auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit) vom 18. Juni 1931 (GURI Nr. 146 vom 26. Juni 1931, im Folgenden: Königliches Dekret), kann keine Genehmigung für das Sammeln von Wetten erteilt werden, es sei denn für Wetten bei Rennen, Regatten, Ballspielen oder ähnlichen Wettkämpfen, sofern das Sammeln der Wetten eine notwendige Voraussetzung für einen zweckdienlichen Ablauf des Wettkampfs darstellt.

8.Nach der Legge Finanziaria Nr. 388 (Finanzgesetz Nr. 388) vom 23. Dezember 2000 (Supplemento ordinario des GURI vom 29. Dezember 2000, im Folgenden: Gesetz Nr. 388) wird die Genehmigung zur Veranstaltung von Wetten ausschließlich Konzessionären oder denjenigen erteilt, die durch ein Ministerium oder eine andere Einrichtung, der das Gesetz die Organisation oder Annahme von Wetten vorbehält, dazu ermächtigt sind. Die Wetten können sich auf den Ausgang oder das Ergebnis von Sportereignissen beziehen, die unter der Kontrolle des Comitato Olimpico Nazionale Italiano (Italienisches Nationales Olympisches Komitee, im Folgenden: das CONI) oder von diesem abhängiger Organisationen stattfinden, oder auf das Ergebnis von Pferderennen, die durch Vermittlung der Unione nazionale per l'incremento delle razze equine (Nationalverband zur Verbesserung der Pferderassen, im Folgenden: die UNIRE) organisiert werden.

9.Die Artikel 4, 4a und 4b des Gesetzes Nr. 401 vom 13. September 1989 über Interventionen auf dem Gebiet des heimlichen Spiels und der heimlichen Wetten und zum Schutz des ordnungsgemäßen Ablaufs sportlicher Wettkämpfe (GURI Nr. 294 vom 18. Dezember 1989, im Folgenden: Gesetz Nr. 401/89) in der Fassung des Gesetzes Nr. 388/00, durch dessen Artikel 37 Absatz 5 die Artikel 4a und 4b in das Gesetz Nr. 401/89 eingefügt wurden, bestimmen:

Widerrechtliche Ausübung von Spiel- oder Wetttätigkeiten

Artikel 4
(1) Wer widerrechtlich Lotterien, Wetten oder Prognosewettbewerbe organisiert, die gesetzlich dem Staat oder konzessionierten Einrichtungen vorbehalten sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Derselben Strafe unterliegt, wer Wetten oder Prognosewettbewerbe über von dem [CONI], den unter dessen Kontrolle stehenden Einrichtungen oder der [UNIRE] veranstaltete Sportereignisse organisiert. Wer widerrechtlich öffentliche Wetten über andere Wettkämpfe von Personen oder Tieren und über Geschicklichkeitsspiele organisiert, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu einem Jahr und einer Geldstrafe von mindestens 1 Million ITL bestraft.

(2) Wer für die Wettbewerbe, Spiele oder Wetten, die nach den in Absatz 1 beschriebenen Modalitäten veranstaltet werden, ohne Mittäter eines dort festgelegten Delikts zu sein, wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten und einer Geldstrafe zwischen 100 000 und 1 Million ITL bestraft.

(3) Wer an Wettbewerben, Spielen oder Wetten, die nach den in Absatz 1 beschriebenen Modalitäten veranstaltet werden, teilnimmt, ohne Mittäter eines dort festgelegten Delikts zu sein, wird mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten oder einer Geldstrafe zwischen 100 000 und 1 Million ITL bestraft.

...

Artikel 4a

Die in diesem Artikel vorgesehenen Sanktionen sind auf denjenigen anwendbar, der in Italien ohne die nach Artikel 88 des [Königlichen Dekrets] erforderliche Konzession, Genehmigung oder Lizenz eine Tätigkeit zur Annahme oder dem Sammeln oder jedenfalls zur Erleichterung der Annahme oder, auf welche Art auch immer, des Sammelns, auch über Telefon oder durch Datenübertragung, von Wetten jeder Art betreibt, die durch wen auch immer in Italien oder im Ausland abgeschlossen werden.

Artikel 4b

... die in diesem Artikel vorgesehenen Sanktionen [sind] auf denjenigen, anwendbar, der das Sammeln oder die Registrierung von Einsätzen für die Lotterie, Prognosewettbewerbe oder Wetten über Telefon oder durch Datenübertragung betreibt, ohne im Besitz einer Genehmigung zur Benutzung dieser Mittel zur Durchführung des Sammelns oder der Registrierung zu sein.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10.Laut Vorlagebeschluss haben die Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsrichter beim Tribunale Fermo (Italien) ermittelt, dass eine weit verbreitete und engmaschige Organisation italienischer Agenturen besteht, die über das Internet in Verbindung mit dem Buchmacher Stanley International Betting Ltd (im Folgenden: Stanley) in Liverpool (Vereinigtes Königreich) steht und zu der die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens gehören. Ihnen wird zur Last gelegt, in Italien bei der Tätigkeit des Sammelns von Wetten eines ausländischen Buchmachers, das normalerweise gesetzlich dem Staat vorbehalten ist, mitgewirkt und dadurch gegen das Gesetz Nr. 401/89 verstoßen zu haben.

11.Diese Verhaltensweisen, die als Verstoß gegen das dem CONI eingeräumte Monopol für Sportwetten betrachtet und als Verstoß gegen Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89 gewertet wurden, laufen nach folgendem Verfahren ab: Der Wettende teilt dem Inhaber der italienischen Agentur mit, auf welche Spiele er setzen möchte, und gibt den beabsichtigten Einsatz an. Diese Agentur übermittelt dem Buchmacher über das Internet einen Antrag auf Annahme der Wette und gibt die fraglichen nationalen Fußballspiele und die zu tätigenden Wetteinsätze an. Der Buchmacher übermittelt über das Internet in Echtzeit die Bestätigung der Annahme der Wette. Die italienische Agentur übermittelt dem Wettenden diese Bestätigung, woraufhin dieser den der Agentur geschuldeten Betrag zahlt, der dann an den Buchmacher auf ein speziell zu diesem Zweck im Ausland eröffnetes Konto weitergeleitet wird.

12.Bei Stanley handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts, die im Vereinigten Königreich im Handelsregister eingetragen ist und die aufgrund einer von der Stadt Liverpool nach dem Betting, Gaming and Lotteries Act (Gesetz über das Wetten,Glücksspiel und Lotterien) erteilten Lizenz die Tätigkeit eines Buchmachers betreibt. Sie ist zur Ausübung ihrer Tätigkeit im Vereinigten Königreich und im Ausland ermächtigt. Sie organisiert und verwaltet Wetten aufgrund einer britischen Lizenz, indem sie die Ereignisse und die Quoten ermittelt und das wirtschaftliche Risiko übernimmt. Stanley zahlt die entsprechenden Gewinne aus und entrichtet im Vereinigten Königreich die verschiedenen anfallenden Steuern ebenso wie die Steuern und Abgaben auf die Gehälter u. a. Sie ist strengen Kontrollen der Ordnungsgemäßheit ihrer Tätigkeiten unterworfen, die von einer privaten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie von dem Inland Revenue und den Customs & Excise durchgeführt werden.

13.Stanley bietet europaweit ein breit gefächertes Angebot von Wetten mit feststehender Quote über nationale, europäische oder weltweite Sportereignisse an. Die Einzelnen haben die Möglichkeit, von zu Hause aus über verschiedene Systeme wie das Internet, Fax oder Telefon Wetten zu platzieren, die Stanley organisiert und verwaltet.

14.Stanleys Präsenz als Unternehmen in Italien findet ihren konkreten Niederschlag im Abschluss von Geschäftsverträgen mit italienischen Wirtschaftsteilnehmern oder Vermittlern über die Errichtung von Datenübertragungszentren. Diese Zentren stellen den Benutzern elektronische Mittel zur Verfügung, sammeln und registrieren die Wettabsichten und übermitteln sie Stanley.

15.Die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens sind bei der Camera di Commercio (Handelskammer) als Inhaber von Unternehmen zum Betrieb eines Datenübermittlungszentrums eingetragen und haben eine Genehmigung vom Ministero delle Poste e delle Comunicazioni (Ministerium für Post und Telekommunikation) zur Übertragung von Daten erhalten.

16.Der Ermittlungsrichter beim Tribunale Fermo erließ einen Beschluss über die vorläufige Beschlagnahme; bei den Beschuldigten wurden Durchsuchungen sowohl ihrer Person als auch ihrer Agenturen, Wohnungen und Fahrzeuge vorgenommen. Gegen den Beschuldigten Garrisi, der Verwaltungsratsmitglied bei Stanley ist, wurde Polizeigewahrsam angeordnet.

17.Die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens haben beim Tribunale Ascoli Piceno die Überprüfung der Beschlüsse zur Beschlagnahme der ihnen gehörenden Datenübermittlungszentren gestellt.

18.Das Tribunale Ascoli Piceno verweist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes und insbesondere auf dessen Urteil vom 21. Oktober 1999 in der Rechtssache C-67/98 (Zenatti, Slg. 1999, I-7289). Es vertritt die Ansicht, dass die Fragen, die sich in der ihm vorgelegten Rechtssache stellten, nicht in vollem Umfang dem Sachverhalt entsprächen, über den der Gerichtshof im Urteil Zenatti bereits entschieden habe. Die kürzlich erfolgten Novellierungen des Gesetzes Nr. 401/89 erforderten eine neue Prüfung der Frage durch den Gerichtshof.

19.Das Tribunale verweist in diesem Zusammenhang auf die parlamentarischen Arbeiten zur Änderung des Gesetzes Nr. 388/00, aus denen hervorgehe, dass die mit diesem Gesetz in das Gesetz Nr. 401/89 eingefügten Beschränkungen vorrangig von dem Erfordernis diktiert worden seien, die Sport-Totoannehmer, eine Gruppe privater Unternehmer, zu schützen. Nach Angaben des Tribunale lässt sich aus diesen Beschränkungen keine Besorgnis im Hinblick auf die öffentliche Ordnung herauslesen, die die Einschränkung der gemeinschafts- oder verfassungsrechtlich garantierten Rechte rechtfertigen könnte.

20.Die Zulässigkeit des Sammelns und der Weiterleitung von Wetten über ausländische Sportereignisse, die sich aus der ursprünglichen Formulierung des Artikels 4 des Gesetzes Nr. 401/89 habe ableiten lassen, habe die Entstehung und Entwicklung eines Netzes von Wirtschaftsteilnehmern herbeigeführt, die auf dem Spiel- und Wettsektor Kapital investiert und Infrastrukturen geschaffen hätten. Diesen Wirtschaftsteilnehmern sei unversehens durch die mit dem Gesetz Nr. 388/00 vorgenommenen Änderungen der Regelung, wonach die Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über sportliche Ereignisse, durch wen auch immer und wo auch immer, mit einem - strafbewehrten - Verbot für den Fall belegt worden sei, dass keine staatlich erteilte Konzession oder Genehmigung vorliege, die Rechtmäßigkeit ihrer Stellung entzogen worden.

21.Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen der größtmöglichen Intensität des strafbewehrten Verbotes, das den rechtmäßig errichteten Unternehmen und Wirtschaftsteilnehmern aus der Gemeinschaft die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten auf dem Spiel- und Wettsektor in Italien praktisch unmöglich machen könne, und der Bedeutung des geschützten inländischen öffentlichen Interesses, dem die gemeinschaftsrechtlichen Freiheiten zum Opfer fielen, gewahrt sei.

22.Im Übrigen müsse das Gericht die Frage nach der Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses stellen, das zwischen einer nationalen Regelung, die die Tätigkeit der Annahme von Sportwetten durch ausländische Unternehmen aus der Gemeinschaft rigoros beschränke, und einer starken Ausweitung des Spielens und Wettens bestehe, die der italienische Staat im Inland zu dem Zweck verfolge, Einnahmen für die Staatskasse zu erzielen.

23.Das vorlegende Gericht führt aus, dass das bei ihm anhängige Verfahren zum einen Fragen des innerstaatlichen Rechts nach der Vereinbarkeit der Neuregelungen in Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89 mit der italienischen Verfassung aufwerfe, die die private wirtschaftliche Initiative bei Tätigkeiten schütze, die dem Staat nicht zur Erzielung von Einkünften dienten, und zum anderen Fragen nach der Unvereinbarkeit der Vorschrift dieses Artikels mit der Niederlassungsfreiheit und dem grenzüberschreitenden freien Dienstleistungsverkehr aufwerfe. Zu den damit gestellten Fragen des innerstaatlichen Rechts hat das Tribunale die italienische Corte Costituzionale (Verfassungsgerichtshof) angerufen.

24.Vor diesem Hintergrund hat das Tribunale Ascoli Piceno das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist eine nationale Regelung wie die italienische in den Artikeln 4 Absätze 1 ff., 4a und 4b des Gesetzes Nr. 401/89 (zuletzt geändert durch Artikel 37 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 388 vom 23. Dezember 2000), die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, durch wen auch immer und wo auch immer, enthält, wenn im Inland keine Voraussetzungen für die Konzession und die Genehmigung geregelt sind, - mit den entsprechenden Wirkungen im nationalen Recht - mit den Artikeln 43 ff. und 49 ff. EGVertrag vereinbar, die die Niederlassungsfreiheit und die Freiheit der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen betreffen?

Zur Vorlagefrage

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

25.Nach Ansicht der Beschuldigten des Ausgangsverfahrens Gambelli u. a. stellt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung dadurch, dass sie italienischen Bürgern verbietet, sich mit ausländischen Firmen in Verbindung zu setzen, um Wetten zu platzieren und die von diesen Firmen über das Internet angebotenen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, dass sie es den italienischen Vermittlern verbietet, die von Stanley verwalteten Wetten anzubieten, dass sie das letztgenannte Unternehmen hindert, sich mit Hilfe dieser Vermittler in Italien niederzulassen und damit seine Dienstleistungen von einem anderen Mitgliedstaat aus dort anzubieten, und dass sie im Ergebnis auf dem Spiel- und Wettsektor ein Monopol errichtet und beibehält, eine Beschränkung sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Diese Beschränkung lasse sich nicht im Hinblick auf die den Urteilen vom 24. März 1994 in der Rechtssache C-275/92 (Schindler, Slg. 1994, I-1039), vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-124/97 (Läärä u. a., Slg. 1999, I-6067) und Zenatti zu entnehmende Rechtsprechung des Gerichtshofes rechtfertigen, denn der Gerichtshof habe keine Gelegenheit gehabt, die mit dem Gesetz Nr. 388/00 in diese Regelung eingefügten Änderungen zu prüfen, und er habe die Problematik nicht unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit geprüft.

26.Die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens weisen hierzu darauf hin, dass der italienische Staat keine kohärente Politik zur Begrenzung oder Verhinderung der Spieltätigkeiten im Sinne der Urteile Läärä u. a., Randnr. 37, und Zenatti, Randnr. 36, verfolge. Die Besorgnisse der italienischen Behörden hinsichtlich des Schutzes der Wettenden vor den Gefahren des Betrugs, der Wahrung der öffentlichen Ordnung oder der Verminderung der Spielmöglichkeiten, um schädliche Wirkungen der Wetten auf individueller und sozialer Ebene und den durch diese Spielmöglichkeiten ausgelösten Anreiz zu Ausgaben zu verhindern, seien angesichts dessen unbegründet, dass Italien das Angebot an Spielen und Wetten ausweite und selbst die Leute zur Teilnahme an diesen Spielen anreize, indem es die Regelung des Sammelns vereinfache, um die Steuereinnahmen zu erhöhen. Dass die Organisation von Wetten in Finanzgesetzen geregelt werde, lasse die wahre wirtschaftliche Motivation der nationalen Behörden erkennen.

27.Die italienische Regelung habe auch das Ziel, die Konzessionäre des staatlichen Monopols zu schützen, indem für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten der Zugang dadurch unmöglich gemacht werde, dass in den Ausschreibungen Kriterien für die Eigentumsstruktur vorgesehen seien, die nicht von einer börsennotierten Kapitalgesellschaft, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden könnten, und dass sie die Bedingung aufstellten, dass man über Geschäftsräume verfügen und seit langem Konzessionär gewesen sein müsse.

28.Nach Ansicht der Beschuldigten des Ausgangsverfahrens ist es kaum hinnehmbar, dass eine Gesellschaft wie Stanley, die vollkommen rechtmäßig handele und im Vereinigten Königreich ordnungsgemäß kontrolliert werde, nach italienischem Recht genauso behandelt werde wie ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich der Organisation heimlicher Spiele widme, obwohl sämtliche Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem Gemeinwohl durch das britische Recht gewahrt seien und die als Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften an diese Gesellschaft vertraglich gebundenen italienischen Vermittler in das Verzeichnis der Dienstleistungserbringer eingetragen und beim Ministerium für Post und Telekommunikation registriert seien, mit dem zusammen sie tätig würden und das sie in regelmäßigen Abständen kontrolliere und überprüfe.

29.Diese Situation, die unter die Niederlassungsfreiheit falle, verletze den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in den Bereichen, in denen noch keine Rechtsangleichung stattgefunden habe. Sie verstoße auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, und zwar umso mehr, als eine strafrechtliche Sanktion die Ultima Ratio sein müsse, auf die ein Mitgliedstaat zurückgreifen könne, wenn andere Maßnahmen oder Instrumente keinen angemessenen Schutz der zu schützenden Güter gewährleisteten. Nach italienischem Recht werde dem auf italienischem Hoheitsgebiet befindlichen Wettenden aber nicht nur die Möglichkeit genommen, durch Vermittlung in Italien niedergelassener Wirtschaftsteilnehmer auf in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Buchmacher zurückzugreifen, sondern er mache sich auch noch strafbar.

30.Die italienische, die belgische, die griechische, die spanische, die französische, die luxemburgische, die portugiesische, die finnische und die schwedische Regierung sowie die Kommission verweisen auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere auf die Urteile Schindler, Läärä u. a. und Zenatti.

31.Die italienische Regierung nimmt Bezug auf das Urteil Zenatti, um die Vereinbarkeit des Gesetzes Nr. 401/89 mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr, aber auch über die Niederlassungsfreiheit zu begründen. Sowohl mit dem vom Gerichtshof in diesem Urteil geprüften Aspekt, der verwaltungsrechtlichen Genehmigung für die Ausübung der Tätigkeit des Sammelns und der Verwaltung von Wetten in Italien, als auch mit dem Problem, das sich im Ausgangsverfahren stelle, d. h. dem strafbewehrten Verbot dieser Tätigkeit für den Fall, dass diese von Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werde, die nicht dem staatlichen Monopolsystem für Wetten angehörten, werde das gleiche Ziel verfolgt, nämlich außerhalb der gesetzlich ausdrücklich erlaubten Fälle eine solche Tätigkeit zu verbieten und die die praktischen Spielmöglichkeiten zu vermindern.

32.Nach Ansicht der belgischen Regierung wird ein gemeinsamer Markt für Glücksspiele die Verbraucher nur zu mehr Geldverschwendung verleiten und erhebliche schädliche Wirkungen für die Gesellschaft hervorrufen. Mit dem durch das Gesetz Nr. 401/89 eingeführten Schutzniveau und der restriktiven Genehmigungsregelung könne die Verwirklichung der Ziele des Gemeinwohls, nämlich die strikte Begrenzung und Kontrolle des Angebots an Spielen und Wetten, sichergestellt werden; sie stünden auch in angemessenem Verhältnis zu diesen Zielen, ohne eine Diskriminierung aus Gründen der Staatszugehörigkeit aufzuweisen.

33.Die griechische Regierung vertritt den Standpunkt, dass die Organisation von Glücksspielen und Wetten über Sportereignisse unter der Kontrolle des Staates bleiben müsse und in Form eines Monopols zu betreiben sei. Ihre Durchführung durch private Einrichtungen hätte unmittelbare Auswirkungen wie die Erschütterung der sozialen Ordnung, die Verleitung zu Straftaten und die Ausbeutung der Wettenden und der Verbraucher im Allgemeinen.

34.Die spanische Regierung trägt vor, dass sowohl die Übertragung spezieller oder ausschließlicher Rechte durch ein strenges Genehmigungs- oder Konzessionssystem als auch das Verbot, Zweigniederlassungen ausländischer Agenturen zur Abwicklung von Wetten in anderen Mitgliedstaaten zu eröffnen, mit der Politik der Angebotsbeschränkung vereinbar seien, wenn diese Maßnahmen mit dem Ziel erlassen worden seien, die Gelegenheiten zum Spiel und die Anregung der Nachfrage einzudämmen.

35.Nach Ansicht der französischen Regierung stellt der Umstand, dass im Ausgangsfall das Sammeln der Wetten durch Datenübertragung erfolgt und die Sportereignisse, die Gegenstand dieser Wetten sind, ausschließlich in Italien stattfinden - was in der Rechtssache, die zum Urteil Zenatti geführt habe, nicht der Fall gewesen sei -, die Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht in Frage, wonach nationale Rechtsvorschriften, die die Ausübung von Tätigkeiten im Zusammenhang mit Glücksspielen, Lotterien und Geldspielautomaten beschränken, mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar sind, sofern mit ihnen ein am Allgemeininteresse ausgerichtetes Ziel wie die Betrugsbekämpfung oder der Schutz der Wettenden vor sich selbst angestrebt wird. Die Mitgliedstaaten seien daher berechtigt, die Tätigkeit von Wirtschaftsteilnehmern im Bereich von Wetten unter nichtdiskriminierenden Bedingungen zu regeln, wobei Intensität und Ausmaß der Beschränkungen dem Ermessen der staatlichen Stellen überlassen seien. Somit hätten die mitgliedstaatlichen Gerichte zu prüfen, ob die staatlichen Stellen bei der Wahl der eingesetzten Mittel im Hinblick auf den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs ein angemessenes Verhältnis gewahrt hätten.

36.Zur Niederlassungsfreiheit führt die französische Regierung aus, dass die Beschränkungen der Tätigkeit unabhängiger italienischer Gesellschaften, die vertraglich an Stanley gebunden seien, nicht das Recht dieses Buchmachers beeinträchtigten, sich in Italien frei niederzulassen.

37.Nach Ansicht der luxemburgischen Regierung stellt das italienische Recht ein Hindernis für die Ausübung der Tätigkeit der Organisation von Wetten in Italien dar, da es Stanley verwehrt, ihre Tätigkeit auf italienischem Gebiet entweder unmittelbar durch die freie Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen oder mittelbar durch Vermittlung italienischer Agenturen über das Internet auszuüben. Es stelle auch ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit dar. Diese Behinderungen seien jedoch gerechtfertigt, da mit ihnen am Allgemeininteresse ausgerichtete Ziele verfolgt würden wie das Bemühen, die Spiellust zu kanalisieren und zu kontrollieren; sie seien auch geeignet und stünden in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Zielen, weil sie keine Diskriminierung im Bereich der Staatszugehörigkeit aufwiesen, da sowohl italienische Einrichtungen als auch diejenigen mit Sitz im Ausland der gleichen vom Finanzminister erteilten Genehmigung bedürften, um die Tätigkeiten der Organisation, der Annahme und des Sammelns von Wetten im italienischen Hoheitsgebiet auszuüben.

38.Die portugiesische Regierung weist darauf hin, dass das Ausgangsverfahren von Bedeutung für die Möglichkeit sei, in Italien wie auch in anderen Mitgliedstaaten die Veranstaltung von Lotterien unter der Herrschaft eines öffentlichen Monopols beizubehalten und den Staaten eine wichtige Einnahmequelle zu sichern, die an die Stelle der Zwangserhebung von Steuern trete und dazu diene, Sozial-, Kultur- und Sportpolitik zu finanzieren. Was die Spieltätigkeit angehe, so führten die Marktwirtschaft und der freie Wettbewerb zu einer mit der sozialen Ordnung unvereinbaren Neuverteilung der im Rahmen dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen, denn diese würden sich tendenziell von den Ländern, in denen die gesamten Einsätze niedrig seien, in die Länder verlagern, in denen diese Einsätze höher und die Gewinnsummen attraktiver seien. Die Wettenden in den kleineren Staaten finanzierten so den Sozial-, Kultur- und Sporthaushalt der großen Mitgliedstaaten, und in den kleineren Staaten würden die Regierungen durch den Rückgang der Spieleinnahmen gezwungen, die öffentlichen Sozialmaßnahmen und die anderen staatlichen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Sozial-, Kultur- und Sportpolitik auf andere Weise zu finanzieren, was in diesen Staaten eine Erhöhung der Steuern und in den großen Staaten deren Senkung nach sich zöge. Im Übrigen würde die Aufteilung des Lotterie- und Lottomarktes der Staaten auf drei bis vier große Veranstalter in der Europäischen Union strukturelle Veränderungen der von den Staaten rechtmäßig betriebenen Vertriebsnetze für Spiele hervorrufen, die zur massiven Zerstörung von Arbeitsplätzen und zu auseinander klaffenden Niveaus der Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Mitgliedstaaten führten.

39.Die finnische Regierung beruft sich insbesondere auf das Urteil Läärä u. a., in dem er Gerichtshof anerkannt habe, dass die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der von einem Mitgliedstaat erlassenen Bestimmungen allein im Hinblick auf die von den nationalen Stellen dieses Staates verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen seien, so dass es Sache des vorlegenden Gerichts sei, zu prüfen, ob sich mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten die Ziele erreichen ließen, die die Existenz dieser Rechtsvorschriften rechtfertigten, und ob die Beschränkungen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Zielen stünden, wobei diese Rechtsvorschriften selbstverständlich unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer, stammten sie nun aus Italien oder aus einem anderen Mitgliedstaat, anzuwenden seien.

40.Nach Ansicht der schwedischen Regierung lässt der Umstand, dass die Einführung der Beschränkungen für den freien Dienstleistungsverkehr einem fiskalischen Interesse dient, nicht den Schluss zu, dass sie gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, solange sie verhältnismäßig sind und keine Diskriminierung von Wirtschaftsteilnehmern mit sich bringen, was das vorlegende Gericht zu prüfen habe. Mit den sich aus dem Gesetz Nr. 388/00 ergebenden Änderungen könne verhindert werden, dass eine Einrichtung, der die Genehmigung zum Sammeln von Wetten in Italien versagt worden sei, die Regelung durch die Ausübung ihrer Tätigkeit von einem anderen Mitgliedstaat aus umgehe, und mit ihnen werde es ausländischen Einrichtungen, die in ihrem eigenen Land Wetten organisierten, verwehrt, ihre Tätigkeit in Italien auszuüben. So habe der Gerichtshof in den Randnummern 36 bzw. 34 der Urteile Läärä u. a. und Zenatti ausgeführt, dass allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt habe, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen habe.

41.Nach Ansicht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften verdeutlichen die Gesetzesänderungen gemäß dem Gesetz Nr. 388/00 nur das, was bereits das Gesetz Nr. 401/89 inhaltlich erfasst hatte, ohne wirklich neue Straftatbestände einzuführen. Die sozialpolitischen Gründe, die zur Beschränkung der schädlichen Wirkung der Wetttätigkeit bei Fußballspielen Anlass gäben und die es rechtfertigten, dass das Recht zum Sammeln dieser Wetten nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmten Einrichtungen vorbehalten sei, blieben sich unabhängig davon gleich, in welchem Mitgliedstaat diese Ereignisse stattfänden. Dass im Urteil Zenatti die Sportereignisse, auf die sich die Wetten bezogen hätten, im Ausland stattgefunden hätten, während es im Ausgangsverfahren um in Italien stattfindende Fußballspiele gehe, sei ohne Bedeutung. Außerdem sei die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, inbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) (ABl. L 178, S. 1) nicht auf Wetten anwendbar, so dass die künftige Entscheidung nicht anders ausfallen sollte als die in der Rechtssache Zenatti.

42.Die Kommission vertritt den Standpunkt, dass die vorliegende Rechtssache nicht im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit zu prüfen sei, da die von den Beschuldigten des Ausgangsverfahrens betriebenen Agenturen unabhängig seien und als Sammelzentren für Wetten sowie als Vermittler zwischen ihren italienischen Kunden und Stanley handelten, ohne zu dieser in einem Verhältnis der Unterordnung zu stehen. Selbst wenn jedoch die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit anwendbar sein sollten, wären die durch die italienischen Rechtsvorschriften eingeführten Beschränkungen aus denselben sozialpolitischen Gründen gerechtfertigt, wie sie der Gerichtshof in den Urteilen Schindler, Läärä u. a. und Zenatti in Bezug auf die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs anerkannt habe.

43.In der Sitzung hat die Kommission dem Gerichtshof mitgeteilt, dass sie gegen die Italienische Republik ein Vertragsverletzungsverfahren in Bezug auf die Liberalisierung der von der UNIRE verwalteten Pferdewetten eingeleitet habe. Zum - liberalisierten - Lotto- Sektor hat die Kommission auf das Urteil vom 26. April 1994 in der Rechtssache C-272/91 (Kommission/Italien, Slg. 1994, I-1409) verwiesen, in dem der Gerichtshof für Recht erkannt hat, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen u. a. aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie die Teilnahme an einer Ausschreibung für die Konzession für das automatisierte System des Lottospiels Einrichtungen, Gesellschaften, Konsortien und Zusammenschlüssen vorbehalten hat, deren Gesellschaftskapital sich einzeln oder insgesamt mehrheitlich in öffentlicher Hand befindet.

Antwort des Gerichtshofes

44.Erstens ist zu prüfen, ob eine Regelung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Gesetz Nr. 401/89 eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt.

45.Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einschließlich der Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften sind nach Artikel 43 EG verboten.

46.Soweit eine Gesellschaft wie Stanley mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Tätigkeit des Sammelns von Wetten durch Vermittlung einer Organisation von Agenturen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat wie denen der Beschuldigten des Ausgangsverfahrens nachgeht, stellen die diesen Agenturen auferlegten Beschränkungen ihrer Tätigkeit Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit dar.

47.Ferner hat die italienische Regierung in ihrer Antwort auf Fragen des Gerichtshofes in der Sitzung eingeräumt, dass die italienische Regelung über Ausschreibungen für die Wetttätigkeit in Italien Beschränkungen enthalte. Der Umstand, dass außer der Einrichtung, die in diesem Bereich über das Monopol verfüge, keine andere eine Genehmigung für diese Tätigkeit erhalten habe, erkläre sich daraus, dass die italienischen Rechtsvorschriften so gefasst seien, dass die Konzession nur bestimmten Personen erteilt werden könne.

48.Soweit nun das Fehlen ausländischer Wirtschaftsteilnehmer unter den Konzessionären auf dem Sektor der Wetten über Sportereignisse in Italien darauf zurückzuführen ist, dass die italienische Regelung für Ausschreibungen die Möglichkeit für Kapitalgesellschaften, die auf den reglementierten Märkten der anderen Mitgliedstaaten notiert sind, Konzessionen zu erhalten, praktisch ausschließt, stellt eine solche Regelung auf den ersten Blick eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, und zwar auch dann, wenn diese Beschränkung unterschiedslos allen Kapitalgesellschaften mit Sitz in Italien oder in einem anderen Mitgliedstaat auferlegt ist, die ein Interesse an diesen Konzessionen haben könnten.

49.Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass die durch die italienische Regelung auferlegten Bedingungen für die Beteiligung an Ausschreibungen zur Vergabe dieser Konzessionen gleichfalls ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit darstellen.

50.Zweitens ist zu prüfen, ob die genannte italienische Regelung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt.

51.Nach Artikel 49 EG sind die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten. Dienstleistungen sind nach Artikel 50 EG Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.

52.Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die Einfuhr von Werbematerial und Losen in einen Mitgliedstaat zu dem Zweck, die in diesem Staat wohnenden Personen an einer in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Lotterie teilnehmen zu lassen, zu den Dienstleistungen gehört (Urteil Schindler, Randnr. 37). Entsprechend gehört eine Tätigkeit, die darin besteht, die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats an in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Wetten teilnehmen zu lassen, auch dann zu den Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 EG, wenn es bei den Wetten um in dem erstgenannten Mitgliedstaat veranstaltete Sportereignisse geht.

53.Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass Artikel 49 EG dahin auszulegen ist, dass er Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer potenziellen Leistungsempfängern, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, telefonisch anbietet und die er ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansässig ist (Urteil vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache C-384/93, Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141, Randnr. 22).

54.Überträgt man diese Auslegung auf die Problemstellung im Ausgangsverfahren, so ergibt sich, dass Artikel 49 EG Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer wie Stanley mit Sitz in einem Mitgliedstaat, hier dem Vereinigten Königreich, über das Internet - und damit ohne Ortswechsel - in einem anderen Mitgliedstaat, hier der Italienschen Republik, ansässigen Leistungsempfängern anbietet, so dass jede Beschränkung dieser Tätigkeiten eine Beschränkung der freien Erbringung von Dienstleistungen durch einen solchen Leistungserbringer darstellt.

55.Außerdem umfasst der freie Dienstleistungsverkehr nicht nur die Freiheit des Leistungserbringers, Leistungsempfängern, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig sind, in dessen Gebiet sich dieser Leistungserbringer befindet, Dienstleistungen anzubieten und zu erbringen, sondern auch die Freiheit, als Leistungsempfänger von einem Leistungserbringer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angebotene Dienstleistungen zu empfangen oder in Anspruch zu nehmen, ohne durch Beschränkungen beeinträchtigt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83, Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 16, und vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C-294/97, Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I-7447, Randnrn. 33 und 34).

56.Auf Fragen des Gerichtshofes in der Sitzung hat die italienische Regierung aber bestätigt, dass die Tätigkeit eines Einzelnen, der sich in Italien von zu Hause aus über das Internet mit einem Buchmacher mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in Verbindung setze und seine Kreditkarte als Zahlungsmittel verwende, ein nach Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89 sanktioniertes Delikt darstelle.

57.Ein solches strafbewehrtes Verbot der Teilnahme an Wetten, die in anderen Mitgliedstaaten als dem organisiert werden, in dessen Gebiet der Wettende ansässig ist, stellt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.

58.Das Gleiche gilt für das an Vermittler wie die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens gerichtete ebenfalls strafbewehrte Verbot, die Erbringung von Wettdienstleistungen bei Sportereignissen, die von einem Leistungserbringer organisiert werden, der wie Stanley seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem diese Vermittler ihre Tätigkeit ausüben, zu erleichtern, da ein solches Verbot eine Beschränkung des Rechts des Buchmachers auf freien Dienstleistungsverkehr darstellt, und zwar auch dann, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen.

59.Es ist daher festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die italienische über Wetten, insbesondere Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt.

60.Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob solche Beschränkungen aufgrund der in den Artikeln 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.

61.Was die insbesondere von der griechischen und der portugiesischen Regierung zur Rechtfertigung der Beschränkungen für Glücksspiele und Wetten vorgetragenen Argumente angeht, so genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, wonach Steuermindereinnahmen nicht zu den in Artikel 46 EG genannten Gründen gehören und keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses bilden, der zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit oder des freien Dienstleistungsverkehrs angeführt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-264/96, ICI, Slg. 1998, I-4695, Randnr. 28, und vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C-136/00, Danner, Slg. 2002, I-8147, Randnr. 56).

62.Wie aus Randnummer 36 des Urteils Zenatti hervorgeht, müssen die Beschränkungen jedenfalls wirklich dem Ziel dienen, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen darf nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein.

63.Jedoch hat der Gerichtshof, worauf die Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, wie auch die Kommission hingewiesen haben, in seinen Urteilen Schindler, Läärä u. a. und Zenatti ausgeführt, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, es rechtfertigen können, dass die staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben.

64.Damit die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt sind, müssen sie auf jeden Fall die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergebenden Voraussetzungen erfüllen (vgl. u. a. Urteile vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-19/92, Kraus, Slg. 1993, I-1663, Randnr. 32, und vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 37).

65.Nach dieser Rechtsprechung müssen die genannten Beschränkungen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Auf jeden Fall müssen sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden.

66.Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, darüber zu befinden, ob im Ausgangsverfahren die durch das Gesetz Nr. 401/89 eingeführten Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Dabei hat es die in den nachfolgenden Randnummern angeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

67.Zunächst hat der Gerichtshof in den Urteilen Schindler, Läärä u. a. und Zenatti zwar anerkannt, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können; jedoch müssen die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen.

68.Hierzu hat das vorlegende Gericht unter Bezugnahme auf die Vorarbeiten zu dem Gesetz Nr. 388/00 ausgeführt, dass der italienische Staat auf nationaler Ebene eine Politik der starken Ausweitung des Spielens und Wettens zum Zweck der Einnahmenerzielung verfolge und dabei die Konzessionäre des CONI schütze.

69.Soweit nun aber die Behörden eines Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, können sich die Behörden dieses Staates nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen, um Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu rechtfertigen.

70.Ferner müssen die durch die italienische Regelung auferlegten Beschränkungen im Bereich der Ausschreibungen in dem Sinne unterschiedslos anwendbar sein, dass sie in gleicher Weise und mit den gleichen Kriterien für in Italien ansässige Wirtschaftsteilnehmer wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten.

71.Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Beteiligung an Ausschreibungen für Konzessionen zur Durchführung von Wetten über Sportereignisse so festgelegt sind, dass sie in der Praxis von den italienischen Wirtschaftsteilnehmern leichter erfüllt werden können als von denjenigen aus dem Ausland. Gegebenenfalls wäre durch diese Voraussetzungen das Kriterium der Nichtdiskriminierung nicht beachtet.

72.Schließlich dürfen die durch die italienischen Rechtsvorschriften auferlegten Beschränkungen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles erforderlich ist. Insoweit wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die Strafe, die gegen jede Person, die von ihrem Wohnort in Italien aus über das Internet mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Buchmacher Wetten durchführt, verhängt wird, nicht vor allem deshalb eine im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofes unverhältismäßige Sanktion darstellt (vgl. Urteile vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-193/94, Skanavi und Chryssanthakopoulos, Slg. 1996, I-929, Randnrn. 34 bis 39, und vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-459/99, MRAX, Slg. 2002, I-6591, Randnrn. 89 bis 91), weil zur Teilnahme an Wetten ermuntert wird, sofern sie im Zusammenhang mit Spielen stattfindet, die von zugelassenen nationalen Einrichtungen organisiert werden.

73.Das vorlegende Gericht wird sich außerdem die Frage stellen müssen, ob der Umstand, dass Vermittlern, die die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Buchmacher, der in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem diese Dienstleistungen angeboten werden, dadurch erleichtern, dass sie in ihren Räumen den Wettenden eine Internetverbindung zu diesem Buchmacher zur Verfügung stellen, Beschränkungen auferlegt werden, die mit Strafandrohungen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bewehrt sind, eine Beschränkung darstellt, die über das zur Betrugsbekämpfung Erforderliche hinausgeht. Dies könnte vor allem deshalb der Fall sein, weil der Leistungserbringer im Mitgliedstaat der Niederlassung einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterliegt, die Vermittler rechtmäßig gegründet sind und diese Vermittler vor den sich aus dem Gesetz Nr. 388/00 ergebenden Gesetzesänderungen glaubten, zur Übermittlung von Wetten über ausländische Sportereignisse berechtigt zu sein.

