Mittwoch, 8. September 2010

Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07

"Art. 43 EG und 49 EG – Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Auf der Ebene eines Bundeslands bestehendes staatliches Monopol auf die Veranstaltung von Sportwetten – Ziel der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht – Verhältnismäßigkeit – Restriktive Maßnahme, die tatsächlich darauf abzielen muss, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Glücksspieltätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen – Werbung des Monopolinhabers, die zur Teilnahme an Lotterien ermuntert – Andere Glücksspiele, die von privaten Veranstaltern angeboten werden können – Ausweitung des Angebots an anderen Glücksspielen – In einem anderen Mitgliedstaat erteilte Lizenz – Keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung"

Urteil des EuGH in den verb. Rechtssachen C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 s.u.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C‑46/08
Carmen Media Group Ltd s.u.

Pressemitteilung Nr: 78/10 des Europäischen Gerichtshofs

Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-409/06
Winner Wetten GmbH

Deutsches Wettmonopol auf der Kippe: Rückschlag für Staat und CBH durch EuGH-Urteil

Das staatliche Monopol auf Sportwetten und Glücksspiele in Deutschland ist nicht gerechtfertigt, die bisherige Regelung darf so nicht mehr weiter angewendet werden. Dies hat heute der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden und mehrere Verfahren an die nationalen Gerichte zurückverwiesen.

Geklagt hatte eine Gruppe von Sportwettenvermittlern sowie der Automatenservicebetreiber Kulpa gegen die Länder Baden-Württemberg und Hessen sowie Carmen Media gegen das Land Schleswig Holstein und die Winner Wetten GmbH gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Den Vermittlern war in den jeweiligen Bundesländern untersagt worden, Sportwetten zu veranstalten.

Das Luxemburger Gericht verwies diese Verfahren zurück an die deutschen Gerichte. Diese sollen nun unter anderem prüfen, ob zusätzlich zum Glücksspielstaatsvertrag auch die bundesweit geltende Gewerbeordnung für Automatenspiele anwendbar ist. Bei Automatenspielen gelten liberalere Regelungen, obwohl auch sie ein hohes Suchtpotenzial haben.

Der Staat begründet sein Glücksspiel-Monopol vor allem mit seiner Verantwortung, Wett- und Glücksspielsucht zu bekämpfen. Die Bundesrepublik sei dabei jedoch nicht konsequent, indem sie einerseits Werbung für Lotterien betreibe, so die Richter. Zudem dulde sie Kasino‑ oder Automatenspiele, die nicht dem staatlichen Monopol unterliegen, aber nach Ansicht des Gerichts ein höheres Suchtpotenzial aufweisen als die vom Monopol erfassten Spiele.

Damit könne die Bundesrepublik das präventive Ziel des Monopols nicht mehr wirksam verfolgen, folglich sei das Monopol nicht gerechtfertigt. Den Lotterie-Staatsvertrag hatten alle Bundesländer unterzeichnet.

Das Gericht führte jedoch auch aus, dass Mitgliedsstaaten Genehmigungen anderer Länder für Glücksspiele im Internet nicht unbedingt anerkennen müssen. Dies war Teil des Verfahrens der Carmen Media GmbH, die eine sogenannte Offshore-Lizenz in Gibraltar besitzt und beantragt hatte, Wetten über das Internet in Deutschland anbieten zu dürfen. Hier hatte das Land Schleswig-Holstein den Antrag nach Ansicht des Gerichts zu Recht zurückgewiesen. (Catrin Behlau)

Berater Sportwettenvermittler (Stoß, Avalon, Happel, Kuntert)
Redeker Sellner Dahs (Bonn): Dr. Ronald Reichert, Dr. Michael Winkelmüller, Marco Rietdorf, Hans Wolfram Kessler, Imke Schneider

Berater Sobo
Kartal (Bielefeld): Jusuf Kartal

Berater Kulpa
Markus Maul (Dannenberg)

Berater Winner Wetten
Kuentzle (Karlsruhe): Dr. Oliver Bludovsky – aus dem Markt bekannt

Berater Carmen Media
Universität Bonn (Bonn): Professor Dr. Christian König – aus dem Markt bekannt
Hambach & Hambach (München): Dr. Michael Hettich – aus dem Markt bekannt

Berater Hessen, Baden Württemberg, Schleswig Holstein, Nordrhein Westfalen
CBH Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner (Köln): Dr. Manfred Hecker, Dr. Markus Ruttig

Europäischer Gerichtshof Luxemburg
Prof. Dr. Vassilios Skouris (Präsident)

Hintergrund: Redeker ist bereits seit Jahren für ihre Beratung im Glücksspielrecht bekannt. So hat beispielsweise Partner Reichert schon einige erfolgreiche Verfassungsbeschwerdeverfahren sowie Eilverfahren geführt.

Zu den Mandanten der Kanzlei gehört unter anderem das Sportwettunternehmen Happybet, zu der einige der in diesem Verfahren vertretenen Sportwettenvermittler gehören.

Auch CBH-Partner Manfred Hecker gilt als einer der renommiertesten Anwälte im Glücksspielrecht, er berät regelmäßig aufseiten der staatlichen Lottogesellschaften.

Sowohl Kartal als auch Maul sind seit Jahren für private Wettunternehmen und deren Vermittler tätig. Markus Maul ist zugleich Präsident des Verbands Europäischer Wettunternehmer. Quelle

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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

8. September 2010(*)

„Art. 43 EG und 49 EG – Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Auf der Ebene eines Bundeslands bestehendes staatliches Monopol auf die Veranstaltung von Sportwetten – Ziel der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht – Verhältnismäßigkeit – Restriktive Maßnahme, die tatsächlich darauf abzielen muss, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Glücksspieltätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen – Werbung des Monopolinhabers, die zur Teilnahme an Lotterien ermuntert – Andere Glücksspiele, die von privaten Veranstaltern angeboten werden können – Ausweitung des Angebots an anderen Glücksspielen – In einem anderen Mitgliedstaat erteilte Lizenz – Keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung“

In den verbundenen Rechtssachen C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Gießen (Deutschland) (C‑316/07, C‑409/07 und C‑410/07) und vom Verwaltungsgericht Stuttgart (Deutschland) (C‑358/07 bis C‑360/07) mit Entscheidungen vom 7. Mai (C‑316/07), 24. Juli (C‑358/07 bis C‑360/07) und 28. August 2007 (C‑409/07 und C‑410/07), beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juli, 2. August und 3. September 2007, in den Verfahren

Markus Stoß (C‑316/07),

Avalon Service‑Online‑Dienste GmbH (C‑409/07),

Olaf Amadeus Wilhelm Happel (C‑410/07)

gegen

Wetteraukreis

und

Kulpa Automatenservice Asperg GmbH (C‑358/07),

SOBO Sport & Entertainment GmbH (C‑359/07),

Andreas Kunert (C‑360/07)

gegen

Land Baden-Württemberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.‑C. Bonichot, der Kammerpräsidentin P. Lindh sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), A. Borg Barthet, M. Ilešič, J. Malenovský, U. Lõhmus, A. Ó Caoimh und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– von Herrn Stoß, Herrn Kunert und der Avalon Service‑Online‑Dienste GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte R. Reichert und M. Winkelmüller,