74.Was die Verhältnismäßigkeit der italienischen Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit angeht, so kann sich, auch wenn das von den Behörden eines Mitgliedstaats verfolgte Ziel darin besteht, das Risiko auszuschalten, dass die Konzessionäre für Spiele in kriminelle oder betrügerische Tätigkeiten verwickelt werden, der Ausschluss der Möglichkeit für Kapitalgesellschaften, die auf den reglementierten Märkten der anderen Mitgliedstaaten notiert sind, Konzessionen für die Verwaltung von Sportwetten zu erhalten, obwohl es vor allem andere Mittel gibt, die Konten und Tätigkeiten solcher Gesellschaften zu kontrollieren, als eine Maßnahme erweisen, die über das zur Betrugsverhinderung Erforderliche hinausgeht.

75.Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die nationale Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

76.Angesichts all dieser Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass eine nationale Regelung, die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, enthält, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Artikeln 43 EG und 49 EG darstellt, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

Kosten

77.Die Auslagen der italienischen, der belgischen, der griechischen, der spanischen, der französischen, der luxemburgischen, der portugiesischen, der finnischen und der schwedischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Vorlagenantwort

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Tribunale Ascoli Piceno mit Beschluss vom 30. März 2001 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Eine nationale Regelung, die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, enthält, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Artikeln 43 EG und 49 EG dar, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.
Quelle
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Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 2007
Strafverfahren gegen Placanica und andere


URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
6. März 2007(*)

„Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG – Glücksspiele – Sammeln von Wetten auf Sportereignisse – Erfordernis einer Konzession – Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern in der Rechtsform bestimmter Kapitalgesellschaften – Erfordernis einer polizeilichen Genehmigung – Strafrechtliche Sanktionen“
In den verbundenen Rechtssachen C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunale di Larino (Italien) (C‑338/04) und vom Tribunale di Teramo (Italien) (C‑359/04 und C‑360/04) mit Entscheidungen vom 8. und 31. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 6. und 18. August 2004, in den Strafverfahren gegen
Massimiliano Placanica (C‑338/04),
Christian Palazzese (C‑359/04),
Angelo Sorricchio (C‑360/04)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und K. Lenaerts, des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilešič,
Generalanwalt: D. Ruiz‑Jarabo Colomer,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Herren Placanica und Palazzese, vertreten durch D. Agnello, avvocatessa,
– von Herrn Sorricchio, vertreten durch R. A. Jacchia, A. Terranova, I. Picciano und F. Ferraro, avvocati,
– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo und F. Sclafani, avvocati dello Stato (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04),
– der belgischen Regierung, zunächst vertreten durch D. Haven, dann durch M. Wimmer als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und S. Verhulst, advocaten (C‑338/04),
– der deutschen Regierung, vertreten durch C.‑D. Quassowski und C. Schulze‑Bahr als Bevollmächtigte (C‑338/04),
– der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04),
– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Bergeot‑Nunes als Bevollmächtigte (C‑338/04),
– der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04),
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. I. Fernandes und A. P. Barros als Bevollmächtigte (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04) im Beistand von J. L. da Cruz Vilaça, advogado (C‑338/04),
– der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte (C‑338/04),
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa als Bevollmächtigten (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04),
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2006
folgendes


Urteil

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG.
2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Strafverfahren gegen die Herren Placanica, Palazzese und Sorricchio wegen Verstoßes gegen die italienischen Rechtsvorschriften über das Sammeln von Wetten. Die Ersuchen stehen in einem rechtlichen und tatsächlichen Rahmen, der demjenigen ähnlich ist, in dem die Urteile vom 21. Oktober 1999, Zenatti (C‑67/98, Slg. 1999, I‑7289), und vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031), ergangen sind.
Rechtlicher Rahmen
3 Die italienische Regelung sieht im Wesentlichen vor, dass die Teilnahme an der Veranstaltung von Glücksspielen einschließlich des Sammelns von Wetten den Erhalt einer Konzession und einer polizeilichen Genehmigung voraussetzt. Der Verstoß gegen diese Regelung kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden.
Die Konzessionen
4 Die Vergabe von Konzessionen für die Veranstaltung von Wetten auf Sportereignisse wurde bis 2002 vom Comitato Olimpico Nazionale Italiano (Italienisches Nationales Olympisches Komitee, im Folgenden: CONI) und der Unione nazionale per l’incremento delle razze equine (Nationalverband zur Verbesserung der Pferderassen, im Folgenden: UNIRE) verwaltet, die berechtigt waren, Wetten im Zusammenhang mit Sportwettkämpfen zu organisieren, die unter ihrer Kontrolle veranstaltet wurden oder stattfanden. Das ergab sich aus dem Decreto legislativo Nr. 496 vom 14. April 1948 (GURI Nr. 118 vom 14. April 1948), aus Art. 3 Abs. 229 des Gesetzes Nr. 549 vom 28. Dezember 1995 (GURI Nr. 302 vom 29. Dezember 1995, Supplemento ordinario) und aus Art. 3 Abs. 78 des Gesetzes Nr. 662 vom 23. Dezember 1996 (GURI Nr. 303 vom 28. Dezember 1996, Supplemento ordinario).
5 Für die Erteilung von Konzessionen wurden mit dem Dekret Nr. 174 des Ministero dell’Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) vom 2. Juni 1998 (GURI Nr. 129 vom 5. Juni 1998, im Folgenden: Dekret Nr. 174/98) für das CONI und mit dem Dekret Nr. 169 des Präsidenten der Republik vom 8. April 1998 (GURI Nr. 125 vom 1. Juni 1998) für die UNIRE spezielle Regeln erlassen.
6 Das Dekret Nr. 174/98 sah für die Erteilung von Konzessionen durch das CONI eine Vergabe im Wege einer Ausschreibung vor. Bei der Vergabe sollte das CONI insbesondere auf die Transparenz der Eigentumsstruktur der Konzessionäre sowie auf eine zweckmäßige Verteilung der Sammel‑ und Wettannahmestellen im Inland achten.
7 Art. 2 Abs. 6 des Dekrets Nr. 174/98 sah zur Gewährleistung einer transparenten Eigentumsstruktur vor, dass im Fall von Konzessionären, die Kapitalgesellschaften waren, die stimmberechtigten Anteile auf den Namen von natürlichen Personen, offenen Handelsgesellschaften oder Kommanditgesellschaften ausgestellt sein mussten und nicht durch einfaches Indossament übertragbar sein durften.
8 Für die Erteilung von Konzessionen durch die UNIRE galten entsprechende Vorschriften.
9 Im Jahr 2002 wurden mit einer Reihe legislativer Maßnahmen die Befugnisse des CONI und der UNIRE im Bereich der Wetten auf Sportwettkämpfe auf die Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (Autonome Verwaltung der Staatsmonopole) übertragen, die dem Ministero dell’Economia e delle Finanze untersteht.
10 Infolge einer dabei durch Art. 22 Abs. 11 des Gesetzes Nr. 289 vom 27. Dezember 2002 (GURI Nr. 305 vom 31. Dezember 2002, Supplemento ordinario, im Folgenden: Finanzgesetz 2003) eingeführten Änderung können seither alle Kapitalgesellschaften ungeachtet ihrer Rechtsform an Ausschreibungen für die Vergabe von Konzessionen teilnehmen.
Die polizeilichen Genehmigungen
11 Eine polizeiliche Genehmigung wird ausschließlich Konzessionären oder denjenigen erteilt, die von einem Ministerium oder einer anderen gesetzlich zur Organisation oder Veranstaltung von Wetten befugten Einrichtung eine entsprechende Erlaubnis erhalten haben. Das ergibt sich aus Art. 88 des Regio Decreto Nr. 773, Testo Unico delle Leggi di Pubblica Sicurezza (Königliches Dekret Nr. 773, Testo Unico der Gesetze auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit), vom 18. Juni 1931 (GURI Nr. 146 vom 26. Juni 1931) in der Fassung des Art. 37 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 388 vom 23. Dezember 2000 (GURI Nr. 302 vom 29. Dezember 2000, Supplemento ordinario, im Folgenden: Königliches Dekret).
12 Außerdem kann eine polizeiliche Genehmigung gemäß Art. 11 in Verbindung mit Art. 14 des Königlichen Dekrets nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller zu bestimmten Strafen oder wegen bestimmter Zuwiderhandlungen, insbesondere gegen den öffentlichen Anstand und die guten Sitten oder gegen die Vorschriften über das Glücksspiel, verurteilt wurde.
13 Gemäß Art. 16 des Königlichen Dekrets hat der Inhaber der Genehmigung nach deren Erteilung den Ordnungsbehörden jederzeit Zutritt zu den Räumlichkeiten zu gewähren, in denen die genehmigte Tätigkeit ausgeübt wird.
Strafrechtliche Sanktionen
14 Art. 4 des Gesetzes Nr. 401 vom 13. Dezember 1989 über Interventionen auf dem Gebiet des heimlichen Spiels und der heimlichen Wetten und zum Schutz des ordnungsgemäßen Ablaufs sportlicher Wettkämpfe (GURI Nr. 294 vom 18. Dezember 1989) in der durch Art. 37 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 388 geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 401/89) sieht für die widerrechtliche Ausübung von Spieltätigkeiten folgende strafrechtlichen Sanktionen vor:
„(1) Wer widerrechtlich Lotterien, Wetten oder Prognosewettbewerbe organisiert, die gesetzlich dem Staat oder konzessionierten Einrichtungen vorbehalten sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Derselben Strafe unterliegt, wer Wetten oder Prognosewettbewerbe in Bezug auf vom [CONI], den unter dessen Kontrolle stehenden Einrichtungen oder der [UNIRE] veranstaltete Sportereignisse organisiert. Wer widerrechtlich öffentliche Wetten auf andere Wettkämpfe von Personen oder Tieren und auf Geschicklichkeitsspiele organisiert, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu einem Jahr und einer Geldstrafe von mindestens 1 Million ITL bestraft. …
(2) Wer für die Wettbewerbe, Spiele oder Wetten, die nach den in Abs. 1 beschriebenen Modalitäten veranstaltet werden, ohne Mittäter eines dort festgelegten Delikts zu sein, wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten und einer Geldstrafe zwischen 100 000 und 1 Million ITL bestraft.
(3) Wer an Wettbewerben, Spielen oder Wetten, die nach den in Abs. 1 beschriebenen Modalitäten veranstaltet werden, teilnimmt, ohne Mittäter eines dort festgelegten Delikts zu sein, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder einer Geldstrafe zwischen 100 000 und 1 Million ITL bestraft.
(4a) Die in diesem Artikel vorgesehenen Sanktionen sind auf denjenigen anwendbar, der in Italien ohne die nach Art. 88 des [Königlichen Dekrets] erforderliche Konzession, Genehmigung oder Lizenz eine Tätigkeit zur Annahme oder zum Sammeln oder jedenfalls zur Erleichterung der Annahme oder, auf welche Art auch immer, des Sammelns, auch über Telefon oder durch Datenübertragung, von Wetten jeder Art betreibt, die durch wen auch immer in Italien oder im Ausland abgeschlossen werden.
…“
Die Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione
15 Die Corte suprema di cassazione hatte in ihrem Urteil Nr. 111/04 vom 26. April 2004 (im Folgenden: Urteil Gesualdi) zu prüfen, ob die italienischen Rechtsvorschriften über Glücksspiele mit den Art. 43 EG und 49 EG vereinbar sind. Sie gelangte zu dem Ergebnis, dass die genannten Rechtsvorschriften den Art. 43 EG und 49 EG nicht zuwiderlaufen.
16 Die Corte suprema di cassazione stellte in ihrem Urteil fest, dass der italienische Gesetzgeber seit Jahren mit dem offensichtlichen Ziel, die Staatseinnahmen zu erhöhen, eine expansive Politik in diesem Bereich verfolge und dass die italienischen Rechtsvorschriften nicht mit Zielen des Verbraucherschutzes, der Beschränkung der Spielleidenschaft der Verbraucher oder der Eindämmung des Angebots von Spielen gerechtfertigt werden könnten. Dagegen verfolgten die italienischen Rechtsvorschriften tatsächlich das Ziel, die Glücksspieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, um ihre Ausnutzung zu kriminellen Zwecken zu verhindern. Deshalb unterwerfe das italienische Recht die Veranstalter von Wetten und Prognosewettbewerben und die Räumlichkeiten, in denen diese Veranstaltungen stattfänden, einer Kontrolle und Überwachung. Nach Ansicht der Corte suprema di cassazione können diese Ziele als solche Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen.
17 Zu den Voraussetzungen, die eine transparente Eigentumsstruktur der Konzessionäre gewährleisten sollten und hierfür von Ausschreibungen für die Konzessionsvergabe solche Gesellschaften ausschlossen, deren einzelne Anteilseigner nicht jederzeit feststellbar waren, stellte die Corte suprema di cassazione im Urteil Gesualdi fest, dass die italienische Regelung ausländische Gesellschaften nicht diskriminiere, und zwar auch nicht mittelbar, da sie den Ausschluss aller ausländischen ebenso wie aller italienischen Kapitalgesellschaften bewirke, deren Anteilseigner nicht sicher festgestellt werden könnten.
Die Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen
Die Erteilung der Konzessionen
18 Aus den Akten ergibt sich, dass das CONI am 11. Dezember 1998 gemäß den italienischen Rechtsvorschriften eine Ausschreibung für die Erteilung von 1 000 Konzessionen für die Annahme von Wetten auf Sportwettkämpfe vornahm. Diese Anzahl von Konzessionen hielt man aufgrund einer spezifischen Schätzung für das gesamte Inland für ausreichend. Daneben veranstaltete das Ministero dell’Economia e delle Finanze zusammen mit dem Ministero delle Politiche Agricole e Forestali (Ministerium für Land- und Forstwirtschaftspolitik) eine Ausschreibung über 671 neue Konzessionen für die Annahme von Wetten auf Reitsportveranstaltungen, während 329 bestehende Konzessionen automatisch verlängert wurden.
19 Die Anwendung der zur Zeit der genannten Ausschreibungen geltenden Vorschriften über die Transparenz der Eigentumsstruktur der Konzessionäre führte u. a. zum Ausschluss der Angebote von Bietern, die auf reglementierten Märkten notierte Gesellschaften waren, weil es bei diesen Gesellschaften nicht möglich war, die einzelnen Anteilseigner stets genau zu ermitteln. Im Wege dieser Ausschreibungen wurden im Jahr 1999 Konzessionen mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Jahren erteilt, die um weitere sechs Jahre verlängerbar waren.
Die Stanley International Betting Ltd
20 Die Stanley International Betting Ltd (im Folgenden: Stanley) ist eine Gesellschaft englischen Rechts, die zur Gruppe der Stanley Leisure plc gehört, einer Gesellschaft englischen Rechts, deren Anteile an der Börse in London (Vereinigtes Königreich) gehandelt werden. Beide Gesellschaften haben ihren Sitz in Liverpool (Vereinigtes Königreich). Die im Bereich der Glücksspiele tätige Gruppe ist der viertgrößte Buchmacher und größte Betreiber von Spielhallen im Vereinigten Königreich.
21 Stanley ist einer der Vertriebszweige der Stanley Leisure plc außerhalb des Vereinigten Königreichs. Sie darf als Inhaberin einer von der Stadt Liverpool ausgestellten Lizenz in diesem Mitgliedstaat als Buchmacher tätig sein. Sie unterliegt Kontrollen durch die britischen Behörden im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit, internen Prüfungen der Ordnungsmäßigkeit ihrer Tätigkeiten, weiteren Kontrollen durch eine private Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie schließlich Überprüfungen durch die Finanz- und Zollverwaltung des Vereinigten Königreichs.
22 Da Stanley für mindestens 100 Wettannahmestellen in Italien Konzessionen erwerben wollte, unterrichtete sie sich über die Möglichkeiten einer Teilnahme an den Ausschreibungen, aber erfuhr dabei, dass sie die vorgeschriebenen Voraussetzungen hinsichtlich einer transparenten Eigentumsstruktur der Konzessionäre deshalb nicht zu erfüllen vermochte, weil sie zu einer Unternehmensgruppe gehörte, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt wurden. Sie nahm daher an keiner Ausschreibung teil und besitzt keine Konzession für die Veranstaltung von Wetten.
Die Datenübertragungszentren
23 Stanley betreibt in Italien mehr als 200 Agenturen, die allgemein als „Datenübertragungszentren“ (DÜZ) bezeichnet werden. Letztere bieten ihre Dienste in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten an, in denen sie den Wettern Datenübertragungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, mit denen sie auf den Server von Stanley im Vereinigten Königreich zugreifen können. Die Wetter können Stanley so elektronisch Vorschläge für Sportwetten übermitteln, die sie aus Stanleys Veranstaltungs- und Bewertungsprogrammen ausgewählt haben, und die Annahme dieser Vorschläge entgegennehmen, ihre Einsätze zahlen und gegebenenfalls ihre Gewinne vereinnahmen.
24 Die DÜZ werden von unabhängigen Betreibern unterhalten, die vertraglich mit Stanley verbunden sind. Die in den Ausgangsverfahren beschuldigten Herren Placanica, Palazzese und Sorricchio sind alle drei DÜZ-Betreiber, die als Vertragspartner von Stanley tätig sind.
25 Aus den vom Tribunale di Teramo übermittelten Akten geht hervor, dass die Herren Palazzese und Sorricchio vor Aufnahme ihrer Aktivitäten beim Polizeipräsidium von Atri polizeiliche Genehmigungen gemäß Art. 88 des Königlichen Dekrets beantragt hatten. Diese Anträge blieben unbeantwortet.
Das Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Larino (C‑338/04)
26 Die Staatsanwaltschaft hat gegen Herrn Placanica ein Strafverfahren beim Tribunale di Larino eingeleitet, in dem sie ihn beschuldigt, gegen Art. 4 Abs. 4a des Gesetzes Nr. 401/89 verstoßen zu haben, indem er als Betreiber eines DÜZ für Rechnung von Stanley das Sammeln von Wetten ohne die erforderliche polizeiliche Genehmigung betrieben habe.
27 Das Tribunale di Larino hegt Zweifel, ob das Ergebnis, zu dem die Corte suprema di cassazione in ihrem Urteil Gesualdi gelangt ist, zutreffend ist und ob Art. 4 Abs. 4a des Gesetzes Nr. 401/89 tatsächlich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Es wirft die Frage auf, ob die von der Corte suprema di cassazione geltend gemachten Ziele der öffentlichen Ordnung die fraglichen Beschränkungen rechtfertigen können.
28 Vor diesem Hintergrund hat das Tribunale di Larino beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Wie bewertet der Gerichtshof die Vereinbarkeit von Art. 4 Abs. 4a des Gesetzes Nr. 401/89 mit den in den Art. 43 ff. EG und 49 EG zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit und den freien grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, auch im Licht des Unterschieds in der Auslegung zwischen den Entscheidungen des Gerichtshofs (insbesondere dem Urteil Gambelli u. a.) und der Entscheidung der Corte suprema di cassazione, Vereinigte Kammern (in der Rechtssache Gesualdi)? Insbesondere wird um Klärung gebeten, ob die in der Anklageschrift angeführte Sanktionsregelung, die Herr Placanica rügt, im italienischen Staat anwendbar ist.
Die Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Teramo (C‑359/04 und C‑360/04)
29 Das Polizeipräsidium von Atri, das den Herren Palazzese und Sorricchio vorwirft, eine organisierte Tätigkeit betrieben zu haben, um ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung das Sammeln von Wetten zu fördern, hat, gestützt auf Art. 4 Abs. 4a des Gesetzes Nr. 401/89, ihre Räumlichkeiten und Geräte beschlagnahmen lassen. Nachdem die Beschlagnahme von der Staatsanwaltschaft bestätigt worden war, erhoben die Herren Palazzese und Sorricchio gegen die Beschlagnahme beim Tribunale di Teramo Klage.
30 Das Tribunale di Teramo ist der Ansicht, dass die Beschränkungen für auf reglementierten Märkten notierte Kapitalgesellschaften, die diese 1999 daran gehindert hätten, an der letzten Ausschreibung für die Erteilung von Konzessionen für die Veranstaltung von Wetten teilzunehmen, mit den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen unvereinbar seien, weil sie nichtitalienische Wirtschaftsteilnehmer diskriminierten. Deshalb hegt das Gericht ebenso wie das Tribunale di Larino Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils Gesualdi.
31 Unter diesen Umständen hat das Tribunale di Teramo beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Können die Art. 43 Abs. 1 EG und 49 Abs. 1 EG dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten zeitlich begrenzt (für eine Zeit von sechs bis zwölf Jahren) von den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in der Europäischen Union durch eine Regelung, wie sie im Folgenden wiedergegeben ist, abweichen können, ohne die erwähnten Gemeinschaftsprinzipien zu verletzen:
– Einigen Personen werden Konzessionen für bestimmte Dienstleistungstätigkeiten, die für sechs bis zwölf Jahre gültig sind, auf der Grundlage einer Regelung erteilt, die dazu geführt hat, dass von der Ausschreibung für ihre Erteilung bestimmte Gruppen von (nichtitalienischen) Wettbewerbern ausgeschlossen waren;
– nachdem später zur Kenntnis genommen worden war, dass diese Regelung nicht mit den Grundsätzen der Art. 43 EG und 49 EG vereinbar war, wurde sie dahin geändert, dass künftig die Teilnahme auch den Personen gestattet wurde, die davon ausgeschlossen worden waren;
– die Konzessionen, die auf der Grundlage der vorherigen Regelung erteilt worden waren, welche, wie bereits ausgeführt, gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßen haben soll, wurden nicht zurückgenommen, und es wurde keine neue Ausschreibung nach der neuen Regelung, die jetzt diese Grundsätze einhält, veranstaltet;
– stattdessen werden weiterhin Personen strafrechtlich verfolgt, die in Verbindung mit Personen tätig sind, die für diese Tätigkeit im Herkunftsmitgliedstaat zugelassen worden sind, doch von der Ausschreibung gerade wegen der Ausschlussregelungen nach den vorher geltenden Bestimmungen, die später aufgehoben wurden, ausgeschlossen waren?
32 Mit einem ersten Beschluss vom 14. Oktober 2004 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden. Mit einem zweiten Beschluss vom 27. Januar 2006 hat der Präsident des Gerichtshofs auch die Rechtssache C‑338/04 mit den Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen
33 In der Rechtssache C‑338/04 haben alle Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, mit Ausnahme der belgischen Regierung die Zulässigkeit der Vorlagefrage bezweifelt. Die italienische und die spanische Regierung halten auch die Zulässigkeit der in den Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04 vorgelegten Frage für zweifelhaft. In der Rechtssache C‑338/04 machen die portugiesische und die finnische Regierung geltend, dass das Vorlageersuchen des Tribunale di Larino keine ausreichenden Informationen enthalte, um darauf eine Antwort geben zu können, während nach Ansicht der italienischen, der deutschen, der spanischen und der französischen Regierung die darin gestellte Frage die Auslegung nationalen Rechts und nicht des Gemeinschaftsrechts betrifft; der Gerichtshof werde daher mit dieser Frage ersucht, über die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden. Die italienische und die spanische Regierung machen denselben Vorbehalt zur Zulässigkeit der in den Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04 aufgeworfenen Frage geltend.
34 Die Informationen, die dem Gerichtshof im Rahmen einer Vorlageentscheidung geliefert werden müssen, dienen nicht nur dazu, dem Gerichtshof zu ermöglichen, sachdienliche Antworten zu geben, sie sollen vielmehr auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen interessierten Beteiligten die Möglichkeit geben, sich gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs zu äußern. Nach ständiger Rechtsprechung ist es dazu zum einen erforderlich, dass das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Zum anderen muss die Vorlageentscheidung die genauen Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Gemeinschaftsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Ausgangsrechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 26. Januar 1993, Telemarsicabruzzo u. a., C‑320/90 bis C‑322/90, Slg. 1993, I‑393, Randnr. 6, vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a., C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, Slg. 2005, I‑10423, Randnrn. 45 bis 47, und vom 19. September 2006, Wilson, C‑506/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnrn. 38 und 39).
35 Die Vorlageentscheidung des Tribunale di Larino (C‑338/04) genügt diesen Anforderungen. Da nämlich der nationale Rechtsrahmen und das Vorbringen der Parteien im Wesentlichen mit dem Rahmen identisch sind, in den sich das genannte Urteil Gambelli u. a. einfügte, genügte ein Verweis auf dieses Urteil, um es dem Gerichtshof, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten zu ermöglichen, den Gegenstand des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren zu erkennen.
36 Nach der Verteilung der Zuständigkeiten im Rahmen des in Art. 234 EG geregelten Systems der Zusammenarbeit ist die Auslegung der nationalen Vorschriften zwar Sache der nationalen Gerichte und nicht des Gerichtshofs, und es obliegt diesem nicht, sich im Rahmen eines gemäß diesem Artikel eingeleiteten Verfahrens zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit denen des Gemeinschaftsrechts zu äußern. Der Gerichtshof ist jedoch befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Frage der Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden (vgl. insbesondere Urteile vom 30. November 1995, Gebhard, C‑55/94, Slg. 1995, I‑4165, Randnr. 19, und Wilson, Randnrn. 34 und 35).
37 Insoweit hat der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof nach dem Wortlaut der Vorlagefrage des Tribunale di Larino (C‑338/04) ersucht wird, sich zur Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zu äußern. Obwohl der Gerichtshof die Frage, so wie sie formuliert ist, nicht beantworten kann, ist er durch nichts daran gehindert, dem vorlegenden Gericht durch die Gewährung von Hinweisen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts eine sachdienliche Antwort zu geben, anhand deren das Gericht selbst über die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden kann.
38 Die Vorlagefrage des Tribunale di Teramo (C‑359/04 und C‑360/04) gibt die Wirkungen einer Reihe von nationalen gesetzgeberischen Maßnahmen genau an und geht dahin, ob diese Wirkungen mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Diese Frage ist also nicht darauf gerichtet, dass der Gerichtshof nationales Recht auslegt oder dessen Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht beurteilt.
39 Deshalb sind die Vorlagefragen zulässig.
Zu den Vorlagefragen
40 Wie sich aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten ergibt, muss ein Wirtschaftsteilnehmer, der in Italien im Glücksspielsektor tätig werden will, nationalen Rechtsvorschriften nachkommen, wonach
– der Besitz einer Konzession vorgeschrieben ist;
– Konzessionen im Wege einer Ausschreibung erteilt werden, von der bestimmte Arten von Wirtschaftsteilnehmern, insbesondere Gesellschaften, deren einzelne Anteilseigner nicht jederzeit feststellbar sind, ausgeschlossen sind;
– der Besitz einer polizeilichen Genehmigung vorgeschrieben ist;
– Verstöße gegen die Regelung strafrechtlich sanktioniert werden.
41 Mit den Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte wissen, ob die Art. 43 EG und 49 EG einer nationalen Regelung über Glücksspiele wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, weil sie diese Merkmale aufweist.
42 Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die in den Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten im Glücksspielsektor ohne eine vom Staat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung unter Strafandrohung verbietet, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 59 und Tenor).
43 Zum einen stellen Beschränkungen, die Vermittlern wie den Beschuldigten der Ausgangsverfahren auferlegt werden, für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaften wie Stanley, die mittels einer Organisation von Agenturen wie den DÜZ der Beschuldigten in anderen Mitgliedstaaten das Sammeln von Wetten betreiben, Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit dar (vgl. Urteil Gambelli, u. a., Randnr. 46).
44 Zum anderen stellt das an Vermittler wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren gerichtete Verbot, die Erbringung von auf Sportereignisse bezogenen Wettdienstleistungen, die von einem Leistungserbringer organisiert werden, der wie Stanley seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem die Vermittler ihre Tätigkeit ausüben, zu erleichtern, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dieses Leistungserbringers dar, und zwar auch dann, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedstaat wie die Empfänger der Dienstleistungen ansässig sind (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 58).
45 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die in den Ausgangsverfahren fraglichen Beschränkungen aufgrund der in den Art. 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 60).
46 In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt, nämlich die Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1994, Schindler, C‑275/92, Slg. 1994, I‑1039, Randnrn. 57 bis 60, vom 21. September 1999, Läärä u. a., C‑124/97, Slg. 1999, I‑6067, Randnrn. 32 und 33, Zenatti, Randnrn. 30 und 31, sowie Gambelli u. a., Randnr. 67).
47 In diesem Kontext können die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, ein ausreichendes Ermessen der staatlichen Stellen rechtfertigen, festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 63).
48 Es steht den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht zwar frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, jedoch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen.
49 Daher ist gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung namentlich zu prüfen, ob die Beschränkung geeignet ist, die Verwirklichung des von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemachten Ziels oder der von ihm geltend gemachten Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist. Auf jeden Fall dürfen die Beschränkungen nicht diskriminierend angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Gebhard, Randnr. 37, Gambelli u. a., Randnrn. 64 und 65, sowie vom 13. November 2003, Lindman, C‑42/02, Slg. 2003, I‑13519, Randnr. 25).
Zum Erfordernis einer Konzession
50 Um in Italien im Glücksspielsektor tätig werden zu können, bedarf ein Wirtschaftsteilnehmer einer Konzession. Die Anzahl dieser Betreiber ist nach dem angewandten Konzessionssystem begrenzt. Im Bereich der Annahme von Wetten ist die Zahl der Konzessionen für die Verwaltung von Wetten auf andere Sportwettkämpfe als Reitsportveranstaltungen auf 1 000 begrenzt; die Zahl der Konzessionen für die Annahme von Wetten auf Reitsportveranstaltungen unterliegt der gleichen Begrenzung.
51 Es ist zunächst festzustellen, dass die sich aus dieser Begrenzung ergebenden Hemmnisse für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr nicht bereits dadurch gerechtfertigt werden, dass die genannte Zahl der Konzessionen für die beiden Veranstaltungskategorien, wie sich aus den Akten ergibt, aufgrund einer spezifischen Schätzung als für das gesamte Inland „ausreichend“ erachtet wurde.
52 Hinsichtlich der Ziele, die diese Hemmnisse rechtfertigen können, ist in diesem Zusammenhang zu unterscheiden zwischen zum einen dem Ziel, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und – soweit Glücksspiele zugelassen sind – zum anderen dem Ziel, dadurch Straftaten vorzubeugen, dass die in diesem Sektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer Kontrolle unterworfen und Glücksspieltätigkeiten in Bahnen gelenkt werden, die diesen Kontrollen unterliegen.
53 Zu dem Ziel der erstgenannten Art ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Beschränkungen der Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer zwar grundsätzlich gerechtfertigt sein können, jedoch in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden müssen, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne Urteile Zenatti, Randnrn. 35 und 36, und Gambelli u. a., Randnrn. 62 und 67).
54 Im vorliegenden Fall steht es jedoch nach der Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione fest, dass der italienische Gesetzgeber im Glücksspielsektor eine expansive Politik mit dem Ziel betreibt, die Staatseinnahmen zu erhöhen, und dass die italienischen Rechtsvorschriften weder mit dem Ziel einer Beschränkung der Spielleidenschaft der Verbraucher noch mit dem einer Eindämmung des Spielangebots gerechtfertigt werden können.
55 Als das wirkliche Ziel der in den Ausgangsverfahren fraglichen italienischen Regelung ist nämlich sowohl von der Corte suprema di cassazione als auch – in ihren schriftlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof – von der italienischen Regierung das zu der zweiten Art von Zielsetzungen gehörende Ziel benannt worden, die Glücksspieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, um ihrer Ausnutzung zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Eine Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor kann dabei ohne weiteres mit dem Ziel in Einklang stehen, Spieler, die als solchen verbotenen Tätigkeiten geheimer Spiele oder Wetten nachgehen, dazu zu veranlassen, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Wie insbesondere die belgische und die französische Regierung zutreffend ausgeführt haben, ist es zur Erreichung dieses Ziels erforderlich, dass die zugelassenen Betreiber eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit bereitstellen, was als solches das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen kann.
56 Die italienische Regierung hat im Übrigen auf verschiedene Umstände tatsächlicher Art verwiesen, so insbesondere auf eine vom Sechsten ständigen Ausschuss (Finanzen und Schatzwesen) des italienischen Senats durchgeführte Untersuchung des Spiel- und Wettwesens. Diese Untersuchung hat ergeben, dass geheime Spiele und Wetten, die als solche verboten sind, in Italien ein erhebliches Problem darstellen, dem mit einer Ausweitung der erlaubten und geregelten Tätigkeiten abgeholfen werden könnte. Nach der genannten Untersuchung entfällt die Hälfte des gesamten Umsatzes im Glücksspielsektor in Italien auf diese illegalen Tätigkeiten. Es wurde außerdem für möglich gehalten, durch eine Ausweitung der legalen Spiel‑ und Wetttätigkeiten solchen illegalen Tätigkeiten einen Teil des mit ihnen erzielten Umsatzes wieder zu entziehen, und zwar mindestens in Höhe des derzeit mit legalen Tätigkeiten erzielten Umsatzes.
57 Ein Konzessionssystem kann unter diesen Umständen ein wirksamer Mechanismus sein, um die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausnutzung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Der Gerichtshof verfügt hingegen nicht über ausreichende tatsächliche Angaben, um die Begrenzung der Gesamtzahl der Konzessionen als solche im Hinblick auf die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Anforderungen zu überprüfen.
58 Die vorlegenden Gerichte werden zu prüfen haben, ob die nationale Regelung, soweit sie die Anzahl der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer begrenzt, tatsächlich dem von der italienischen Regierung geltend gemachten Ziel entspricht, der Ausnutzung von Tätigkeiten in diesem Sektor zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Ferner ist es Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob diese Beschränkungen die Voraussetzungen erfüllen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit ergeben.
Zu den Ausschreibungen
59 Das Tribunale di Teramo (Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04) weist ausdrücklich darauf hin, dass Kapitalgesellschaften, deren einzelne Anteilseigner nicht jederzeit feststellbar seien, und somit sämtliche Gesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt würden, von der Teilnahme an Ausschreibungen über die Vergabe von Konzessionen ausgeschlossen seien. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat vorgetragen, dass diese Beschränkung den Ausschluss der wichtigsten Wirtschaftsteilnehmer der Gemeinschaft im Glücksspielsektor zur Folge habe, die sich in Form von auf reglementierten Märkten notierten Kapitalgesellschaften etabliert hätten.
60 Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der im Rahmen der Ausschreibungen von 1999 vorgesehenen Bedingungen durch die 2002 vorgenommenen gesetzlichen Änderungen, aufgrund deren sich seither jede Kapitalgesellschaft ungeachtet ihrer Rechtsform an Ausschreibungen über die Konzessionsvergabe beteiligen kann, keineswegs gegenstandslos geworden ist. Das Tribunale di Teramo weist nämlich zutreffend darauf hin, dass sich der Ausschluss der auf geregelten Märkten notierten Kapitalgesellschaften und der für ihre Rechnung tätigen Vermittler, wie der Beschuldigten der Ausgangsverfahren, vom Glücksspielsektor bis zum Jahr 2011 auswirken könne, da die 1999 erteilten Konzessionen für sechs Jahre galten und um weitere sechs Jahre verlängert werden können, während zwischenzeitlich neue Ausschreibungen nicht vorgesehen wurden.
61 Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die in Frage stehende nationale Regelung für Vergabeverfahren, soweit das Fehlen ausländischer Wirtschaftsteilnehmer unter den Konzessionären darauf zurückzuführen ist, dass die italienische Ausschreibungsregelung die Möglichkeit für auf den reglementierten Märkten der anderen Mitgliedstaaten notierte Kapitalgesellschaften, Konzessionen zu erhalten, praktisch ausschließt, auf den ersten Blick selbst dann eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn der Ausschluss von den Ausschreibungen unterschiedslos für alle auf reglementierten Märkten notierten, in Italien oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaften gilt, die an Konzessionen interessiert sein könnten (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 48).
62 Unabhängig von der Frage, ob der Ausschluss der auf reglementierten Märkten notierten Kapitalgesellschaften für Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in Italien tatsächlich ebenso wie für solche mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gilt, geht dieser völlige Ausschluss über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels, eine Einbeziehung der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer in kriminelle oder betrügerische Tätigkeiten zu unterbinden, erforderlich ist. Es gibt nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 125 seiner Schlussanträge bemerkt, andere Mittel, um die Konten und die Tätigkeiten der Wirtschaftsteilnehmer im Glücksspielsektor zu kontrollieren, ohne im Geringsten die Niederlassungs‑ und die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken, so etwa die Einholung von Informationen über ihre Vertreter oder Hauptanteilseigner. Dafür spricht auch, dass es der italienische Gesetzgeber für vertretbar gehalten hat, diesen Ausschlusstatbestand durch das Finanzgesetz 2003 völlig aufzuheben, ohne ihn durch andere restriktive Maßnahmen zu ersetzen.
63 Was die Folgen angeht, die sich aus der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses einer bestimmten Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern von den Ausschreibungen für die Zuteilung der bestehenden Konzessionen ergeben, so ist es Aufgabe des innerstaatlichen Rechts, Verfahrensmodalitäten vorzusehen, die den Schutz der den Wirtschaftsteilnehmern aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten, wobei diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sein dürfen als für entsprechende Sachverhalte innerstaatlicher Art (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan, C‑453/99, Slg. 2001, I‑6297, Randnr. 29, sowie vom 19. September 2006, i‑21 Germany und Arcor, C‑392/04 und C‑422/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 57). Sowohl eine Rücknahme und eine Neuverteilung der alten Konzessionen als auch die Ausschreibung einer angemessenen Anzahl neuer Konzessionen könnten in dieser Hinsicht eine angemessene Lösung sein. Es ist jedoch in jedem Fall festzustellen, dass in Ermangelung eines Verfahrens der Konzessionsvergabe, das auch den bei der letzten Ausschreibung rechtswidrig von einem möglichen Konzessionserhalt ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmern offensteht, der Umstand, dass sie keine Konzession besitzen, nicht zum Anlass für die Verhängung einer Sanktion gegen sie genommen werden darf.
64 Die Art. 43 EG und 49 EG sind daher dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.
Zum Erfordernis einer polizeilichen Genehmigung
65 Die Vorschrift, wonach die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer und deren Räumlichkeiten einer vorherigen Kontrolle und einer fortwährenden Überwachung unterzogen werden, dient eindeutig dem Ziel, eine Einbeziehung dieser Wirtschaftsteilnehmer in kriminelle oder betrügerische Tätigkeiten zu unterbinden, und erscheint im Hinblick auf dieses Ziel als eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme.
66 Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass die Beschuldigten der Ausgangsverfahren bereit waren, polizeiliche Genehmigungen einzuholen und sich einer derartigen Kontrolle und Überwachung zu unterziehen. Da die polizeilichen Genehmigungen aber ausschließlich Konzessionsinhabern erteilt werden, wäre es den Beschuldigten unmöglich gewesen, sich derartige Genehmigungen zu beschaffen. In diesem Zusammenhang ergibt sich auch aus den Akten, dass die Herren Palazzese und Sorricchio vor Aufnahme ihrer Tätigkeiten gemäß Art. 88 des Königlichen Dekrets eine polizeiliche Genehmigung beantragt hatten, ihre Anträge jedoch nicht beschieden wurden.
67 Dem polizeilichen Genehmigungsverfahren hafteten unter diesen Umständen, wie der Generalanwalt in Nr. 123 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die vorstehend dargelegten Mängel an, die die Konzessionsvergabe berühren. Das Fehlen einer polizeilichen Genehmigung kann daher Personen wie den Beschuldigten der Ausgangsverfahren, die sich derartige Genehmigungen nicht hätten beschaffen können, weil deren Erteilung den Besitz einer Konzession voraussetzt, von deren Erhalt sie unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden waren, auf jeden Fall nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Zu den strafrechtlichen Sanktionen
68 Für das Strafrecht sind zwar grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig, jedoch setzt das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit nach ständiger Rechtsprechung Schranken. Das Strafrecht darf nämlich nicht die durch das Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken (vgl. Urteil vom 19. Januar 1999, Calfa, C‑348/96, Slg. 1999, I‑11, Randnr. 17).
69 Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1983, Rienks, 5/83, Slg. 1983, 4233, Randnrn. 10 und 11).
70 Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren in ihrer Eigenschaft als Betreiber von DÜZ mit Vertragsbeziehung zu einer Gesellschaft, die Wetten veranstaltet, auf reglementierten Märkten notiert ist und ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, konnten offensichtlich die nach dem italienischen Recht erforderliche Konzession und polizeiliche Genehmigung nicht erhalten, weil die Italienische Republik unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht die Erteilung einer polizeilichen Genehmigung vom Besitz einer Konzession abhängig machte und es zum Zeitpunkt der letzten in den Ausgangsverfahren berücksichtigten Ausschreibung ablehnte, auf reglementierten Märkten notierten Gesellschaften eine solche Konzession zu gewähren. Unter diesen Umständen kann die Italienische Republik Personen wie den Beschuldigten der Ausgangsverfahren keine strafrechtlichen Sanktionen wegen Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung auferlegen.
71 Deshalb ist festzustellen, dass die Art. 43 EG und 49 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht, dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil dieser Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen.
72 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen folgendermaßen zu antworten:
1. Eine nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere auf Sportereignisse, ohne eine von dem betreffenden Mitgliedstaat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung verbietet, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 EG und 49 EG dar.
2. Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob die nationale Regelung, soweit sie die Anzahl der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer begrenzt, tatsächlich dem Ziel entspricht, der Ausnutzung von Tätigkeiten in diesem Sektor zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.
3. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.
4. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht, dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil der betreffende Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen.
Kosten
73 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Eine nationale Regelung, die die Ausübung von Tätigkeiten des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere auf Sportereignisse, ohne eine von dem betreffenden Mitgliedstaat erteilte Konzession oder polizeiliche Genehmigung verbietet, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 EG und 49 EG dar.
2. Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, zu prüfen, ob die nationale Regelung, soweit sie die Anzahl der im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer begrenzt, tatsächlich dem Ziel entspricht, der Ausnutzung von Tätigkeiten in diesem Sektor zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.
3. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.
4. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht, dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen die Konzessionen oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil der betreffende Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt hatte, sie ihnen zu erteilen.
Unterschriften
Quelle
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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS SIEGBERT ALBER
vom 13. März 2003(1)
Rechtssache C-243/01
Strafverfahren
gegen
Piergiorgio Gambelli u. a.
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Ascoli Piceno [Italien])
„Dienstleistungsfreiheit - Niederlassungsfreiheit - Sammlung und Übermittlung von Sportwetten über Internet in einen anderen Mitgliedstaat - Strafrechtliches Verbot - Mitgliedstaatliche Regelung, die bestimmten Einrichtungen das Recht zum Sammeln der Wetten vorbehält“
Inhaltsverzeichnis
    I - Einleitung
I - 2
    II - Rechtlicher Rahmen
I - 2
        A - Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften
I - 2
        B - Mitgliedstaatliche Vorschriften
I - 3
    III - Sachverhalt und Verfahren
I - 5
    IV - Stellungnahmen der Beteiligten
I - 9
        A - Gambelli
I - 9
        B - Garrisi
I - 12
        C - Die italienische Regierung
I - 14
        D - Die belgische Regierung
I - 15
        E - Die griechische Regierung
I - 15
        F - Die spanische Regierung
I - 16
        G - Die luxemburgische Regierung
I - 16
        H - Die portugiesische Regierung
I - 16
        I - Die finnische Regierung
I - 18
        J - Die schwedische Regierung
I - 18
        K - Die Kommission
I - 19
    V - Würdigung
I - 20
        A - Zu den Urteilen Schindler, Läärä und Zenatti
I - 21
            1. Das Urteil Schindler
I - 22
            2. Das Urteil Läärä
I - 23
            3. Das Urteil Zenatti
I - 24
        B - Zur Niederlassungsfreiheit
I - 27
            1. Zu den Voraussetzungen einer Niederlassung
I - 27
            2. Die Datenübertragungszentren als Niederlassungen des Unternehmens Stanley
I - 29
            3. Beschränkung der Betätigung
I - 30
                a) Diskriminierung
I - 31
                b) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses - Ziele, Geeignetheit der Maßnahme und Verhältnismäßigkeit
I - 33
        C - Zur Dienstleistungsfreiheit
I - 35
            1. Zur Behinderung der Dienstleistungsfreiheit und deren Rechtfertigung
I - 35
            2. Zur Geeignetheit der Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels
I - 38
                a) Vom Veranstalter ausgehende Gefahren
I - 38
                b) Eindämmung der Spielleidenschaft
I - 39
                c) Die Bedeutung der staatlichen Einnahmen
I - 40
            3. Das Glücksspiel und die elektronischen Medien
I - 41
            4. Konsequenzen
I - 42
    VI - Ergebnis
I - 43
I - Einleitung
1.
    Das vorliegende Verfahren wurde durch ein Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Ascoli Piceno beim Gerichtshof anhängig gemacht. Es geht hervor aus einem Strafverfahren gegen Piergiorgio Gambelli und über 100 weitere Personen(2) wegen Verstoßes u. a. gegen Artikel 4 des italienischen Gesetzes Nr. 401/89, der das Sammeln und die Weiterleitung von Wetten, die dem Staat bzw. von ihm konzessionierten Unternehmen vorbehalten sind, unter Strafe stellt. Die in Italien getätigten Wetten werden an einen britischen Buchmacher weitergeleitet. Deshalb wirft das Verfahren im Hinblick auf die Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit Fragen zur Vereinbarkeit der betreffenden mitgliedstaatlichen Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht auf. Die einschlägigen italienischen Vorschriften waren teilweise bereits Gegenstand der Beurteilung des Gerichtshofes in der Rechtssache Zenatti(3). Im vorliegenden Fall geht es jedoch gegenüber der Rechtssache Zenatti um eine andere Dimension des Problems, da es sich um einen strafrechtlichen Kontext handelt, in dem vor allem die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen von Bedeutung ist. Außerdem werden die mitgliedstaatlichen Vorschriften unter dem Aspekt der Niederlassungsfreiheit thematisiert, während der Gerichtshof die Problematik der Lotterien(4), Glücksspiele(5) und Sportwetten(6) bisher allein unter dem Blickwinkel der Dienstleistungsfreiheit geprüft hat. Schließlich wurden die italienischen Vorschriften durch ein Gesetz aus dem Jahre 2000(7), mit Wirkung für das Jahr 2001 in einer Weise verschärft, die ihrerseits aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht möglicherweise problematisch ist.(Die in den Fußnoten 3 bis 5 genannten Urteile Zenatti, Schindler und Läärä werden im Folgenden wiederholt erwähnt. Die Fundstellen werden dabei nur noch fallweise angegeben.)
II - Rechtlicher Rahmen
A - Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften
2.
    Artikel 43 EG lautet:
„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.“
3.
    Artikel 48 EG lautet:„Für die Anwendung dieses Kapitels stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.
Als Gesellschaften gelten die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und Handelsrechts ... .“
4.
    Artikel 46 Absatz 1 EG lautet:„(1) Dieses Kapitel und die aufgrund desselben getroffenen Maßnahmen beeinträchtigen nicht die Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.“
5.
    Artikel 49 EG erster Absatz lautet:„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.“
Nach Artikel 55 finden die für die Niederlassungsfreiheit geltenden Bestimmungen der Artikel 45 bis 48 auch auf die Dienstleistungsfreiheit Anwendung.
B - Mitgliedstaatliche Vorschriften
6.
    Gemäß Artikel 88 des Testo Unico delle Leggi di Pubblica Sicurezza (im Folgenden: TULPS)(8) kann keine Genehmigung für das Sammeln von Wetten erteilt werden, es sei denn für Wetten bei Rennen, Regatten, Ballspielen oder ähnlichen Wettkämpfen, sofern das Sammeln der Wetten eine notwendige Voraussetzung für einen zweckdienlichen Ablauf des Wettkampfs darstellt. Die Genehmigung zur Veranstaltung von Wetten wird ausschließlich Konzessionären erteilt oder denjenigen, die durch ein Ministerium oder eine andere Einrichtung, der das Gesetz, die Organisation oder Veranstaltung von Wetten vorbehält, dazu berechtigt sind. Die Wetten können sich auf den Ausgang bzw. das Ergebnis von Sportereignissen beziehen, die unter der Kontrolle des Italienischen Nationalen Olympischen Komitees (Comitato Olimpico Nazionale Italiano; im Folgenden: CONI) stattfinden, oder auf das Ergebnis von Pferderennen, die durch Vermittlung des nationalen Verbands zur Verbesserung der Pferderassen (Unione Italiana per l'incremento delle razze equine; im Folgenden: UNIRE) organisiert werden.
7.
    Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89(9) über „Interventionen auf dem Gebiet des Spiels und der verbotenen Wetten und zum Schutz des guten Ablaufs sportlicher Wettkämpfe“, in der durch Artikel 37 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 388/00 geänderten Fassung besagt sinngemäß: 1.    Wer unberechtigter Weise an der Organisation von Lotterien, Wetten oder Prognosewettbewerben teilnimmt, die gesetzlich dem Staat oder konzessionierten Einrichtungen vorbehalten sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Mit derselben Strafe wird bedroht, wer Wetten oder Prognosewettbewerbe über von dem CONI, den unter dessen Kontrolle stehenden Einrichtungen oder dem UNIRE organisierte sportliche Ereignisse veranstaltet. Wer widerrechtlich an der öffentlichen Veranstaltung von Wetten über andere Wettkämpfe von Personen oder Tieren ebenso wie über Geschicklichkeitsspiele teilnimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu einem Jahr sowie einer Geldstrafe von mindestens 1 Million ITL bestraft.
2.    Wer für die Wettbewerbe, Spiele oder Wetten wirbt, die nach den in Absatz 1 beschriebenen Modalitäten veranstaltet werden, ohne Mittäter eines dort festgelegten Delikts zu sein, wird mit Gefängnisstrafe von höchstens drei Monaten und einer Geldstrafe zwischen 100 000 und 1 Million ITL bestraft.
3.    Wer an Wettbewerben, Spielen oder Wetten, die nach den in Absatz 1 beschriebenen Modalitäten veranstaltet werden, teilnimmt, ohne Mittäter eines dort festgelegten Delikts zu sein, wird mit Gefängnisstrafe von höchstens drei Monaten oder einer Geldbuße zwischen 100 000 und 1 Million ITL bestraft.
4.    Absätze 1 und 2 sind auch anwendbar auf Glücksspiele mittels nach Artikel 110 DR Nr. 773 vom 18. Juni 1931, geändert durch Gesetz Nr. 507 vom 20. Mai 1965 und zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes Nr. 904 vom 17. Dezember 1986 verbotenen Apparaten.
4.a)(10)    Die in diesem Artikel vorgesehenen Sanktionen sind auf denjenigen anwendbar, der in Italien ohne die nach Artikel 88 TULPS erforderliche Konzession, Genehmigung oder Lizenz eine Tätigkeit zur Annahme oder dem Sammeln bzw. zur Erleichterung der Annahme oder Sammlung auf welche Art auch immer von Wetten jeder Art betreibt, die durch wen auch immer in Italien oder im Ausland abgeschlossen werden, einschließlich per Telefon oder durch Datenübertragung.
4.b)    Unbeschadet der dem Finanzminister durch Artikel 11 des Gesetzesdekrets Nr. 557 vom 30. Dezember 1993, nach Änderung jetzt Gesetz Nr. 133 vom 26. Februar 1994, übertragenen Befugnisse und in Anwendung des Artikels 3 Absatz 228 des Gesetzes Nr. 549 vom 28. Dezember 1995 sind die durch den vorliegenden Artikel vorgesehenen Sanktionen anwendbar auf denjenigen, der das Sammeln oder die Registrierung von Lottoscheinen, Prognosewettbewerben oder Wetten über Telefon oder durch Datenübertragung betreibt, ohne im Besitz einer Genehmigung zur Benutzung dieser Mittel zur Durchführung des Sammelns oder der Registrierung zu sein.
III - Sachverhalt und Verfahren
8.
    Laut Vorlagebeschluss haben die Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsrichter beim Tribunale Fermo ermittelt, dass „sich eine weit verbreitete und engmaschige Organisation italienischer Agenturen“ - die über das Internet in Verbindung mit dem britischen Buchmacher Stanley International Betting, Liverpool, steht -, und zu der Gambelli und die weiteren mehr als 100 Personen gehören, damit befasst, in Italien „gesetzlich dem Staat vorbehaltene Wetten nach Modalitäten zu sammeln“, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Der Spieler teilt dem Inhaber der Agentur mit, auf welche Spiele er setzen möchte, und gibt den beabsichtigten Einsatz an. Der Inhaber übermittelt dem britischen Buchmacher über das Internet einen Antrag auf Annahme der Wette und gibt die fraglichen Fußballspiele und die zu tätigenden Wetteinsätze an. Der Buchmacher übermittelt über das Internet unverzüglich (wörtlich: „in Echtzeit“) die Bestätigung der Annahme der Wette. Dem Spieler wird diese Bestätigung übermittelt, woraufhin er den geschuldeten Betrag zahlt, der dann an den britischen Buchmacher auf ein spezielles ausländisches Konto weitergeleitet wird. Diese Verhaltensweisen und Einzelheiten der Sammlung und Übertragung der Wetten wurden als Verstoß gegen das dem CONI vorgehaltene Monopol für Sportwetten betrachtet und folglich als Verstoß gegen Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89 gewertet.
9.
    Die Staatsanwaltschaft Fermo hat gegen Gambelli und die anderen Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen der Durchführung und der Entgegennahme verbotener Wetten im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 401/89 eröffnet. Der Ermittlungsrichter beim Tribunale Fermo erließ zudem einen Beschlagnahmebeschluss und ordnete den Polizeigewahrsam gegen Garrisi an. Durchsucht wurden auch die Agenturen, die Wohnorte der Beschuldigten und ihre Fahrzeuge. Gegen die Beschlagnahmebeschlüsse wurde die Überprüfung durch das vorlegende Gericht beantragt.
10.
    Bei der Stanley International Betting Ltd handelt es sich um eine britische Kapitalgesellschaft, die im Vereinigten Königreich im Handelsregister eingetragen ist und die die Tätigkeit eines Buchmachers betreibt. Sie ist zur Ausübung dieser Tätigkeit durch eine Lizenz im Sinne der Betting Gaming and Lotteries-Regelung ermächtigt, die von der Stadt Liverpool für das Vereinigte Königreich und das Ausland erteilt wurde. Der Buchmacher organisiert die Wetten aufgrund der britischen Lizenz und wirbt in Tages- und Wochenzeitungen und -zeitschriften. Das britische Unternehmen organisiert und verwaltet die Wetten, ermittelt die Ereignisse und die Quoten, übernimmt das wirtschaftliche Risiko und sammelt Wetten auch telefonisch und mittels Datenübertragung. Das Unternehmen entrichtet im Vereinigten Königreich die anfallenden Steuern (Wettsteuer, Mehrwertsteuer, Körperschaftssteuer) ebenso wie die Steuern und Abgaben auf die Gehälter, und zahlt die entsprechenden Gewinne aus. Die Gesellschaft ist scharfen Kontrollen unterworfen sowohl durch interne Kontrollen als auch durch private Wirtschaftsprüfer sowie durch die Steuerverwaltung.
11.
    Das britische Unternehmen wird auf dem italienischen Markt dadurch tätig, dass es mit dort ansässigen Wirtschaftsteilnehmern Verträge über die Errichtung von Datenübertragungszentren abschließt, gemäß denen diese italienischen Unternehmen Vermittler für Sportwetten werden. Diese Zentren stellen - laut Vorlagebeschluss - „den Benutzern die elektronischen Mittel zur Verfügung, um den Buchmacher zu erreichen, sammeln und registrieren die Wettabsichten und übermitteln sie nach Liverpool“. Der britische Buchmacher bietet ein weit gefächertes Angebot von Sportwetten an, also nicht nur über vom CONI oder von diesem abhängige Organisationen veranstaltete, sondern auch über andere ausländische und internationale Sportereignisse. Die italienischen Staatsangehörigen haben auch die Möglichkeit, von zu Hause aus Sportwetten zu platzieren, die der Buchmacher organisiert und über verschiedene Systeme wie Internet, Fax, Telefon o. ä. vertreibt.
12.
    Die Beschuldigten sind bei der italienischen Handelskammer als Unternehmensinhaber von Datenübermittlungszentren eingetragen und haben ordnungsgemäß eine Genehmigung vom Minister für Post und Telekommunikation zur Übertragung von Daten (im Sinne der Entscheidung 467/2000/Cons vom 19.7.2000 und des Präsidialdekrets Nr. 318 vom 19. September 1997) erhalten.
13.
    Das vorlegende Gericht vertritt die Ansicht, das Gemeinschaftsrecht verleihe der Firma Stanley das Recht, in den Mitgliedstaaten der EG Haupt- oder Zweigniederlassungen zu errichten. Diese Haupt- oder Zweigniederlassungen stellen den Benutzern die Datenübertragungsmöglichkeit an den Buchmacher zur Verfügung. Das vorlegende Gericht führt weiter aus, dass die Personen, gegen die ermittelt wurde, nicht nur bei der Tätigkeit des Sammelns der Wetten des Buchmachers mitgewirkt hätten, sondern auch eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet und dem ausländischen Unternehmen eine Dienstleistung erbracht hätten. Der dem vorlegenden Gericht zur Überprüfung vorgelegte Fall werfe vorab zu entscheidende Fragen nach der Vereinbarkeit nationaler Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht auf. Zu bemerken sei, dass dazu in Italien zahllose gerichtliche Entscheidungen mit einander widersprechenden und widersprüchlichen Lösungen ergangen seien.
14.
    Das vorlegende Gericht bemerkt ferner, dass Artikel 4 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 401/89 die Strafbarkeit in den Fällen nicht ausschließe, in denen es sich beim Agenten um ein ausländisches Unternehmen aus der Gemeinschaft handele, das von den zuständigen Behörden des Landes seiner Zugehörigkeit zur Tätigkeit des Datenübermittlers ermächtigt worden sei. Deshalb sei eine nicht hinnehmbare Diskriminierung gegenüber den inländischen Wirtschaftsteilnehmern vorstellbar, die - aufgrund erhaltener Konzessionen oder Genehmigungen - in gleicher Weise das Sammeln und die Annahme von Sportwetten für Rechnung des CONI betrieben. Dies könne im Widerspruch zu den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und des freien grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs stehen.
15.
    Vor dem Hintergrund des Urteils der Corte di Cassazione 1680/2000 erwägt das vorlegende Gericht im Hinblick auf die mögliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die sich aus der freien Ausübung der mit den Wetten verbundenen Tätigkeiten ergeben könnte, dass diesen Erfordernissen in geeigneter Weise Rechnung getragen werden könne, wenn es sich bei dem Wirtschaftsteilnehmer um ein Unternehmen handele, das bereits in dem Land, dem es angehört, einer Aufsicht unterliege, die die Korrektheit seiner Tätigkeit gewährleiste.
16.
    Im Hinblick auf die befürchtete Gefahr einer weiteren Verleitung zu geldlichen Ausgaben gab das vorlegende Gericht zu bedenken, dass die Möglichkeit von Spielen und Wetten in Italien immer mehr erweitert werde. Dabei sei das „Phänomen“ der Wetten bei ausländischen Wirtschaftsteilnehmern im Vergleich zum nationalen Markt für Spiele „marginal“. „Noch größere Unsicherheit“ ergebe sich aus der „Analyse der Problematik der staatlichen Einnahmen, die aus zugelassenen nationalen Spielen stammen“. Durch die neue Regelung der Absätze 4a und 4b des Gesetzes Nr. 401/89 würde auch das Sammeln von Wetten bei internationalen Sportereignissen bzw. gesellschaftlichen oder sonstigen Ereignissen mit Strafe belegt, an denen der Staat kein fiskalisches Interesse habe.
17.
    Aus den parlamentarischen Arbeiten zur Änderung des Finanzgesetzes 2001 gehe hervor, dass die späteren Beschränkungen vorrangig von dem Erfordernis diktiert worden seien, die Gruppe der „Sporttotoannehmer“ (eine Gruppe privater Unternehmer) zu schützen, während sich im Hinblick auf die öffentliche Ordnung keine Bedenken erkennen ließen, die die Beschränkung des Gemeinschafts- oder Verfassungsrechts rechtfertigen könnten.
18.
    Die Zulässigkeit der Tätigkeit der Sammlung und Weiterleitung von Wetten für ausländische Sportereignisse, die sich aus der ursprünglichen Formulierung des Artikels 4 erkennen ließ, habe - so das vorlegende Gericht weiter - die „Entwicklung eines Netzes von Wirtschaftsteilnehmern herbeigeführt, die auf diesem Sektor Kapital und finanzielle Mittel investiert“ hätten. Diesen Wirtschaftsteilnehmern sei durch die Änderung der Rechtslage die Rechtmäßigkeit und Erlaubtheit ihrer Stellung entzogen worden, ohne dass sie dies hätten vorhersehen können. Der Widerspruch zwischen Artikel 4 und dem Schutz der gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit in Bezug auf private wirtschaftliche Initiative bei Tätigkeiten, die dem italienischen Staat nicht zur Erzielung von Einkünften dienen, wie Wetten bei ausländischen sportlichen oder nicht sportlichen Ereignissen, sei offenkundig.
19.
    Das vorlegende Gericht ist unter zwei Gesichtspunkten unschlüssig. Zum einen sei die Frage zu stellen, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „zwischen der höchsten Intensität des Verbotes (Bedrohung mit Strafe)“, die der nationale Gesetzgeber gewählt habe, und der „Erheblichkeit des geschützten inländischen Interesses“ gewahrt sei, dem „die Freiheiten, die der EG-Vertrag den einzelnen Personen verleihe, zum Opfer fielen“. Zum anderen müsse das Gericht die Frage stellen, ob das offensichtliche Missverhältnis zwischen einer nationalen Regelung, die die Tätigkeit der Annahme von Sportwetten durch ausländische Unternehmen aus der Gemeinschaft rigoros beschränke, und einer Politik unter entgegengesetzten Vorzeichen einer starken Ausweitung des Spieles und der Wetten, die der italienische Staat im Inland zu dem Zweck verfolge, Einnahmen für die Staatskasse zu erzielen, erheblich sei.
20.
    Das vorlegende Gericht legt dem Gerichtshof daher folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:Ist eine nationale Regelung wie die italienische in Artikel 4 Absätze 1 bis 4, 4a und 4b des Gesetzes Nr. 401 vom 13. Dezember 1989 (zuletzt geändert durch Artikel 37 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 388 vom 23. Dezember 2000), die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit der Sammlung, Annahme, Bestellung und Übertragung von Wetten, insbesondere bei sportlichen Ereignissen durch wen auch immer und wo auch immer enthält, wenn die Voraussetzungen für die Konzession und die Genehmigung im Inland nicht gegeben sind, mit den Artikeln 43 ff. und 49 ff. EG, die die Niederlassungsfreiheit und die Freiheit der grenzüberschreitenden Dienstleistungen betreffen, vereinbar mit den entsprechenden Wirkungen im nationalen Recht?

IV - Stellungnahmen der Beteiligten
21.
    Die Beschuldigten Gambelli u. a. ebenso wie der Beschuldigte Garrisi - der Verwaltungsratsmitglied der Firma Stanley in Italien ist -vertreten den Standpunkt, das vorliegende Verfahren weise wesentliche Unterschiede gegenüber den früheren Verfahren vor dem Gerichtshof auf, insbesondere gegenüber der Rechtssache Zenatti. Die sich am Verfahren beteiligten mitgliedstaatlichen Regierungen und die Kommission sind hingegen einhellig der Ansicht, die Lösung folge aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes in den Urteilen Schindler, Läärä und insbesondere dem Urteil Zenatti.A - Gambelli
22.
    Gambelli hebt hervor, dass die von CONI und UNIRE betriebene Wetttätigkeit eine typische monopolistische Struktur aufweise. Ein Unternehmen wie die ausländische Gesellschaft Stanley biete ihren Vertragspartnern eine Garantie für Qualität und Vertrauenswürdigkeit. Das durch Vermittlung selbst organisierter Zentren handelnde Unternehmen sei Inhaber eines Zertifikats und der Zulassung, sei Kontrollen unterworfen und betätige sich entsprechend der technologischen Entwicklung im Einklang mit den britischen Regelungen und dem Gemeinschaftsrecht, ohne das italienische System zu verletzen.
23.
    Die Besorgnisse der italienischen Behörden hinsichtlich des Schutzes der Spieler vor den Gefahren des Betrugs seien unbegründet. Umgekehrt könne die mitgliedstaatliche Gesetzgebung der letzten Jahre, die eine stets wachsende Anzahl von Glücksspielen (Lotto, Totocalcio, Totip, scommesse ippiche, Totogol, Corsa tris, Totosei, Superenalotto, Bingo, Totobingol, Gratta e vinci etc.) ermöglicht habe, nicht dahin verstanden werden, die Spielmöglichkeiten zu begrenzen, um schädliche Wirkungen auf individueller und sozialer Ebene und die Veranlassung zu Ausgaben zu verhindern oder dem Zweck der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu dienen.
24.
    Eine strafrechtliche Sanktion sei grundsätzlich die ultima ratio, auf die nur zurückgegriffen werden solle, wenn andere Mittel und Instrumente keinen angemessenen Schutz der zu schützenden Güter gewährleiste. Die für das bloße Sammeln von Wetten angedrohte Gefängnisstrafe verstoße in eklatanter Weise gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
25.
    Im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit macht Gambelli geltend, die Datenübertragungszentren seien unselbständige Agenturen oder Zweigniederlassungen, die vertraglich an Stanley gebunden seien. Ein Mitgliedstaat dürfe einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats nicht verwehren, sich in einer solchen Form niederzulassen. Indem der italienische Gesetzgeber eine Genehmigung im Rahmen eines Konzessionssystems verlange, vermische er die Tätigkeit der Datenübertragungszentren mit der Veranstaltung und Organisation der Wetten, die sich im Ausland vollzöge. Im Übrigen seien Kapitalgesellschaften von vornherein von dem Konzessionssystem ausgeschlossen.
26.
    In Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit macht Gambelli geltend, das von Stanley an die Zentren übermittelte Material, die Spielquoten, der Kalender der Ereignisse, die Empfangsbestätigungen und alles, was für die Bestätigung und Identifizierung und die Annahme der Wetten, die im Ausland veranstaltet und verwaltet würden, ebenso wie die Übermittlung der Einsätze und der gesammelten Quoten durch die Zentren stellten grenzüberschreitende Dienstleistungen im Sinne der Grundfreiheiten des Vertrages dar. Die italienische Gesetzgebung missachte diesen Gemeinschaftsgrundsatz, indem sie den italienischen Bürgern verbiete, sich an eine ausländische Gesellschaft zu wenden, um die Spiele oder interessantesten Kombinationen zu wählen oder die Wetten per Telefon oder mittels Datenübertragung zu platzieren. Sie verletze auch den Gemeinschaftsgrundsatz des Vertrauensschutzes, indem das berechtigte Vertrauen der Inhaber der Datenübertragungszentren in die Rechtsmäßigkeit ihres Tuns jedenfalls im Hinblick auf internationale Spielereignisse enttäuscht werde.
27.
    Gambelli prüft sodann vor dem Hintergrund der Urteile Schindler, Läärä und Zenatti, welche Gründe die Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen könnten. Das politische Ziel der Mitgliedstaaten, die Spieltätigkeiten zu reglementieren, sei nicht unbedingt ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, müsse doch die beschränkende Maßnahme Ausdruck einer kohärenten Politik des Mitgliedstaats zur Begrenzung oder Verhinderung der Spieltätigkeiten sein. Im Übrigen dürfe die beschränkende Maßnahme weder direkt noch indirekt Diskriminierungen gegenüber Staatsangehörigen oder Unternehmen anderer Mitgliedstaaten bezwecken oder erzeugen. Auf jeden Fall aber müsse sie verhältnismäßig sein.
28.
    Der italienische Staat stimuliere und fördere jedoch unzweifelhaft die Politik des Fiskus. Das Monopol, das er dem aus CONI und Pferdewettagenturen bestehenden System einräume, entspreche nicht zwingenden Gründen des Allgemeininteresses. Indem die italienische Gesetzgebung den gesetzgeberischen Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten - im vorliegenden Fall des britischen Systems, das als streng bewertet und weithin anerkannt sei - jede Anerkennung versage, wirke sie diskriminierend und verletze die für die Errichtung des Gemeinsamen Markts grundlegenden Prinzipien.
29.
    Über die vom vorlegenden Gericht - hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Strafe und dem Widerspruch zwischen der restriktiven Gesetzeslage für Wetten außerhalb Italiens und der Ermutigung zum Spiel im Land - vorgetragenen Bedenken hinaus werfe der Fall Probleme auf, die bisher vom Gerichtshof nicht beantwortet worden seien. So habe der Gerichtshof bislang noch nicht die Vereinbarkeit der italienischen Strafvorschriften auf dem Gebiet der Wetten mit dem Gemeinschaftsrecht geprüft. Auch habe die Legge Finanziaria 2000, die zu prüfen der Gerichtshof noch keine Gelegenheit gehabt hätte, die italienische Gesetzgebung wesentlich verschärft, sogar im Hinblick auf internationale Ereignisse, an denen der italienische Staat kein fiskalisches Interesse geltend machen könne. Ebenso habe der Gerichtshof bisher weder die Vereinbarkeit der italienischen Gesetzgebung mit der Niederlassungsfreiheit geprüft noch das Problem einer Diskriminierung italienischer Bürger, die daran gehindert würden, mit ausländischen Veranstaltern per Internet zu spielen oder zu wetten.
30.
    Im Hinblick auf mögliche Gefahren für die öffentliche Ordnung vertritt Gambelli die Ansicht, dass es möglich sei, andere Formen einer adäquaten und effizienten Kontrolle des ausländischen Anbieters zu finden, um eine fortschreitende und natürliche Öffnung des europäischen Markts zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund der technischen Entwicklung, den gesetzgeberischen Änderungen und den Zielen der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Kommunikation und dem Handel per Internet vertritt Gambelli den Standpunkt, eine erneute Prüfung durch den Gerichtshof sei unumgänglich.
31.
    Gambelli schlägt vor, auf die Vorabentscheidungsfrage wie folgt zu antworten:1)    Die Gesetzgebung der Italienischen Republik, so wie sie die Artikel 88 DR Nr. 773 vom 18. Juni 1931 (teste unico leggi di pubblica sicurezza) vorsieht, mehrfach geändert, und Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401 vom 13. Dezember 1989, mehrfach geändert (zuletzt durch Artikel 37 Absätze 4 und 5 des Gesetzes Nr. 388 vom 23. Dezember 2000), ist unvereinbar mit den Artikeln 43 ff. des Vertrages über die Niederlassungsfreiheit und/oder die in den Artikeln 49 ff. des Vertrages über die Dienstleistungsfreiheit; ist diskriminierend zu Lasten gemeinschaftlicher Veranstalter; verletzt die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der gegenseitigen Anerkennung, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes; verstößt gegen Gemeinschaftsrichtlinien über die Freiheit des Angebots von Dienstleistungen im Internet und Telekommunikationsdienstleistungen; verletzt den Grundsatz loyaler Zusammenarbeit und die Verpflichtung nach Artikel 10 des Vertrages; widerspricht dem Allgemeininteresse; ist nicht gerechtfertigt durch Grundsätze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung; darf keine fiskalischen Ziele verfolgen; beschränkt die Freiheit der gemeinschaftsangehörigen Personen und Unternehmen und wirkt diskriminierend gegenüber italienischen Staatsangehörigen.
2)    Hilfsweise, eine mitgliedstaatliche Gesetzgebung wie die in Rede stehende ist unvereinbar mit den Artikeln 43 ff. oder 49 ff. des Vertrages ebenso wie mit den Grundsätzen der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie, soweit sie von den Behörden oder nationalen Gerichten nicht außer Anwendung gelassen werden oder soweit sie nicht in einer mit den Grundsätzen, Richtlinien und genannten gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen vereinbaren Weise angewandt werden.
B - Garrisi
32.
    Garrisi ist Verwaltungsratsmitglied von Stanley und verantwortlich für die Tätigkeiten der Gruppe auf dem Gebiet der Sportwetten. Er fügt dem Vortrag von Gambelli hinzu, dass die italienische Gesetzesänderung des Jahres 2000 den italienischen Markt für die Dienstleistungen auf dem Gebiet der Sammlung und Annahme von Sportwetten für Veranstalter anderer Mitgliedstaaten definitiv undurchdringlich gemacht habe.
33.
    Diesbezüglich weist Garrisi darauf hin, dass die Teilnahmebedingungen bei den Ausschreibungen des CONI über 1 000 neue Konzessionen zum Veranstalten von Sportwetten, die nicht Pferdewetten sind, konkret nur von denjenigen Pferdewettagenturen erfüllt werden konnten, die bereits dem System UNIRE oder des CONI angehörten, da nur natürliche Personen oder Personengesellschaften Konzessionen bekommen konnten, die verpflichtend verschiedene Strukturen vorweisen konnten und die bereits über Geschäftslokale auf dem italienischen Territorium verfügten. Im Übrigen hätten die italienischen Pferdewettbüros bereits im Vorhinein und in der Folgezeit in großem Umfang Konzessionen für Pferdewetten und Sportwetten, die nicht Pferdewetten sind, erhalten, ohne dass sie an den öffentlichen Ausschreibungen hätten teilnehmen müssen. Auf diese Weise hätten sie definitive Konzessionen für neue Wetten erhalten und das, während andere Veranstalter aus der Gemeinschaft diesen „Status“ nicht hätten erwerben können, der für Pferdewettbüros, die Konzessionäre des UNIRE seien, unterstellt wurde.
34.
    Im Hinblick auf die mögliche Rechtfertigung für die Beschränkungen der Grundfreiheiten des Vertrages beruft sich Garrisi auf den durch die jüngere Rechtsprechung bestätigten Grundsatz, dass wirtschaftliche Gründe nicht geeignet seien, eine Beschränkung der Grundfreiheiten aus Gründen des Allgemeininteresses zu rechtfertigen. Garrisi verweist dazu auf die Urteile in den Rechtssachen SETTG(11), Bond van Adverteerders(12) und Gouda(13).
35.
    Wie aus einer im Jahre 2001 aktualisierten Studie einer unabhängigen Beratungsgesellschaft in London namens NERA mit dem Titel „Erweiterung der italienischen Wettindustrie“ folge, verfolge der italienische Staat mit absoluter Entschlossenheit eine stark expansive Politik mit dem Ziel höherer Einnahmen für den Haushalt. Weit davon entfernt, die Spielmöglichkeiten tatsächlich zu reduzieren, wolle der italienische Staat diese noch ausbauen. Die massiven Beschränkungen, die die italienische Gesetzgebung den Grundfreiheiten der Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit auferlege, sei nicht aus Gründen der Sozialpolitik, sondern aus fiskalischen Gründen erlassen worden.
36.
    Garrisi wirft der italienischen Gesetzgebung vor, sie unterlasse es, vollständig zu prüfen, ob der Dienstleistungserbringer in seinem Herkunftsstaat gleichwertigen Reglementierungen und Verboten unterworfen sei, die sowohl den Schutz der gleichen Interessen bezweckten - also den Schutz der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Moral - wie auch eine strafrechtliche Prävention und Repression vorsähen. Die Veranstalter, die auf den italienischen Markt vordringen wollten, sähen sich daher einer Verdoppelung aller Lasten, Kontrollen und Sanktionen ausgesetzt. Dies sei eine schwere Diskriminierung zugunsten der einheimischen Veranstalter. Die in Rede stehende Gesetzgebung verletze daher den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung.
37.
    Garrisi vertritt die Ansicht, die Gesetzesänderung aus dem Jahr 2000 verletze auch das berechtigte Vertrauen und den Grundsatz der Rechtssicherheit gegenüber denjenigen, die wie die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens bei Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 388/00 die Tätigkeit des Datenvermittlers in Italien ausgeübt hätten im Hinblick auf Wetten, über Sportereignisse, die nicht dem Bereich der dem CONI und dem UNIRE vorbehaltenen Wetten zuzurechnen seien. Im Übrigen werde auch die Richtlinie 1999/42/EG(14) verletzt.
38.
    Die italienische Gesetzgebung weise überdies Unvereinbarkeiten mit den Richtlinien 90/388/EWG(15), 97/13/EG(16) und 97/66/EG(17) auf und stehe daher nicht nur im Widerspruch zu den Grundfreiheiten der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit, sondern auch zu der Freiheit, Telekommunikationsdienstleistungen anzubieten.
39.
    Garrisi schlägt vor, auf die Vorabentscheidungsfrage wie folgt zu antworten:Die italienische Gesetzgebung auf dem Gebiet der Sportwetten ist unvereinbar mit den Artikeln 43 ff. und 49 ff. EG:
A)    Sie ist eine positive Diskriminierung zu Lasten gemeinschaftlicher Veranstalter, die nicht Staatsangehörige sind und/oder obwohl auf abstrakter Ebene unterschiedslos anwendbar, stellt sie sich tatsächlich oder rechtlich dar durch Hemmnisse, die die diesbezüglichen unmittelbaren Dienstleistungen ebenso wie durch die Vermittlung einer Niederlassung von Veranstaltern anderer Mitgliedstaaten verhindern oder unverhältnismäßig erschweren; und/oder verletzt die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der gegenseitigen Anerkennung und Nichtwidersprüchlichkeit mit den anderen internen Politiken und/oder verletzt die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Schutzes des berechtigten Vertrauens.
B)    Sie widerspricht der Richtlinie 1999/42 auf dem Gebiet der gegenseitigen Anerkennung der Befähigungsnachweise.
C)    Sie steht im Widerspruch zu den Richtlinien auf dem Gebiet der Freiheit des Angebots liberalisierter Telekommunikationsdienstleistungen außer dem Sprachtelefon.
Hilfsweise, die italienische Gesetzgebung auf dem Gebiet der Sportwetten ist unvereinbar mit den Artikeln 43 ff. und 49 ff. des Vertrages und/oder mit den Vorschriften der Richtlinie 1999/42 und/oder den Vorschriften der Richtlinie 90/388, der Richtlinie 97/13 und der Richtlinie 97/66 soweit sie von den mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten nicht in einer Weise angewendet wird, die mit den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der gegenseitigen Anerkennung, des Einklangs mit anderen nationalen Politiken, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes in Einklang steht.
C - Die italienische Regierung
40.
    Die italienische Regierung vertritt den Standpunkt, dass vor dem Hintergrund der im Urteil Zenatti entwickelten Grundsätze das italienische Gesetz mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit vereinbar sei. Im Urteil Zenatti gehe es um die Vorschriften über eine verwaltungsrechtliche Genehmigung für die Tätigkeit der Sammlung und Verwaltung von Wetten in Italien (Artikel 88 DR vom 18. Juni 1933, Nr. 773). Im vorliegenden Fall gehe es um die strafrechtliche Sanktion des Verbots der Sammlung und Verwaltung von Wetten. Beide Regelungen verfolgten das gleiche Ziel, d. h. das Verbot der Tätigkeit außerhalb der ausdrücklich gesetzlich erlaubten Fälle.
41.
    Die italienische Regierung erinnert daran, dass der italienische Kassationshof (Corte di Cassazione) in seinem Urteil Nr. 1680 vom 28. April 2000 die Regelung im Lichte der Grundsätze des Urteils Zenatti überprüft habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sie rechtmäßig sei, soweit sie dazu bestimmt sei, die Spielmöglichkeiten zu begrenzen und die öffentliche Ordnung zu schützen.D - Die belgische Regierung
42.
    Die belgische Regierung erinnert daran, dass die Tätigkeit der Zentren im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Vertrages zu betrachten sei. Sie vertritt jedoch die Ansicht, dass ein gemeinsamer Markt für Glücksspiele die Verbraucher nur zu mehr Geldverschwendung und den damit einhergehenden schädlichen Wirkungen für die Gesellschaft verleiten könne und verweist dazu insbesondere auf die Randnummern 60 und 61 des Urteils Schindler. Unter Hinweis auf die Urteile Kraus(18) und Gebhard(19) weist die belgische Regierung darauf hin, dass die gesetzliche Regelung dem Verbot des Artikels 49 EG entgehe, wenn die in diesen Urteilen aufgestellten vier Voraussetzungen für eine zulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit erfüllt seien. Das Bestreben, das Glücksspiel und dessen schädliche Wirkungen einzudämmen, könne im Sinne der Urteile Schindler, Läärä und Zenatti als ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel betrachtet werden. Die Berufung auf dieses Ziel sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Glückspiel nicht gänzlich verboten sei. Die italienische Gesetzgebung sei auch nicht diskriminierend. Nur die mit einer Genehmigung des Finanzministeriums ausgestatteten Veranstalter dürften Glücksspiele betreiben. Das gelte sowohl für italienische als auch für ausländische Veranstalter. Die italienische Regelung sei auch verhältnismäßig. Auch wenn sie sich schließlich als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle, sei sie aus den gleichen Gründen wie die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt.E - Die griechische Regierung
43.
    Die griechische Regierung zieht eine Parallele zwischen der in Rede stehenden italienischen Regelung und der einschlägigen griechischen. Sie hält beide für vereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht. Die Liberalisierung der Glücksspieltätigkeit brächte neue Risiken für die Allgemeinheit mit sich. Daher sei es berechtigt, Glücksspiele und insbesondere Sportwetten unter der Kontrolle des Staates in Form eines Monopols zu betreiben.F - Die spanische Regierung
44.
    Auch die spanische Regierung hält die italienische Gesetzgebung auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung aus Gründen des Allgemeininteresses für gerechtfertigt. Sowohl die Übertragung spezieller oder ausschließlicher Rechte durch ein strenges Genehmigungs- oder Konzessionssystem ebenso wie das Verbot, Zweigniederlassungen ausländischer Veranstalter zu betreiben, seien mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn sie mit dem Ziel erlassen worden seien, die Gelegenheiten zum Spiel einzudämmen. Es sei deshalb erforderlich, die Spielmöglichkeiten zu kontrollieren, um die damit einhergehenden Gefahren zu vermeiden. Ein Mitgliedstaat habe einen Ermessensspielraum, wie er Lotterien und Glücksspiele organisiere und wie er die anfallenden Gewinne verwende. G - Die luxemburgische Regierung
45.
    Die luxemburgische Regierung vertritt die Ansicht, die streitgegenständliche italienische Regelung stelle sich zwar als Beschränkung der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit dar, sie sei jedoch gerechtfertigt, soweit sie den von der Rechtsprechung entwickelten vier Kriterien für eine zulässige Beschränkung genüge. Das sei bei der italienischen Gesetzgebung der Fall, soweit man davon ausgehen könne, dass sie aus dem einzigen Grund erlassen worden sei, die Spielmöglichkeiten zu kanalisieren.H - Die portugiesische Regierung
46.
    Die portugiesische Regierung macht darauf aufmerksam, dass in allen Mitgliedstaaten Verhaltensweisen zu beobachten seien, die gegen die geltende Rechtslage zur Beschränkung des Glücksspiels verstießen, etwa durch den Verkauf von Losen für ausländische Lotterien oder das Sammeln von Wetten im Rahmen von Pferdewetten. Diese Verhaltensweisen verfolgten eine Strategie der Liberalisierung und Privatisierung des Marktes für Geldspiele, die ausdrücklich auf dem Gipfel von Edinburgh im Jahr 1992 abgelehnt worden sei. Die Bedeutung des vorliegenden Falles bestehe darin, in Italien wie auch in anderen Mitgliedstaaten die Veranstaltung von Lotterien unter der Herrschaft eines öffentlichen Monopols beizubehalten, um den Mitgliedstaaten eine wichtige Einnahmequelle zu sichern, die an die Stelle anderer Steuern trete und allen Mitgliedstaaten dazu diene, Sozial-, Kultur- und Sportpolitik zu finanzieren und den Unionsbürgern ein beachtliches Niveau an Wohlstand zu vermitteln.
47.
    Die portugiesische Regierung weist darauf hin, dass das Subsidiaritätsprinzip, aufgrund dessen die Gemeinschaft auf dem Gebiet bisher nicht harmonisierend tätig geworden sei, die Richtschnur bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts sein müsse. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der das Glücksspiel beschränkenden mitgliedstaatlichen Maßnahmen sei es Sache des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers, die Ziele und Rechtsgüter zu definieren, die zu schützen er beabsichtige. Ebenso könne er die Mittel wählen, die er für angemessen halte, unter der Voraussetzung, dass sie nicht diskriminierend seien. Die portugiesische Regierung stützt sich dabei ebenfalls auf die Urteile Schindler, Läärä und Zenatti.
48.
    Nach Ansicht der portugiesischen Regierung wäre ein permissiver Gesetzesrahmen für das Glücksspiel geeignet, schwere Probleme sozialer Art durch den Verlust individuellen Vermögens oder Familienvermögens hervorzurufen. Das Glücksspiel berge ganz allgemein Gefahren des Betrugs und anderer krimineller Verhaltensweisen, wie z. B. der Geldwäsche. Der unproduktive Charakter des Glücksspiels erlaube es nicht, sich auf die unternehmerische Freiheit und den freien Wettbewerb zu berufen. Da es keine Produktion gebe, könnten die zum Wohl der Gemeinschaft wirkenden Freiheiten hier nicht gelten.
49.
    Die portugiesische Regierung beruft sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes(20), darzulegen, dass die zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses jeweils aus einer konkreten Betrachtungsweise folgen. Die portugiesische Regierung verweist auf ihre schriftlichen Äußerungen zu der Rechtssache Anomar u. a.(21), wo sie ausgeführt hat, dass der Inhalt der öffentlichen Ordnung moralische, ethische und politische Werte umfasse und diese von einem nationalen System abhingen, das weder auf supranationaler Ebene noch einheitlich beurteilt werden könne.
50.
    Gemäß der portugiesischen Regierung folge aus der Randnummer 30 des Urteils Zenatti, dass die italienische Gesetzgebung geeignet sei, Betrugsgefahren und schädliche soziale Wirkungen des Glücksspiels zu bekämpfen und es nur da zuzulassen, wo es eine nützliche Wirkung für den Ablauf sportlicher Ereignisse mit sich bringe.
51.
    Die portugiesische Regierung macht ferner geltend, dass ein offener Wettbewerb auf dem Markt für Glücksspiel eine Verschiebung der Einnahmen von den ärmeren zu den reicheren Ländern nach sich zöge. Die Spieler würden dort spielen, wo die höheren Gewinne zu erwarten seien, was zur Folge hätte, dass die Spieler der kleineren Staaten den Sozial-, Kultur- und Sporthaushalt der großen Staaten mitfinanzierten, was eine Verringerung der Einnahmen der kleinen Staaten nach sich zöge und diese zu weiteren Steuererhebungen zwänge. Im Übrigen sei die Aufteilung des Lotto- und Totomarkts der Staaten auf drei bis vier große Veranstalter in Europa geeignet, strukturelle Veränderungen hervorzurufen, die die Zerstörung von Arbeitsplätzen und ein stärkeres soziales Gefälle nach sich zögen.
52.
    Die portugiesische Regierung vertritt die Ansicht, die italienische Gesetzgebung sei ebenso wie die portugiesische mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar, da sie zum Schutz von Allgemeininteressen erforderlich sei. Die Alternative sei nur ein gänzliches Verbot oder die Liberalisierung der Spieltätigkeit. Die Gründe, die zu dem Urteil Zenatti geführt hätten, seien weiterhin gültig. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit eines britischen Unternehmens sei daher nicht unverhältnismäßig. Das staatliche Monopol für Spiele zu beenden, hätte schwere wirtschaftliche Folgen und schädliche Wirkungen individueller und sozialer Natur.I - Die finnische Regierung
53.
    Unter Berufung auf die Urteile Schindler, Läärä und Zenatti vertritt die finnische Regierung den Standpunkt, das strafbewehrte gesetzliche Verbot schütze ein unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbares Monopol, das Veranstalter anderer Mitgliedstaaten daran hindere, sich in Italien niederzulassen oder Dienstleistungen anzubieten. Der Gerichtshof räume den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein. Dies gelte sowohl für die Warenverkehrsfreiheit als auch für die Dienstleistungsfreiheit ebenso wie für die Niederlassungsfreiheit. Die in Rede stehende Gesetzgebung sei gerechtfertigt, wenn sie nicht diskriminierend sei und auch unterschiedslos auf inländische und ausländische Veranstalter angewandt werde.
54.
    Aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts sei es unerheblich, dass es sich um eine Strafsanktion handele und dass auch die Sammlung von Wetten, an denen der italienische Staat kein fiskalisches Interesse habe, für einen in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Veranstalter betroffen sei. Gemäß Randnummer 36 des Urteils Läärä dürfe die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme nur im Hinblick auf die von den nationalen Stellen verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau beurteilt werden, was letztlich Sache des vorlegenden Gerichts sei.J - Die schwedische Regierung
55.
    Die schwedische Regierung ist der Ansicht, der Gerichtshof solle dem durch die Urteile Schindler, Läärä und Zenatti vorgeschriebenen Weg folgen. Zwar stelle die italienische Gesetzgebung eine Behinderung der Dienstleistungsfreiheit dar, die jedoch weder diskriminierend sei noch diskriminierend angewandt werde. Der Umstand, dass die Maßnahmen fiskalischen Interessen dienten, sei dann gemeinschaftsrechtlich unproblematisch, solange sie verhältnismäßig und nicht diskriminierend seien, was das vorlegende Gericht zu prüfen habe. Die schwedische Regierung vertritt den Standpunkt, dass die von der italienischen Gesetzgebung geschützten Interessen nicht durch die Kontrollen ersetzt werden könnten, denen die Wettbüros in ihrem Herkunftsstaat unterlägen. Die neue italienische Gesetzgebung erlaube es, die Umgehung der Regelung durch ein Unternehmen, das in Italien keine Genehmigung erhalten habe, zu verhindern. Aus den Urteilen Läärä (Randnr. 36) und Zenatti (Randnr. 34) folge, dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt habe, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen habe, die allein in Bezug auf die verfolgten Ziele und das angestrebte Schutzniveau zu beurteilen seien. Auch die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit seien gerechtfertigt.K - Die Kommission
56.
    Die Kommission vertritt die Ansicht, das vorliegende Verfahren sei durch das Urteil Zenatti präjudiziert. Die Gesetzesänderung aus dem Jahre 2000 vervollständige nur das bereits bestehende Verbot, ohne neue Straftatbestände einzuführen. Auch sei die Richtlinie 2000/31/EG für bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“)(22) nicht auf Wetten anwendbar. Im Hinblick auf die Erweiterung des Wettangebots, die keinen steuerlichen Interessen des italienischen Staates dienten, stellt die Kommission fest, dass es sich um Wetten über nationale Fußballspiele handele und nicht um ausländische Spiele wie in der Rechtssache Zenatti. Dieser Unterschied sei jedoch nicht geeignet, eine unterschiedliche Beurteilung der mit der Regelung verfolgten Schutzzwecke vorzunehmen. Gestützt auf Randnummer 33 des Urteils Zenatti fügt die Kommission hinzu, dass das von einem Mitgliedstaat verfolgte Schutzniveau in seinem Ermessen stehe. Es sei daher seine Sache, ob er die Tätigkeit ganz oder teilweise verbiete oder nur bestimmten Beschränkungen unterwerfe.
57.
    Im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit weist die Kommission darauf hin, dass die von Gambelli verwalteten Agenturen formal unabhängig seien und in keinem Subsidiariätsverhältnis zu Stanley stünden. Es liege daher nahe, die Problematik weiter unter dem Blickwinkel der Dienstleistungsfreiheit zu betrachten, zumal diese nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes(23) die Freiheit des Dienstleistungsempfängers einschließe, sich in den Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung zu begeben oder sich auf elektronischem Weg an einen Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat zu wenden. Selbst wenn die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit anwendbar wären, wäre die italienische Gesetzgebung aus denselben Gründen gerechtfertigt, wie im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit.
58.
    Die Kommission schlägt vor, auf die Vorabentscheidungsfrage wie folgt zu antworten:a)    Die Vorschriften des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit stehen einer nationalen Regelung wie der italienischen nicht entgegen, die bestimmten Einrichtungen das Recht zur Sammlung von Wetten über Sportereignisse auch auf elektronischem Wege vorbehält, sofern diese Gesetzgebung durch Ziele der Gesellschaftspolitik zur Beschränkung der schädlichen Wirkung dieser Tätigkeiten gerechtfertigt ist, und wenn die zu diesem Zweck erlassenen Beschränkungen nicht unverhältnismäßig zu dem verfolgten Ziel sind.
b)    Es ist Sache des mitgliedstaatlichen Richters, im Sinne dieser Anwendungsvoraussetzungen zu prüfen, ob die mitgliedstaatliche Gesetzgebung die sie rechtfertigenden Ziele verfolgt, und ob die Beschränkungen, die sie mit sich bringt, nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen.
V - Würdigung
59.
    Obwohl die am Verfahren beteiligten mitgliedstaatlichen Regierungen und die Kommission den Standpunkt vertreten, die Lösung des Falles sei durch die Urteile Schindler, Läärä und Zenatti vorgezeichnet, haben das vorlegende Gericht und die Beschuldigten des Ausgangsverfahrens tief greifende Zweifel an der Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht. Auch bei der italienischen Gerichtsbarkeit scheint eine große Unsicherheit im Hinblick auf die zu treffende Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf diesem Gebiet zu herrschen mit den daran anknüpfenden fatalen Folgen für die Rechtssicherheit. Dadurch wird die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit der Rechtsunterworfenen schwer beeinträchtigt. Mancher Orts wird ein bestimmtes geschäftliches Gebaren als rechtmäßig eingestuft, während das gleiche Verhalten anderen Orts Anlass für eine strafrechtliche Verfolgung und Sanktionierung bis hin zu einer Freiheitsstrafe ist.
60.
    Auch das angeblich den vorliegenden Rechtsstreit präjudizierende Urteil Zenatti konnte in der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung nicht mit letzter Konsequenz für Klarheit sorgen, zumal die Klage im Ausgangsverfahren der Rechtssache Zenatti nach Erlass des Urteils des Gerichtshofes zurückgenommen wurde. In jedem Fall ist ein klärendes Urteil des Gerichtshofes von elementarer Bedeutung, das - zwar gestützt auf die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofes - den Besonderheiten des vorliegenden Falles Rechnung tragen muss. Es sollte daher sowohl dem vorlegenden Gericht als auch allen anderen mit der gleichen Problematik befassten mitgliedstaatlichen Gerichten den zu beschreitenden Weg klar aufzeigen.
61.
    Der vorliegende Fall geht in der Tat in mehrfacher Hinsicht über die in der Rechtssache Zenatti erörterte Problematik hinaus. So wurde der Themenbereich des grenzüberschreitenden Glücksspiels vom Gerichtshof bisher noch nicht unter dem Aspekt der Niederlassungsfreiheit erörtert. Allein den Schlussanträgen der Generalanwälte Gulmann(24), La Pergola(25) und Fennelly(26) in den Rechtssachen Schindler, Läärä und Zenatti sowie dem Urteil Zenatti(27) sind verhaltene Hinweise zur Anwendbarkeit der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit zu entnehmen. Jedenfalls kommt es auf die konkrete Fallkonstellation an, ob die Niederlassungsfreiheit auf dem Gebiet des grenzüberschreitenden Glücksspiels einschlägig ist. Im vorliegenden Fall wird dies zu prüfen sein.Auch der strafrechtliche Aspekt war bislang noch nicht Gegenstand der Würdigung des Gerichtshofes. Zwar kann die Strafbewehrung eines Verbots nicht losgelöst von der grundsätzlichen Zulässigkeit bzw. der potenziellen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Vorschrift gesehen werden. Deshalb ist auf jeden Fall die Grundsatzfrage der Zulässigkeit der mitgliedstaatlichen Verbote aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht zunächst zu klären. Darüber hinaus stellt sich dann eigenständig die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Sanktionsnorm.
Schließlich wird auch die neuerdings erfolgte Verschärfung der mitgliedstaatlichen Vorschriften eine selbständige Begutachtung erforderlich machen. Selbst wenn abstrakt betrachtet gewisse Beschränkungen der Grundfreiheiten vom Gerichtshof als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar bewertet wurden, können deshalb dem Geist der Grundfreiheiten zuwiderlaufende Verschärfungen der Regelungen keineswegs rechtfertigbar sein.
62.
    Vor der konkreten Prüfung der aufgeworfenen Fragen sollen jedoch die sich aus den Urteilen Schindler, Läärä und Zenatti ergebenden grundsätzlichen Aussagen für die weiterführende Begutachtung des vorliegenden Falles rekapituliert werden.A - Zu den Urteilen Schindler, Läärä und Zenatti
1. Das Urteil Schindler
63.
    In der Rechtssache Schindler ging es zur Zeit der streiterheblichen Ereignisse um ein Totalverbot von Lotterien auf dem Markt für Glücksspiele im Vereinigten Königreich. Sämtliche Betätigungen zur Veranstaltung, dem Vertrieb und auch der Werbung für die Teilnahme an Lotterien waren verboten. Diese Tatsache wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass kleinere Lotterien in sehr engen sachlichen und regionalen Grenzen erlaubnisfähig waren, ebenso wenig wie durch den Umstand, dass zeitlich nachfolgend eine große Nationallotterie im Vereinigten Königreich gesetzlich ermöglicht wurde. Diese Gegebenheiten waren für das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Schindler unmaßgeblich. Der Gerichtshof musste also von einem totalen Lotterieverbot auf dem betroffenen Markt ausgehen.
64.
    Die Gebrüder Schindler, die von den Niederlanden aus Werbematerial für die Süddeutsche Klassenlotterie in großem Stil auf dem Postweg in das Vereinigte Königreich einführen wollten, wurden daran durch den britischen Zoll gehindert. Das Einfuhrverbot für das Material hatte vor dem Gerichtshof Bestand, der dazu in der Randnummer 62 des Urteils ausführte:„Wenn ein Mitgliedstaat die Veranstaltung großer Lotterien, insbesondere die Werbung für Lose solcher Lotterien und deren Verteilung in seinem Gebiet verbietet, kann das Verbot, Werbematerial einzuführen, um die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats an solchen in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Lotterien teilnehmen zu lassen, nicht als eine Maßnahme angesehen werden, die den freien Dienstleistungsverkehr in nicht gerechtfertigter Weise beschränkt. Ein solches Einfuhrverbot ist nämlich für den Schutz, den dieser Mitgliedstaat in seinem Gebiet im Lotteriewesen sicherstellen will, erforderlich.“
65.
    Der Gerichtshof war in den Randnummern 33 und 35 zunächst vom wirtschaftlichen Charakter des Lotteriewesens ausgegangen und qualifizierte die Tätigkeit in der Randnummer 37 sodann als Dienstleistung. Die britischen Lotterievorschriften stellten jedoch, obwohl unterschiedslos anwendbar (Randnrn. 43 und 47), eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar (Randnr. 45). Im Hinblick auf die geltend gemachten Gründe zur Rechtfertigung dieser Beschränkung (Randnr. 57) stellte der Gerichtshof auf die „besondere Natur der Lotterien“ ab (Randnr. 59), aufgrund deren Beschränkungen bis hin zum Verbot von Lotterien gerechtfertigt sein könnten.
66.
    Die Beteiligten haben sich mehrfach auf die diesbezüglichen Ausführungen des Gerichtshofes in den Randnummern 60 und 61 des Urteils Schindler berufen und der Gerichtshof selbst hat in seiner Rechtsprechung darauf Bezug genommen.(28) Deshalb sollen sie hier wörtlich zitiert werden:„Zunächst einmal können nämlich die sittlichen, religiösen oder kulturellen Erwägungen, die in allen Mitgliedstaaten zu Lotterien ebenso wie zu den anderen Glücksspielen angestellt werden, nicht außer Betracht bleiben. Sie sind allgemein darauf gerichtet, die Ausübung von Glücksspielen zu begrenzen oder sogar zu verbieten und zu verhindern, dass sie zu einer Quelle persönlichen Gewinns werden. Sodann ist festzustellen, dass die Lotterien angesichts der Höhe der Beträge, die durch sie eingenommen werden können, und der Höhe der Gewinne, die sie den Spielern bieten können, vor allem wenn sie in größerem Rahmen veranstaltet werden, die Gefahr von Betrug und anderen Straftaten erhöhen. Außerdem verleiten sie zu Ausgaben, die schädliche persönliche und soziale Folgen haben können. Schließlich ist, ohne dass dies allein als sachliche Rechtfertigung angesehen werden könnte, nicht ohne Bedeutung, dass Lotterien in erheblichem Maße zur Finanzierung uneigennütziger oder im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten wie sozialer oder karitativer Werke, des Sports oder der Kultur beitragen können.
Diese Besonderheiten rechtfertigen es, dass die staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich bezüglich der Art und Weise der Veranstaltung von Lotterien, der Höhe der Einsätze sowie der Verwendung der dabei erzielten Gewinne aus dem Schutz der Spieler und allgemeiner nach Maßgabe der soziokulturellen Besonderheiten jedes Mitgliedstaats aus dem Schutz der Sozialordnung ergeben. Somit kommt den Staaten nicht nur die Beurteilung der Frage zu, ob eine Beschränkung der Tätigkeiten im Lotteriewesen erforderlich ist, sondern sie dürfen diese auch verbieten, sofern diese Beschränkungen nicht diskriminierend sind.“
2. Das Urteil Läärä
67.
    In dem Urteil Läärä ging es in mehrfacher Hinsicht um eine andere Konstellation. Es ging dort um die finnische Regelung über das - Monopolunternehmen vorbehaltene - Glücksspiel mittels Spielautomaten, das auch als Geschicklichkeitsspiel anzusehen war. Auch diesen Fall entschied der Gerichtshof auf der Grundlage der Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit und nicht etwa der Warenverkehrsfreiheit, obwohl es um die Einfuhr der Spielautomaten ging, so dass die Prüfung der Warenverkehrsfreiheit nahe gelegen hätte.(29)
68.
    Die finnische Regierung hatte ähnliche Gründe zur Rechtfertigung der mitgliedstaatlichen Regelung vorgebracht wie die in der Rechtssache Schindler vorgetragenen. Bei diesen in ihrer Gesamtheit zu würdigenden Gründen (Randnr. 33) ging der Gerichtshof ausdrücklich auf die Problematik ein, dass die betreffende Betätigung gerade nicht vollständig verboten, sondern unter gewissen Umständen als erlaubt zu betrachten war (Randnr. 34). Der Gerichtshof räumte den staatlichen Stellen daher ein weites Ermessen ein, was er in der Randnummer 35 des Urteils Läärä wie folgt formulierte:„Die Entscheidung, wie weit ein Mitgliedstaat in seinem Gebiet den Schutz bei Lotterien und anderen Glücksspielen ausdehnen will, ist jedoch dem Ermessen der staatlichen Stellen überlassen, ... . Diesen kommt nämlich die Beurteilung zu, ob es im Rahmen des angestrebten Zieles notwendig ist, derartige Tätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten oder nur einzuschränken und dazu mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen.“
Der Gerichtshof fuhr in den Randnummern 36 und 37 fort:
„Somit kann allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den nationalen Stellen des betreffenden Staates verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen.
Die Tatsache, dass die im vorliegenden Verfahren streitigen Spiele nicht vollständig verboten sind, genügt entgegen der Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens nicht, um nachzuweisen, dass die nationale Regelung die am Allgemeininteresse ausgerichteten Ziele, die in ihr aufgeführt werden und die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind, nicht wirklich zu erreichen sucht. Eine begrenzte Erlaubnis dieser Spiele im Rahmen eines Ausschließlichkeitsrechts, die den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, die Risiken eines solchen Betriebs im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten auszuschalten und die sich daraus ergebenden Gewinne zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden, dient auch der Verwirklichung dieser Ziele.“
69.
    Zur Monopolisierung des erlaubten Spielbetriebs führte der Gerichtshof in der Randnummer 39 des Urteils Läärä aus:„Was die Frage betrifft, ob es zur Erreichung dieser Ziele besser wäre, eine Regelung mit den erforderlichen Auflagen für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer zu erlassen, statt einer zugelassenen öffentlich-rechtlichen Vereinigung ein ausschließliches Betriebsrecht zu gewähren, so liegt diese Entscheidung im Ermessen der Mitgliedstaaten, allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie im Hinblick auf das angestrebte Ziel nicht unverhältnismäßig erscheint.“
Der Gerichtshof urteilte dann in der Randnummer 42, die Regelung sei „im Hinblick auf die von ihr verfolgten Ziele nicht unverhältnismäßig“.
3. Das Urteil Zenatti
70.
    Dem vorliegenden Fall am nächsten kommt in der Tat die Rechtssache Zenatti. Es ging dort um das ursprüngliche Verbot des Abschlusses von Sportwetten in Italien nach Artikel 88 des Königlichen Dekrets Nr. 773, das auch für die vorliegende Rechtssache von Bedeutung ist. Das Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache Zenatti ging aus einem Verwaltungsstreitverfahren hervor. Es ging dabei um die Genehmigung einer Tätigkeit als italienischer Mittelsmann einer Gesellschaft - mit Sitz im Vereinigten Königreich -, die auf den Abschluss von Wetten über Sportereignisse spezialisiert war. Bei der italienischen Regelung handelte es sich - ähnlich wie bei der finnischen in der Rechtssache Läärä - um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zugunsten einer monopolistischen Vertriebsstruktur für Sportwetten.
71.
    Sportwetten sind nicht in der gleichen Weise wie Lotterien vom Zufall abhängig; vielmehr haben auch die Geschicklichkeit und vor allem die Kenntnisse des Spielers potenziell Einfluss auf seine Gewinnchancen. In der Literatur wird deshalb die Einordnung von Wetten als Geschicklichkeitsspiel einerseits und als Glücksspiel andererseits diskutiert. Die weitgehende Zufallsabhängigkeit der Ereignisse, zumal wenn auf ganze Spielblöcke gewettet werde, spräche für eine Einordnung als Glücksspiel. Die Qualifizierung kann für die Zwecke der vorliegenden Prüfung letztlich dahinstehen, da der Gerichtshof bei der Würdigung der mitgliedstaatlichen Regelung in der Rechtssache Läärä, in der es um Geschicklichkeitsspiele ging, die gleiche Prüfungsstruktur zugrunde gelegt hat wie in der Rechtssache Schindler, in der es um eine Lotterie und folglich eindeutig um ein Glückspiel ging.
72.
    Der Gerichtshof sagte zu dieser Problematik in der Randnummer 18 des Urteils Zenatti Folgendes:„Im vorliegenden Fall ... bieten Wetten über Sportwettkämpfe wie reine Glücksspiele, mit denen sie im Übrigen nicht gleichgestellt werden können, als Gegenleistung für einen Einsatz eine Chance auf einen Geldgewinn. In Anbetracht der Höhe der Beträge, die dabei eingenommen werden können, und der Gewinne, die sie den Spielern bieten können, sind sie mit denselben Gefahren von Betrug und anderen Straftaten verbunden und können dieselben schädlichen persönlichen und sozialen Folgen haben.“
73.
    Dennoch hob der Gerichtshof grundsätzliche Unterschiede zwischen der Rechtssache Zenatti und dem Fall Schindler hervor, die einmal darin zu sehen sind - worauf im Vorigen bereits hingewiesen wurde -, dass es sich in der Rechtssache Zenatti nur um ein relatives und nicht um ein absolutes Verbot handelte und zum anderen, dass die Niederlassungsfreiheit impliziert sein könnte (Randnrn. 21 und 22 des Urteils Zenatti).
74.
    Ungeachtet der vom Vertrag vorgeschriebenen Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit gegenüber der Niederlassungsfreiheit(30) vermochte der Gerichtshof die Niederlassungsfreiheit nicht zu prüfen, weil sich die Frage des vorlegenden Gerichts ausdrücklich auf die Dienstleistungsfreiheit beschränkte (Randnr. 23). Im Hinblick auf das nicht völlige, also nicht für alle bestehende Verbot (Randnr. 32) führte der Gerichtshof in der Randnummer 33 aus:„Inwieweit ein Mitgliedstaat auf seinem Gebiet im Bereich von Lotterien und anderen Glücksspielen Schutz gewähren will, steht jedoch in dem Ermessen, das der Gerichtshof den nationalen Stellen in Randnummer 61 des Urteils Schindler zuerkannt hat. Ihnen obliegt es nämlich, zu beurteilen, ob es im Rahmen des verfolgten Zieles notwendig ist, Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck bestimmte Kontrollen vorzusehen.“
75.
    Im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung der als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aufgefassten mitgliedstaatlichen Regelungen, wobei die von der italienischen Regierung ins Feld geführten Argumente weitgehend den Zielen der in der Rechtssache Schindler streitgegenständlichen Regelung entsprachen (Randnr. 30), führte der Gerichtshof in den Randnummern 34 bis 37 des Urteils Zenatti weiter aus:„Daher ist es für die Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen ohne Belang, dass ein Mitgliedstaat andere Schutzregelungen als ein anderer Mitgliedstaat erlassen hat. Diese sind allein im Hinblick auf die von den nationalen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das Schutzniveau zu beurteilen, das sie gewährleisten sollen.
Entsprechend den Ausführungen des Gerichtshofes in Randnummer 37 des Urteils ... Läärä ... genügt auch hier die Tatsache, dass die streitigen Wetten nicht vollständig verboten sind, entgegen der Ansicht des Klägers nicht für den Nachweis, dass die nationale Regelung die am Allgemeininteresse ausgerichteten Ziele, die in ihr aufgeführt werden und die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind, nicht wirklich zu erreichen sucht. Denn eine begrenzte Erlaubnis von Glücksspielen im Rahmen von - bestimmten Einrichtungen gewährten oder zur Konzession erteilten - besonderen oder Ausschließlichkeitsrechten, die den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, die Risiken eines solchen Betriebes im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten auszuschalten und die sich daraus ergebenden Gewinne gemeinnützigen Zwecken zuzuführen, dient auch der Verwirklichung dieser Ziele.
Wie jedoch der Generalanwalt in Nummer 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist eine solche Begrenzung nur zulässig, wenn sie in erster Linie wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und wenn die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist. Denn obwohl es, wie der Gerichtshof in Randnummer 60 des Urteils Schindler festgestellt hat, nicht gleichgültig ist, dass Lotterien und andere Glücksspiele in erheblichem Maße zur Finanzierung gemeinnütziger oder im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten beitragen können, kann dies allein nicht als sachliche Rechtfertigung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit angesehen werden.
Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu überprüfen, ob die nationalen Rechtsvorschriften angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten wirklich Zielen dienen, mit denen sie gerechtfertigt werden können, und ob die in ihnen enthaltenen Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.“
B - Zur Niederlassungsfreiheit
76.
    Es ist nunmehr zu untersuchen, ob und wie die Grundaussagen dieser drei Urteile auf den vorliegenden Fall angewandt werden können. Da das vorlegende Gericht ausdrücklich nach der Geltung der Niederlassungsfreiheit und nach deren Wirkungen auf die hier streitgegenständlichen mitgliedstaatlichen Regelungen gefragt hat, und da nach der Normenhierarchie des Vertrages die Niederlassungsfreiheit vor der Dienstleistungsfreiheit eingreift(31), soll hier zunächst die Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Regelungen mit der Niederlassungsfreiheit geprüft werden.1. Zu den Voraussetzungen einer Niederlassung
77.
    Dem unbestrittenen Vortrag der Beteiligten lässt sich entnehmen, dass die Zentren, die Gegenstand der Durchsuchungen und Beschlagnahmen im Ausgangsverfahren waren, vertraglich mit Stanley verbunden sind und dass Stanley auf diese Weise ein ganzes Netzwerk für das Angebot und die Entgegennahme von Sportwetten auf italienischem Territorium aufgebaut hat. Es liegt daher durchaus nahe zu prüfen, ob Stanley sich auf diesem Wege in Italien niedergelassen hat.
78.
    Gemäß dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Factortame(32) besteht eine Niederlassung „in der tatsächlichen Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit“. Gemäß Artikel 43 EG sind Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nach Maßgabe der diesem Artikel folgenden Bestimmungen verboten. Gemäß Artikel 48 EG stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, für die Anwendung des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit den natürlichen Personen, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind, gleich.
79.
    Stanley ist eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts und als eine juristische Person, die einen Erwerbszweck verfolgt, gemäß Artikel 48 Unterabsatz 2 EG potentiell Rechtssubjekt der Niederlassungsfreiheit. Gemäß Artikel 43 Unterabsatz 1 Satz 2 EG sind Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaat ansässig sind, verboten.
80.
    Nach der weiten Definition des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit, die der Gerichtshof in der Rechtssache 205/84(33) vorgenommen hat, unterliegt ein Unternehmen(34), das eine ständige Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat aufrechterhält, den Bestimmungen des Vertrages über das Niederlassungsrecht, „auch wenn die Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder einer Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das von dem eigenen Personal des Unternehmens oder von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln“.
81.
    Als so genannte sekundäre Niederlassung eines Unternehmens kann also ganz unzweifelhaft eine unselbständige Einheit angesehen werden, die für das Haupthaus tätig wird. Soweit sie als Niederlassung im Sinne des Vertrages anzusehen ist, kann sie die damit verbundenen Freiheitsrechte in Anspruch nehmen.
82.
    Es ist erforderlich, positiv festzustellen, ob es sich um eine Niederlassung im Sinne des Vertrages handelt, da sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Rechtssache 205/84 ein im Rahmen der Niederlassungsfreiheit handelndes Unternehmen nicht auf die Dienstleistungsfreiheit berufen kann.(35)
83.
    Die Berufung auf die eine oder andere Freiheit kann im Ergebnis unter Umständen auch für die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Betätigung auf dem Markt des Bestimmungslandes insofern einen Unterschied machen, als eventuelle anzuwendende besondere Zulassungsvoraussetzungen des Niederlassungsstaats - auch unter Anerkennung der im Herkunftsstaat erfolgten Kontrollen und geleisteten Garantien - in dieser Form von einem Dienstleistungserbringer nicht verlangt werden können. Für einen Dienstleistungserbringer aus einem anderen Mitgliedstaat genügt i.d.R. die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen im Herkunftsstaat. Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind dann nur noch zulässig, soweit sie die - unten in Nummer 91 genannten - vier Rechtfertigungsvoraussetzungen erfüllen.
84.
    Die Abgrenzung, ob es sich um die Inanspruchnahme der Niederlassungs- oder der Dienstleistungsfreiheit handelt, muss stets unter Beachtung der konkreten Begleitumstände des jeweiligen Falles erfolgen, da es eine alle Modalitäten der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Betätigung abdeckende Definition zur Abgrenzung der Freiheiten nicht gibt. Gestützt auf die oben in der Nummer 78 zitierte, vom Gerichtshof vorgenommene Definition einer Niederlassung muss es sich um eine feste Einrichtung handeln, die auf unbestimmte Zeit angelegt ist.2. Die Datenübertragungszentren als Niederlassungen des Unternehmens Stanley
85.
    Bei den Datenübertragungszentren handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um feste Einrichtungen. Ob diese Stanley auf Dauer(36) auf dem italienischen Markt repräsentieren sollen, hängt von der Ausgestaltung der zwischen Stanley und den Zentren ausgehandelten Verträge ab. Fraglich ist jedoch, ob die Zentren auf Dauer am Geschäftsbetrieb des Haupthauses teilnehmen bzw. auf Dauer als Außenstelle des Haupthauses auftreten, da sie lediglich Informationen weitergeben für Geschäfte, die im Vereinigten Königreich veranstaltet werden. Aus den Ausführungen der Beteiligten geht hervor, dass der Server für die Angebote, Annahmen und Abwicklung der Wetten in Liverpool steht und die Zentren lediglich eine Vermittlertätigkeit ausüben. Bei der Durchführung derartiger unselbständiger Hilfsdienste kann eine Präsenz eines Unternehmens auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates nur angenommen werden, wenn eine Abhängigkeit der Einrichtung „wie eine Agentur“(37) von dem Unternehmen besteht. Bei reinen Vermittlertätigkeiten bzw. bei bloßen Annahmestellen müsste deshalb eine exklusive Bindung oder zumindest eine überwiegende Anbindung an den Veranstalter hinzukommen.
86.
    Wenn jedoch die Vermittlertätigkeit im Interesse des Wettveranstalters nur eine Tätigkeit unter anderen ist, wird man eine auf Dauer angelegte Beauftragung für das Unternehmen, wie eine Agentur zu handeln, schwerlich annehmen können, da sich der Vermittler in einem derartig gelagerten Fall - je nach Vertragslage - nach freiem Entschluss aus der Zusammenarbeit lösen kann, eine Abhängigkeit vom Haupthaus also nicht besteht. Nach Aktenlage scheint es so zu sein, dass die Datenübertragungszentren Dienstleistungen auf dem Sektor der Datenübertragung ganz unterschiedlicher Natur anbieten, von denen eine die Vermittlertätigkeit für Stanley ist.
87.
    Unter diesen Umständen tendiere ich zu der Annahme, dass es sich bei den Datenübertragungszentren nicht um sekundäre Niederlassungen der Firma Stanley handelt, sondern dass diese Zentren im Wege des Dienstleistungsverkehrs tätig werden. Letztlich kommt es jedoch auf die Beurteilung vor Ort an. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, wie die nationalen Stellen die Zentren im Rahmen der anhängigen Ermittlungsverfahren betrachten.
88.
    Gesetzt den Fall, die Zentren wären dennoch durch die Intensität der Bindung an das britische Unternehmen als Niederlassung von Stanley zu betrachten, dann stellt sich die Frage, inwieweit ihre Betätigung auf dem italienischen Hoheitsgebiet durch die mitgliedstaatliche Gesetzgebung eingeschränkt werden darf.3. Beschränkung der Betätigung
89.
    Dass es sich bei dem Glücksspielsektor grundsätzlich um eine wirtschaftliche Betätigung handelt, die in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt, wurde vom Gerichtshof bereits in diesem Sinne entschieden.(38)
90.
    Zunächst ist weiterhin festzuhalten, dass die vorliegenden Beschränkungen keine Sonderregelungen im Sinne von Artikel 46 Absatz 1 darstellen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt wären. In dem Urteil in der Rechtssache Zenatti hat der Gerichtshof Artikel 46 EG angesprochen, der über Artikel 55 EG auch im Rahmen der Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit anwendbar ist. Er hat daraus jedoch keine Konsequenzen für die Beurteilung der streitgegenständlichen Vorschriften gezogen, sondern hat sich unmittelbar der Prüfung der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses zugewandt. Deshalb soll auch hier im Einklang mit der Vorgehensweise des Gerichtshofes davon ausgegangen werden, dass die mitgliedstaatlichen Vorschriften nicht nach Artikel 46 EG gerechtfertigt sind.
91.
    Der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ferner zu entnehmen, dass die Aufnahme und Ausübung einer wirtschaftlichen Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen der Niederlassungsfreiheit auf einem Gebiet, das im Aufnahmemitgliedstaat bestimmten Bedingungen unterworfen ist, grundsätzlich diesen Bedingungen genügen muss.(39) Allerdings müssen „nationale Maßnahmen, die“ - im Sinne zwingender Erfordernisse, also wenn nicht die Ausnahmegründe des Artikels 46 Absatz 1 vorliegen - „die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen ...: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist“(40). Darüber hinaus ist eine etwaige Gleichwertigkeit der im Herkunftsstaat erworbenen Kenntnisse(41) und geleisteten Garantien(42) zu berücksichtigen. Wenn also ein Mitgliedstaat den Glücksspielsektor durch ein Konzessionssystem reglementiert, so ist dies a priori nicht zu beanstanden. Der ausländische Wirtschaftsteilnehmer muss sich jedoch wie ein Inländer um die Konzessionserteilung bewerben können(43), und das Konzessionssystem selbst muss den vier Voraussetzungen an eine die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit beschränkenden mitgliedstaatlichen Regelung genügen.a) Diskriminierung
92.
    Zu prüfen ist daher in erster Linie, ob die mitgliedstaatliche Regelung diskriminierend ausgestaltet ist bzw. sich diskriminierend auswirkt.
93.
    Dem Gerichtshof wurde unterbreitet, die italienische Gesetzgebung zur Reglementierung von Sportwetten habe eine „monopolistische Struktur“. Das ist wohl so zu verstehen, dass sie Züge eines Monopols trägt, aber dennoch nicht als Monopol im engeren Sinne zu betrachten ist. Im Hinblick auf die diskriminierenden Wirkungen eines Monopols kann man zwei Betrachtungsweisen anstellen. Zum einen lässt sich vertreten, ein Monopol wirke nicht diskriminierend im Sinne des Artikels 43 Unterabsatz 2 EG, da sowohl inländische als auch ausländische Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen von der bestimmten Betätigung ausgeschlossen sind. Zum anderen wird aber auch vertreten, eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit liege vor, wenn ausländische Wirtschaftsteilnehmer von vornherein von der Betätigung in dem betreffenden Mitgliedstaat ausgeschlossen sind. Fraglich ist, ob sich diese Überlegungen auf eine „monopolistische Struktur“ übertragen lassen.
94.
    Man wird davon ausgehen müssen, dass sich andere Wirtschaftsteilnehmer jedenfalls potentiell an der „monopolistischen Struktur“ beteiligen können, indem sie sich um die Konzessionserteilung bewerben. Es kommt also darauf an, wie die Bedingungen für die Konzessionserteilung ausgestaltet sind. Auch wenn in den Ausschreibungsbedingungen für eine Konzessionserteilung keine unmittelbar diskriminierenden Bedingungen wegen der Staatsangehörigkeit aufgenommen sind, so können doch bestimmte Voraussetzungen - wie z. B. das Erfordernis eines bereits vorhandenen Geschäftslokals auf italienischem Territorium - die Bevorzugung inländischer und damit die Benachteiligung ausländischer Wirtschaftsteilnehmer bewirken. In einem solchen Fall ist von einer mittelbaren Diskriminierung auszugehen, die gemeinschaftsrechtlich ebenfalls verboten ist.
95.
    Dafür, dass die Voraussetzungen für eine Konzession zur Annahme von Sportwetten in Italien diskriminierend ausgestaltet sind, spricht einiges. Gerade die bereits erwähnte Bedingung, die im vorliegenden Verfahren angeprangert wurde, dass der potentielle Konzessionsnehmer bereits über ein Geschäftslokal auf italienischem Territorium verfügen muss, wirkt diskriminierend. Dies umso mehr als die Errichtung und Ausübung der Betätigung ohne Konzession rechtswidrig ist, eine einschlägige Beschäftigung - in einem entsprechenden Geschäftslokal - jedenfalls vorher noch nicht stattgefunden haben kann.
96.
    Diskriminierend wirkt auch, dass bestimmte Gesellschaftsformen von vornherein als Konzessionäre ausgeschlossen werden. Die Kommission hat diesen Umstand im Übrigen bereits als gemeinschaftsrechtswidriges Problem aufgegriffen und laut Pressemitteilung vom 17. Oktober 2002 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Italienische Republik gerichtet. In der Pressemitteilung heißt es wörtlich:„Die Europäische Kommission hat beschlossen, Italien förmlich aufzufordern, das Gemeinschaftsrecht bei der Vergabe von Konzessionen für die Abwicklung von Sportwettspielen zu beachten. Derzeit können Kapitalgesellschaften, die auf den institutionalisierten Märkten der Europäischen Union notiert sind, keine derartigen Konzessionen erhalten. Nach Ansicht der Kommission ist dieser Ausschluss nicht erforderlich zur Betrugs- und Verbrechensbekämpfung. Außerdem hat Italien etwa 300 Konzessionen für die Durchführung von Pferdewetten verlängert, ohne ein Auswahlverfahren anzusetzen. Wenn eine wichtige öffentliche Konzession vergeben wird, ohne dass das Verfahren allen potenziellen europäischen Bietern offen steht (in Übereinstimmung mit dem EG-Vertrag und den Vergaberichtlinien), werden europäische Unternehmen der Möglichkeit beraubt, ein Angebot abzugeben. Darüber hinaus laufen die konzessionserteilenden Behörden und in diesem speziellen Fall auch Wettspielteilnehmer Gefahr, dass die angebotene Dienstleistung nicht an die Qualität herankommt, die ein unzulässigerweise ausgeschlossener Bieter hätte gewährleisten können ... .“
97.
    Sofern man die problematisierte Vorgehensweise als diskriminierend im Sinne des Artikels 43 Unterabsatz 2 EG betrachtet, wäre sie per se als gemeinschaftsrechtswidrige Behinderung der freien Niederlassung im Sinne des Vertrages zu betrachten. Die zusätzliche Sanktionierung einer Niederlassungsbehinderung durch ein strafrechtliches Verbot wäre dann erst recht als gemeinschaftsrechtswidrig zu bewerten.b) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses - Ziele, Geeignetheit der Maßnahme und Verhältnismäßigkeit
98.
    Betrachtet man die Voraussetzungen hingegen nicht als Diskriminierung, dann handelt es sich in jedem Fall um eine Beschränkung, die nur unter den - eben in Nummer 92 genannten - engen, vom Gerichtshof aufgestellten vier Voraussetzungen zu rechtfertigen ist. Als zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die sehr weit reichende Reglementierungen des Glücksspielsektors seitens der Mitgliedstaaten zu rechtfertigen geeignet sind, hat der Gerichtshof bereits den Verbraucherschutz sowie den Schutz der Sozialordnung anerkannt.(44) Wenn es sich also durchaus um legitime Ziele handelt, dafür Vorsorge zu tragen, dass die Konzessionsnehmer nicht in verbrecherische oder betrügerische Machenschaften verwickelt sind, so fragt es sich doch, ob der Ausschluss von Kapitalgesellschaften schlechthin, diesem Ziel zu dienen, überhaupt geeignet ist.
99.
    Um eine Aussage über die Integrität einer Kapitalgesellschaft machen zu können, können Kontrollen durchgeführt werden, die beispielsweise darin bestehen, Informationen über die Integrität der Unternehmensvertreter und Hauptaktionäre einzuholen. Der völlige Ausschluss vom Zugang erscheint auf jeden Fall unverhältnismäßig. Wenn aber der völlige Ausschluss gemeinschaftsrechtswidrig ist, dann ist dessen strafrechtliche Absicherung insoweit erst recht gemeinschaftsrechtswidrig.
100.
    Im Rahmen der Verfahren zur Vergabe von Konzessionen wären dann im Übrigen in einem anderen Mitgliedstaat bereits durchgeführte Kontrollen und geleistete Garantien zu berücksichtigen.(45) In diesem Kontext ist der Vortrag von Garrisi von Interesse, Tätigkeiten im Lotteriewesen seien zugleich Gegenstand der Richtlinie 1999/42(46). Gemäß Artikel 1 dieser Richtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, bestimmte Maßnahmen bezüglich der Niederlassung und der Erbringung von Dienstleistungen zu treffen. Die Richtlinie gilt für die in Anhang A aufgeführten Tätigkeiten, wo es im ersten Teil in Liste VI unter Nummer 3 unter anderem heißt:„ex 84        Dienste zur Freizeitgestaltung