– von Herrn Happel, vertreten durch Rechtsanwalt R. Reichert,

– der Kulpa Automatenservice Asperg GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Maul und R. Jacchia, avvocato,

– der SOBO Sport & Entertainment GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte J. Kartal und M. Winkelmüller,

– des Wetteraukreises, vertreten durch E. Meiß und J. Dietlein als Bevollmächtigte,

– des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch Rechtsanwalt M. Ruttig,

– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, B. Klein und J. Möller als Bevollmächtigte,

– der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und A. Hubert als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, advocaat,

– der dänischen Regierung, vertreten durch J. Bering Liisberg als Bevollmächtigten,

– der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,

– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues als Bevollmächtigten,

– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia, I. Bruni und G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili und F. Arena, avvocati dello Stato,

– der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigten,

– der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Grave als Bevollmächtigte,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von A. Barros, advogada,

– der slowenischen Regierung, vertreten durch N. Pintar Gosenca als Bevollmächtigte,

– der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,

– der norwegischen Regierung, vertreten durch P. Wennerås und K. B. Moen als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Traversa, P. Dejmek und H. Krämer als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. März 2010

folgendes

Urteil

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG.

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Stoß, der Avalon Service-Online-Dienste GmbH (im Folgenden: Avalon) und Herrn Happel einerseits und dem Wetteraukreis andererseits sowie zwischen der Kulpa Automatenservice Asperg GmbH (im Folgenden: Kulpa), der SOBO Sport & Entertainment GmbH (im Folgenden: SOBO) und Herrn Kunert einerseits und dem Land Baden‑Württemberg andererseits über Entscheidungen der beiden genannten Körperschaften, mit denen den Betroffenen unter Androhung von Geldbußen die weitere Ausübung jeder Tätigkeit verboten wurde, die auf die Ermöglichung oder Erleichterung des Abschlusses von Sportwetten abzielt, die von Anbietern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland veranstaltet werden.

Nationales Recht

Bundesrecht

3 § 284 des Strafgesetzbuchs (StGB) bestimmt:

„(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1. gewerbsmäßig [handelt]

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

…“

4 Mit Ausnahme der Wetten auf öffentliche Pferdewettkämpfe, die insbesondere dem Rennwett- und Lotteriegesetz (RWLG) unterliegen, sowie des Aufstellens und des Betriebs von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in anderen Einrichtungen als Spielbanken (Spielhallen, Schank- und Speisewirtschaften, Beherbergungsbetrieben), die insbesondere der Gewerbeordnung und der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit unterliegen, werden die Voraussetzungen, unter denen Erlaubnisse im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB auf dem Gebiet des Glücksspiels erteilt werden können, auf Länderebene bestimmt.

5 § 1 Abs. 1 RWLG lautet:

„Ein Verein, der das Unternehmen eines Totalisators aus Anlass öffentlicher Pferderennen und anderer öffentlicher Leistungsprüfungen für Pferde betreiben will, bedarf der Erlaubnis der nach Landesrecht zuständigen Behörde.“

6 § 2 Abs. 1 RWLG bestimmt:

„Wer gewerbsmäßig Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde abschließen oder vermitteln will (Buchmacher), bedarf der Erlaubnis der nach Landesrecht zuständigen Behörde.“

Der Staatsvertrag zum Lotteriewesen

7 Mit dem am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (LottStV) haben die Länder für die Veranstaltung, die Durchführung und die gewerbliche Vermittlung von Glücksspielen mit Ausnahme von Spielbanken einen einheitlichen Rahmen geschaffen.

8 § 1 LottStV lautet:

„Ziel des Staatsvertrages ist es,

1. den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern,

2. übermäßige Spielanreize zu verhindern,

3. eine Ausnutzung des Spieltriebs zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken auszuschließen,

4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß und nachvollziehbar durchgeführt werden, und

5. sicherzustellen, dass ein erheblicher Teil der Einnahmen aus Glücksspielen zur Förderung öffentlicher oder steuerbegünstigter Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verwendet wird.“

9 § 5 Abs. 1 und 2 LottStV sieht vor:

„(1) Die Länder haben im Rahmen der Zielsetzungen des § 1 die ordnungsrechtliche Aufgabe, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen.

(2) Auf gesetzlicher Grundlage können die Länder diese Aufgabe selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen.“

Hessisches Landesrecht

10 In § 1 des Gesetzes über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Hessen vom 3. November 1998 (GVBl. 1998 I S. 406) in der zuletzt am 13. Dezember 2002 (GVBl. 2002 I S. 797) geänderten Fassung (GSZZ H) heißt es:

„(1) Das Land Hessen ist allein befugt, innerhalb seines Staatsgebietes Sportwetten zu veranstalten. …

(2) Das Land Hessen veranstaltet Zahlenlotterien (Zahlenlotto).

(4) Mit der Durchführung der vom Land Hessen veranstalteten Sportwetten und Lotterien kann eine juristische Person des Privatrechts beauftragt werden.

…“

11 In Anwendung von § 1 Abs. 1 und 4 GSZZ H werden die Sportwetten von der Hessischen Lotterieverwaltung im Namen des Landes Hessen veranstaltet und betrieben, während ihre technische Durchführung der Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen übertragen wurde.

12 § 5 Abs. 1 GSZZ H bestimmt:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird, soweit die Tat nicht nach § 287 des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist, bestraft, wer in Hessen ohne Genehmigung des Landes für eine Sportwette oder Zahlenlotterie

1. wirbt,

2. zum Abschluss oder zur Vermittlung von Spielverträgen auffordert oder sich erbietet,

3. Angebote zum Abschluss oder zur Vermittlung von Spielverträgen entgegennimmt.“

Baden‑Württembergisches Landesrecht

13 § 2 des baden-württembergischen Gesetzes über staatliche Lotterien, Wetten und Ausspielungen vom 14. Dezember 2004 (GBl. 2004 S. 894) (StLG BW) bestimmt:

„(1) Das Land veranstaltet folgende Glücksspiele:

1. Zahlenlotterien,

2. Ergebniswetten,

3. Losbrieflotterien.

(4) Über die Veranstaltung staatlicher Glücksspiele entscheidet das Finanzministerium. Die Entscheidung des Finanzministeriums über die Veranstaltung neuer Glücksspiele bedarf der Zustimmung des Landtags. Das Finanzministerium kann eine juristische Person des privaten Rechts, an der das Land unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt ist, mit der Durchführung der durch das Land veranstalteten Glücksspiele beauftragen.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rechtssachen C‑316/07, C‑409/07 und C‑410/07

14 Herr Stoß, Avalon und Herr Happel verfügen jeweils über ein im Wetteraukreis (Land Hessen) in Deutschland gelegenes Geschäftslokal, in dem sie u. a. Sportwetten vermitteln (Wettannahme, Entgegennahme der Einsätze und Auszahlung der Gewinne). Die beiden Erstgenannten tun dies für Rechnung der Happybet Sportwetten GmbH (im Folgenden: Happybet Österreich) mit Sitz in Klagenfurt (Österreich), der Drittgenannte für Rechnung der Happy Bet Ltd (im Folgenden: Happy Bet UK) mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich).

15 Happybet Österreich verfügt über eine von der Landesregierung des Bundeslands Kärnten erteilte Bewilligung zum Abschluss von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen in der Region Klagenfurt. Happy Bet UK verfügt ebenfalls über eine Erlaubnis, die von der zuständigen Behörde des Vereinigten Königreichs erteilt wurde.

16 Mit Verfügungen vom 11. Februar 2005, 18. August 2006 und 21. August 2006 untersagte die Ordnungsbehörde des Wetteraukreises Herrn Happel, Herrn Stoß und Avalon, in ihren Geschäftslokalen Sportwetten für andere Veranstalter als die Hessische Lotterieverwaltung abzuschließen oder dafür zu werben oder Einrichtungen für den Abschluss solcher Wetten und die Werbung dafür bereitzustellen. Weder die Betreffenden noch die Wettveranstalter, für die sie tätig würden, verfügten nämlich über eine ihre Tätigkeit gestattende Erlaubnis des Landes Hessen. Sie hätten zudem weder eine solche Erlaubnis beantragt noch versucht, über eine Klage eine rechtliche Klärung herbeizuführen. Nach den genannten Verfügungen waren die mit ihnen untersagten Tätigkeiten bei Meidung eines Zwangsgelds in Höhe von 10 000 Euro innerhalb einer Frist von sieben Tagen einzustellen.

17 Der von Herrn Happel gegen die Verfügung vom 11. Februar 2005 eingelegte Widerspruch wurde am 20. Februar 2007 zurückgewiesen. Die Widersprüche von Herrn Stoß und von Avalon gegen die Verfügungen vom 18. und 21. August 2006 wurden am 8. Dezember 2006 zurückgewiesen.

18 Herr Stoß, Herr Happel und Avalon erhoben vor dem Verwaltungsgericht Gießen Aufhebungsklagen gegen die damit bestätigten Verfügungen, weil diese gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr verstießen. Das Sportwettenmonopol, auf das sich die streitigen Entscheidungen stützten, laufe nämlich den Art. 43 EG und 49 EG zuwider. Happybet Österreich und Happy Bet UK verfügten außerdem in dem Mitgliedstaat, dem sie angehörten, über die zur Veranstaltung von Sportwetten erforderlichen Genehmigungen, und derartige Genehmigungen müssten von den deutschen Behörden anerkannt werden.

19 Das Verwaltungsgericht Gießen führt aus, weder Herr Stoß, Herr Happel und Avalon noch Happybet Österreich und Happy Bet UK verfügten über die nach § 284 StGB und § 5 Abs. 1 GSZZ H erforderliche Erlaubnis für die fraglichen Tätigkeiten. Außerdem sei jeder von Interessenten gestellte Antrag auf eine solche Erlaubnis angesichts des Monopols, über das das Land Hessen auf dem Gebiet der Veranstaltung von Sportwetten gemäß § 1 Abs. 1 GSZZ H verfüge, und des gänzlichen Fehlens von Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen gegebenenfalls einem privaten Veranstalter eine Erlaubnis erteilt werden könnte, zum Scheitern verurteilt.

20 Das Verwaltungsgericht Gießen bezweifelt, dass sich die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, die sich aus dieser Situation ergäben, durch im Allgemeininteresse liegende Ziele wie die Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen oder die Bekämpfung der Spielsucht rechtfertigen ließen, da das fragliche Monopol nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genüge. Fehle eine derartige Rechtfertigung, stünden die Art. 43 EG und 49 EG, wie insbesondere aus den Urteilen vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031), und vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891), hervorgehe, sowohl der Anwendung der Sanktionen, die § 284 StGB und § 5 Abs. 1 GSZZ H vorsähen, als auch den angefochtenen ordnungsrechtlichen Maßnahmen entgegen.

21 Das Gericht hat in dreierlei Hinsicht Zweifel an der Vereinbarkeit des in den Ausgangsverfahren fraglichen Monopols mit dem Unionsrecht.

22 Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 13. November 2003, Lindman (C‑42/02, Slg. 2003, I‑13519), fragt sich das Verwaltungsgericht Gießen erstens, ob sich ein Mitgliedstaat auf das erklärte Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, berufen könne, um eine restriktive Maßnahme zu rechtfertigen, wenn er nicht dartun könne, dass vor dem Erlass der genannten Maßnahme eine Untersuchung zu ihrer Verhältnismäßigkeit durchgeführt worden sei. Eine derartige Untersuchung, die eine Prüfung des Wettmarkts, seiner Gefahren, der Möglichkeiten ihrer Beseitigung sowie der Folgen der beabsichtigten Beschränkungen impliziere, sei im vorliegenden Fall vor dem Abschluss des LottStV und dem Erlass des GSZZ H nicht durchgeführt worden.

23 Zweitens sei zweifelhaft, ob sich die fragliche Regelung auf das strikt Notwendige beschränke, da das mit ihr verfolgte Ziel auch dadurch erreicht werden könnte, dass kontrolliert werde, ob die Vorschriften über die zulässigen Angebotsarten und ‑methoden sowie die Werbung von den privaten Wettveranstaltern eingehalten würden, was einen geringeren Eingriff in die im EG-Vertrag niedergelegten Freiheiten bedeuten würde.

24 Drittens könnte es, um sich zu vergewissern, dass die Politik der Behörden zur Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und zur Bekämpfung der Spielsucht – wie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere im Urteil Gambelli u. a. gefordert – in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werde, erforderlich sein, erschöpfend die Voraussetzungen zu berücksichtigen, unter denen sämtliche Spielformen erlaubt würden, ohne die Prüfung allein auf den Spielsektor zu beschränken, für den das in Rede stehende Monopol gelte.

25 Im Land Hessen fehle es insbesondere deshalb an einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels, weil der Inhaber des staatlichen Monopols auf Sportwetten zur Teilnahme an anderen Glücksspielen ermuntere, das Land im Bereich der Kasinospiele neue Spielmöglichkeiten – insbesondere über das Internet – eröffne und das Bundesrecht die Durchführung anderer Glücksspiele durch private Veranstalter erlaube.

26 Angesichts dessen, dass Happybet Österreich und Happy Bet UK über eine Genehmigung verfügten, die es ihnen gestatte, Sportwetten mittels moderner technischer Möglichkeiten anzubieten, und dass sie wahrscheinlich im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung einer Regelung unterlägen, die Kontrollen und Sanktionen vorsehe, sei zudem fraglich, ob nicht aus den Art. 43 EG und 49 EG folge, dass die deutschen Behörden diese Genehmigungen anerkennen müssten.