            843    sonstige Dienste zur Freizeitgestaltung
                -    Sport (Sportplätze, Organisation von Sportveranstaltungen usw.), außer der Tätigkeit des Sportlehrers
                -    Spiele (Rennställe, Spielplätze, Rennplätze usw.)
                -    andere Tätigkeiten der Freizeitgestaltung (Zirkus, Vergnügungspark und andere der Unterhaltung dienende Unternehmen).“
101.
    Zwar ist die von Garrisi behauptete ausdrückliche Erwähnung von „Buchmachern“ und „Wettbüros“ in dieser Bestimmung nicht enthalten. Wie aufgezeigt sind die diesen Tätigkeiten am nächsten kommenden nicht unter der von Garrisi genannten ISIC-Nomenklatur „ex 859“, sondern 843 eingeordnet.
102.
    Bei großzügiger Auslegung der betreffenden Gruppe ließe sich die von Garrisi vertretende Auffassung verteidigen. Allerdings heißt es im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie:„Die wichtigsten Bestimmungen dieser Richtlinie sollten im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 11. und 12. Dezember 1992 in Edinburgh zur Subsidiarität, zur Vereinfachung der Gemeinschaftsvorschriften und insbesondere zur Überprüfung der relativ lange bestehenden Richtlinie im Bereich der beruflichen Qualifikation durch die Kommission ersetzt werden ... .“
In den erwähnten Schlussfolgerungen des Europäischen Rates heißt es unter Teil A Anlage 2 aber ausdrücklich:
„So verzichtet sie [gemeint ist die Kommission] z. B. ... auf die Reglementierung der Glücksspiele.“(47)
103.
    Ob dieser im vorliegenden Verfahren mehrmals erwähnte Verzicht Auswirkungen auf die Auslegung der 1999 erlassenen Richtlinie zur Anerkennung der Befähigungsnachweise hat, ist nicht unwahrscheinlich. Auf jeden Fall, ob nun mittels der Richtlinie 1999/42 im Wege der dort vorgeschriebenen Verfahren oder unmittelbar aufgrund des Primärrechts, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen „Kenntnisse und Fähigkeiten“(48) bzw. „Kontrollen und Garantien“(49) beruflichen Fähigkeiten, Zulassungen und Kontrollen in Rechnung zu stellen.
104.
    Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass dann, wenn es sich um eine Niederlassung handelt - was das nationale Gericht festzustellen hat -, das in den inkriminierten italienischen Vorschriften enthaltene Betätigungsverbot für in anderen Mitgliedstaaten ordnungsgemäß zugelassene Sportwettenbetreiber gegen die Grundsätze der freien Niederlassung im Sinne des EG-Vertrags verstieße.C - Zur Dienstleistungsfreiheit
105.
    Sollten die Übertragungszentren aus rein tatsächlichen Gründen jedoch nicht als Niederlassungen des Unternehmens Stanley zu betrachten sein, so sind sie auf jeden Fall an der Erbringung der von Stanley angebotenen Dienstleistungen beteiligt. Bei der von Stanley ausgeübten Geschäftstätigkeit handelt es sich unter der Annahme, dass das Unternehmen keine ihm als Niederlassung zuzurechnende Repräsentanz auf italienischem Territorium unterhält, um eine klassische Korrespondenzdienstleistung. Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger sind in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig, und allein die Dienstleistung hat einen grenzüberschreitenden Charakter.1. Zur Behinderung der Dienstleistungsfreiheit und deren Rechtfertigung
106.
    Das Anbieten der Möglichkeit, gegen Bezahlung an einem Glücksspiel teilzunehmen, eine Tätigkeit, zu der der Gerichtshof auch die Sportwetten zählt, wurde vom Gerichtshof bereits als Dienstleistung anerkannt und soll für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens auch nicht mehr in Frage gestellt werden.(50) Ebenso selbstverständlich ging der Gerichtshof davon aus, dass die Rechtsvorschriften, die Wettveranstalter aus anderen Mitgliedstaaten daran hindern, Wetten auf italienischem Boden anzunehmen, eine Behinderung der Dienstleistungsfreiheit darstellen.(51)
107.
    Behinderungen der Dienstleistungsfreiheit sind schlechthin nur dann zulässig, wenn sie entweder im EG-Vertrag ausdrücklich zugelassen sind - dann wären sogar diskriminierende Regelungen möglich -, oder wenn sie entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofes mit zwingenden Erfordernissen gerechtfertigt werden können.(52) Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Zenatti - wie bereits oben in der Nummer 90 erwähnt - zwar die Artikel 45, 46 und 55 EG, die Beschränkungen zulassen, wenn die Tätigkeit auch nur zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbundenen ist oder soweit sie durch Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, erwähnt, jedoch nicht geprüft, sondern ist unmittelbar zur Prüfung der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses übergegangen. Man wird daraus den Schluss ziehen können, dass nach Ansicht des Gerichtshofes die Wetttätigkeit, gleichgültig wie sie von Staats wegen reglementiert ist, weder mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist, noch, dass die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit durch diese in einer Weise gefährdet sind, die die Reglementierung rechtfertigen könnte.
108.
    Vor allem die Überlegung, die öffentliche Sicherheit und Ordnung könnte die strenge Reglementierung rechtfertigen, die dem Staat eine sehr weit gehende Organisationsgewalt auf dem Glücksspielsektor vorbehält, scheint aber nicht abwegig. Unter den die in Italien geltende Regelung tragenden Gründe, ebenso für die in fast allen Mitgliedstaaten geltenden vergleichbaren Regelungen(53), wird die Verhinderung von Straftaten angeführt.(54) Auch die sowohl in Italien als auch in anderen Mitgliedstaaten bestehende strafrechtliche Absicherung der die staatliche Regie des Glücksspiels etablierenden Vorschriften steht für die gesetzgeberische Bewertung der Gefährlichkeit des Glücksspiels. Dennoch hat weder der Gerichtshof die bereits in dem Urteil Zenatti zu bewertenden italienischen Regelungen als aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerechtfertigt betrachtet, noch wurde dies von den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens ernsthaft vertreten.
109.
    Dem Vorbild des Gerichtshofes folgend(55) soll daher unmittelbar in die Prüfung der Rechtfertigung unterschiedslos anwendbarer - also nicht diskriminierender -, die Dienstleistungsfreiheit beschränkender mitgliedstaatlicher Regelungen eingetreten werden. Es kommt folglich darauf an, ob zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, die die mitgliedstaatlichen Maßnahmen zu rechtfertigen geeignet sind. In den bisherigen Verfahren vor dem Gerichtshof zum Spielsektor wurde stets ein ganzer Fächer von Argumenten zur Rechtfertigung der jeweiligen mitgliedstaatlichen Regelungen vorgetragen.
110.
    In dem Urteil Schindler wurden diese vom Gerichtshof in der Randnummer 57 wie folgt zusammengefasst: „Sie sollten Straftaten verhindern und sicherstellen, dass die Spieler fair behandelt werden, eine Anregung der Nachfrage nach Glücksspielen, die im Übermaß betrieben mit sozialschädlichen Folgen verbunden sind, verhindern und dafür sorgen, dass Lotterien nicht zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken veranstaltet werden können, sondern ausschließlich zu wohltätigen oder sport- oder kulturfördernden Zwecken.“
111.
    In der Rechtssache Läärä zielte die streitgegenständliche Regelung darauf ab - so die dortige Randnummer 32 -, „die Ausnutzung der Spielleidenschaft der Menschen zu begrenzen, die Risiken von Betrug und anderen Straftaten als Folge der entsprechenden Tätigkeiten zu vermeiden und diese Tätigkeiten nur zuzulassen, um Mittel für gemeinnützige oder wohltätige Zwecke zu erlangen.“
112.
    Zur ursprünglichen, auch im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Regelung führte der Gerichtshof aus, gemäß dem Vorlagebeschluss und den Erklärungen der italienischen Regierung würde die italienische Regelung Ziele verfolgen, die den von den britischen Rechtsvorschriften über Lotterien angestrebten entsprächen. „Die italienischen Rechtsvorschriften zielen nämlich darauf, zu verhindern, dass diese Spiele zu einer Quelle persönlicher Bereicherung werden, die Gefahr von Betrug und anderen Straftaten sowie schädliche, persönliche und soziale Folgen durch den von ihnen ausgeübten Anreiz zu Ausgaben zu vermeiden und sie nur insoweit zuzulassen, als sie von gesellschaftlichem Nutzen für die zweckentsprechende Durchführung eines Sportwettkampfs sind.“(56)
113.
    Im vorliegenden Verfahren sind keine neuen oder anderen Gründe ins Feld geführt worden. Der Gerichtshof hat sich bisher einer differenzierten Prüfung der einzelnen Gründe enthalten. Er hat sie vielmehr ausdrücklich in ihrer Gesamtheit gewürdigt.(57) Sie beziehen sich demnach auf den „Schutz der Empfänger der Dienstleistung und ganz allgemein der Verbraucher sowie auf den Schutz der Sozialordnung“(58), die als zwingende Gründe des Allgemeinwohls angesehen werden können.
114.
    In der Rechtssache Schindler (Randnr. 61) waren diese Gründe geeignet, ein Totalverbot der Lotterien zu rechtfertigen. Für eine Regelung, wie sie der Rechtssache Zenatti zugrunde lag, die die betreffenden Geschäfte gerade nicht vollständig verbot, räumte der Gerichtshof den Mitgliedstaaten ein Ermessen ein zu beurteilen, ob sie Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise verbieten oder sie nur beschränken wollen; zu diesem Zweck konnten sie bestimmte Kontrollen vorsehen (Randnr. 33 des Urteils Zenatti). Es sei insofern - so weiter in der Randnummer 34 - Sache des Mitgliedstaats, die Ziele und das Schutzniveau zu definieren.
115.
    Die begrenzte Erlaubtheit des Tuns, die bezweckt, „die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierten Bahnen zu lenken, die Risiken eines solchen Betriebes im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten auszuschalten und die sich daraus ergebenden Gewinne gemeinnützigen Zwecken zuzuführen“, diene auch der im Allgemeininteresse ausgerichteten Ziele. Dennoch hielt der Gerichtshof eine „solche Begrenzung nur für zulässig, wenn sie in erster Linie wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und wenn die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine erfreuliche Nebenwirkung sind, ...“.(59)
116.
    Es scheint daher durchaus im Sinne des Gerichtshofes, die verfolgten Ziele und die dazu eingesetzten Mittel einer näheren Prüfung zu unterziehen, wenngleich er diese Aufgabe bisher den nationalen Gerichten überlassen hat(60), die sich, wie im Vorigen bereits erwähnt wurde, damit offensichtlich schwer tun.2. Zur Geeignetheit der Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels
117.
     Die geltend gemachten Ziele lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen. Zum einen geht es um Gefahren, die vom Veranstalter ausgehen können, wie Betrügereien und Straftaten. Zum anderen geht es um den Schutz der Spieler vor sich selbst. Dazu ist das Bestreben zur Eindämmung der Spielmöglichkeiten zu zählen, die einem übermäßigen Spieleinsatz, der Spielleidenschaft oder gar der Spielsucht mit den damit einhergehenden vermögens- und sozialschädlichen Wirkungen zuvorkommen soll. Die befürchteten negativen gesellschaftlichen Wirkungen können diesem Ziel zugeordnet werden, da ihnen durch eine Begrenzung der Spielmöglichkeiten begegnet werden soll. Schließlich ist der nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Aspekt der Erwirtschaftung beträchtlicher Summen für den Staatshaushalt oder jedenfalls zum Einsatz für gemeinnützige Zwecke zu bedenken.a) Vom Veranstalter ausgehende Gefahren
118.
    Den möglicherweise vom Veranstalter ausgehenden Gefahren kann durch Kontrollen bei der Zulassung und gegebenenfalls einer Überwachung der Betätigung begegnet werden. Ein Zulassungsverfahren ist insofern an sich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit wird dies jedoch dann problematisch, wenn es in einer Weise gehandhabt wird, dass in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Veranstalter, die den dort geltenden Regeln genügen, praktisch von der Betätigung ausgeschlossen werden. Man wird davon ausgehen können, dass das Glücksspiel in wohl allen Mitgliedstaaten gesetzlich geregelt wird(61) und dass die Gründe, die für die Reglementierung angeführt werden, weitgehend übereinstimmen.(62) Wenn also ein Veranstalter eines anderen Mitgliedstaats die dort geltenden Bedingungen erfüllt, dann sollte dies den mitgliedstaatlichen Stellen des Mitgliedstaats der Dienstleistungserbringung genügen und sie sollten dies als hinreichende Gewähr für die Integrität des Veranstalters gelten lassen.b) Eindämmung der Spielleidenschaft
119.
    Was nun die durch die Diversifizierung und Ausweitung des Spielangebots befürchteten Gefahren anbelangt, so muss geprüft werden, ob diese Gegenstand einer kohärenten Politik des Mitgliedstaats sind, zumal wenn es sich nicht um ein absolutes Verbot, sondern um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt handelt. Solange es sich um ein Totalverbot für einen bestimmten Zweig des Glücksspiels handelt, ist die dieses Angebot begrenzende Wirkung offensichtlich. Wenn jedoch das Glücksspiel, in unserem Fall also Sportwetten - wenn auch in klaren gesetzlichen Grenzen - erlaubt ist, ist die behauptete Absicht der begrenzenden Wirkung sehr viel genauer zu untersuchen. Zwar kann die begrenzte Erlaubnis, so wie es der Gerichtshof in der Randnummer 35 des Urteils Zenatti ausgeführt hat, nicht als Nachweis dafür dienen, dass die mitgliedstaatliche Regelung, die am Allgemeininteresse ausgerichteten Ziele nicht wirklich zu erreichen sucht. Ebenso wenig kann die Reglementierung allein als Nachweis für die behauptete Zielverfolgung dienen, denn sie ist auch nach Ansicht des Gerichtshofes (in der Randnr. 36 des Urteils Zenatti) nur zulässig, „wenn sie in erster Linie wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern.“
120.
    Ob dem so ist, kann jedoch nur Gegenstand einer Gesamtwürdigung sein, die das Auftreten und Verhalten der Spielveranstalter im Mitgliedstaat berücksichtigt. Dies wird dadurch erhärtet, dass der Gerichtshof diese Bewertung in der Rechtssache Zenatti dem mitgliedstaatlichen Gericht anheim gestellt hat. Wenn hingegen hinreichende Tatsachen bekannt sind, die eine Bewertung durch den Gerichtshof erlauben, ist dieser nicht daran gehindert, eine Einschätzung vorzunehmen.
121.
    In dem vorliegenden Verfahren wurde vorgetragen, dass die konzessionierten Sportwetten-Veranstalter durch aggressive Werbung in Erscheinung treten. Ein derartiges Verhalten ist dazu bestimmt, die Spiellust zu wecken und zu fördern. Aber damit nicht genug. Auch der italienische Staat hat gesetzgeberisch die Möglichkeiten geschaffen, das Glücksspielangebot auf dem italienischen Markt deutlich zu erweitern.(63) Ferner wurde unwidersprochen vorgetragen, der italienische Staat habe ebenfalls dafür gesorgt, das Sammeln von Wetten zu erleichtern. Die Ausweitung der Infrastruktur durch die Vergabe von 1 000 neuen Konzessionen wurde bereits erwähnt.
122.
    Vor diesem Hintergrund kann man nicht mehr von einer kohärenten Politik zur Beschränkung des Angebots für Glücksspiele sprechen. Die behaupteten, aber nicht (mehr) wirklich verfolgten Zielsetzungen sind daher auch nicht geeignet, die Behinderung der Dienstleistungsfreiheit durch in anderen Mitgliedstaaten angesiedelte und ordnungsgemäß zugelassene Anbieter zu rechtfertigen.
123.
    Was nun die Gesetzesänderung aus dem Jahr 2000 durch die Legge finanziaria und die Begleitumstände ihres Erlasses betrifft, mit der die bis dahin geltenden - vom Gerichtshof bereits in der Rechtssache Zenatti geprüften - Rechtsvorschriften verschärft wurden, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß den in den schriftsätzlichen Äußerungen zitierten Gesetzesmaterialien die Gesetzesänderung zumindest auch vorgenommen wurde, um die einheimischen Konzessionäre zu schützen. Dabei handelt es sich um eindeutig protektionistische Beweggründe, die die Gesetzesänderung nicht zu rechtfertigen vermögen und gleichzeitig ein fragwürdiges Licht auf die Regelung insgesamt werfen. Soweit die ursprüngliche Regelung ohnehin von den möglicherweise bei ihrem Erlass beabsichtigten Zielen als nicht mehr getragen betrachtet werden muss, weil sich das rechtliche und das tatsächliche Umfeld verändert haben, durfte eine Verschärfung in dieser Form auf keinen Fall mehr erlassen werden.c) Die Bedeutung der staatlichen Einnahmen
124.
    Auch die Tatsache, dass die Regelung in einer Legge finanziaria erfolgte, weist auf das nicht unmaßgebliche Interesse des Mitgliedstaats am Glücksspiel aus wirtschaftlichen Gründen hin.
125.
    Der Gerichtshof hat zwar in der Randnummer 60 des Urteils Schindler ausgeführt, es sei „nicht ohne Bedeutung“, - ohne dass dies allein als Rechtfertigung angesehen werden könne -, „dass Lotterien in erheblichem Maße zur Finanzierung uneigennütziger oder im Allgemeininteresse liegender Tätigkeiten wie sozialer oder karitativer Werke, des Sports oder der Kultur beitragen können“. Konnte man gestützt auf diese Aussage unter Umständen davon ausgehen, dass wirtschaftliche Gründe - jedenfalls neben anderen - als Gründe des Allgemeininteresses anerkannt werden, so hat der Gerichtshof Spekulationen dieser Art in kohärenter Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung zur Ungeeignetheit wirtschaftlicher Gründe als Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen(64) im Urteil Zenatti klargestellt und dort in der Randnummer 36 ausgeführt, dass „die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine erfreuliche Nebenwirkung, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik“ sein dürfe.
126.
    Die positiven finanziellen Auswirkungen des Glücksspiels für den Staatshaushalt können daher nicht als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkannt werden, die den Ausschluss von Veranstaltern anderer Mitgliedstaaten vom Glücksspielmarkt rechtfertigen könnten. Dennoch kann nicht übersehen werden, dass die positiven wirtschaftlichen Konsequenzen des Glücksspiels für die Staatseinnahmen der Mitgliedstaaten von großer Bedeutung sind. Dies klingt in den Stellungnahmen der Mitgliedstaaten mehr oder weniger deutlich an. Am eindeutigsten hat sich die portugiesische Regierung eingelassen, die anschaulich die befürchteten, beinahe dramatischen Folgen beschreibt, die eine Liberalisierung des Glücksspiels auf europäischer Ebene für die kleinen Mitgliedstaaten nach sich zöge. Derartige Besorgnisse sind sicher nicht von der Hand zu weisen.
127.
    Aus den Ausführungen der Mitgliedstaaten wird jedoch deutlich, dass sie vor allem die wirtschaftlichen Folgen einer Veränderung des Glücksspielsektors befürchten. Von etwaigen gefährlichen Wirkungen des Glücksspiels für die Spieler und ihr soziales Umfeld ist insofern wenig die Rede. Die Befürchtungen können daher auch nicht als Verbraucherschutzinteressen im Sinne zwingender Gründe des Allgemeininteresses gewertet werden.
128.
    Sollten sich anlässlich einer relativen Öffnung der mitgliedstaatlichen Märkte für Glücksspiele die Befürchtungen einer Umschichtung der Staatseinnahmen bewahrheiten, dann gilt es gegebenenfalls, mit anderen geeigneten Mitteln dagegen vorzugehen. Rein wirtschaftliche Überlegungen können aber nicht dazu dienen, die Dienstleistungsfreiheit durch in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene Veranstalter gänzlich zu unterbinden.
129.
    Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit kann folglich aus den angeführten Gründen und unter den gegebenen Umständen nicht als durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt betrachtet werden.3. Das Glücksspiel und die elektronischen Medien
130.
    Die Gesetzesänderung aus dem Jahr 2000, mit der die bestehenden Verbote angeblich nur abgesichert werden sollten, ist zumindest auch vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklungen zu betrachten. Es ist ganz unstreitig, dass es durch diese Entwicklungen immer schwieriger wird, die Beachtung zulässiger Reglementierungen zu überwachen. Selbst ohne das Dazwischentreten eines Vermittlers kann der Spielwillige per Telefon, Fax oder Internet bei einem europäischen Anbieter seiner Wahl seine Wette plazieren. Diese Fazilitäten, die eine räumliche Veränderung für die Teilnahme an einem ausländischen Glücksspiel nicht mehr voraussetzen, führen auf gesetzgeberischer Ebene zu unterschiedlichen Reaktionen. Im Vereinigten Königreich wurde z. B. der in der Rechtssache Schindler zwar nicht relevante aber erwähnte Lotteries Act 1993 erlassen, mit dem eine Nationallotterie eingeführt wurde, um auf britischem Territorium ein Angebot zu ermöglichen, das dem Angebot ausländischer Anbieter vergleichbar ist. In anderen Mitgliedstaaten wie z. B. Italien oder auch Deutschland(65) wurden die vorhandenen Regelungen vor allem auf strafrechtlicher Ebene verschärft.4. Konsequenzen
131.
    Die Bewertung dieser strafrechtlichen Sanktionen steht und fällt aber mit der Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Einschränkungen und Verbote, wobei es für die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung ganz entscheidend auf die verfolgten Ziele ankommt. Wenn, wie im vorliegenden Fall, bereits die postulierten Ziele der betreffenden Regelungen durch das nicht kohärente Verhalten der mitgliedstaatlichen Stellen in Frage gestellt werden bzw. wenn sie nicht als zwingende Erfordernisse im Sinne des Gemeinwohls betrachtet werden können, dann muss eine diese Maßnahmen verschärfende strafrechtliche Regelung als unverhältnismäßig eingestuft werden.
132.
    Es ist daher festzuhalten, dass eine mitgliedstaatliche Regelung wie die streitgegenständliche italienische, die strafbewehrte Verbote der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme der Bestellung und Übertragung von Wetten, insbesondere bei sportlichen Ereignissen durch wen auch immer und wo auch immer, unter den Umständen des vorliegenden Falles gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß den Artikeln 49 ff. EG verstößt.
133.
    Der Vollständigkeit halber soll schließlich noch auf das Vorbringen der Beschuldigten eingegangen werden, die inkriminierte italienische Regelung verstoße gegen das gemeinschaftsrechtliche Sekundärrecht für den elektronischen Geschäftsverkehr und die in Nummer 38 genannten Richtlinien. Dazu genügt zunächst der Hinweis auf die Richtlinie 2000/31(66) über den elektronischen Geschäftsverkehr, in deren Artikel 1 Absatz 5 Buchstabe d dritter Spiegelstrich es heißt, dass die Richtlinie keine Anwendung auf „Gewinnspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen, einschließlich Lotterien und Wetten“ findet. Was darüber hinaus die Richtlinie 96/19 zur Änderung der Richtlinie 90/388 hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf dem Telekommunikationsmärkten, 97/13 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste und 97/66 über die Bearbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation betrifft, so ist festzustellen, dass diese weder explizit noch implizit zu dem Fragenkreis der Veranstaltung von Glücksspielen Position beziehen. Von einer sekundärrechtlichen Regelung des Gebietes kann daher nicht ausgegangen werden. Muss man also davon ausgehen, dass keine spezielle gemeinschaftsrechtliche Regelung besteht, so ist das Primärrecht maßgeblich, in dessen Licht im Übrigen auch das Sekundärrecht ausgelegt werden muss. VI - Ergebnis
134.
    Als Ergebnis vorstehender Überlegungen schlage ich folgende Beantwortung der Vorabentscheidungsfrage vor: Die Artikel 49 ff. EG über die Dienstleistungsfreiheit sind dahin auszulegen, dass ihnen eine mitgliedstaatliche Regelung wie die italienische in Artikel 4 Absätze 1 bis 4, 4a und 4b des Gesetzes Nr. 401 vom 13. Dezember 1989 (zuletzt geändert durch die Artikel 37 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 388 vom 23. Dezember 2000), die strafbewehrte Verbote für die Tätigkeit des Sammelns, der Entgegennahme, der Bestellung und der Übermittlung von Wetten, insbesondere bei sportlichen Ereignissen vorsieht, dann entgegensteht, wenn diese Tätigkeiten von oder bei einem bzw. für einen Wettveranstalter vorgenommen werden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und der diese Tätigkeiten ordnungsgemäß entsprechend den dortigen Regelungen ausübt.