27 In Anbetracht dessen hat das Verwaltungsgericht Gießen beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof im Rahmen jeder der drei bei ihm anhängigen Rechtssachen folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen, dass sie einem innerstaatlichen Monopol auf bestimmte Glücksspiele wie z. B. Sportwetten entgegenstehen, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat insgesamt an einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt, insbesondere weil die innerstaatlich konzessionierten Veranstalter zur Teilnahme an anderen Glücksspielen – wie staatlichen Lotterien und Kasinospielen – ermuntern, und ferner andere Spiele mit gleichem oder höherem mutmaßlichen Suchtgefährdungspotential – wie Wetten auf bestimmte Sportereignisse (wie Pferderennen) und Automatenspiel – von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen?

2. Sind die Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen, dass durch dafür berufene staatliche Stellen der Mitgliedstaaten ausgestellte Genehmigungen der Veranstaltung von Sportwetten, die nicht auf das jeweilige Staatsgebiet beschränkt sind, den Inhaber der Genehmigung wie auch von ihm beauftragte Dritte berechtigen, auch im Bereich der anderen Mitgliedstaaten ohne zusätzlich erforderliche nationale Genehmigungen die jeweiligen Angebote zum Abschluss von Verträgen anzubieten und durchzuführen?

Rechtssachen C‑358/07 bis C‑360/07

28 SOBO, Herr Kunert und die Allegro GmbH (im Folgenden: Allegro) verfügen jeweils über ein in Stuttgart (Deutschland) gelegenes Geschäftslokal. Das von Allegro genutzte Geschäftslokal wurde ihr von Kulpa vermietet.

29 SOBO, Herr Kunert und Allegro üben eine Tätigkeit aus, die die Vermittlung von Sportwetten umfasst (Entgegennahme der Wettaufträge und elektronische Weiterleitung der Wetten an den Veranstalter). Die Erstgenannte tut dies für Rechnung der Web.coin GmbH (im Folgenden: Web.coin) mit Sitz in Wien (Österreich), der Zweitgenannte für Rechnung der Tipico Co. Ltd (im Folgenden: Tipico) mit Sitz in Malta und die Drittgenannte für Rechnung der Digibet Ltd (im Folgenden: Digibet) mit Sitz in Gibraltar.

30 Digibet, Tipico und Web.coin verfügen jeweils über eine Lizenz, die von den für sie aufgrund ihrer Niederlassung zuständigen Behörden ausgestellt wurde und ihnen die Veranstaltung von Sportwetten erlaubt.

31 Mit Verfügungen vom 24. August 2006, 23. November 2006 und 11. Mai 2007 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe SOBO, Kulpa und Herrn Kunert, im Land Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten oder zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Nach diesen Verfügungen waren die mit ihnen untersagten Tätigkeiten bei Meidung eines Zwangsgelds in Höhe von 10 000 Euro innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzustellen.

32 SOBO, Kulpa und Herr Kunert erhoben beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klagen gegen die genannten Verfügungen und trugen dazu vor, das Sportwettenmonopol, auf das sie gestützt seien, laufe den Art. 43 EG und 49 EG zuwider. Ferner müssten die Genehmigungen, über die Digibet, Web.coin und Tipico verfügten, von den deutschen Behörden anerkannt werden.

33 Das Verwaltungsgericht Stuttgart meint, eine Monopolisierung der Wetttätigkeit könne zwar nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter Umständen mit den Art. 43 EG und 49 EG vereinbar sein – wobei die Mitgliedstaaten insoweit über einen gewissen Wertungsspielraum verfügten –, doch sei zweifelhaft, ob dies bei dem im Land Baden‑Württemberg geltenden Sportwettenmonopol, wie es sich aus § 5 Abs. 2 LottStV und § 2 Abs. 1 Nr. 2 StLG BW ergebe, der Fall sei.

34 Die Zweifel des genannten Gerichts entsprechen zum großen Teil denen, die das Verwaltungsgericht Gießen zum Ausdruck gebracht hat.

35 Erstens habe weder vor dem Abschluss des LottStV noch vor dem Erlass des StLG BW eine Untersuchung der Gefahren der Spielsucht und der verschiedenen Möglichkeiten ihrer Verhinderung stattgefunden.

36 Zweitens genügten die damit vorgenommenen Beschränkungen der Sportwetttätigkeiten nicht dem sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Erfordernis des kohärenten und systematischen Vorgehens bei der Spielbekämpfung. Denn es seien nicht sämtliche Sektoren von Glücksspielen im Rahmen einer Gesamtschau berücksichtigt worden, und das Gefährdungs- und Suchtpotenzial der einzelnen Spiele sei keiner vergleichenden Betrachtung unterzogen worden.

37 Auch wenn für Spielbanken detaillierte Konzessionsregelungen gälten und in Gaststätten zugelassene Geldspielautomaten Schutzvorschriften nach der Gewerbeordnung unterlägen, könnten solche Glücksspiele von privaten Veranstaltern angeboten werden, obwohl Geldspielautomaten ein höheres Suchtpotenzial als Sportwetten hätten.

38 Außerdem sei die Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit unlängst zu dem Zweck geändert worden, die Zahl der in einer Gaststätte oder einer Spielhalle erlaubten Maschinen zu erhöhen, die Mindestdauer des einzelnen Spiels zu verkürzen und die Grenze der zulässigen Verluste zu erhöhen.

39 An einer kohärenten und systematischen Begrenzungspolitik fehle es auch angesichts der aggressiven Werbetätigkeit, die der Inhaber des staatlichen Monopols entfalte. Bei den massiven Werbekampagnen – insbesondere im Internet und mittels Plakatwerbung – für Lotterieprodukte, mit denen zur Teilnahme am Spiel ermuntert werden solle, würden im Übrigen die Verwendung der Gewinne für soziale, kulturelle und sportliche Aktivitäten und der Finanzierungsbedarf dieser Aktivitäten herausgestellt. Die Maximierung der Gewinne, die bis zu einer staatlicherseits festgelegten Obergrenze für solche Aktivitäten bestimmt seien und im Übrigen in den Staatshaushalt flössen, werde so zu einem Hauptzweck der Politik im Spielbereich und sei nicht nur ein nützlicher Nebenzweck.

40 Das Verwaltungsgericht Stuttgart fragt sich drittens, ob bei der Beurteilung der Geeignetheit des fraglichen Monopols zur Verfolgung der angeführten Ziele nicht berücksichtigt werden müsse, dass die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wettveranstalter im Allgemeinen über einen Internetauftritt verfügten, über den in Deutschland ansässige Wettteilnehmer unmittelbar elektronische Geschäfte abschließen könnten, und dass die nationalen Behörden angesichts eines solchen grenzüberschreitenden Phänomens weitgehend machtlos und strikt nationale Maßnahmen wenig wirksam seien.

41 Außerdem stelle sich die Frage, ob für die Genehmigungen, über die Digibet, Web.coin und Tipico im jeweiligen Mitgliedstaat ihrer Niederlassung für das Angebot von Sportwetten im Internet verfügten, nicht der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten gelten müsse, so dass ihre Inhaber von einer Genehmigung in Deutschland freigestellt seien.

42 In Anbetracht dessen hat das Verwaltungsgericht Stuttgart beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof im Rahmen jeder der drei bei ihm anhängigen Rechtssachen folgende Fragen, die in ihren Formulierungen denen des Verwaltungsgerichts Gießen sehr ähnlich sind, zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen, dass sie einem innerstaatlichen Monopol auf bestimmte Glücksspiele, wie z. B. Sportwetten und Lotterien, entgegenstehen, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat insgesamt an einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt, weil die innerstaatlich konzessionierten Veranstalter zur Teilnahme an anderen Glücksspielen – wie staatlichen Sportwetten und Lotterien – ermuntern und hierfür werben, und ferner andere Spiele mit gleichem oder sogar höherem Suchtgefährdungspotenzial – wie Wetten auf bestimmte Sportereignisse (Pferderennen), Automatenspiele und in Spielbanken – von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen?

2. Sind die Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen, dass durch dafür zuständige staatliche Stellen der Mitgliedstaaten ausgestellte Genehmigungen der Veranstaltung von Sportwetten, die nicht auf das jeweilige Staatsgebiet beschränkt sind, den Inhaber der Genehmigung wie auch von ihm beauftragte Dritte berechtigen, auch im Bereich der anderen Mitgliedstaaten ohne weitere zusätzliche nationale Genehmigungen die jeweiligen Angebote zum Abschluss von Verträgen anzubieten und durchzuführen?

43 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2007 sind die Rechtssachen C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

44 Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 haben Herr Stoß, Herr Happel, Herr Kunert und Avalon die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt und dazu im Wesentlichen vorgetragen, unlängst sei in der deutschen Presse aufgedeckt worden, dass eine von den deutschen Ländern in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2009 über die Suchtgefahren im Zusammenhang mit Sportwetten und geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Gefahren in bestimmter Weise manipuliert worden sei. Die genannten Kläger, die sich insoweit auf die von den vorlegenden Gerichten in Bezug auf die möglichen Auswirkungen des Urteils Lindman geäußerten Zweifel beziehen, machen geltend, die Länder hätten sich unter diesen Umständen nicht auf diese Studie stützen dürfen, um die Verhältnismäßigkeit der in den Ausgangsverfahren fraglichen restriktiven Maßnahmen zu untermauern.

45 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof gemäß Art. 61 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. u. a. Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46 Im Übrigen fällt in einem Verfahren nach Art. 234 EG, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, die Würdigung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts. Der Gerichtshof ist insbesondere nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift zu äußern. Hierbei ist es dessen Sache, die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Tatsachen festzustellen und daraus die Folgerungen für seine Entscheidung zu ziehen (vgl. u. a. Urteil vom 8. Mai 2008, Danske Svineproducenter, C‑491/06, Slg. 2008, I‑3339, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47 Im vorliegenden Fall genügt der Hinweis, dass die Studie, auf die Herr Stoß, Herr Happel, Herr Kunert und Avalon in ihrem Antrag Bezug nehmen, von den vorlegenden Gerichten nicht erwähnt wurde und im Übrigen auch nicht erwähnt werden konnte, weil sie aus dem Jahr 2009 stammt und damit erst geraume Zeit nach der Anrufung des Gerichtshofs durch diese Gerichte erstellt wurde.

48 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts der Auffassung, dass er über alle erforderlichen Angaben verfügt, um über die Vorabentscheidungsersuchen zu entscheiden, und dass diese nicht anhand eines vor ihm nicht erörterten Vorbringens zu prüfen sind.

49 Folglich ist der Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit

50 Die italienische Regierung meint, die erste in allen Ausgangsverfahren gestellte Frage sei für unzulässig zu erklären. Allein die vorlegenden Gerichte seien für die Überprüfung zuständig, ob die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Monopole dem Erfordernis der Kohärenz bei der Bekämpfung der Spielsucht genügten, und die Vorlageentscheidungen enthielten nicht die rechtlichen und tatsächlichen Mindestangaben, anhand deren sich nachvollziehen ließe, warum diese Gerichte an der Vereinbarkeit der fraglichen nationalen Regelungen mit dem Unionsrecht zweifelten.

51 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Richters ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 38, und vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, Randnr. 24).

52 Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann nur dann abgelehnt werden, wenn offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteile PreussenElektra, Randnr. 39, und Hartlauer, Randnr. 25).

53 Das ist in den vorliegenden Verfahren indessen nicht der Fall. Die in den Vorlageentscheidungen dargelegten tatsächlichen und rechtlichen Umstände und die Zweifel, die die vorlegenden Gerichte insoweit im Hinblick auf die Entscheidung über die Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Bezug auf die Auslegung des Unionsrechts äußern, stehen nämlich in offensichtlichem Zusammenhang mit dem Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten und ermöglichen es dem Gerichtshof, seine Zuständigkeit auszuüben.

54 Daher sind die Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

Zur Bestimmung der auszulegenden Vorschriften des Unionsrechts

55 Die niederländische Regierung und die Kommission haben Zweifel an der Relevanz der Bezugnahme auf Art. 43 EG in den Vorlagefragen geäußert und geltend gemacht, dass auf Sachverhalte, wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede stünden, allein Art. 49 EG Anwendung finde.

56 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass Tätigkeiten, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Geldspiel zu ermöglichen, nach ständiger Rechtsprechung Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 EG darstellen (vgl. u. a. Urteile vom 24. März 1994, Schindler, C‑275/92, Slg. 1994, I‑1039, Randnr. 25, und vom 21. Oktober 1999, Zenatti, C‑67/98, Slg. 1999, I‑7289, Randnr. 24). Gleiches gilt für die Werbung für Geldspiele und ihre Vermittlung, da eine solche Tätigkeit nur eine konkrete Einzelheit der Veranstaltung und des Ablaufs der Spiele darstellt, auf die sie sich bezieht (vgl. u. a. Urteil Schindler, Randnrn. 22 und 23).

57 Leistungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden können somit in den Anwendungsbereich von Art. 49 EG fallen, sobald – wie es in den Ausgangsverfahren der Fall ist – wenigstens einer der Leistungsanbieter in einem anderen Mitgliedstaat als dem niedergelassen ist, in dem die Leistung angeboten wird (vgl. u. a. Urteil Zenatti, Randnr. 24), es sei denn, dass Art. 43 EG Anwendung findet.

58 In Bezug auf Art. 43 EG ist darauf hinzuweisen, dass nach dieser Vorschrift Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einschließlich Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften verboten sind (vgl. Urteil Gambelli u. a., Randnr. 45).

59 Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass der Begriff der Niederlassung ein sehr weiter Begriff ist, der die Möglichkeit für einen Gemeinschaftsangehörigen impliziert, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, wodurch die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert wird (vgl. u. a. Urteil vom 30. November 1995, Gebhard, C‑55/94, Slg. 1995, I‑4165, Randnr. 25). Die Aufrechterhaltung einer ständigen Präsenz in einem Mitgliedstaat durch ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen kann daher den Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit unterliegen, auch wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder einer Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das gegebenenfalls von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln (vgl. Urteil vom 4. Dezember 1986, Kommission/Deutschland, 205/84, Slg. 1986, 3755, Randnr. 21).