1: -     Originalsprache: Deutsch.

2: -    Laut Vorlagebeschluss sind es 137, laut Schriftsatz des Vertreters von Gambelli weitere 140 Personen. Wegen dieser Unklarheit wird im Folgenden lediglich gesagt: Gambelli und über 100 weitere Personen bzw. Gambelli und die anderen Beschuldigten.

3: -    Urteil vom 21. Oktober 1999 in der Rechtssache C-67/98 (Zenatti, Slg. 1999, I-7289).

4: -    Vgl. Urteil vom 24. März 1994 in der Rechtssache C-275/92 (Schindler, Slg. 1994, I-1039).

5: -    Vgl. Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-124/97 (Läärä, Slg. 1999, I-6067).

6: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3).

7: -    Vgl. Gesetz Nr. 388/2000 vom 23. Dezember 2000 Legge Finanziaria; Supplemento ordinario Nr. 302 des GURI vom 29.12.2000 (im Folgenden: Gesetz Nr. 388/00).

8: -    DR Nr. 773 vom 16. Juni 1931 GURI Nr. 146 vom 26.6.1931 in der Fassung des Gesetzes Nr. 388 vom 23.12.2000 Legge Finanziaria (Supplemento ordinario Nr. 302 des GURI vom 29.12.2000).

9: -    Gesetz vom 13. September 1989 (GURI Nr. 294 vom 18.12.1989, im Folgenden: Gesetz Nr. 401/89).

10: -    Die Absätze 4a und 4b sind durch das Gesetz Nr. 388 vom 23.12.2000 als Absätze 4 bis und 4 ter in das Gesetz Nr. 401/89 eingefügt worden, wodurch - laut Vorlagebeschluss - die strafrechtlichen Folgen auf alle Personen ausgedehnt wurden, die in Italien verbotenerweise Wetten gleich welcher Art betreiben.

11: -    Urteil vom 5. Juli 1997 in der Rechtssache C-398/95 (Slg. 1997, I-3091, Randnr. 23).

12: -    Urteil vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85 (Slg. 1988, 2085, Randnrn. 32 bis 34).

13: -    Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-288/89 (Slg. 1991, I-4007, Randnr. 11).

14: -    Gemeint ist die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juni 1999 über ein Verfahren zur Anerkennung der Befähigungsnachweise für die unter die Liberalisierungs- und Übergangsrichtlinien fallenden Berufstätigkeiten in Ergänzung der allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Befähigungsnachweise (ABl. L 201 vom 31.7.1999, S. 77).

15: -    Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (ABl. L 192 vom 24.7.1990, S. 10) in der Fassung der Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13. März 1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten (ABl. L 74 vom 22.3.1996, S. 13).

16: -    Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (ABl. L 117 vom 7.5.1997, S. 15).

17: -    Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation (ABl. L 24 vom 30.1.1998 S. 1).

18: -    Urteil vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-19/92 (Slg. 1993, I-1663).

19: -    Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94 (Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 39 sechster Spiegelstrich). Zu den vier Voraussetzungen im Einzelnen siehe unten Nr. 92.

20: -    Vgl. Urteile Schindler (zitiert in Fußnote 4), Läärä (zitiert in Fußnote 5) und Zenatti (zitiert in Fußnote 3) sowie Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649, Randnr. 8) und Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-76/90 (Säger, Slg. 1991, I-4221) und Urteil Gouda (zitiert in Fußnote 13).

21: -    Vgl. Rechtssache C-6/01, Randnr. 90 des Schriftsatzes.

22: -    Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1).

23: -    Vgl. Urteil vom 31. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 10).

24: -    Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann vom 16. Dezember 1993 in der Rechtssache C-275/92 (Schindler, Slg. 1994, I-1042, Nr. 42 f.).

25: -    Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola vom 4. März 1999 in der Rechtssache C-124/97 (Läärä, Slg. 1999, I-6069, Nr. 26).

26: -    Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 20. Mai 1999 in der Rechtssache C-67/98 (Zenatti, Slg. 1999, I-7291, Nrn. 21 und 22).

27: -    Vgl. Randnrn 22 und 23 des Urteils (zitiert in Fußnote 3).

28: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Läärä (zitiert in Fußnote 5, Randnrn 13 f.) und Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnr. 33).

29: -    Vgl. Randnrn. 24, 25, 26 und 35 des Urteils Läärä (zitiert in Fußnote 5).

30: -    Vgl. Artikel 50 EG; siehe auch Urteil in der Rechtssache Gebhard (zitiert in Fußnote 19, Randnr. 22).

31: -    Vgl. Artikel 50 EG und Urteil in der Rechtssache Gebhard (zitiert in Fußnote 19, Randnr. 22) und Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache 205/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1986, 3755, Randnr. 21 letzter Satz).

32: -    Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-221/89 (Slg. 1991, I-3905, Randnr. 20).

33: -    Urteil Kommission/Deutschland (zitiert in Fußnote 31, Randnr. 21).

34: -    In diesem Fall ging es um Versicherungsunternehmen.

35: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Kommission/Deutschland (zitiert in Fußnote 31, Randnr. 21); vgl. auch Urteil in der Rechtssache Gebhard (zitiert in Fußnote 19, Randnr. 20), wo es heißt, dass sich die Kapitel über das Niederlassungsrecht und die Dienstleistungsfreiheit einander ausschließen.

36: -    Vgl. das Erfordernis gemäß Urteil in der Rechtssache 205/84 (zitiert in Fußnote 31, Randnr. 21).

37: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache 205/84 (zitiert in Fußnote 31, Randnr. 21).

38: -    Urteil Schindler (zitiert in Fußnote 4, Randnrn. 33 ff.).

39: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Gebhard (zitiert in Fußnote 19, Randnr. 39).

40: -    So Randnr. 39 sechster Spiegelstrich des Urteils Gebhard (zitiert in Fußnote 19).

41: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Gebhard (zitiert in Fußnote 19, Randnr. 39 vierter Spiegelstrich).

42: -    Rechtssache 205/84 (zitiert in Fußnote 31, Randnr. 47).

43: -    Vgl. das aus Artikel 43 Unterabsatz 2 EG folgende Diskriminierungsverbot.

44: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Schindler (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 58).