60 Für den Bereich der Spiele und Wetten hat der Gerichtshof im Urteil Gambelli u. a. dargelegt, dass Art. 43 EG auf eine Situation Anwendung findet, in der ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat über eine Präsenz verfügt, die ihren konkreten Niederschlag im Abschluss von Geschäftsverträgen mit Wirtschaftsteilnehmern oder Vermittlern über die Errichtung von Datenübertragungszentren findet, die den Benutzern elektronische Mittel zur Verfügung stellen, Wettabsichten sammeln und registrieren und sie diesem Unternehmen übermitteln. Soweit ein Unternehmen der Tätigkeit des Sammelns von Wetten durch Vermittlung einer entsprechenden Organisation von Agenturen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nachgeht, stellen die diesen Agenturen auferlegten Beschränkungen ihrer Tätigkeit Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit dar (vgl. Urteile Gambelli u. a., Randnrn. 14 und 46, sowie Placanica u. a., Randnr. 43).

61 In den Ausgangsrechtsstreitigkeiten lässt sich anhand der Angaben in den Vorlageentscheidungen zu den Beziehungen zwischen den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Wirtschaftsteilnehmern, die Sportwetten veranstalten, und den Wirtschaftsteilnehmern, die Parteien der Rechtsstreitigkeiten sind und die entsprechenden Wetten in den beiden betreffenden Bundesländern vertreiben, weder bejahen noch ausschließen, dass die letztgenannten Wirtschaftsteilnehmer als von den erstgenannten geschaffene Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Agenturen im Sinne von Art. 43 EG anzusehen sind.

62 Unter diesen Umständen ist darauf hinzuweisen, dass in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, die Würdigung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts fällt (vgl. u. a. Urteil vom 25. Februar 2003, IKA, C‑326/00, Slg. 2003, I‑1703, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63 Im Übrigen ist es, wie in Randnr. 51 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ausschließlich Sache des nationalen Richters, sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof insoweit vorgelegten Fragen zu beurteilen.

64 Es ist daher Sache der vorlegenden Gerichte, im Hinblick auf die Besonderheiten jedes Einzellfals zu bestimmen, ob die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalte Art. 43 EG oder Art. 49 EG unterfallen.

65 Angesichts der vorstehenden Ausführungen sind die Vorlagefragen sowohl anhand von Art. 43 EG als auch anhand von Art. 49 EG zu prüfen.

Zur ersten in allen Rechtssachen vorgelegten Frage

66 Nach den in den Randnrn. 14 bis 25 und 28 bis 40 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Angaben in den Vorlageentscheidungen ist davon auszugehen, dass die vorlegenden Gerichte mit ihrer ersten Frage wissen möchten, ob die Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen sind, dass sie regionalen staatlichen Sportwettenmonopolen wie den in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wenn mit diesen Monopolen das Ziel verfolgt wird, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, und

i) die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats nicht darzutun vermögen, dass vor Errichtung der Monopole eine Untersuchung zu ihrer Verhältnismäßigkeit durchgeführt wurde,

ii) das entsprechende Ziel auch durch eine Kontrolle erreicht werden könnte, die auf die Gewährleistung der Einhaltung der Vorschriften über die Wettarten, die Vermarktungsmethoden und die Werbung durch private Veranstalter, die über eine ordnungsgemäße Erlaubnis verfügen, abzielen und die im Vertrag niedergelegten Freiheiten weniger beeinträchtigen würde,

iii) die Monopole zur Erreichung des genannten Ziels möglicherweise nicht geeignet sind, weil die nationalen Behörden auf Schwierigkeiten bei der Durchsetzung ihrer tatsächlichen Beachtung in dem durch das Internet geschaffenen transnationalen Umfeld stoßen könnten,

iv) im vorliegenden Fall Zweifel daran bestehen, dass das angeführte Ziel kohärent und systematisch verfolgt wird, weil

– erstens privaten Veranstaltern gestattet ist, andere Arten von Glücksspielen wie Pferdewetten oder Automatenspiel durchzuführen,

– zweitens für die Teilnahme an anderen, denselben staatlichen Monopolen unterliegenden Arten von Glücksspielen, nämlich Lotterien, von den Inhabern dieser Monopole mittels intensiver Webekampagnen, die auf die Maximierung der Einnahmen aus den Spielen abzielen, geworben wird und

– drittens in Bezug auf Angebote anderer Arten von Glücksspielen wie Kasinospiele oder Spielautomaten in Spielhallen, Schank- und Speisewirtschaften sowie Beherbergungsbetrieben eine Expansionspolitik verfolgt wird.

67 Diese verschiedenen Fragen werden im Folgenden der Reihe nach geprüft.

68 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass feststeht, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Beschränkung des in Art. 49 EG verbürgten freien Dienstleistungsverkehrs oder alternativ der in Art. 43 EG verbürgten Niederlassungsfreiheit darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 52).

69 Im vorliegenden Fall ist allerdings im Hinblick auf die entsprechenden Zweifel der vorlegenden Gerichte zu prüfen, ob eine solche Beschränkung in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 55).

Zur fehlenden Untersuchung der Verhältnismäßigkeit staatlicher Monopole wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden vor ihrer Errichtung

70 Unter Berufung auf das Urteil Lindman fragen sich die vorlegenden Gerichte, ob die betreffenden nationalen Behörden, um restriktive Maßnahmen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Monopole mit dem Ziel der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht rechtfertigen zu können, in der Lage sein müssen, eine vor dem Erlass dieser Maßnahmen durchgeführte Untersuchung vorzulegen, die ihre Verhältnismäßigkeit untermauert.

71 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 81 und 82 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht diese Frage auf ein fehlerhaftes Verständnis des genannten Urteils zurück. Wie nämlich aus dessen Randnrn. 25 und 26 und aus der späteren Rechtsprechung, in der darauf Bezug genommen wird (vgl. u. a. Urteil vom 13. März 2008, Kommission/Belgien, C‑227/06, Randnrn. 62 und 63 und die dort angeführte Rechtsprechung), hervorgeht, hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass ein Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs durch eine restriktive nationale Maßnahme rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände vorlegen muss, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt.

72 Dagegen lässt sich aus dieser Rechtsprechung nicht ableiten, dass einem Mitgliedstaat nur deshalb die Möglichkeit genommen wäre, zu belegen, dass eine innerstaatliche restriktive Maßnahme diesen Anforderungen genügt, weil er keine Untersuchungen vorlegen kann, die dem Erlass der fraglichen Regelung zugrunde lagen.

Zur etwaigen Unverhältnismäßigkeit staatlicher Monopole wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden aufgrund des Umstands, dass eine Regelung über die Erteilung von Erlaubnissen an private Veranstalter eine Maßnahme darstellen könnte, die die gemeinschaftsrechtlichen Freiheiten weniger beeinträchtigt

73 Wie aus Randnr. 23 des vorliegenden Urteils hervorgeht, fragt sich das Verwaltungsgericht Gießen, ob ein staatliches Monopol der in den bei ihm anhängigen Rechtssachen in Rede stehenden Art dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen könne, da das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, auch mit Kontrollen verfolgt werden könne, die darauf abzielten, die Einhaltung der Vorschriften über die Wettarten, die Vermarktungsmethoden und die Werbung durch private Veranstalter, die über eine ordnungsgemäße Erlaubnis verfügten, zu gewährleisten und dabei die im Vertrag niedergelegten Freiheiten weniger beeinträchtigten.

74 Dazu ist einleitend darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zu den gegebenenfalls zulässigen Rechtfertigungen innerstaatlicher Maßnahmen, mit denen der freie Dienstleistungsverkehr oder die Niederlassungsfreiheit eingeschränkt wird, dargelegt hat, dass sich die Ziele, die mit den im Spiel- und Wettbereich erlassenen nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werden, bei einer Gesamtbetrachtung meist auf den Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher sowie auf den Schutz der Sozialordnung beziehen. Der Gerichtshof hat ferner hervorgehoben, dass solche Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die Eingriffe in den freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen können (vgl. u. a. Urteile Schindler, Randnr. 58, vom 21. September 1999, Läärä u. a., C‑124/97, Slg. 1999, I‑6067, Randnr. 33, Zenatti, Randnr. 31, vom 11. September 2003, Anomar u. a., C‑6/01, Slg. 2003, I‑8621, Randnr. 73, und Placanica u. a., Randnr. 46).

75 Dabei hat der Gerichtshof insbesondere anerkannt, dass auf dem Gebiet der Spiele und Wetten, die, wenn im Übermaß betrieben, sozialschädliche Folgen haben, nationale Rechtsvorschriften gerechtfertigt sein können, die darauf abzielen, eine Anregung der Nachfrage zu vermeiden und vielmehr die Ausnutzung der Spielleidenschaft der Menschen zu begrenzen (Urteile Schindler, Randnrn. 57 und 58, Läärä u. a., Randnrn. 32 und 33, sowie Zenatti, Randnrn. 30 und 31).

76 In diesem Kontext hat der Gerichtshof im Übrigen wiederholt hervorgehoben, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Spielen und Wetten einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft ein ausreichendes Ermessen der staatlichen Stellen rechtfertigen können, im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (vgl. u. a. Urteile Placanica u. a., Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 57).

77 Auch wenn es den Mitgliedstaaten somit freisteht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen gleichwohl den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78 Daher haben die nationalen Gerichte zu prüfen, ob eine von einem Mitgliedstaat beschlossene Beschränkung geeignet ist, die Verwirklichung eines oder mehrerer der von ihm geltend gemachten Ziele auf dem von ihm angestrebten Schutzniveau zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zu dessen Erreichung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 60).

79 Was insbesondere die Errichtung staatlicher Monopole betrifft, hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass ein nationales System, das eine begrenzte Erlaubnis von Geldspielen im Rahmen von – bestimmten Einrichtungen gewährten oder zur Konzession erteilten – besonderen oder Ausschließlichkeitsrechten vorsieht, was insbesondere den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, zur Verwirklichung der oben genanten, im Allgemeininteresse liegenden Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung dienen kann (vgl. u. a. Urteile Zenatti, Randnr. 35, und Anomar u. a., Randnr. 74). Er hat ferner klargestellt, dass die Entscheidung über die Frage, ob es zur Erreichung dieser Ziele besser wäre, eine Regelung mit den erforderlichen Auflagen für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer zu erlassen, statt einer zugelassenen Einrichtung der öffentlichen Hand ein ausschließliches Betriebsrecht zu gewähren, im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt, jedoch unter dem Vorbehalt, dass die getroffene Wahl im Hinblick auf das angestrebte Ziel nicht unverhältnismäßig erscheint (Urteil Läärä u. a., Randnr. 39).

80 Dazu ist allerdings hervorzuheben, dass angesichts des Ermessens, über das die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung darüber verfügen, welches Niveau des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung sie im Glücksspielsektor gewährleisten wollen, insbesondere nicht verlangt wird, dass die von den Behörden eines Mitgliedstaats erlassene restriktive Maßnahme im Hinblick auf das Kriterium der Verhältnismäßigkeit einer von allen Mitgliedstaaten geteilten Auffassung in Bezug auf die Modalitäten des Schutzes des fraglichen berechtigten Interesses entspricht (vgl. entsprechend Urteil vom 28. April 2009, Kommission/Italien, C‑518/06, Slg. 2009, I‑3491, Randnrn. 83 und 84).

81 Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist anzuerkennen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats im Rahmen des ihnen insoweit zukommenden Wertungsspielraums Grund zu der Annahme haben können, dass es ihnen die Gewährung exklusiver Rechte an eine Einrichtung der öffentlichen Hand, die hinsichtlich ihrer Leitung unmittelbarer staatlicher Aufsicht untersteht, oder einen privaten Veranstalter, dessen Tätigkeiten die Behörden genau überwachen können, erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das legitime Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksamer zu verfolgen, als es bei einem Erlaubnissystem der Fall wäre, nach dem Veranstaltern die Ausübung ihrer Tätigkeiten im Rahmen einer Regelung ohne Ausschließlichkeitscharakter gestattet würde (vgl. in diesem Sinne Urteile Läärä u. a., Randnrn. 40 bis 42, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnrn. 66 und 67, sowie vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange, C‑203/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 59).

82 Den Behörden steht es nämlich frei, den Standpunkt zu vertreten, dass der Umstand, dass sie als Kontrollinstanz der mit dem Monopol betrauten Einrichtung über zusätzliche Mittel verfügen, mit denen sie deren Verhalten außerhalb der gesetzlichen Regulierungsmechanismen und Kontrollen beeinflussen können, ihnen eine bessere Beherrschung des Glücksspielangebots und bessere Effizienzgarantien bei der Durchführung ihrer Politik zu gewährleisten vermag, als es bei der Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten durch private Veranstalter in einer Wettbewerbssituation der Fall wäre, selbst wenn diese eine Erlaubnis benötigten und einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterlägen.

83 Allerdings muss eine so restriktive Maßnahme wie die Schaffung eines Monopols, die sich nur im Hinblick auf die Gewährleistung eines besonders hohen Verbraucherschutzniveaus rechtfertigen lässt, mit der Errichtung eines normativen Rahmens einhergehen, mit dem sich gewährleisten lässt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, das festgelegte Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.

Zur geltend gemachten fehlenden Effizienz von Monopolen wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden angesichts des durch das Internet geschaffenen transnationalen Umfelds

84 Wie aus Randnr. 40 des vorliegenden Urteils hervorgeht, beziehen sich die insoweit vom Verwaltungsgericht Stuttgart geäußerten Zweifel darauf, dass die Behörden eines Mitgliedstaats, der staatliche Monopole errichtet hat, die mit den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden vergleichbar sind, auf gewisse Schwierigkeiten stoßen könnten, die Beachtung dieser Monopole durch außerhalb des entsprechenden Mitgliedstaats ansässige Veranstalter von Spielen und Wetten sicherzustellen, die unter Verstoß gegen die Monopole über das Internet Wetten mit Personen im örtlichen Zuständigkeitsbereich dieser Behörden abschließen.

85 Wie der Generalanwalt in Nr. 79 seiner Schlussanträge dargelegt hat, reicht dieser Umstand indessen nicht aus, um die Vereinbarkeit solcher Monopole mit dem Unionsrecht in Frage zu stellen.