45: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache 205/84 (zitiert in Fußnote 31, Randnr. 47).

46: -    Richtlinie 1999/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juni 1999 über ein Verfahren zur Anerkennung der Befähigungsnachweise für die unter die Liberalisierungs- und Übergangsrichtlinien fallenden Berufstätigkeiten in Ergänzung der allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Befähigungsnachweise (zitiert in Fußnote 14).

47: -    Vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften 1992 Nr. 12, S. 18.

48: -    Urteil vom 7. Mai 1991 in der Rechtssache C-340/89 (Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357).

49: -    Rechtssache 205/84 (zitiert in Fußnote 31, Randnr. 47)

50: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnrn. 24 f.).

51: -    Vgl. Urteil Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnr. 27).

52: -    Urteil Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnr. 28).

53: -    Vgl. die grundsätzlichen Ausführungen des Generalanwalts Gulmann in den Schlussanträgen in der Rechtssache Schindler (zitiert in Fußnote 24, Nrn. 1 f.).

54: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Schindler (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 57); Urteil in der Rechtssache Läärä (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 32) und Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnr. 30).

55: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnr. 29).

56: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnr. 30).

57: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Schindler (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 58) und Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote3, Randnr. 31).

58: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnr. 31).

59: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnrn. 35 und 36; Hervorhebung durch den Verfasser).

60: -    Vgl. Urteil in der Rechtssache Zenatti (zitiert in Fußnote 3, Randnr. 37).

61: -    Vgl. die allgemeinen Ausführungen des Generalanwalts Gulmann in den Schlussanträgen in der Rechtssache Schindler (zitiert in Fußnote 24), gestützt auf eine Studie der Kommission, Nr. 1 f.).

62: -    In diesem Sinn sind die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten in den Verfahren Schindler, Läärä, Zenatti sowie dem vorliegenden zu verstehen.

63: -    Vgl. den diesbezüglichen Vortrag von Gambelli, wiedergegeben im Vorigen (Nr. 23).

64: -    Vgl. Urteil vom 24. Januar 2002 in der Rechtssache C-164/99 (Portugaia Construções Ld²., Slg. 2002, I-787, Randnr. 26) und Urteil vom 22. November 2002 in der Rechtssache C-436/00 (X und Y, Slg. 2002, I-0000, Randnr. 50), jeweils mit weiteren Nachweisen.

65: -    Vgl. Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.1.1998, BGBl. I, S. 164, mit dem in § 287 der Straftatbestand der unerlaubten Veranstaltung einer Lotterie oder Ausspielung verschärft wurde.

66: -    Zitiert im Vorigen, Nr. 56.





SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER

vom 16. Mai 20061(1)
Verbundene Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und C-360/04
Procuratore della Repubblica
gegen
Massimiliano Placanica, Christian Palazzese und Angelo Sorrichio
(Ersuchen um Vorabentscheidung des Tribunale Teramo und des Tribunale Larino [Italien])
„Zulässigkeit der Vorlagefragen: Voraussetzungen – Wetten über das Internet – Erfordernis von Konzession und vorheriger Genehmigung – Strafrechtliche Sanktionen – Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs – Voraussetzungen“

I –    Einleitung
1.        „Rien ne va plus“. Der Gerichtshof kann sich einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Grundfreiheiten des EG-Vertrags im Glücksspielsektor nicht länger entziehen.
2.        Er hat hierzu zum dritten Mal in Bezug auf die in Italien geltende Regelung Stellung zu nehmen. Zum ersten Mal tat er dies auf ein Ersuchen des Consiglio di Stato (Staatsrat) in dem Urteil vom 21. Oktober 1999 in der Rechtssache Zenatti(2), in dem er feststellte, dass die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Dienstleistungsfreiheit nationalen Rechtsvorschriften wie den italienischen, die bestimmten Einrichtungen das Recht zur Annahme von Wetten über Sportereignisse vorbehalten, nicht entgegenstehen, wenn diese Rechtsvorschriften tatsächlich durch Ziele der Sozialpolitik, nämlich die Beschränkung der schädlichen Wirkungen solcher Aktivitäten, gerechtfertigt sind und wenn die in ihnen enthaltenen Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.
3.        Die Feststellungen in diesem Urteil konnten die Probleme, die die gesetzliche Regelung in Italien aufwarf, nicht lösen und führten zu einem zweiten Vorabentscheidungsersuchen, diesmal des Tribunale Ascoli Piceno, das neben der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs auch die Niederlassungsfreiheit zur Sprache brachte. In dem Urteil vom 6. November 2003 in der Rechtssache Gambelli u. a.(3) präzisierte der Gerichtshof die frühere Entscheidung dahin gehend, dass „eine nationale Regelung, die – strafbewehrte – Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, enthält, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Artikeln 43 EG und 49 EG darstellt, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt“, wobei es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen.
4.        Die von dem Tribunale Larino und dem Tribunale Teramo vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen geben dem Gerichtshof in Kenntnis der Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof), die das System für vereinbar mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften betrachtet hat, und der Umstände, unter denen die Konzessionen für die Annahme von Wetten in Italien vergeben wurden, Gelegenheit, seine Rechtsprechung weiter zu präzisieren.
5.         Der Inhalt der genannten Urteile und der Schlussanträge der Generalanwälte erlaubt es mir hierbei – unbeschadet der Möglichkeit punktueller Zitate – verschiedene Details zu übergehen und mich auf die Untersuchung der noch zur Lösung anstehenden oder später mit eigenem Gehalt aufgetretenen Probleme zu konzentrieren.
II – Rechtlicher Rahmen
A –    Das Gemeinschaftsrecht
6.        Die Tätigkeit zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaft umfasst gemäß Artikel 3 Buchstabe c EG „einen Binnenmarkt, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen‑, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist“. Die drei letztgenannten Bereiche sind im Dritten Teil Titel III des Vertrages geregelt, dessen Kapitel 2 die Überschrift „Das Niederlassungsrecht“ und dessen Kapitel 3 die Überschrift „Dienstleistungen“ trägt.
1.      Das Niederlassungsrecht
7.        Die Merkmale dieses Grundsatzes sind in Artikel 43 EG niedergelegt:
„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.“
8.        Artikel 46 Absatz 1 EG enthält verschiedene Vorbehalte:
„Dieses Kapitel und die aufgrund desselben getroffenen Maßnahmen beeinträchtigen nicht die Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind.“
9.        Artikel 48 EG stellt juristische Personen den natürlichen Personen bei der Rechtsausübung gleich:
„Für die Anwendung dieses Kapitels stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.
Als Gesellschaften gelten die Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen.“
2.      Der freie Dienstleistungsverkehr
10.      Dieser Grundsatz wird in Artikel 49 Absatz 1 EG aufgestellt:
„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.
…“
11.      Zu ergänzen ist dies um die Regelung in Artikel 50 EG:
„Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrags sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.
Als Dienstleistungen gelten insbesondere:
a) gewerbliche Tätigkeiten,
b) kaufmännische Tätigkeiten,
c) handwerkliche Tätigkeiten,
d) freiberufliche Tätigkeiten.
Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt.“
12.      Artikel 55 verweist auf einige Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit:
„Die Bestimmungen der Artikel 45 bis 48 finden auf das in diesem Kapitel geregelte Sachgebiet Anwendung.“
B –    Die italienische Regelung
13.      Die nationale Regelung stimmt weitgehend mit der überein, die in der Rechtssache Gambelli untersucht wurde. Sie soll dennoch in Erinnerung gerufen und aktualisiert werden.
1.      Die Konzessionen und die Genehmigungen zur Ausübung der Tätigkeit
14.      Artikel 88 des Testo Unico delle Leggi di Pubblica Sicurezza (Testo Unico der Gesetze auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit, im Folgenden: TULPS)(4) in der Fassung von Artikel 37 Absatz 4 der Legge financiaria (Finanzgesetz) 2001(5) bestimmt, dass die Genehmigung für die Veranstaltung von Wetten ausschließlich Konzessionären oder denjenigen erteilt wird, die durch ein Ministerium oder eine andere Einrichtung, der das Gesetz die Organisation von Wetten vorbehält, dazu ermächtigt sind. Danach muss, wer auf dem öffentlichen Wettsektor tätig sein will, eine Konzession und eine Genehmigung erlangen, die der TULPS als „ordnungsrechtlich“ bezeichnet.
a)      Die Konzessionen
15.      Die Kontrolle des Glücksspiels obliegt dem Staat, der sie durch das Ministero dell'Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) wahrnimmt, das sich wiederum der Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (Autonome Verwaltung der Staatsmonopole)(6) bedient.
16.      Von diesem staatlichen Monopol gibt es jedoch zwei Ausnahmen zugunsten des Comitato olimpico nazionale italiano (italienisches Nationales Olympisches Komitee, im Folgenden: CONI) und der Unione italiana per l'incremento delle razze equine (Nationalverband zur Verbesserung der Pferderassen, im Folgenden: UNIRE)(7), die ermächtigt sind, Wetten zu organisieren(8) und die Verwaltung der von ihnen kontrollierten Ereignisse auf Dritte zu übertragen(9).
17.      Die Konzessionserteilung durch diese Einrichtungen unterliegt besonderen Regeln, die sich im Lauf der Zeit geändert haben. Anfänglich wurde die Auswahl der Begünstigten von der Transparenz der Eigentumsstruktur der Bewerber abhängig gemacht. Aus diesem Grund unterlagen Kapitalgesellschaften einigen Beschränkungen. So mussten Aktien mit Stimmrecht auf den Namen von natürlichen Personen, offene Handelsgesellschaften oder Kommanditgesellschaften ausgestellt sein und durften nicht durch einfaches Indossament übertragbar sein(10). Dies führte dazu, dass börsennotierte Unternehmen nicht an den Ausschreibungen teilnehmen konnten.
18.      Mittlerweile erlaubt Artikel 22 Absatz 11 der Legge financiaria für 2003(11) jeder juristischen Person ohne Beschränkungen hinsichtlich ihrer Gesellschaftsform die Teilnahme an den Ausschreibungen.
b)      Die ordnungsrechtlichen Genehmigungen
19.      Für die Tätigkeit auf dem Wettsektor bedarf es neben einer Konzession einer – widerruflichen – Genehmigung (Artikel 88 TULPS), die abgelehnt wird, wenn der Antragsteller zu bestimmten Strafen oder wegen bestimmter Straftaten, z. B. gegen den öffentlichen Anstand und die guten Sitten, oder wegen der Verletzung der Vorschriften über das Glücksspiel verurteilt wurde (Artikel 11 und 14 TULPS).
20.      Nach ihrer Erteilung hat ihr Inhaber den Ordnungsbehörden jederzeit den Zutritt zu den Geschäftsräumen, in denen er der genehmigten Tätigkeit nachgeht, zu gestatten (Artikel 16 TULPS).
2.      Die Sanktionen
21.      Das Gesetz Nr. 401/89 über Interventionen auf dem Gebiet des heimlichen Spiels und der heimlichen Wetten und zum Schutz ordnungsgemäßen Ablaufs sportlicher Wettkämpfe (im Folgenden: Gesetz Nr. 401/89)(12) stellt verschiedene Handlungen unter Strafe.
22.      Gemäß Artikel 4 wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft, wer widerrechtlich Lotterien oder Wetten organisiert, die dem Staat oder konzessionierten Einrichtungen vorbehalten sind, oder wer vom CONI, den unter dessen Kontrolle stehenden Einrichtungen oder der UNIRE organisierte sportliche Ereignisse veranstaltet. Handelt es sich um andere Wettkämpfe, beträgt die Freiheitsstrafe drei Monate bis ein Jahr und eine Geldstrafe (Absatz 1). Auch wird die Werbung für die genannten Spiele mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten und einer Geldstrafe (Absatz 2) und die bloße Teilnahme mit einer der beiden letztgenannten Strafen (Absatz 3) bestraft.
23.      Artikel 4 Absätze 4bis und 4ter(13) dehnt die Strafbarkeit auf denjenigen aus, der ohne die nach Artikel 88 des TULPS erforderliche Genehmigung eine Tätigkeit zur Annahme oder dem Sammeln, auch über Telefon oder durch Datenübertragung, von Wetten jeder Art, die in Italien oder im Ausland abgeschlossen werden, entfaltet oder derartige Handlungen erleichtert – Absatz 4bis – oder das Sammeln von Einsätzen für die Lotterie oder sonstige Wetten auf die gleiche Weise betreibt, ohne im Besitz einer Genehmigung zur Benutzung dieser Mittel zu sein – Absatz 4ter.
III – Die Vorgeschichte: das Urteil Gambelli und die Antwort der Corte suprema di cassazione
24.      Zu Beginn dieser Schlussanträge habe ich darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof bereits zu der grenzüberschreitenden Dimension der Glücksspiele befragt worden ist. Neben den bereits zitierten Urteilen Gambelli und Zenatti sind die Urteile Schindler(14) sowie Läärä u. a.(15) zu nennen, wobei sich allerdings alle, mit Ausnahme des Urteils Gambelli, nur mit der Dienstleistungsfreiheit befassten(16).
25.      In der Rechtssache Schindler ging es um das vollständige Verbot von Lotterien im Vereinigten Königreich, in der Rechtssache Läärä u. a. wurde eine finnische Regelung über Glücksspielautomaten untersucht und in der Rechtssache Zenatti die Annahme von Wetten durch italienische Agenturen für Rechnung eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmens. Der letztgenannte Fall wies eine ganze Reihe von Parallelen zu der Rechtssache Gambelli auf, die wiederum in vielen Punkten mit der hier zu beurteilenden übereinstimmt, insbesondere hinsichtlich des Sachverhalts sowie des gemeinschaftlichen und des nationalen rechtlichen Rahmens.
26.      Es ist daher angebracht, die Gründe zu untersuchen, die das vorlegende Gericht dazu veranlasst haben, die Vorlagefrage zu stellen. Hierzu ist es erforderlich, das Urteil Gambelli und die praktische Umsetzung der in ihm entwickelten Kriterien durch die Corte suprema di cassazione darzustellen.
A –    Das Urteil Gambelli
27.      Herr Gambelli und weitere 137 Personen wurden in einem Strafverfahren der Organisation illegaler Glücksspiele und des Betreibens von Einrichtungen beschuldigt, in denen ohne die erforderliche Genehmigung Wetten für einen britischen Buchmacher angenommen wurden.
28.      Das Tribunale Ascoli Piceno rief den Gerichtshof an, da es Zweifel an der Vereinbarkeit der Artikel 43 EG und 49 EG mit den von ihm anzuwendenden italienischen Strafvorschriften hatte(17).
29.      In dem Urteil Gambelli wurde die Frage nach Darstellung der eingereichten Erklärungen (Randnrn. 25 bis 43) unter zwei Aspekten untersucht: dem der Niederlassungsfreiheit (Randnrn. 44 bis 49) und dem des freien Dienstleistungsverkehrs (Randnrn. 50 bis 58)(18).
30.      Unter dem ersten Aspekt bezog sich der Gerichtshof auf das Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich, das in Italien durch Vermittlung von italienischen Agenturen tätig wurde (Randnr. 46), da ihm eine unmittelbare Tätigkeit aufgrund der nationalen Vorschriften, die eine Konzessionsvergabe an Kapitalgesellschaften, die – wie in seinem Fall – auf den reglementierten Märkten eines anderen Mitgliedstaats notiert sind, ausschlossen, nicht möglich war, was eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellte (Randnr. 48).
31.      Unter dem zweiten Aspekt vertiefte er die Untersuchung und stellte fest, dass die italienische Regelung die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs in dreifacher Hinsicht beschränkte: a) die der britischen Gesellschaft, die die Wetten aus Italien annimmt; diese Tätigkeit wurde im Sinne des Artikels 50 EG (Nr. 52) als Dienstleistung qualifiziert, auch wenn sie über das Internet erfolgte (Randnrn. 53 und 54); die der italienischen Staatsangehörigen, die die Wetten abgaben und strafrechtlich belangt wurden (Randnrn. 55 bis 57), und c) die der Vermittler, die ebenfalls bestraft wurden (Randnr. 58).
32.      Schließlich wurde festgestellt, dass Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89 eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (Randnr. 59), so dass zu prüfen war, ob diese Beschränkungen aufgrund der in den Artikeln 45 EG und 46 EG vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt waren (Randnr. 60).
33.      Steuermindereinnahmen gehören ebenso wenig zu den beiden Ausnahmen (Randnr. 61) wie die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen; sie darf „nur eine nützliche Nebenfolge“ sein (Randnr. 62).
34.      Die Beschränkungen müssen die sich aus der Rechtsprechung ergebenden Voraussetzungen erfüllen (Randnr. 64). Nachdem er diese Voraussetzungen aufgezählt hat (Randnr. 65), weist der Gerichtshof in dem Urteil Gambelli den nationalen Gerichten die Aufgabe zu, darüber zu befinden, ob sie in dem Ausgangsverfahren erfüllt sind(19), und gibt ihnen hierfür einige Anhaltspunkte zur Hand (Randnr. 66). So verlangt er, dass die Beschränkungen:
–        durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sind, wobei die ergriffenen Maßnahmen „kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen“ müssen (Randnr. 67), so dass sich ein Staat, der eine Politik der starken Ausweitung des Spielens und Wettens zum Zweck der Einnahmenerzielung verfolgt, nicht „im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen“ kann (Randnrn. 68 und 69)(20);
–        sie in gleicher Weise und mit den gleichen Kriterien für alle Wirtschaftsteilnehmer aus der Gemeinschaft gelten (Nr. 70), wobei das Kriterium der Nichtdiskriminierung nicht beachtet würde, wenn in Italien ansässige Wirtschaftsteilnehmer sie leichter erfüllen könnten (Randnr. 71);
–        nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles erforderlich ist. Die Strafe gegen jede Person, die Wetten durchführt (Randnr. 72), und die Vermittler, die die Erbringung von Dienstleistungen durch einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Buchmacher (Randnr. 73) erleichtern, sowie die Hürden für Kapitalgesellschaften, die auf den reglementierten Märkten der anderen Mitgliedstaaten notiert sind, Konzessionen für die Verwaltung von Spielen zu erhalten (Randnr. 74), dürfen nicht unverhältnismäßig sein.
B –    Die Antwort der Corte suprema di cassazione
35.      Einige Monate nach dem Erlass des Urteils Gambelli hatte die Corte suprema di cassazione Gelegenheit, über seine Regeln in einem Verfahren über ein Rechtsmittel des Pubblico ministero (Staatsanwaltschaft) gegen einen Beschluss des Tribunale Prato vom 15. Juli 2003 zu bestimmen, durch den in einem Strafverfahren gegen Herrn Gesualdi u. a. wegen einer Straftat nach Artikel 4 Absatz 4bis des Gesetzes Nr. 401/89 die Beschlagnahme der von den Beschuldigten betriebenen Einrichtungen mit der Begründung aufgehoben wurde, dass die erwähnte Vorschrift gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße(21).
36.      Das oberste italienische Gericht hatte in ständiger Rechtsprechung die Meinung vertreten, dass die nationalen mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vereinbar seien(22). Das Urteil Gambelli führte dazu, dass die Vereinigte Strafkammer auf Antrag der zuständigen Dritten Strafkammer über das Rechtsmittel entschied und das Urteil Nr. 111/04 vom 26. April 2004 (im Folgenden: Urteil Gesualdi)(23) erließ.
37.      In dem Urteil Gesualdi ließ die Corte suprema di cassazione kein Befremden wegen der Feststellungen in dem Urteil Gambelli erkennen, denn sie sah diese als Fortführung einer einheitlichen Rechtsprechung (Nr. 11.1) an. Sie hob aber zwei Neuigkeiten hervor: die Untersuchung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Glücksspielsektor und die ausdrückliche Feststellung, dass diese Freiheiten durch Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89 beschränkt werden (Nr. 11.2.3).
38.      Im Folgenden wurde ausgehend davon, dass der italienische Gesetzgeber seit Jahren zur Erhöhung der Staatseinnahmen eine expansive Politik auf dem Sektor verfolgt, festgestellt, dass diese Handlungsweise Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gehorche, die die Beschränkung der Gemeinschaftsfreiheiten rechtfertigten, denn die Bestimmungen über das Spiel verfolgten nicht den Zweck, Angebot und Nachfrage einzudämmen, sondern sie zur Verbrechensverhütung in kontrollierbare Bahnen zu lenken (Nr. 11.2.3).
39.      In diesem Zusammenhang wurde das Argument vorgebracht, der britische Buchmacher unterliege zwar der Überwachung durch einen Mitgliedstaat, doch habe die dort erteilte Erlaubnis nur territorialen Charakter, und eine Konzessionsregelung für den Wettsektor sei auf Gemeinschaftsebene nicht erörtert worden (Nr. 1.2.4).
40.      Die Corte suprema di cassazione hob auch hervor, dass das italienische System auf zwei Pfeilern ruhe: der Konzession und der Genehmigung. Die die Beschränkungen der Konzessionen möglicherweise rechtfertigenden Gründe des Allgemeininteresses seien jedenfalls teilweise offensichtlich. Die sich auf die Genehmigung beziehenden Gründe ergäben sich jedoch aus dem Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen, die auf eine präventive Überprüfung und ständige Überwachung mit dem Ziel der Bekämpfung krimineller Handlungen wie Betrug, Geldwäsche oder Wucher gerichtet seien (Nr. 11.2.5).
41.       Bei der Beurteilung, ob die Beschränkungen geeignet und verhältnismäßig gewesen seien, wurde in dem Urteil Gesualdi zwischen Lizenzen und Strafandrohungen unterschieden und festgestellt, dass es nicht Aufgabe des Richters sei, über die Angemessenheit oder Verhältnismäßigkeit Letzterer zu entscheiden (Nr. 12).
42.      Ebenso wurde der Vorwurf zurückgewiesen, die nationalen Vorschriften seien diskriminierend, denn die Vorschriften zur Gewährleistung der Transparenz der Aktieninhaberschaft der Konzessionäre beträfen Italiener wie Ausländer gleichermaßen. Zudem könnten seit dem 1. Januar 2004 alle Kapitalgesellschaften an den Ausschreibungen teilnehmen, da die Beschränkungen in diesem Bereich abgeschafft worden seien (Nr. 13).
43.      Schließlich stellte die Corte suprema di cassazione fest, der Hinweis auf die gegenseitige Anerkennung der in Artikel 47 EG genannten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise sei nicht stichhaltig (Nr. 14).
44.      Auf dieser Grundlage kam sie zu dem Ergebnis, dass Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89 und insbesondere sein Absatz 4bis in Verbindung mit Artikel 88 TULPS mit den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar seien (Nr. 15)(24).
IV – Sachverhalte der Ausgangsverfahren
45.      Die Ähnlichkeit der Sachverhalte in den Rechtssachen Zenatti und Gambelli mit denen der Ausgangsverfahren der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen erleichtert die Schilderung des Tatsachenhintergrunds, die auf einige kurze Anmerkungen beschränkt werden kann.
46.      Die „Datenübertragungszentren“ werden in öffentlich zugänglichen Lokalen betrieben und bieten verschiedene Möglichkeiten des Zugangs zu den Servern von Wettunternehmen an, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind. In diesen Einrichtungen gibt der Interessierte seine Wetten ab, erhält die Bestätigung, zahlt und bekommt, wenn er gewinnt, seinen Preis ausbezahlt.
47.      Die Betreiber dieser Unternehmen sind unabhängig und geben lediglich als Vermittler zwischen den Kunden und den Buchmachern, mit denen sie vertragliche Vereinbarungen geschlossen haben, die Wetten weiter (25).
48.      Die Herren Placanica, Palazzese und Sorrichio betreiben auf Rechnung von Stanley International Betting Ltd. mit Sitz in Liverpool einige solche Büros. Das Unternehmen verfügt über eine von der Stadt Liverpool für diese Tätigkeit erteilte Lizenz für das Vereinigte Königreich und das Ausland(26), besitzt aber nicht die sechs Jahre gültige und um weitere sechs Jahre verlängerbare italienische Genehmigung. Es hatte zwar versucht, sie bei der dort im Jahr 1999 erfolgten Ausschreibung zu erlangen, wurde aber von dieser ausgeschlossen, da es sich bei ihm um eine börsennotierte Kapitalgesellschaft handelte.
49.      Das Pubblico ministero leitete bei dem Tribunale Larino ein Strafverfahren gegen Herrn Placanica ein und legte ihm zur Last, eine Straftat gemäß Artikel 4 Absatz 4bis des Gesetzes Nr. 401/89 begangen zu haben, indem er als Alleingeschäftsführer der Handelsgesellschaft Neo Service Srl. für Stanley International Betting Ltd. über das Internet Sportwetten und andere Wetten angenommen habe, ohne über die hierfür erforderliche Genehmigung zu verfügen.
50.      Ein ähnliches Verfahren wurde bei dem Tribunale Teramo gegen die Herren Palazzese und Sorricchio anhängig, die ebenfalls im Auftrag des englischen Unternehmens Wetten verwalteten, allerdings vor der Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs bei der Questura (Polizeipräsidium) von Atri die erforderlichen Genehmigungen beantragt hatten, ohne hierauf eine Antwort erhalten zu haben.
V –    Die Vorlagefragen und das Verfahren vor dem Gerichtshof
51.      Das Tribunale Larino hat das Verfahren ausgesetzt, da es Zweifel hat, ob das Konzessionssystem damit gerechtfertigt werden kann, dass Glücksspiele dadurch in kontrollierbare Bahnen gelenkt werden. In dem Beschluss vom 8. Juli 2004, der zu der Rechtssache C‑338/04 geführt hat, stellt es dem Gerichtshof folgende Frage:
Wie bewertet der Gerichtshof die Vereinbarkeit von Artikel 4 Absatz 4bis des Gesetzes Nr. 401/89 mit den in den Artikeln 43 ff. EG und 49 EG zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit und den freien grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, auch im Licht des Unterschieds bei der Auslegung zwischen den Entscheidungen des Gerichtshofes (insbesondere dem Urteil Gambelli) und der Entscheidung Nr. 23271/04 der Corte suprema di cassazione, Vereinigte Kammern? Insbesondere wird um Klärung gebeten, ob die in der Anklageschrift angeführte Sanktionsregelung, die Massimiliano Placanica rügt, im italienischen Staat anwendbar ist.
52.      Das Tribunale Teramo hat durch zwei Beschlüsse vom 23. Juli 2004 mit ähnlichem Inhalt, die zu den Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04 geführt haben, ebenfalls die Verfahren ausgesetzt und unter dem Gesichtspunkt der Voraussetzungen für die Teilnahme an den Ausschreibungen für die Konzessionen folgende Frage vorgelegt:
Können die Artikel 43 Absatz 1 und 49 Absatz 1 EG dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten zeitlich begrenzt (für eine Zeit von 6 bis 12 Jahren) von den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in der Europäischen Union durch eine Regelung, wie sie im Folgenden wiedergegeben ist, abweichen können, ohne die erwähnten Gemeinschaftsprinzipien zu verletzen:
1.      Einigen Personen werden Konzessionen für bestimmte Dienstleistungstätigkeiten, die für 6 bis 12 Jahre gültig sind, auf der Grundlage einer Regelung erteilt, die dazu geführt hat, dass von der Ausschreibung für ihre Erteilung bestimmte Gruppen von (nicht italienischen) Wettbewerbern ausgeschlossen waren;
2.      nachdem später zur Kenntnis genommen worden war, dass diese Regelung nicht mit den Grundsätzen der Artikel 43 und 49 des Vertrages vereinbar war, wurde sie dahin geändert, dass künftig die Teilnahme auch den Personen gestattet wurde, die davon ausgeschlossen worden waren;
3.      die Konzessionen, die auf der Grundlage der vorherigen Regelung erteilt worden waren, die, wie bereits ausgeführt, für gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßend befunden wurde, wurden nicht zurückgenommen, und es wurde keine neue Ausschreibung nach der neuen Regelung, die jetzt diese Grundsätze einhält, veranstaltet;
4.      stattdessen werden weiterhin Personen strafrechtlich verfolgt, die in Verbindung mit Personen tätig sind, die für diese Tätigkeit im Herkunftsmitgliedstaat zugelassen worden sind, doch von der Ausschreibung gerade wegen der Ausschlussregelungen nach den vorher geltenden Bestimmungen, die später aufgehoben wurden, ausgeschlossen waren?
53.      Der Präsident des Gerichtshofes hat am 14. Oktober 2004 beschlossen, die Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04, und am 27. Januar 2006, diese und die Rechtssache C‑338/04 miteinander zu verbinden(27).
54.      In der Rechtssache C‑338/04 haben innerhalb der Frist des Artikels 23 der EG-Satzung des Gerichtshofes Herr Placanica, die belgische, die deutsche, die spanische, die französische, die italienische, die österreichische, die portugiesische und die finnische Regierung sowie die Kommission, und in den Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04 Herr Palazzese, Herr Sorricchio, die spanische, die italienische, die österreichische und die portugiesische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.
55.      In der mündlichen Verhandlung, die am 7. März 2006 stattgefunden hat, haben die Prozessbevollmächtigten der Herren Placanica, Palazzese und Sorrichio sowie die Bevollmächtigten der belgischen, der spanischen, der französischen, der italienischen und der portugiesischen Regierung sowie der Kommission mündliche Ausführungen gemacht.
56.      Es ist auch darauf hinzuweisen, dass bei dem Gerichtshof aufgrund einer Klage der Kommission gegen Italien wegen einer Vertragsverletzung die Rechtssache C‑260/04 anhängig ist, bei der es um die Konzessionen für Dienstleistungen auf dem Gebiet des Sammelns und der Annahme von Pferderennwetten geht(28).
VI – Zulässigkeit der Vorlagefragen
A –    Sinn der Vorlagefragen
57.      Die vorlegenden Gerichte haben denselben Ausgangspunkt, nämlich ein Strafverfahren wegen der Vermittlung von Wetten ohne Konzession oder Genehmigung, und verfolgen dasselbe Ziel, nämlich ihre Zweifel an der Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit der Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs zu beseitigen. Sie gehen dabei aber unterschiedliche Wege.
58.      Das Tribunale Larino stimmt mit der Anwendung der Gambelli‑Doktrin durch die Corte suprema di cassazione nicht überein, denn es scheint weder davon überzeugt zu sein, dass mit der staatlichen Regelung das Ziel der Kontrolle der öffentlichen Ordnung verfolgt noch dass die Benachteiligung von Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten vermieden wird.
59.      Das Tribunale Teramo legt den Schwerpunkt auf die Umstände, die maßgeblich dafür waren, dass der Buchmacher, für dessen Rechnung die Angeklagten handelten, bis zum Ablauf der 1999 erteilten Lizenzen keine Zulassung erhalten konnte. Sofern diese Zeitspanne eine „zeitliche Beschränkung“ der Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts beinhalten sollte, hat es Zweifel an deren rechtlicher Durchführbarkeit.
60.      Diese Klarstellungen sind von Nutzen für die Untersuchung der Hindernisse, die bezüglich der nicht wesentlichen Aspekte der Vorlagebeschlüsse aufgetreten sind.
B –    Fragestellung
61.      Mit Ausnahme der belgischen halten die Regierungen, die in der Rechtssache C‑338/04 schriftliche Erklärungen abgegeben haben, die Vorlagefrage aus verschiedenen Gründen für unzulässig. Der portugiesische und der finnische Bevollmächtigte sind der Meinung, sie enthalte nicht genügend Grundlagen für ihre Beantwortung, der deutsche, der spanische, der französische und der italienische vertreten die Ansicht, die Frage beziehe sich auf die Auslegung von nationalem und nicht von Gemeinschaftsrecht. Der österreichische Bevollmächtigte ist der Auffassung, die Frage stimme mit der im Urteil Gambelli behandelten Frage überein, und schlägt vor, durch Beschluss gemäß Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung zu entscheiden; dieser Vorschlag wird von Deutschland, Italien und Finnland subsidiär unterstützt.
62.      In den Rechtssachen C‑359/04 und C‑360/04 wiederholen die Regierungen von Spanien und Italien ihr Vorbringen in der anderen Rechtssache und machen die Unzulässigkeit der Ersuchen geltend, wobei sich die italienische hilfsweise dem Vorschlag, durch Beschluss gemäß Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung zu entscheiden, anschließt.
63.      Es ist daher zu prüfen, ob der Gerichtshof verpflichtet ist, die Vorabentscheidungsersuchen zuzulassen.
C –    Die für die Unzulässigkeit vorgebrachten Gründe
1.      Die formelle Richtigkeit des Vorlagebeschlusses
64.      Der Gerichtshof hat wiederholt die Ansicht vertreten, zur Beantwortung von Vorlagefragen nur dann nicht verpflichtet zu sein, wenn die begehrte Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der Fragen erforderlich sind(29).
65.      Eine dem nationalen Gericht dienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist nur möglich, wenn es den Sachverhalt und den rechtlichen Rahmen, die die Grundlage für seine Fragen bilden, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen seine Fragen beruhen(30), und sein Ersuchen mit einem Mindestmaß an Erläuterungen hinsichtlich der Auswahl der Gemeinschaftsbestimmungen, um deren Auslegung es bittet, und deren Zusammenhang mit den nationalen Rechtsvorschriften begründet(31).
66.      Diese Voraussetzungen sollen es dem Gerichtshof ermöglichen, sachdienliche Antworten zu erteilen(32), und den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit geben, nach Artikel 23 der EG-Satzung Erklärungen abzugeben(33).
67.      In diesem Verfahren erfüllen die Vorlagebeschlüsse die dargelegten Voraussetzungen, denn in ihnen wird der Ursprung der Fragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht untersucht. Es trifft zwar zu, dass die einschlägigen italienischen Vorschriften dort nicht wiedergegeben werden, doch kann diese Lücke leicht durch einen Rückgriff auf das Urteil Gambelli geschlossen werden. Darüber hinaus wird in ihnen der Kern des Problems, die Divergenz zwischen diesem Urteil und den Argumenten der Corte suprema di cassazione, herausgearbeitet und auf diese Weise zum Ausdruck gebracht, inwiefern die erbetene Auslegung für das Ausgangsverfahren von Bedeutung ist.
2.      Die Anwendung der nationalen Vorschriften
68.      Im Rahmen der Aufgabenverteilung zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es nach ständiger Rechtsprechung Sache der Letzteren, das nationale Recht auszulegen und anzuwenden sowie seine Reichweite und seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilen(34), unbeschadet der besonderen Situation, dass der nationale Gesetzgeber bei der Regelung rein staatlicher Angelegenheiten auf die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts verweist(35).
69.      Ich bin nicht der Ansicht, dass die Vorlagefragen unzulässig sind, obgleich der Inhalt des Beschlusses des Tribunale Larino der Ansicht der genannten Staaten entgegenkommt.
70.      Tatsächlich führt nämlich eine bloße Umstellung der verwendeten Begriffe zu einer Umformulierung der Frage aus der Sicht der Gemeinschaft. Es geht daher nicht um die Prüfung, ob Artikel 4 Absatz 4bis des Gesetzes Nr. 401/89 mit den Artikeln 43 EG und 49 EG vereinbar ist – so der Wortlaut des Beschlusses –, sondern um die Bedeutung dieser Bestimmungen in Verbindung mit den nationalen Vorschriften und dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, obschon das Problem, das nachstehend untersucht wird, in Wirklichkeit seinen Ursprung in einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem italienischen Gericht und der Corte suprema di cassazione hat.
71.      Das Tribunale Teramo verweist seinerseits auf die Änderung des geltenden nationalen Systems der Erteilung von Konzessionen für die Durchführung von Wetten, durch die jeder Kapitalgesellschaft nach Erlöschen der Konzessionen, die in Ausschreibungsverfahren erteilt worden waren, an denen sie nicht teilnehmen konnte, die Teilnahme an künftigen Ausschreibungen ermöglicht werden soll. Diese Umstände scheinen mit den Gemeinschaftsfreiheiten in Zusammenhang zu stehen und sind im Urteil Gambelli nicht behandelt worden.
72.      Darüber hinaus ist es die Aufgabe des Gerichtshofes, dem nationalen Gericht alle Hinweise zum Gemeinschaftsrecht zu geben, die ihm die Beurteilung des anhängigen Verfahrens ermöglichen(36).
3.      Die Entscheidung über die Vorlagefrage durch Beschluss
73.      Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung ermöglicht es dem Gerichtshof, zugunsten der Prozessökonomie einen mit Gründen versehenen Beschluss zu erlassen, wenn eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage mit einer Frage übereinstimmt, über die bereits entschieden ist, wenn die Antwort klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn sie keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt.
74.      Der Gerichtshof wendet diese Möglichkeit mit Vorsicht an(37), da sie zum Wegfall von Verfahrensabschnitten führt und dadurch die Möglichkeiten der Verteidigung beschränkt werden. Aufgrund dessen nimmt er von ihrer Anwendung Abstand, sobald er Zweifel daran hat, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen.
75.      In den vorliegenden Schlussanträgen habe ich gewisse Übereinstimmungen mit der Rechtssache Gambelli festgestellt. Dies reicht aber nicht aus, um einen Beschluss zu rechtfertigen, in dem frühere Feststellungen wiederholt und so das Vorabentscheidungsverfahren beendet wird. Die um Vorabentscheidung ersuchenden Gerichte bitten nicht um etwas, was ihnen bereits bekannt ist, sondern um Erläuterungen zum Urteil Gambelli, das, was nicht vergessen werden darf, eine Fortführung der Linie des Urteils Zenatti ist. Die Schwierigkeiten, vor denen die italienischen Gerichte stehen, bestehen fort, wenn der Gerichtshof lediglich seine Rechtsprechung wiederholt(38).
D –    Die Zuständigkeit des Gerichtshofes
76.      Meiner Ansicht nach besteht das eigentliche Problem darin, ob der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorabentscheidungsfragen zuständig ist, wenn sie darauf gestützt sind, dass die unteren Gerichte nicht damit einverstanden sind, wie die Corte suprema di cassazione Grundsätze des Urteils Gambelli angewandt hat(39). Mit anderen Worten: Es ist zu klären, ob es zu den Aufgaben des Gerichtshofes gehört, Meinungsverschiedenheiten zwischen nationalen Gerichten bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit den nationalen Vorschriften beizulegen, wenn er bereits die hierfür geltenden Regeln aufgestellt hat.
77.      Verschiedene Argumente sprechen für eine verneinende Antwort: Erstens obliegt auf dem Gebiet der Vorabentscheidungsersuchen den Gerichten der Mitgliedstaaten, die hierfür eine bessere Ausgangsposition haben, die Auslegung der nationalen Vorschriften mit Blick auf das anhängige Verfahren und nach den von dem Gerichtshof vorgegebenen hermeneutischen Regeln.
78.      Dementsprechend gab der Gerichtshof in dem Urteil Gambelli den italienischen Gerichten ausdrücklich auf, festzustellen, ob die Vorschriften ihrer Rechtsordnung mit den Freiheiten der Gemeinschaft vereinbar sind(40).
79.      Zweitens ist es, wenn die Gerichte zu ungleichen oder widersprüchlichen Ergebnissen kommen, Aufgabe ihrer eigenen Rechtsordnung, ihnen ein Instrumentarium für die Vereinheitlichung der Rechtsmeinungen zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinne bindet das Urteil eines Obergerichts die untergeordneten Gerichte, denen es verwehrt ist, per saltum die europäische Gerichtsbarkeit anzurufen, denn der Vertrag sieht kein unmittelbares Rechtsmittel gegen Entscheidungen der nationalen Gerichte vor, selbst wenn sie in letzter Instanz das Recht der Union falsch anwenden(41).
80.      Obwohl die angedeutete Lösung recht einfach ist, fordert sie gewichtige Einwände heraus.
81.      Wenn der Gerichtshof den Gerichten der Mitgliedstaaten die Aufgabe überträgt, die nationalen Normen in Verbindung mit den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen, heißt das nicht, dass er damit auf seine Kompetenzen auf diesem Gebiet verzichtet(42), sondern dass er die Grundsätze umsetzt, die das Vorabentscheidungsverfahren bestimmen, indem er die Vorteile der Nähe zum Rechtsstreit anerkennt, sich aber die endgültige Entscheidung vorbehält. So hat er neue Fragen zugelassen, wenn das nationale Gericht auf Schwierigkeiten bei der Auslegung oder der Anwendung eines seiner Urteile stößt, wenn es ihm eine andere Rechtsfrage vorlegt oder wenn es neue Beurteilungsgrundlagen beibringt, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten(43).
82.      Dieselben Grundsätze sind anzuwenden, wenn sich die Schwierigkeiten aufgrund eines Urteils eines übergeordneten nationalen Gerichts stellen, das die Vorgaben des Gerichtshofes anwendet.
83.      Würde man die italienischen Gerichte daran hindern, in einem solchen Fall den Gerichtshof anzurufen, könnten Abweichungen nur im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens, ähnlich wie in dem Urteil vom 9. Dezember 2003 in der Rechtssache Kommission/Italien(44), korrigiert werden.
84.      Diese Vorgehensweise führt zu einer Reihe von Störungen: 1. Sie überlässt die Feststellung der Verletzung(45) und die Bestimmung des Zeitpunkts, in dem ihretwegen der Gerichtshof angerufen wird, denjenigen, die zur Klageerhebung legitimiert sind, während die nationalen Gerichte sich in einer Situation befinden, die geeignet ist, beide Operationen durchzuführen. 2. Sie verleitet in der vorprozessualen Phase des Vertragsverletzungsverfahrens die Legislative und die Exekutive des Mitgliedstaats angesichts der Anforderungen der Kommission, die Gerichte mit dem Risiko der Einschränkung ihrer Unabhängigkeit zu beeinflussen. 3. Sie wirft Fragen in Bezug auf den Inhalt und die Folgen einer Vertragsverletzung auf, denn das zitierte Urteil Kommission/Italien wurde zum Teil mit dem Bestehen einer nationalen Norm gerechtfertigt, die eine dem Geist der Gemeinschaft widersprechende Auslegung zuließ.
85.      Auch darf der Einzelne nicht vergessen werden, der auf ein Vorabentscheidungsersuchen hinwirken kann, wenngleich die Entscheidung hierüber dem erkennenden Richter vorbehalten ist(46). Wenn ihm die Unzulässigkeit der Vorlage schon vorher bekannt wäre, bliebe ihm nur der Weg der Schadensersatzklage, wie in dem Urteil Köbler(47) festgestellt wurde.
86.      Die Anwendung dieses Instruments ist auch unbefriedigend. Denn da es entwickelt wurde, um das Gemeinschaftsrecht in besonders schwerwiegenden Fällen zu schützen(48), werden daran sehr strenge Anforderungen gestellt(49) – etwa dass der Verstoß offenkundig sein muss –, und er bleibt ein kompliziertes Mittel der Abhilfe, das häufig am Ende doch zu einem Vorabentscheidungsverfahren führt, das dem ähnelt, das verhindert werden sollte.
87.      Es ist noch ein schwerwiegenderes Argument zu berücksichtigen. Die grundlegende Funktion des Gerichtshofes besteht darin, mit Ausschließlichkeitscharakter eine einheitliche Auslegung und Anwendung der Europarechtsnormen zu gewährleisten. Das Vorabentscheidungsverfahren hat nach dem Urteil vom 24. Mai 1977 in der Rechtssache Hoffmann-La Roche die Funktion, zu „verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht“(50). Dies könnte unmittelbar durch Schlichtung einer rechtlichen Meinungsverschiedenheit zwischen den Rechtsprechungsorganen eines Landes über die Auslegung der Rechtsordnung der Union durch ein Obergericht erreicht werden.
88.      In diesem Sinne wurde in dem Urteil vom 16. Januar 1974 in der Rechtssache Rheinmühlen(51) festgestellt, dass das Vorabentscheidungsverfahren gewährleisten soll, dass das vom Vertrag geschaffene Recht in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft immer die gleiche Wirkung hat und einheitlich angewendet wird, „da [es] dem nationalen Richter die Möglichkeit gibt, die Schwierigkeiten auszuräumen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben können, dem Gemeinschaftsrecht im Rahmen der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zur vollen Geltung zu verhelfen“ (Randnr. 2). Es ist mit einer sehr weiten Ermessensbefugnis zur Vorlage an den Gerichtshof (Randnr. 3) verbunden, so dass „das nicht-letztinstanzliche Gericht, wenn es der Auffassung ist, dass es aufgrund der rechtlichen Beurteilung des übergeordneten Gerichts zu einer das Gemeinschaftsrecht verletzenden Entscheidung gelangen könnte, frei entscheiden können [muss], ob es dem Gerichtshof die Fragen vorlegt, die ihm zweifelhaft sind“. Denn wäre es gebunden, ohne den Gerichtshof anrufen zu können, so wären dessen Zuständigkeit zur Vorabentscheidung wie auch die Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf allen Stufen der Gerichtsbarkeit in den Mitgliedstaaten „eingeschränkt“, außer wenn die von dem erkennenden Gericht gestellten Fragen „sachlich … identisch wären“ mit Fragen, die das letztinstanzliche Gericht bereits vorgelegt hat (Randnr. 4)(52).
89.      Zweifellos bringt dieser Vorschlag Nachteile mit sich. So kommt es zu einem Ausufern der Zahl der Vorabentscheidungsersuchen und einem augenscheinlichen Bruch in der Hierarchie der Gerichtsverfassung des Staates. Der erste Nachteil ist nicht relevant, denn eine Anhäufung von Arbeit darf nicht die Wahl des geeigneten Rechtsinstruments bedingen(53). Der zweite Nachteil lässt die Funktion des Gerichtshofes als höchste Instanz für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts außer Acht, die das Rückgrat einer wirklichen Rechtsgemeinschaft darstellt. Auf jeden Fall wären die Komplikationen bei jeder anderen Alternative geringer.
90.      Es ist mir auch wohl bewusst, dass angesichts der Ungenauigkeiten bei der Ausgestaltung der richterlichen Gewalt in der Union der Gerichtshof selbst für einige Verwirrung sorgt. Denn es ist im Recht zwar entscheidend, Grenzen richtig zu ziehen, aber nicht leicht, dabei in jeder Situation den angemessenen Grad an Genauigkeit zu erreichen.
VII – Prüfung der Vorlagefragen
91.      Sollte der Gerichtshof die Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Larino und des Tribunale Teramo zulassen, muss er sich Gedanken über Recht, Spiel und Wetten machen.
A –    Recht, Spiel und Wetten
92.      Es ist wirklich nichts weiter von dem Begriff „Recht“ entfernt als der Begriff „azar“ (blinder Zufall)?(54), denn er hat seinen Ursprung weder im menschlichen Willen noch in allgemeinen Überzeugungen; er agiert auch nicht auf willentliche, sondern auf launische und willkürliche Art und Weise(55). In anderen Zeiten gab es aber eine ausgeprägte gegenseitige Abhängigkeit zwischen beiden Begriffen, denn zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens mussten die gerichtlichen Entscheidungen befolgt werden, und diejenigen, die sie erließen, wurden mit einer „magischen“ oder „priesterlichen“ Macht ausgestattet(56).
93.      Die archaischen Ordalien oder Gottesurteile(57) sind ein Beweis für diese Symbiose, da sie die Entscheidung von einem zufälligen Ereignis abhängig machten. Später ging man dazu über, Urteile auf eher rationale Kriterien zu stützen, bis hin zu den modernen Rechtsordnungen, die diese Launen des Schicksals bis auf ein paar Ausnahmen verbannt haben(58).
94.      Es gibt andere Rechtsinstitute, in denen dieser widersinnige Zusammenhang ausgemacht werden kann, wie die Naturalobligationen, für die die Wette ein gutes Beispiel darstellt, die bedingten Rechtsgeschäfte, bei denen das ungewisse zukünftige Ereignis vom Zufall abhängt, die höhere Gewalt oder, wie hier, die aleatorischen Verträge.
95.      Das Spiel als Freizeitbeschäftigung hat den Lauf der Geschichte in allen Gesellschaften überdauert, wobei vier Ebenen unterschiedlicher juristischer Widerspiegelung zu unterscheiden sind. Auf der ersten Ebene steht seine spontanste und grundlegendste Äußerung, die reine Unterhaltung und Zerstreuung(59). Auf der zweiten Ebene tritt der Wettbewerb in Erscheinung, der dem Gewinner neben dem Vergnügen am Wettstreit mit anderen Selbstbewusstsein und soziales Prestige verschafft. Auf der dritten Ebene reichen die Unterhaltung oder die Zurschaustellung von Fertigkeiten nicht mehr aus, sondern es besteht ein finanzielles Interesse(60). Auf der vierten Ebene stehen die Wetten, bei denen nicht nur Geldbeträge aufs Spiel gesetzt werden, sondern die zu einer Sucht geworden sind(61).
96.      Von diesen vier Ebenen hat die erste nichts mit der Welt des Rechts zu tun, wie praktisch auch die zweite nicht. Wenn jedoch im Spiel Geld zum Einsatz kommt, tritt der Gesetzgeber aus zwei Gründen in Erscheinung. Zum einen überwacht er die Auswirkungen auf das Vermögen(62) und die Gesundheit der Teilnehmer(63) sowie die Stabilität ihrer Familien; zum anderen befasst er sich mit den Einrichtungen, in denen es durchgeführt wird, als gewerblichen Einheiten.
97.      Diese Gründe erklären die Aufmerksamkeit, die den Glücksspielen und ihren Auswirkungen im Gemeinschaftsrecht von juristischer Seite zuteil wird. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass „Lotterien als Teil des Wirtschaftslebens im Sinne des Vertrages anzusehen seien“(64), da sie „die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt“(65) darstellten, und hat sie den Dienstleistungen zugeordnet(66). Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch andere Bereiche betroffen sind, wie – in demselben Wirtschaftszweig – die Niederlassungsfreiheit oder – außerhalb des finanziellen Bereichs – die bereits angesprochenen menschlichen Aspekte.
B –    Zu den Beschränkungen der Grundfreiheiten
98.      In der Rechtssache Gambelli schlug Generalanwalt Alber vor, zunächst die Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit der Niederlassungsfreiheit und erst dann mit der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, da Erstere nach dem Vertrag vor der Letzteren eingreife (Nr. 76)(67), wenngleich es sich bei den Datenübertragungszentren nicht um sekundäre Niederlassungen handele (Nr. 87), denn in diesem Fall würden die Vorschriften der Niederlassungsfreiheit widersprechen (Nr. 104), was auch die Dienstleistungsfreiheit verletzen würde (Nr. 132).
99.      Der Gerichtshof hat unter Berücksichtigung der Belange der Spieler, der diese Geschäfte betreibenden Unternehmen und der Vermittler die beiden Freiheiten nicht isoliert untersucht, sondern, nachdem er sie gegeneinander abgewogen hatte, festgestellt, dass „eine nationale Regelung wie die italienische über Wetten, insbesondere Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt“ (Randnr. 59), und im Anschluss daran geprüft, ob eine der im Vertrag vorgesehenen Ausnahmeregelungen oder eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gegeben ist (Randnr. 60).
100. Es erscheint nicht angebracht, diese Ausführungen in Frage zu stellen, die sich auch im Urteil Zenatti in Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit finden. Die beschränkenden Merkmale und die von ihnen betroffenen Subjekte sollten aber untersucht werden.
101. Auf dieser Linie wurde in dem Urteil Gambelli bei den Anforderungen, die das italienische Recht an die Teilnehmer an Ausschreibungen für Konzessionen für das Betreiben von Wettagenturen stellt, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit festgestellt, da einige Gesellschaftsformen ausgeschlossen waren (Randnrn. 46 bis 48). Als Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr qualifizierte er die Beschränkungen der Tätigkeiten eines Leistungserbringers, der zur Erbringung seiner Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist (Randnr. 54), diejenigen, die den Bürgern bei der Teilnahme an Wettspielen, die in einem anderen Mitgliedstaat organisiert werden, auferlegt werden (Randnr. 57), und die, die den dort ansässigen Anbietern ihr Geschäft erleichtern (Randnr. 58), in den letzten beiden Fällen unter Androhung einer Strafe(68).
102. Es überrascht, dass, selbst wenn das Vorabentscheidungsersuchen aufgrund von Strafverfahren gegen Wettvermittler erfolgte, die Fragestellung die dargestellte dreifache persönliche Sphäre berücksichtigt(69). Es dürfen aber weder die Funktion des Gerichtshofes noch die Wirkungen erga omnes seiner Urteile in Vorabentscheidungsverfahren vergessen werden. Denn es könnten Verfahren gegen die Wettteilnehmer eröffnet werden; darüber hinaus hat das ausländische Unternehmen keine Möglichkeit, sich niederzulassen, so dass es seine Tätigkeit ausüben muss, indem es mit anderen Gewerbetreibenden Verträge schließt, die angeklagt werden, weil sie ihre Verträge erfüllen.
C –    Zum Vorliegen einer Rechtfertigung
1.      Fragestellung
103. Entgegen dem Vorschlag von Generalanwalt Alber in seinen Schlussanträgen untersuchte der Gerichtshof in dem Urteil Gambelli die Beschränkungen in der italienischen Gesetzgebung gemeinsam und stellte fest, dass neben den Beschränkungen der Freiheit bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist, und sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden (Randnr. 65)(70).
104. Mit ausführlicherer Begründung als im Urteil Zenatti überließ der Gerichtshof im Urteil Gambelli die konkrete Beurteilung, ob die italienische Regelung diese Voraussetzungen erfüllt, den nationalen Gerichten, gab allerdings einen Rahmen hierfür vor.
105. Der Gerichtshof hätte mehr ins Einzelne gehen und sich, dem Vorschlag des Generalanwalts, der auf die Schwierigkeiten dieser Aufgabe für die nationalen Gerichte aufmerksam gemacht hatte, folgend, zu den Auswirkungen der Gemeinschaftsfreiheiten auf die nationalen Bestimmungen äußern sollen(71).
106. Ich habe keine Zweifel daran, dass in dem Urteil Gambelli der Grad der Ausführlichkeit, den sich der Gerichtshof erlauben konnte, ohne seine Befugnisse zu überschreiten, genau austariert wurde, aber angesichts des Präzedenzurteils Zenatti, durch das ein neues Vorabentscheidungsersuchen nicht verhindert werden konnte, war er zu vorsichtig, denn er verfügte über hinreichende Grundlagen für eine tiefgehendere Untersuchung, durch die das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren hätte entbehrlich gemacht werden können(72).
107. Nunmehr ist dieser Schritt nachzuholen und die Antwort zur Behebung der entstandenen Zweifel zu geben, wenngleich sich dies als komplizierter erweist, denn es muss untersucht werden, ob ein Grund für die gerügten Beschränkungen der Gemeinschaftsfreiheiten existiert und ob er nichtdiskriminierend, geeignet und verhältnismäßig ist.
2.      Zwingende Gründe des Allgemeininteresses
108. In dem Urteil Gambelli wurden die Gründe zur Rechtfertigung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs positiv und negativ definiert: „Steuermindereinnahmen“ und die „Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen“ (Randnrn. 61 und 62)(73) wurden abgelehnt, der „Verbraucherschutz“, „die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen“ sowie „die Notwendigkeit, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen“, hingegen anerkannt (Nr. 67).
109. Nach Ansicht der Corte suprema di cassazione stützt sich die italienische Regelung darauf, dass durch eine Überwachung der Wetten Straftaten vorgebeugt wird(74).
110. Für die italienische Regierung liegt der Grund im Schutz der öffentlichen Ordnung(75) und der Verbraucher wie auch in der Betrugsbekämpfung(76).
111. Der Gerichtshof hat auf den Widerspruch hingewiesen, der entsteht, wenn man den Schaden, den eine Handlung mit sich bringt, dadurch zu vermeiden sucht, dass man diese fördert(77), was der Fall ist, wenn der Staat eine Politik der starken Ausweitung des Spielens und Wettens verfolgt(78). Deshalb scheint die Betrugsbekämpfung die einzige Begründung für die streitigen Beschränkungen zu sein.
112. Insoweit werden aber keine näheren Hinweise zum Verständnis der Auswirkungen krimineller Verhaltensweisen wie z. B. Betrug oder Geldwäsche auf das Glücksspiel beigebracht (79).
113. In dem bereits zitierten Urteil Läärä u. a. wurde ausgeführt, dass eine „begrenzte Erlaubnis“ den Vorteil habe, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, die Risiken eines solchen Betriebs im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten auszuschalten und die sich daraus ergebenden Gewinne zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden (Randnr. 37)(80).
114. Um die Gemeinschaftsvorschriften einzuhalten, reichen schwerwiegende Gründe nicht aus, um das Spiel so zu regeln, dass es, ohne vollständig verboten zu werden, auf eine besondere Art beschränkt wird, denn die ergriffenen Maßnahmen müssen auch nichtdiskriminierend, geeignet und verhältnismäßig sein.
3.      Die mögliche Diskriminierung
115. Das Urteil Gambelli behandelt nicht die Verletzung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung durch die italienische Regelung(81), sondern überlässt ihre Beurteilung dem nationalen Gericht(82).
116. Das Tribunale Teramo hat nunmehr die Grundlagen dieses Urteils vervollständigt und dazu beigetragen, dass der Gerichtshof selbst über diese Frage entscheiden kann, ohne sich in die Entschuldigung flüchten zu können, dass die Gesetzesänderungen von 2003 die Situation in Italien verändert hätten, denn seiner Auffassung nach wurden die Wirkungen dieser Änderungen – vermutlich auf das Jahr 2011 – aufgeschoben, so dass die Auswirkungen der alten Regelung mit der sich daraus ergebenden Folge für die den Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegenden Strafprozesse fortdauern. Darüber hinaus betrafen die Gesetzesänderungen lediglich ein Element – die Konzession –, nicht aber die anderen – die Genehmigung und die Sanktion.
117. Im Licht der in den Verfahrensakten und den Präzedenzurteilen enthaltenen Angaben ist eine Ungleichbehandlung bei Konzessionen und Genehmigungen festzustellen.
a)      Die Konzession
118. Kapitalgesellschaften, die an den regulierten Märkten in der Gemeinschaft notiert sind, konnten an den Ausschreibungen für die Erteilung der Konzessionen nicht teilnehmen. Die Anforderungen waren für alle Interessenten, einschließlich der italienischen, bindend(83), aber die Unternehmen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen waren, waren den Beschränkungen durch die italienische Regelung stärker ausgesetzt(84), denn wenn sie teilnehmen wollten, mussten sie ihre interne Struktur anpassen, so dass sie keine realen Möglichkeiten hatten, sich in Italien niederzulassen(85).
119. Dieses Ergebnis wird durch die Kleinlichkeit bei der Konzessionsvergabe verstärkt(86), die nicht von dringenden Notwendigkeiten der Kriminalitätsbekämpfung gedeckt ist(87), denn für die Genehmigungen sind Vorabkontrollen vorgesehen, aber für die Zulassung zu den Ausschreibungsverfahren reicht eine Bürgschaft zur Sicherung der Zahlung der einschlägigen Gebühren an den Fiskus aus(88).
120. Die Ungleichbehandlung wirkt sich auch auf die Vermittler aus, die unter Strafandrohung daran gehindert werden, Dienstleistungen für in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Buchmacher zu erbringen, die sich weder in Italien niederlassen noch die dort für ihre Tätigkeit erforderliche Genehmigung erlangen können.
b)      Die Genehmigungen
121. Für den Gerichtshof kann ein System vorheriger behördlicher Genehmigungen keine Ermessensausübung der nationalen Behörden rechtfertigen, die den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ihre Wirksamkeit nimmt(89). Ein derartiges System muss einerseits auf objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind, um dem Ermessen der Behörden Grenzen zu setzen, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern, und andererseits auf eine leicht zugängliche Verfahrensregelung gestützt sein, die den Betroffenen die Gewähr bietet, dass ihr Antrag unverzüglich, objektiv und unparteiisch bearbeitet wird(90).
122. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass die Genehmigung nach Artikel 88 TULPS die dargestellten Voraussetzungen erfüllt, doch enthüllt eine genauere Untersuchung der Artikel 8 bis 14 TULPS einen Ermessensspielraum, der nicht mit der erforderlichen Objektivität vereinbar ist. So sieht z. B. Artikel 10 für den „Fall des Missbrauchs durch den Genehmigungsinhaber“ ohne nähere Darlegung den Widerruf vor(91). Der fehlende Regelungscharakter lässt sich auch daraus ersehen, dass weder feststeht noch erkennbar ist, dass die Kriterien für die Ablehnung von Genehmigungen erschöpfend sind.
123. Darüber hinaus setzt die ordnungsrechtliche Genehmigung die Erteilung einer Konzession voraus, deren Mängel sie gerade deshalb übernimmt, weil diese ihr vorausgeht.
4.      Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit
124. Die italienischen Bestimmungen beschränken das Niederlassungsrecht und den freien Dienstleistungsverkehr zugunsten eines legitimen Zweckes, aber sie sind diskriminierend, was für ihre Unanwendbarkeit ausreichen würde. Sie erscheinen auch weder geeignet zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zweckes noch verhältnismäßig im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut.
a)      Die Beschränkungen des Niederlassungsrechts
125. Der Ausschluss bestimmter Gesellschaftsformen von der Ausschreibung für die Erteilung der Konzessionen wird mit der Transparenz der Unternehmen begründet, doch es gibt andere Lösungen, die weniger einschränkend sind und den Vertrag in größerem Maße respektieren(92). Wie in dem Urteil Gambelli festgestellt wurde, gibt es „andere Mittel …, die Konten und Tätigkeiten solcher Gesellschaften zu kontrollieren“(93); insoweit bestätigt es die Schlussanträge von Generalanwalt Alber, der ausführte, dass, um eine Aussage über die Integrität einer Kapitalgesellschaft machen zu können, Kontrollen durchgeführt werden könnten, die beispielsweise darin bestünden, Informationen über die Integrität der Unternehmensvertreter und Hauptaktionäre einzuholen(94).
126. Angesichts dieser Argumente hat der italienische Staat die gerügten Maßnahmen nicht gegen andere abgewogen und nicht nachgewiesen, dass sie die bessere Alternative zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zweckes darstellen.
b)      Die Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit
127. Die tatsächliche Unmöglichkeit für ein in einem Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen, seiner Geschäftstätigkeit in einem anderen nachzugehen, sowie das Verbot der Vermittlung und der Inanspruchnahme der angebotenen Dienstleistungen gehen über das hinaus, was zur Erreichung der in der nationalen Rechtsordnung festgelegten Ziele erforderlich ist(95).
128. Die in anderen Ländern der Union durchgeführten Kontrollen und dort geleisteten Sicherheiten mit der von der Corte suprema di cassazione vorgebrachten Begründung des Territorialcharakters der Zulassung zu ignorieren oder zu verschweigen, verzögert den Aufbau Europas und stellt einen Angriff gegen seine Grundfesten dar, da es gegen das Gebot des Artikels 10 EG, „alle Maßnahmen [zu unterlassen], welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten“, und den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens verstößt, der die innergemeinschaftlichen Beziehungen bestimmt.
129. In dieser Hinsicht wurde in dem Urteil vom 4. Dezember 1986 in der Rechtssache Kommission/Deutschland(96) festgestellt, dass die Behörden des Bestimmungsstaats „die bereits im Niederlassungsstaat vorgenommenen Kontrollen und Überprüfungen berücksichtigen“ müssen (Randnr. 47), und der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung anerkannt(97). Das Urteil vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache Alpine Investments(98) nahm bei der Behandlung von an potenzielle Empfänger in anderen Mitgliedstaaten gerichteten Telefondienstleistungen implizit auf den Effizienzgrundsatz Bezug.
130. Beide Grundsätze veranlassen mich dazu, der Meinung von Generalanwalt Alber in Nr. 118 der Schlussanträge in der Rechtssache Gambelli beizutreten, wo er ausführt, dass das Glücksspiel in wohl allen Mitgliedstaaten gesetzlich geregelt ist und dass die Gründe, die für die Reglementierung angeführt werden, normalerweise übereinstimmen(99). Wenn danach ein Veranstalter aus einem anderen Mitgliedstaat die dort geltenden gesetzlichen Anforderungen erfüllt, müssen die Behörden des Staates, in dem die Dienstleistung erbracht wird, davon ausgehen, dass dies eine ausreichende Garantie für seine Integrität ist(100).
131. Die Corte suprema di cassazione stellte fest, dass das britische Unternehmen, für dessen Rechnung die italienischen Angeklagten handeln, vom Betting Licensing Committee in Liverpool auf der Grundlage des Betting, Gaming and Lotteries Act (Gesetz über das Wetten, Glücksspiel und Lotterien) von 1963 zugelassen worden war, die Wettsteuer entrichtet und unter der Aufsicht der englischen Steuerverwaltung (Inland Revenues and Customs & Excise), privater Buchprüfer und der Aufsichtsorgane für börsennotierte Gesellschaften steht.
132. Unter diesen Umständen, die von den meisten Staaten, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, leise übergangen werden, scheint es klar zu sein, dass die britischen Behörden besser als die italienischen in der Lage sind, die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit zu überprüfen, und es sind keine Argumente für eine zweifache Kontrolle ersichtlich(101). Das Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache Säger(102) ließ Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs im Allgemeininteresse insoweit zu, „als dem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist“ (Randnr. 15).
133. Was die Vermittler anbelangt, so haben sie vom Ministero dei Comunicazioni (Ministerium für Kommunikation) die erforderlichen Genehmigungen für die elektronische Datenübertragung erhalten. Hierfür müssen sie sich in der Handelskammer einschreiben und das „Nulla‑osta‑antimafia“-Zertifikat erlangen, dürfen nicht vorbestraft sein und haben sich der Überprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden zu unterziehen. Trotz allem sind sie daran gehindert, Dienstleistungen im Namen einer in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig niedergelassenen Gesellschaft zu erbringen.
5.      Die strafrechtlichen Normen
134. Die durch Artikel 4 Absätze 4bis und 4ter des Gesetzes Nr. 401/89 unter Strafe gestellten Handlungen gehen von Tätigkeiten in Verbindung mit Wetten ohne Zulassung aus. Sie sind die Konsequenz des vom italienischen Gesetzgeber entwickelten Systems, das ein weites Ermessen vorsieht und von der Zulässigkeit bis zum Verbot reicht(103) und das sich unter Berücksichtigung der untersuchten Gesichtspunkte auf der Ebene des für erforderlich gehaltenen Schutzes und der nationalen Besonderheiten für ein bestimmtes Schutzniveau entscheidet. Bei der Wahl der Mittel ist aber immer das Gemeinschaftsrecht zu beachten(104).
135. Es geht folglich nicht darum, das Ius puniendi des betroffenen Staates in Frage zu stellen, der am besten in der Lage ist, die Möglichkeit, Angemessenheit und Wirksamkeit einer strafrechtlichen Reaktion zu beurteilen(105), sondern darum, dass die zusätzliche Sanktionierung einer gemeinschaftsrechtswidrigen Regelung durch ein strafrechtliches Verbot erst recht(106) als gemeinschaftsrechtswidrig zu bewerten ist, denn die jeweiligen Vorschriften sind Teile eines Räderwerks, das sich in ein ihm übergeordnetes einfügen muss, und keine voneinander abgeschotteten Abteilungen. Dem Gerichtshof obliegt nicht die Wahl der Mittel(107), aber er hat zu überprüfen, ob die getroffene Wahl mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.
136. Insgesamt fällt auf, dass Artikel 4 des Gesetzes Nr. 401/89 eine schwerere Strafe vorsieht, wenn dem Staat, dem CONI, UNIRE oder deren Konzessionsnehmern vorbehaltene Wetten betroffen sind. Dieser Umstand weist kaum eine Beziehung zur Verbrechensvorbeugung auf, sondern eher zu dem wirtschaftlichen Anreiz, den das Spiel für die Staatskasse darstellt.
137. Doch ist es auch erforderlich, sich mit der Verhältnismäßigkeit der Sanktionen zu beschäftigen, und zwar in den Worten des Urteils Gambelli, insbesondere in den Randnrn. 72 und 73, in dem zwischen Wettendem und Vermittler unterschieden wurde.
138. Hinsichtlich des Wettenden empfahl der Gerichtshof dem nationalen Gericht, die Strafe, die gegen jede Person, die von ihrem Wohnort in Italien aus über das Internet mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Buchmacher Wetten durchführt, im Licht der Ermunterung zur Teilnahme an Spielen, die von zugelassenen nationalen Einrichtungen organisiert werden, zu bewerten. Hierzu führte er mehrere Urteile an(108).
139. Bezüglich des Vermittlers gab er dem vorlegenden Gericht zudem auf, zu prüfen, ob die Beschränkungen über das zur Betrugsbekämpfung Erforderliche hinausgehen, weil der Leistungserbringer im Mitgliedstaat der Niederlassung einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterliegt.
140. Die Corte suprema di cassazione hat die ihr übertragene Aufgabe mit dem Vorwand, hierzu nicht befugt zu sein, nicht gelöst. Es überrascht, dass sie sich trotz der Feststellung der drei wesentlichen Bestandteile der italienischen Regelung des Systems der Wettenverwaltung im Rahmen ihrer Entscheidung nur mit der Genehmigung befasst hat, während sie die Sanktion gar nicht und die Konzession nur teilweise untersucht hat.
141. An dieser Stelle sollte der Gerichtshof, da er über sämtliche hierfür erforderlichen Angaben verfügt, entscheiden und ohne Umschweife feststellen, dass eine Strafe, die einen Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren umfasst, angesichts des in diesen Schlussanträgen geschilderten Sachverhalts, insbesondere in Bezug auf das durch die Straftatbestände geschützte Rechtsgut und das zum Spiel anreizende Handeln des Staates, unverhältnismäßig ist(109).
142. Darüber hinaus zieht eine Verurteilung für den Betroffenen eine Vorstrafe nach sich, die gemäß den Artikeln 11 und 14 TULPS der Erteilung der vorgeschriebenen ordnungsrechtlichen Genehmigung entgegensteht und die Ausübung jeglicher Tätigkeit im Zusammenhang mit Wetten unmöglich macht.
143. Auch darf nicht vergessen werden, dass grundlegende Gemeinschaftsfreiheiten betroffen sind, so dass jede Ausnahme eng auszulegen ist(110), und dass eine Freiheitsstrafe ein Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellt(111).
D –    Abschließender Hinweis
144. Das Fehlen auf Glücksspiele anwendbaren sekundären Rechts erfordert eine vom primären Recht ausgehende Beantwortung der Vorabentscheidungsfragen, obwohl angesichts der betroffenen Bereiche eine Harmonisierung auf diesem Gebiet im Rahmen der Zuständigkeit der Gemeinschaft, für die es hinreichend Gelegenheiten gab, angebracht wäre.
145. Einen ersten Versuch gab es 1991, als die Kommission auf der Grundlage der Studie „Gambling in the single market: a study of the current legal and market situation“(112) anstrebte, die Regulierung des Spiels der Regelung des Gemeinsamen Marktes zu unterstellen. Wegen der Vorbehalte verschiedener Mitgliedstaaten unternahm sie jedoch keine weiteren Schritte in dieser Richtung(113).
146. Eine weitere Möglichkeit ergab sich im Zusammenhang mit der Richtlinie 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr(114), doch wurden „Gewinnspiele mit einem einen Geldwert darstellenden Einsatz bei Glücksspielen, einschließlich Lotterien und Wetten“, ausdrücklich von der Anwendung ausgenommen (Artikel 1 Absatz 5 Buchstabe d dritter Gedankenstrich).
147. Derzeit befindet sich der Vorschlag einer wichtigen Dienstleistungsrichtlinie in der Diskussion(115), mit der ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden soll, der „die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern“ soll (Artikel 1), von dem auch Glücksspiele betroffen wären (Artikel 2, e contrario), wenngleich sie einen Übergangszeitraum vorsieht, in dem das „Herkunftslandprinzip“(116) keine Anwendung findet auf „Gewinnspiele, die einen geldwerten Einsatz bei Glücksspielen verlangen, einschließlich Lotterien und Wetten“ (Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a), für die eine ergänzende Harmonisierung vorgesehen ist, und zwar „im Licht eines Berichtes der Kommission und einer breiten Konsultation der interessierten Kreise“ (Artikel 40)(117) angesichts der Bedeutung des zu erörternden Gegenstands(118).
148. Würde diese Angleichung in der Gemeinschaft gelingen, würden viele Probleme der Internetwetten gelöst. In der Zwischenzeit sind einseitig hierzu erlassene Maßnahmen im Licht des Vertrages zu untersuchen(119).
149. Darüber hinaus geht die grenzüberschreitende Dimension dieser Spiele über das Gebiet der Europäischen Union hinaus, wie die Auseinandersetzungen im Rahmen der Welthandelsorganisation belegen(120), deren Vereinbarungen, insbesondere das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, Auswirkungen auf das Gemeinschaftsrecht haben, wenn ein Drittstaat beteiligt ist, was hier allerdings nicht der Fall ist.
VIII – Ergebnis
150. Aufgrund des Vorstehenden schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen, die vom Tribunale Teramo und vomTribunale Larino vorgelegt worden sind, wie folgt zu beantworten:
Die Artikel 43 EG und 49 EG sind in dem Sinne auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die das Sammeln, die Annahme, die Registrierung und die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession oder Genehmigung des jeweiligen Mitgliedstaats für Rechnung eines Unternehmens, das eine solche Konzession oder Genehmigung für die Erbringung derartiger Dienstleistungen in dem betroffenen Mitgliedstaat nicht erlangen kann, aber eine in dem Mitgliedstaat seiner Niederlassung hierfür erteilte Zulassung besitzt, verbietet, indem es die genannten Tätigkeiten mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht.

1 – Originalsprache: Spanisch.

2 – Rechtssache C‑67/98, Slg. 1999, I‑7289.

3 – Rechtssache C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031.

4 – Königliches Dekret Nr. 773 vom 18. Juni 1931 (GURI Nr. 146 vom 26. Juni 1931).

5 – Gesetz Nr. 388 vom 23. Dezember 2000 (GURI Nr. 302 vom 29. Dezember 2000, Supplemento ordinario Nr. 219). In Randnr. 7 des Urteils Gambelli wird die Änderung nicht berücksichtigt; sie wird in Randnr. 8 in einer Weise zitiert, als ob es sich um eine andere Norm handelte.

6 – Artikel 1 des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 33 vom 24. Januar 2002 (GURI Nr. 63 vom 15. März 2002) und Artikel 4 des Decreto-legge Nr. 138 vom 8. Juli 2002 (GURI Nr. 158 vom 8. Juli 2002), umgewandelt in das Gesetz Nr. 178 vom 8. August 2002 (GURI Nr. 187 vom 10. August 2002).

7 – Rossi, G., „Il mercato unico europeo e il monopolio dei CONI sui giuochi e concorsi pronostici connessi alle manifestazioni sportive“, Rivista di diritto sportivo, 1992, S. 229 ff.

8 – Artikel 6 des Decreto legislativo Nr. 496 vom 14. April 1948 (GURI Nr. 118 vom 22. Mai 1948).

9 – Artikel 3 Absatz 229 des Gesetzes Nr. 549 vom 28. Dezember 1995 (GURI Nr. 302 vom 2. November 1995) – CONI – und Artikel 3 Absatz 78 des Gesetzes Nr. 662 vom 23. Dezember 1996 (GURI Nr. 303 vom 28. Dezember 1996) – UNIRE.

10 – Artikel 2 Absätze 1 Buchstabe a und 6 des Dekrets Nr. 174 des Ministero delle Finanze vom 2. Juni 1998 (GURI Nr. 129 vom 5. Juni 1998) – CONI – und Artikel 2 Absätze 1 Buchstabe a und 8 des Dekrets Nr. 169 des Präsidenten der Republik vom 8. April 1998 (GURI Nr. 125 vom 1. Juni 1998) – UNIRE.

11 – Gesetz Nr. 289 vom 27. Dezember 2002 (GURI Nr. 305 vom 31. Dezember 2002, Supplemento ordinario Nr. 240).

12 – GURI Nr. 294 vom 18. Dezember 1989.

13 – Angefügt durch Artikel 37 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 388/00. In Randnr. 9 des Urteils Gambelli ist die Rede von „Artikel 4bis“ und von „Artikel 4ter“, während es sich in Wirklichkeit um zwei Absätze des Artikels 4 handelt.

14 – Urteil vom 24. März 1994 in der Rechtssache C‑275/92 (Slg. 1994, I‑1039).

15 – Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C‑124/97 (Slg. 1999, I‑6067).

16 – Er hat auch andere Gebiete untersucht: In dem Urteil vom 11. September 2003 in der Rechtssache C‑6/01 (Anomar u. a., Slg. 2003, I‑8621) die Spielgeräte und in dem Urteil vom 13. November 2003 in der Rechtssache C‑42/02 (Lindman, Slg. 2003, I‑13519) die Besteuerung von Spielgewinnen in Finnland. In der Rechtssache C‑89/05 (United Utilities), in der noch keine Entscheidung ergangen ist, will das House of Lords (Vereinigtes Königreich) wissen, ob „die in Artikel 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 vorgesehene Steuerbefreiung für ‚Wetten, Lotterien und andere Glücksspiele mit Geldeinsatz‘ auf die Dienstleistungen einer Person (des Beauftragten) im Namen einer anderen Person (des Auftraggebers) vornimmt“.

17 – Es stellte folgende Frage: „Ist eine nationale Regelung wie die italienische in den Artikeln 4 Absätze 1 ff., 4a und 4b des Gesetzes Nr. 401/89 (zuletzt geändert durch Artikel 37 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 388 vom 23. Dezember 2000), die – strafbewehrte – Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse, durch wen auch immer und wo auch immer, enthält, wenn im Inland keine Voraussetzungen für die Konzession und die Genehmigung geregelt sind – mit den entsprechenden Wirkungen im nationalen Recht –, mit den Artikeln 43 ff. und 49 ff. EG-Vertrag vereinbar, die die Niederlassungsfreiheit und die Freiheit der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen betreffen?“

18 – In seinen Schlussanträgen vertrat Generalanwalt Alber die Auffassung, dass es sich bei den Datenübertragungszentren nicht um sekundäre Niederlassungen des britischen Unternehmens handele, sondern dass diese Zentren im Wege des Dienstleistungsverkehrs tätig würden (Nr. 87), und schlug deshalb vor, die Antwort auf den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken.

19 – Auf ähnliche Weise übertrug der Gerichtshof in dem Urteil Zenatti in Randnr. 37 den nationalen Gerichten die Aufgabe, zu überprüfen, ob die nationalen Rechtsvorschriften gerechtfertigt sind und die in ihnen enthaltenen Beschränkungen nicht außer Verhältnis stehen. Generalanwalt Alber stellt in den Schlussanträgen in der Rechtssache Gambelli fest, dass die Beurteilung bis dahin den nationalen Gerichten überlassen worden sei, die sich aber „damit offensichtlich schwer tun“ (Nr. 116).

20 – Es sei angemerkt, dass der Gerichtshof in dem Urteil zwar dem nationalen Gericht die Aufgabe übertrug, zu überprüfen, ob im Ausgangsverfahren die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien vorlagen, sich selbst aber in diesem Punkt die Freiheit nahm, hierzu Stellung zu nehmen.

21 – Dem Urteil der Corte suprema di cassazione zufolge deshalb, weil die nationale Regelung nicht gerechtfertigt gewesen sei: Einerseits habe sie keine Garantie für den Schutz der öffentlichen Ordnung geboten, da die Zahl der Wetten und der Personen, die befugt gewesen seien, dieser Tätigkeit nachzugehen, erhöht worden sei, statt die Spielmöglichkeiten zu verringern, andererseits aber auch nicht auf die Erhöhung der öffentlichen Sicherheit gerichtet gewesen sei, da in ihr keine Maßnahmen zur Verhinderung der Infiltration krimineller Vereinigungen vorgesehen seien. Nach Auffassung des Tribunale Prato hat allein das finanzielle Interesse des Staates diese Beschränkungen der Gemeinschaftsfreiheiten bestimmt.

22 – Urteile der Sezioni III Nr. 124 vom 27. März 2000 in der Rechtssache Foglia, rv. 216223; Nr. 7764 vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache Vicentini, rv. 216986 und Nr. 36206 vom 6. Oktober 2001 in der Rechtssache Publiese, rv. 220112.

23 – Es wurde als Anhang 6 zu den Erklärungen Herrn Placanicas eingereicht und kann unter http://www.ictlex.net/index.php/2004/04/26/cass-su-sent-11104/ eingesehen werden.

24 – Auf derselben Linie äußerte sich der Consiglio di Stato (Staatsrat) in seinen Entscheidungen vom 1. März 2005 (N. 5203/2005, Berufung NRG. 4587 von 2004) und vom 14. Juni 2005 (N. 5898/2005, Berufung NRG. 2715 von 1998).

25 – Nach Angaben des Tribunale Teramo erhielt der Beschuldigte „in seiner Agentur von der englischen Betreibergesellschaft Listen von Ereignissen und entsprechenden Quoten …, verbreitete sie, nahm Wetten von Privatleuten entgegen und übermittelte die Daten an die besagte Gesellschaft“.

26 – In den Nrn. 10 und 11 der Schlussanträge von Generalanwalt Alber und den Randnrn. 12 bis 14 des Urteils in der Rechtssache Gambelli werden die wesentlichen Merkmale der Gesellschaft und ihre Vorgehensweise auf dem italienischen Markt detailliert geschildert.

27 – Ähnliche, ebenfalls von italienischen Gerichten vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen hängen von der in dieser Rechtssache zu erlassenden Entscheidung ab (Rechtssachen C‑395/05, D'Antonio u. a., C‑397/05, Di Maggio und Buecola, und C‑466/05, Damonte).

28 – ABl. 2004, C 217, S. 14.

29 – Urteile vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C‑415/93 (Bosman, Slg. 1995, I‑4921, Randnrn. 59 bis 61), vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C‑105/94 (Celestini, Slg. 1997, I‑2971, Randnr. 22), vom 7. September 1999 in der Rechtssache C‑355/97 (Beck und Bergdorf, Slg. 1999, I‑4977 Randnr. 22), vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache C‑36/99 (Idéal tourisme, Slg. 2000, I‑6049, Randnr. 20), vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C‑35/99 (Arduino, Slg. 2002, I‑1529, Randnrn. 24 und 25), vom 22. Mai 2003 in der Rechtssache C‑18/01 (Korhonen u. a., Slg. 2003, I‑5321, Randnrn. 19 und 20), vom 9. September 2003 in der Rechtssache C‑137/00 (Milk Marque und National Farmers’ Union, Slg. 2003, I‑7975, Randnr. 37), vom 25. März 2004 in den verbundenen Rechtssachen C‑480/00 bis C‑482/00, C‑484/00, C‑489/00 bis C‑491/00 und C‑497/00 bis C‑499/00 (Azienda Agricola Ettore Ribaldi u. a., Slg. 2004, I‑2943, Randnr. 72) oder vom 10. November 2005 in der Rechtssache C‑316/04 (Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie, Slg. 2005, I‑0000, Randnrn. 29 und 30).

30 – Beschluss vom 8. Oktober 2002 in der Rechtssache C‑190/02 (Viacom, Slg. 2002, I‑8287, Randnr. 15) sowie Urteile vom 17. Februar 2005 in der Rechtssache C‑134/03 (Viacom Outdoor, Slg. 2005, I‑1167, Randnr. 22), vom 12. April 2005 in der Rechtssache C‑145/03 (Keller, Slg. 2005, I‑2529, Randnr. 29) und vom 6. Dezember 2005 in den verbundenen Rechtssachen C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04 (ABNA u. a., Slg. 2005, I‑0000, Randnr. 45.

31 – Beschluss Viacom, zitiert in Fußnote 30, Randnr. 16, Urteile vom 16. Dezember 1981 in der Rechtssache 244/80 (Foglia, Slg. 1981, 3045, Randnr. 17), vom 12. Juni 1986 in den verbundenen Rechtssachen 98/85, 162/85 und 258/85 (Bertini u. a., Slg. 1986, 1885, Randnr. 6), vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C‑18/93 (Corsica Ferries, Slg. 1994, I‑1783, Randnr. 14), vom 8. Juni 2000 in der Rechtssache C‑258/98 (Carra u. a., Slg. 2000, I‑4217, Randnr. 19) und vom 21. Januar 2003 in der Rechtssache C‑318/00 (Bacardi-Martini und Cellier des Dauphins, Slg. 2003, I‑905, Randnr. 44).

32 – Urteil vom 26. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C‑320/90 bis C‑322/90 (Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I‑393, Randnr. 6).

33 – Beschlüsse vom 30. April 1998 in den verbundenen Rechtssachen C‑128/97 und C‑137/97 (Testa und Modesti, Slg. 1998, I‑2181, Randnr. 6), vom 2. März 1999 in der Rechtssache C‑422/98 (Colonia Versicherung u. a., Slg. 1999, I‑1279, Randnr. 5), vom 11. Mai 1999 in der Rechtssache C‑325/98 (Anssens, Slg. 1999, I‑2969, Randnr. 8), vom 28. Juni 2000 in der Rechtssache C‑116/00 (Laguillaumie, Slg. 2000, I‑4979, Randnr. 15) und vom 8. Oktober 2002 in der Rechtssache Viacom, bereits zitiert, Randnr. 14, sowie Urteile vom 21. September 1999 in der Rechtssache C‑67/96 (Albany, Slg. 1999, I‑5751, Randnr. 40), vom 11. September 2003 in der Rechtssache C‑207/01 (Altair Chimica, Slg. 2003, I‑8875, Randnr. 25) und vom 12. April 2005 in der Rechtssache Keller, bereits zitiert, Randnr. 30.

34 – Urteile vom 13. März 1986 in der Rechtssache 296/84 (Sinatra, Slg. 1986, 1047, Randnr. 11), vom 21. Januar 1993 in der Rechtssache C‑188/91 (Deutsche Shell, Slg. 1993, I‑363, Randnr. 27), vom 7. Dezember 1995 in der Rechtssache C‑45/94 (Ayuntamiento de Ceuta, Slg. 1995, I‑4385, Randnr. 26), vom 26. September 1996 in der Rechtssache C‑341/94 (Allain, Slg. 1996, I‑4631, Randnr. 11), vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C‑435/93 (Dietz, Slg. 1996, I‑5223, Randnr. 39), vom 30. April 1998 in der Rechtssache C‑136/95 (Thibault, Slg. 1998, I‑2011, Randnr. 21); oder das Urteil vom 19. Januar 2006 in der Rechtssache C‑265/04 (Bouanich, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 51).

35 – Urteile vom 26. September 1985 in der Rechtssache 166/84 (Thomasdünger, Slg. 1985, 3001), vom 8. November 1990 in der Rechtssache C‑231/89 (Gmurzynska-Bscher, Slg. 1990, I‑4003), vom 24. Januar 1991 in der Rechtssache C‑384/89 (Tomatis und Fulchiron, Slg. 1991, I‑127), vom 28. März 1995 in der Rechtssache C‑346/93 (Kleinwort Benson, Slg. 1995, I‑615), vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C‑28/95 (Leur-Bloem, Slg. 1997, I‑4161); vgl. auch das Urteil vom 17. März 2005 in der Rechtssache C‑170/03 (Feron, Slg. 2005, I‑2299). Bartoloni, M. E., „La competenza della Corte di giustizia ad interpretare il diritto nazionale ‚modellato‘ sulla normativa comunitaria“, Il diritto dell'Unione europea, Jahrgang VI, Nr. 2-3, 2001, S. 311 bis 349.

36 – Urteile vom 30. April 1998 in den verbundenen Rechtssachen C‑37/96 und C‑38/96 (Sodiprem u. a., Slg. 1998, I‑2039, Randnr. 22) und vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C‑399/98 (Ordine degli Architetti u. a., Slg. 2001, I‑5409, Randnr. 48).

37 – Beispiele für die Anwendung des Artikels 104 § 3 der Verfahrensordnung sind die Beschlüsse vom 26. Mai 2005 in der Rechtssache C‑297/03 (Sozialhilfeverband Rohrbach, Slg. 2005, I‑4305) und vom 13. Dezember 2005 in der Rechtssache C‑177/05 (Guerrero Pecino, nicht in der Sammlung veröffentlicht), die darauf gestützt wurden, dass die Antwort eindeutig aus den Präzedenzfällen abgeleitet werden konnte, und die Beschlüsse vom 14. Juli 2005 in der Rechtssache C‑52/04, (Personalrat der Feuerwehr Hamburg, Slg. 2005, I‑0000) und vom 1. Dezember 2005 in der Rechtssache C‑447/04 (Ostermann, Slg. 2005, I‑0000), die mit dem Fehlen eines vernünftigen Zweifels begründet sind. Die weitere in der Vorschrift enthaltene Voraussetzung – Identität der Fragen – liegt nur selten vor, z. B. in dem Beschluss vom 7. Juli 1998 in den verbundenen Rechtssachen C‑405/96 bis C‑408/96 (Beton Express u. a., Slg. 1998, I‑4253).

38 – Im 6. Teil der schriftlichen Erklärungen der Herren Placanica und Palazzese und im 2. Teil, 9. Kapitel, der Erklärungen Herrn Sorricchios wird die uneinheitliche Auslegung durch die italienischen Gerichte geschildert. In Nr. 27 habe ich ähnliche Vorabentscheidungsersuchen erwähnt, die ebenfalls von italienischen Gerichten vorgelegt wurden, und die von der Entscheidung in diesem Verfahren abhängen.

39 – Das Tribunale Teramo hat diese Meinungsverschiedenheit vertieft, indem es, wie ich bereits hervorgehoben habe, neue Aspekte eingeführt hat. Die Kontroverse ist von der Lehre aufgegriffen worden; Botella, A. S., „La responsabilité du juge national“, Revue trimestrielle de droit européen, Nr. 2, 2004, S. 307, nimmt unter Anführung eines französischen Beispiels Bezug auf eine mögliche Uneinheitlichkeit zwischen verschiedenen Rechtsordnungen oder zwischen Gerichten derselben Rechtsordnung.

40 – Insbesondere Randnrn. 66, 71, 73 und 75.

41 – Generalanwalt Léger erinnerte in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C‑224/01 (Köbler), in der am 30. September 2003 das Urteil erging (Slg. 2003, I‑10239), daran, dass der Gerichtshof 1975 in seiner Stellungnahme zur Europäischen Union vorschlug, in den Vertrag eine geeignete Garantie zum Schutz der Rechte des Einzelnen gegenüber Verletzungen des Artikels 234 EG durch die letztinstanzlichen Gerichte aufzunehmen (Nr. 126).

42 – Ossenbühl, F., „Der Entwurf eines Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland – Verfassungs- und europarechtliche Fragen“, Deutsches Verwaltungsblatt, Juli 2003, S. 892, vertritt die Ansicht, dass, obgleich die innerstaatlichen Gerichte die Stichhaltigkeit der von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Begründung für die nationalen Beschränkungen und die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kontrollieren können, der Gerichtshof sich nicht vollständig aus dieser Kontrolle zurückgezogen habe, und beurteilte die Annahme, er habe diese Befugnis delegiert, als irrig.

43 – Beschluss vom 5. März 1986 in der Rechtssache 69/85 (Wünsche, Slg. 1986, 947, Randnr. 15); Urteile vom 11. Juni 1987 in der Rechtssache 14/86 (Pretore di Salò, Slg. 1987, 2545, Randnr. 12) und vom 6. März 2003 in der Rechtssache C‑466/00 (Kaba II, Slg. 2003, I‑2219, Randnr. 39), in der der Immigration Adjudicator eine Frage vorlegte, die mit der in dem Urteil vom 11. April 2000 in der Rechtssache C‑356/98 (Kaba I, Slg. 2000, I‑2623) beantworteten identisch war, und mit dessen Feststellungen er teilweise nicht übereinstimmte.

44 – Rechtssache C‑129/00, Slg. 2003, I‑14637.

45 – Die Kommission hat wenig Neigung gezeigt, Mitgliedstaaten wegen Vertragsverletzungen zu verklagen, die ihren Rechtsprechungsorganen zuzurechnen waren, Cobreros Mendazona, E., „La responsabilidad por actuaciones judiciales. El último gran paso en la responsabilidad de los Estados por el incumplimiento del derecho comunitario“, Revista Española de Derecho Europeo, Nr. 10, 2004, insbesondere S. 291 bis 299; zur Vorgeschichte Ortúzar Andéchaga, L., La aplicación judicial del derecho comunitario, Trivium, Madrid, 1992, S. 184 f.

46 – Unbeschadet dessen, dass der Gerichtshof gegebenenfalls zur Feststellung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände untersucht, unter denen das nationale Gericht die Vorlagefrage stellt (Urteile vom 16. Dezember 1981 in der Rechtssache 244/80 [Foglia, Slg. 1981, 3045, Randnrn. 21 und 27], vom 26. September 2000 in der Rechtssache C‑322/98 [Kachelmann, Slg. 2000, I‑7505, Randnr. 17], vom 13. März 2001 in der Rechtssache C‑379/98 [PreussenElektra, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 39], vom 17. Mai 2001 in der Rechtssache C‑340/99 [TNT Traco, Slg. 2001, I‑4109, Randnr. 31] und vom 16. Dezember 2004 in der Rechtssache C‑293/03 [My, Slg. 2004, I‑12013, Randnr. 25]).

47 – Martín Rodríguez, P., „La responsabilidad del Estado por actos judiciales en derecho comunitario“, Revista de Derecho Comunitario Europeo, Nr. 19, 2004, S. 859, hebt die Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Vertragsverletzung in Bezug auf diese Rechtssache hervor: Sie könnte der Legislative, die die Norm erlässt, durch die das diskriminierende Element eingeführt wird, der Exekutive, soweit die österreichische Verwaltung den europäischen Vorschriften Vorrang hätte einräumen müssen, oder, wie geschehen, den Gerichten wegen des nicht effektiven Schutzes der dem Bürger durch das Gemeinschaftsrecht gewährten Rechte zuzurechnen sein.

48 – Simon, D., „The Sanction of Member States’ Serious Violations of Community Law“, in O’Keeffe, Hrsg., Judicial Review in European Law. Liber Amicorum Lord Slynn of Hadley, Kluwer, La Haya, 2000, S. 275 ff.

49 – Auch im Urteil Köbler werden diese Fälle als „außergewöhnlich“ eingestuft (Randnr. 53).

50 – Rechtssache 107/76, Slg. 1977, 957, Randnr. 5.

51 – Rechtssache 166/73, Slg. 1974, 33. Sie geht zurück auf verschiedene Anträge auf Ausfuhrerstattungen, die von der deutschen Interventionsstelle für Getreideerzeugnisse und Trockenfutter abgelehnt worden waren und die durch das Hessische Finanzgericht bestätigt worden waren. Im Revisionsverfahren hatte der Bundesfinanzhof mehrere Vorabentscheidungsfragen vorgelegt; nach deren Beantwortung (Urteil vom 27. Oktober 1971 in der Rechtssache 6/71 (Rheinmühlen, Slg. 1971, 823) gab er dem Rechtsmittel teilweise statt und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurück. Vor seiner erneuten Entscheidung richtete das Hessische Finanzgericht aber durch Beschluss einige Fragen an den Gerichtshof. Dieser Beschluss wurde vor dem Bundesfinanzhof angefochten, der wiederum erneut den Gerichtshof anrief, der das von mir zitierte Urteil erließ – die Fragen des Hessischen Finanzgerichts wurden in dem Urteil vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 146/73 (Rheinmühlen‑Düsseldorf, Slg. 1974, 139) untersucht.

52 – Der Gerichtshof erkannte für Recht: „Eine innerstaatliche Rechtsnorm, welche die Gerichte an die rechtliche Beurteilung eines übergeordneten Gerichts bindet, nimmt diesen Gerichten nicht schon aus diesem Grund das in Artikel [234 EG] vorgesehene Recht zur Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften.“

53 – Wenngleich diese Ansicht Anlass zur Diskussion gibt, besteht die Möglichkeit, im Wege einer Gesetzesänderung die Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen den letztinstanzlichen Gerichten vorzubehalten, ähnlich wie es in einigen Bereichen der Fall ist (Artikel 68 EG).

54? – Anm. d. Übers.: Dieses Wort ist Teil der spanischen Entsprechung des Begriffes „Glücksspiel“ oder „Hasard(spiel)“ (juego de azar).

55 – Rivas Torralba, R. A., Juegos de azar, Real Academia de Legislación y Jurisprudencia de Murcia, Murcia, 1996, S. 11.

56 – Díez Picazzo, L., Experiencia jurídica y teoría del derecho, Ariel, Barcelona, 1987, S. 18 und 21.

57 – Das auf dem Höhepunkt des babylonischen Reichs im 8. Jahrhundert vor Christus geltende Gesetzbuch Hammurabis griff häufig auf das Flussordal zurück: Der Angeklagte wurde in den Fluss geworfen; überlebte er, wurde er freigesprochen.

58 – Für die Ernennung der Mitglieder eines Geschworenengerichts oder von Gerichtssachverständigen wird gewöhnlich das Losverfahren verwendet. Gelegentlich kommt es zu Extremlösungen wie in dem Fall U. S. versus William Holmes, bei dem die Besatzung nach einem Schiffsuntergang 14 Passagiere über Bord eines überladenen Rettungsbootes geworfen hatte und in dem der Richter entschied, dass bei der dramatischen Auslosung der Opfer alle, d. h. Seeleute wie Passagiere, zur Teilnahme verpflichtet waren.

59 – Häufig besteht der Streit lediglich darin, dem Tischgenossen zu widersprechen oder ihn lächerlich zu machen, so wie Don Quijote, als er seinem Schildknappen an den Kopf warf: „Ich ginge wohl eine gute Wette mit Euch ein, Sancho: dass Euch jetzt, wo Ihr drauflosschwätzt, ohne dass Euch jemand dazwischenfährt, am ganzen Körper nichts wehtut.“ (Cervantes Saavedra, M., Don Quijote de la Mancha, Zweiter Teil Kapitel XXVIII, freie Übersetzung).

60 – Kant, I., nimmt Bezug auf diese Facetten, wenn er schildert, dass die Spiele der Kinder – der Ball, der Kampf, die Wettläufe, die Soldaten – dem Vergnügen dienen und die persönliche Entwicklung fördern, später die des Mannes – das Schachspiel, das Kartenspiel – gleichzeitig dem reinen Gewinnstreben dienen und schließlich die des Bürgers, der in den Salons sein Glück mit dem Roulette oder den Würfeln versucht, alle unbewusst von der menschlichen Natur angetrieben werden (Anthropologie in pragmatischer Hinsicht).

61 – Dostojewski, F., ein bekannter Spielsüchtiger, beschreibt meisterlich diejenigen, die in ihren Netzen gefangen sind: „… in der Welt des Spiels weiß jeder, dass ein Spieler, der sich mit Leidenschaft in einem solch einzigartigen Kampf gegen den Zufall gefangen sieht, bis zu vierundzwanzig Stunden hintereinander an einem Tisch sitzen kann, ohne den Blick auch nur eine Sekunde von den Karten oder dem sich drehenden Rad abzuwenden“ (Der Spieler, freie Übersetzung) und fügt hinzu: „Es kam ein Moment, in dem ich merkte, dass es mir nicht mehr um das Geld ging, sondern um das Gefühl des Risikos, des Abenteuers, das das Handeln gegen jede Logik vermittelte. Seither habe ich viel darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es gut möglich ist, dass der Geist, der so mannigfache Gefühle durchläuft, weit davon entfernt ist, nachzugeben, sondern sich noch mehr erregt und nach immer stärkeren Eindrücken verlangt, um zur endgültigen Leblosigkeit zu gelangen.“ Dasselbe Gefühl liegt dem Text von Gabriel y Galán, J. A., zugrunde: „… es stimmte, dass er den ganzen Tag lang nur an Geld dachte, von ihm abhängig war und nach seinem Rhythmus lebte, doch wie alle Spieler nicht an ihm hing, sondern an den Jetons …“ (Muchos años después, freie Übersetzung). Chateaubriand, F., gesteht eine ähnliche Bewegtheit in dem Moment ein, als er den größten Teil des gerade als Darlehen empfangenen Bargelds verloren hatte: „Ich hatte noch nie gespielt: Das Spiel rief in mir eine Art schmerzhaften Rausches hervor; hätte mich diese Leidenschaft beherrscht, hätte sie meine geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt“ (Erinnerungen von jenseits des Grabes, Bücher I‑XXIV, freie Übersetzung).

62 – Dostojewski lässt den Protagonisten seines Romans überlegen: „Warum muss das Spiel schlimmer sein als jede andere Art des Geldverdienens, wie zum Beispiel der Handel? Es stimmt zwar, dass von hundert Spielern nur einer gewinnt, aber … wie konnte diese Kleinigkeit für mich von Bedeutung sein, wenn ich mich vorherbestimmt fühlte, zu gewinnen?“ (Der Spieler, zitiert in Fußnote 60, freie Übersetzung).

63 – Die berühmte Romanfigur von José Zorrilla, Don Juan Tenorio, bringt diese Sorge zum Ausdruck, als ihn der Verlierer einer von ihm gewonnen Wette herausfordert und er ihm antwortet: „Ihr wollt sagen/da ich gewann die Wette/wollt Ihr, dass der Spaß sein Ende hätte/und wir hinausgehen, uns zu schlagen“ (Don Juan Tenorio, Erster Teil, Vierter Akt, VI. Szene, freie Übersetzung).

64 – Urteile Schindler, Randnr. 19, und Anomar u. a., Randnr. 46, bereits zitiert.

65 – Urteile Anomar u. a, Randnr. 47, und auf derselben Linie Urteil Zenatti, Randnr. 24, alle bereits zitiert.

66 – Urteile Schindler, Randnrn. 25 und 34, Läärä u. a., Randnr. 27, und Anomar u. a., Randnr. 52, alle bereits zitiert.

67 – Unter Berufung auf das Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C‑55/94 (Gebhard, Slg. 1995, I‑4165, Randnr. 22).

68 – Korte, S., „Das Gambelli-Urteil des EuGH“, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 2004, S. 1449, schreibt, dass diese Drohungen wegen der Zusammenarbeit bei der Verwaltung von Wetten ein Hindernis für den Dienstleistungsmarkt darstellen.

69 – Korte, S., zitiert in Fußnote 67, S. 1451.

70 – Urteile vom 31. März 1993 in der Rechtssache C‑19/92 (Kraus, Slg. 1993, I‑1663, Randnr. 32) und Gebhard, bereits zitiert, Randnr. 37.

71 – Nr. 116 der Schlussanträge von Generalanwalt Alber in der Rechtssache Gambelli; in Nr. 120 wiederholt er den Gedanken, denn wenn hinreichende Tatsachen bekannt sind, die eine Bewertung durch den Gerichtshof erlauben, ist dieser nicht daran gehindert, eine Einschätzung vorzunehmen.

72 – Brouwer, L., und Docquir, B., führen bei der Kommentierung des Urteils Gambelli in Revue de droit commercial belge, Nr. 3, 2004, S. 314, Punkt 7, aus, dass der Gerichtshof keinen Raum für Zweifel ließ: Wenn auch die Beurteilung der Vereinbarkeit Aufgabe des vorlegenden Gerichts sei, habe er eindeutig die Auffassung vertreten, dass die italienische nicht mit der gemeinschaftsrechtlichen Regelung vereinbar sei.

73 – Der Gerichtshof hat wirtschaftliche Ziele als Gründe der öffentlichen Ordnung im Sinne des Artikels 46 EG ausgeschlossen (u. a. Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C‑288/89 [Collectieve Antennevoorziening Gouda, Slg. 1991, I‑4007, Randnr. 11] und vom 29. April 1999 in der Rechtssache C‑224/97 [Ciola, Slg. 1999, I‑2517, Randnr. 16]).

74 – Urteil Gesualdi, bereits zitiert, Randnr. 11.2.3. In der Lehre vertritt Beltrani, S., La disciplina penale dei giochi e delle scommesse, Giuffrè, Mailand, 1999, S. 313, die Ansicht, das System orientiere sich vor allem am Schutz der finanziellen und fiskalischen Interessen des Staates; ebenso Coccia, M., „‚Rien ne va plus‘: la corte di giustizia pone un freno alla libera circolazione dei giochi d'azzardo“, Foro italiano, 1994, S. 521.

75 – Abschnitt D Buchstabe a der schriftlichen Erklärungen, die in der Rechtssache Placanica und in den Rechtssachen Palazzese und Sorricchio eingereicht worden sind.

76 – Abschnitt D Buchstabe b der genannten schriftlichen Erklärungen.

77 – Urteil Gambelli, Randnrn. 68 und 69.

78 – In dem Urteil Gesualdi, Randnr. 11.2.3, erwähnt die Corte suprema di cassazione die Lotterien „Gratta e vinci“, 1994 von der Autonomen Verwaltung der Staatsmonopole eingeführt, „Totogol“, ebenfalls 1994 vom CONI auf den Markt gebracht, „SuperEnalotto“, im Oktober 1997 der Gesellschaft Sisal genehmigt, „Totosei“, eingeführt vom CONI im Jahr 1998, „Formula 101“, geregelt in einem Dekret von August 1999 und durch das Wirtschaftsministerium im April 2000 in Gang gesetzt, „Totobingol“, verwaltet durch das CONI seit Januar 2001, und „Bingo“, genehmigt durch das Wirtschaftsministerium im Jahr 2000.

79 – Die Verbrechensverhütung stellt für Buschle, D., „‚Der Spieler‘ – Schreckgespenst des Gemeinschaftsrechts“, European Law Reporter, Nr. 12, 2003, S. 471, einen Grund der öffentlichen Sicherheit und gleichzeitig einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar.

80 – Der Gedanke wurde in den Urteilen Zenatti, Randnr. 35, und Anomar u. a., Randnr. 74, wieder aufgenommen.

81 – Generalanwalt Alber bringt in den Nrn. 95 bis 97 der Schlussanträge verschiedene Argumente zum Nachweis der Verletzung vor.

82 – Randnrn. 70 und 71.

83 – Urteil Zenatti, Randnr. 26.

84 – In den Urteilen Schindler, Randnr. 43, und Anomar u. a., Randnr. 65, wurde daran erinnert, dass das Gemeinschaftsrecht eine nationale Regelung selbst dann verbietet, wenn sie zwar nicht auf die Staatsangehörigkeit abstellt, aber geeignet ist, die Tätigkeiten eines Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern. In dem Urteil Zenatti wurde in Randnr. 27 festgestellt, dass die italienischen Rechtsvorschriften „die Veranstalter aus anderen Mitgliedstaaten direkt oder indirekt daran hindern, selbst Wetten auf italienischem Boden anzunehmen“.

85 – Korte, S., bereits zitiert, S. 1450. Hierzu räumte der Vertreter der italienischen Regierung auf eine der Fragen, die ich ihm in der Sitzung stellte, ein, dass acht ausländische Unternehmen eine Genehmigung erlangt hätten, und zwar mehrheitlich durch Kauf vom Zuschlagsempfänger.

86 – Das CONI bot 1998 1 000 Genehmigungen an; der Finanzminister und der Minister für Agrarpolitik schrieben im Rahmen ihrer Kompetenzen 671 neue aus und verlängerten automatisch die 329 bereits bestehenden. Letzteres hat die Kommission dazu veranlasst, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einzuleiten – die derzeit anhängige Rechtssache C‑260/04 –, auf das ich bereits hingewiesen habe.

87 – Die Ausschreibungen für die Konzessionen für Pferderennwetten durch das Ministerialdekret vom 7. April 1999, Approvazione del piano di potenziamento della rete di raccolta ed accettazione delle scommesse ippiche (Gazzeta ufficiale della Repubblica italiana Nr. 86 vom 14. April 1999), legen nahe, dass der Betrag unter Berücksichtigung anderer Parameter festgesetzt wurde.

88 – Diese Feststellung findet sich in dem Vorlagebeschluss des Tribunale Teramo in der Rechtssache C‑359/04.

89 – Urteile vom 23. Februar 1995 in den verbundenen Rechtssachen C‑358/93 und C‑416/93 (Bordessa u. a., Slg. 1995, I‑361, Randnr. 25), vom 14. Dezember 1995 in den verbundenen Rechtssachen C‑163/94, C‑165/94 und C‑250/94 (Sanz de Lera u. a., Slg. 1995, I‑4821, Randnrn. 23 bis 28), vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache C‑205/99 (Analir u. a., Slg. 2001, I‑1271, Randnr. 37) und vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C‑157/99 (Smits und Peerbooms, Slg. 2001, I‑5473, Randnr. 90).

90 – Urteil Smits und Peerbooms, zitiert in Fußnote 88, Randnr. 90.

91 – Die Kommission erwähnt Artikel 11 Absatz 2 TULPS, der die Ermächtigung enthält, die Genehmigung abzulehnen, wenn nicht der gute Leumund nachgewiesen wird, aber die Corte costituzionale (Verfassungsgericht) stellte in ihrem Urteil Nr. 440 vom 16. Dezember 1994 fest, dass diese Bestimmung verfassungswidrig sei, da sie die Beweislast dem Bewerber auferlegte.

92 – Hoeller, B., und Bodemann, R., „Das ‚Gambelli‘‑Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf Deutschland“, Neue Juristische Wochenschrift, 2004, S. 125, führen in Bezug auf die deutsche Regelung, die der italienischen in gewisser Weise ähnelt, aus, dass eine Regelung, die den Zugang zum Markt für Wetten nicht allen Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform ermöglicht, eine unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle.

93 – Randnr. 74.

94 – Nr. 99.

95 – Brouwer, L., und Docquir, B., bereits zitiert, S. 314, Punkt 8.

96 – Rechtssache 205/84, Slg. 1986, 3755.

97 – Generalanwalt La Pergola wies in Nr. 36 der Schlussanträge in der Rechtssache Läärä u. a. auf diesen Gesichtspunkt hin, der aber vom Gerichtshof später nicht aufgegriffen wurde.

98 – Rechtssache C‑384/93, Slg. 1995, I‑1141, insbesondere Randnrn. 46 bis 49.

99 – Dies wird in den ersten Nummern der Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann in der Rechtssache Schindler, bereits zitiert, näher dargelegt.

100 – Für einen weiteren Bereich: Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – der Stand des Binnenmarkts für Dienstleistungen – Bericht im Rahmen der ersten Stufe der Binnenmarktstrategie für den Dienstleistungssektor (KOM[2002] 441 endg., insbesondere Randnrn. 36 ff.).

101 – Für Schütz, H.-J., Bruha, T., und König, D., Europarecht Casebook, München, 2004, S. 752, erfordert die Einführung von strengeren Voraussetzungen eine rigorose Prüfung der Verhältnismäßigkeit, insbesondere in Hinsicht auf den Nachweis, dass es keine weniger einschneidenden Maßnahmen gibt.

102 – Rechtssache C‑76/90, Slg. 1991, I‑4221.

103 – Urteile Schindler, Randnr. 61, Läärä u. a., Randnr. 35, Zenatti, Randnr. 33, und Anomar u. a., Randnrn. 79 und 87, bereits zitiert.

104 – Hierauf wies Generalanwalt La Pergola in Nr. 34 der Schlussanträge in der Rechtssache Läärä u. a. hin: „Auch wenn es sich um Ermessensentscheidungen handelt, bleiben die getroffenen Maßnahmen gerichtlich überprüfbar; ob sie im Hinblick auf die Gründe des Allgemeininteresses angemessen sind, kann nämlich von dem zu ihrer Anwendung angerufenen nationalen Gericht überprüft werden, das dabei die Rechtfertigungsregeln – einschließlich der der Verhältnismäßigkeit – anwenden muss, die von den Gemeinschaftsgerichten bezüglich der Grenzen aufgestellt worden sind, die die Ausübung der sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Freiheiten rechtmäßig einschränken können.“ Dies schließt, wie ich bereits dargelegt habe, die Prüfung durch den Gerichtshof nicht aus.

105 – So habe ich es in Nr. 48 der Schlussanträge in der Rechtssache C‑176/03 (Kommission/Rat), in der am 13. September 2005 das Urteil erging (Slg. 2005, I‑0000), dargelegt.

106 – Ich übernehme den von Generalanwalt Alber in den Nrn. 97 bis 99 der Schlussanträge in der Rechtssache Gambelli verwendeten Ausdruck.

107 – Urteil Schindler, bereits zitiert, Randnr. 32.

108 – Urteile vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C‑193/94 (Skanavi und Chryssanthakopoulos, Slg. 1996, I‑929, Randnrn. 34 bis 39) und vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C‑459/99 (MRAX, Slg. 2002, I‑6591, Randnrn. 89 bis 91).

109 – Korte, S., bereits zitiert, S. 1451, äußert ernsthafte Zweifel an der Nützlichkeit der strafrechtlichen Sanktionen angesichts der expansiven Politik auf dem Glücksspielsektor in Italien; Mignone, C. I., „La Corte di giustizia si pronuncia sul gioco d’azzarso nell’era di Internet“, Diritto pubblico comparato ed europeo, 2004, S. 401, fragt nach dem Verhältnis zwischen den geschützten Interessen und der geopferten persönlichen Freiheit; Hoeller, B., und Bodemann, R., bereits zitiert, S. 125, vertreten für das deutsche Recht die Auffassung, dass die Unverhältnismäßigkeit sich daran zeige, dass der Staat seine eigenen Ziele untergrabe.

110 – Unter anderem Urteil vom 19. Januar 1999 in der Rechtssache C‑348/96 (Calfa, Slg. 1999, I‑11, Randnr. 23), in dem sich der Gerichtshof konkret auf die Ausnahme „öffentliche Ordnung“ bezieht.

111 – Urteile vom 3. Juli 1980 in der Rechtssache 157/79 (Pieck, Slg. 1980, 2171, Randnr. 19), vom 12. Dezember 1989 in der Rechtssache C‑265/88 (Messner, Slg. 1989, 4209, Randnr. 14) sowie Skanavi und Chryssanthakopoulos, bereits zitiert, Randnr. 36.

112 – Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg, 1991. Sie wurde von Generalanwalt Gulmann in den Schlussanträgen in der Rechtssache Schindler, bereits zitiert, kommentiert.

113 – Coccia, M., bereits zitiert, S. 524. Die Kommission führte den Subsidiaritätsgrundsatz an, um die Initiative zu stoppen (Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Edinburg am 11. und 12. Dezember 1992, Teil A der Anlage 2: Subsidiarität – Beispiele für die Überprüfung von anhängigen Vorschlägen und geltenden Regelungen, erschienen im Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Nr. 2, 1992).

114 – Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. L 178, S. 1).

115 – Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt (KOM[2004] 2 endg.).

116 – Nach diesem Prinzip unterliegt der Dienstleistungserbringer ausschließlich den Bestimmungen des Herkunftmitgliedstaats, der auch dann für die Kontrolle verantwortlich ist, wenn die Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat erbracht wird (Artikel 16).

117 – Es ist mir nicht entgangen, dass die Liberalisierung des Sektors umstritten ist. Zum Beispiel vertritt Ohlmann, W., „Lotterien, Sportwetten, der Lotteriestaatsvertrag und Gambelli“, Wettbewerb in Recht und Praxis, Nr. 1, 2005, S. 55 und 58, die Ansicht, dass kein Wettbewerb bestehen darf; Walz, S., „Gambling um Gambelli? – Rechtsfolgen der Entscheidung Gambelli für das staatliche Sportwettenmonopol“, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 2004, S. 524, hat Vorbehalte gegen die Gültigkeit von ausländischen Genehmigungen, und Campegiani, C., und Pati, C., „Il sistema di monopolio statale delle scommesse e la sua compatibilità con la normativa comunitaria in materia di libertà di stabilimento e di libera prestazione di servizi (arts. 43 e 49 CE)“, Giustizia civile, 2004-I, S. 2532, rechtfertigen eine staatliche Regelung der Spieleverwaltung. Für einen liberalisierten Markt unter der Kontrolle einer supra- oder internationalen gesetzlichen Regelung mit strengen Regeln zur Kriminalitätsverhütung spricht sich Geeroms, S., „Cross‑Border Gambling on the Internet under the WTO/GATS and EC Rules Compared: A Justified Restriction on the Freedom to Provide Services?“, Cross-Border Gambling on the Internet – Challenging National and International Law, Zürich/Basel/Genf, 2004, S. 180, aus.

118 – Buschle, D., bereits zitiert, S. 471, weist darauf hin, dass es in Deutschland zwischen 90 000 und 500 000 Glücksspielabhängige gibt, von denen zwei Drittel Männer mit niedrigen Einkommen sind. Nach der Zeitung El País, die sich auf Daten des Consultingunternehmens Christiansen Capital Advisors stützt, gibt es zwischen 1 800 und 2 500 Internetsites, die dem Glücksspiel gewidmet sind und in der ganzen Welt 8,2 Milliarden Dollar umsetzen. Diese Zahl werde sich im Jahr 2009 auf 23,5 Milliarden erhöhen (Ciberpaís, 13. Oktober 2005).

119 – Die Debatte nimmt zurzeit ihren Lauf. Die französischen Gerichte hatten sich kürzlich im Zusammenhang mit von dem Unternehmen Zeturf mit Sitz in Malta durchgeführten Pferderennwetten mit ähnlichen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen wie ihre italienischen Kollegen. Die Cour d’appel Paris hat in ihrem Urteil vom 4. Januar 2006 das Urteil des Tribunal de grande instance Paris bestätigt und, ohne dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt zu haben, die Vereinbarkeit der nationalen mit der gemeinschaftsrechtlichen Regelung bejaht, was bereits erste Kritiken ausgelöst hat (Verbiest, T., „Paris hippiques en ligne: la Cour d'appel de Paris confirme la condamnation de Zeturf“, Droit et Nouvelles Technologies, http://www.droit-technologie.org/1_2.asp?actu_id=1150).

120 – Zum Beispiel der Streit zwischen den Vereinigten Staaten und Antigua, der durch einen Bericht des Streitbeilegungsorgans der WTO gelöst wurde, United States – Measures affecting the cross-border supply of gambling and betting services, WT/DS285/AB/R, vom 7. April 2005.