86 Zum einen trifft es zwar zu, dass sich über das Internet vorgenommene unzulässige Transaktionen, insbesondere dann, wenn sie transnationalen Charakter haben, als schwieriger zu kontrollieren und zu ahnden erweisen können als andere Arten strafbarer Handlungen, doch ist dieser Befund nicht auf das Gebiet der Spiele und Wetten beschränkt. Einem Mitgliedstaat kann aber nicht allein deshalb das Recht versagt werden, die Anwendung einseitiger restriktiver Normen, die er zu legitimen, im Allgemeininteresse liegenden Zielen erlassen hat, auf das Internet zu erstrecken, weil diese technische Übertragungsform ihrem Wesen nach transnational ist.

87 Zum anderen steht fest, dass den Mitgliedstaaten durchaus rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, die es ihnen erlauben, die Beachtung der von ihnen erlassenen Normen gegenüber im Internet tätigen und in der einen oder anderen Weise ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Wirtschaftsteilnehmern so wirkungsvoll wie möglich zu gewährleisten.

Zum Erfordernis der systematischen und kohärenten Begrenzung von Glücksspielen

88 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Randnr. 67 des Urteils Gambelli u. a. zunächst hervorgehoben hat, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können, dann jedoch entschieden hat, dass dies nur insoweit gilt, als die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der Sozialordnung vorzubeugen, geeignet sind, die Verwirklichung der genannten Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie dazu beitragen müssen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

89 Wie insbesondere aus Randnr. 66 des vorliegenden Urteils hervorgeht, stellen sich die vorlegenden Gerichte Fragen zur Tragweite dieses letztgenannten Erfordernisses.

90 Sie haben nämlich Zweifel daran, ob staatliche Monopole wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sportwettenmonopole, die zur Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und zur Bekämpfung der Spielsucht errichtet wurden, angesichts der Art der Vermarktung anderer Arten von Glücksspielen dazu beitragen können, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

91 Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es Sache jedes Mitgliedstaats ist, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind (vgl. u. a. Urteile Läärä u. a., Randnrn. 35 und 36, Zenatti, Randnrn. 33 und 34, sowie Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 58).

92 Er hat ferner entschieden, dass im Rahmen mit dem Vertrag vereinbarer Rechtsvorschriften die Wahl der Bedingungen für die Organisation und die Kontrolle der in der Veranstaltung von und der Teilnahme an Glücks- oder Geldspielen bestehenden Tätigkeiten, wie z. B. der Abschluss eines verwaltungsrechtlichen Konzessionsvertrags mit dem Staat oder die Beschränkung der Veranstaltung von und der Teilnahme an bestimmten Spielen auf ordnungsgemäß dafür zugelassene Orte, Sache der nationalen Stellen im Rahmen ihres Ermessens ist (Urteil Anomar u. a., Randnr. 88).

93 Der Gerichtshof hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass im Bereich der Glücksspiele grundsätzlich gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung namentlich zu prüfen ist, ob sie geeignet ist, die Verwirklichung des Ziels oder der Ziele zu gewährleisten, die von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemacht werden, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist (Urteil Placanica u. a., Randnr. 49).

94 In den Randnrn. 50 bis 52 des Urteils Schindler, das zu einer Regelung eines Mitgliedstaats ergangen ist, mit der Lotterien verboten wurden, hat der Gerichtshof u. a. ausgeführt, dass andere in dem entsprechenden Mitgliedstaat weiterhin zugelassene Geldspiele wie Fußballtoto oder das Spiel „Bingo“, auch wenn es bei ihnen zu Einsätzen in einer Höhe kommen kann, die mit denen bei Lotterien vergleichbar sind, und der Zufall bei ihnen eine bedeutende Rolle spielt, sich hinsichtlich ihres Gegenstands, ihrer Regeln sowie der Einzelheiten ihrer Durchführung doch von den großen Lotterien in anderen Mitgliedstaaten unterscheiden. Er hat daraus den Schluss gezogen, dass die Lage bei diesen anderen Spielen nicht mit der bei den Lotterien vergleichbar ist, die durch die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verboten wurden, und dass sie diesen nicht gleichgestellt werden können.

95 Wie alle Regierungen, die Erklärungen beim Gerichtshof abgegeben haben, hervorgehoben haben, steht nämlich fest, dass die verschiedenen Arten von Glücksspielen erhebliche Unterschiede aufweisen können, u. a. hinsichtlich der konkreten Modalitäten ihrer Veranstaltung, des Umfangs der für sie kennzeichnenden Einsätze und Gewinne, der Zahl potenzieller Spieler, die an ihnen teilnehmen können, ihrer Präsentation, ihrer Häufigkeit, ihrer kurzen Dauer oder ihrem sich wiederholenden Charakter, der bei den Spielern hervorgerufenen Reaktionen oder, wie insbesondere der Generalanwalt in Nr. 75 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, danach, ob sie, wie es bei den in Spielbanken angebotenen Spielen und den dort oder in anderen Einrichtungen aufgestellten Geldspielautomaten der Fall ist, die körperliche Anwesenheit des Spielers erfordern oder nicht.

96 Daher kann der Umstand, dass von verschiedenen Arten von Glücksspielen einige einem staatlichen Monopol und andere einer Regelung unterliegen, nach der private Veranstalter eine Erlaubnis benötigen, im Hinblick darauf, dass mit Maßnahmen, die – wie das staatliche Monopol – auf den ersten Blick als am restriktivsten und wirkungsvollsten erscheinen, legitime Ziele verfolgt werden, für sich genommen nicht dazu führen, dass diese Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren. Derart divergierende rechtliche Regelungen ändern nämlich als solche nichts an der Eignung eines solchen staatlichen Monopols zur Verwirklichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels, Anreize für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen.

97 Wie in Randnr. 88 des vorliegenden Urteils dargelegt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs aber auch, dass die Errichtung einer mit diesem Ziel begründeten Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn die entsprechende restriktive Maßnahme geeignet ist, die Verwirklichung dieses Ziels dadurch zu gewährleisten, dass sie dazu beiträgt, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

98 Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass es den nationalen Gerichten obliegt, sich im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Zenatti, Randnrn. 36 und 37, sowie Placanica u. a., Randnrn. 52 und 53).

99 Wie der Gerichtshof zu diesen verschiedenen Aspekten bereits im Urteil Gambelli u. a. (Randnrn. 7, 8 und 69) entschieden hat, können sich die Behörden eines Mitgliedstaats, soweit sie den Verbrauchern Anreize geben und sie dazu ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, nicht auf die öffentliche Sozialordnung mit der aus ihr folgenden Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, berufen, um restriktive Maßnahmen zu rechtfertigen, auch wenn diese sich wie in jener Rechtssache ausschließlich auf Wetttätigkeiten beziehen.

100 Hier haben die vorlegenden Gerichte nach einem Hinweis darauf, dass Pferdewetten und Automatenspiele von privaten Veranstaltern mit einer Erlaubnis betrieben werden könnten, auch festgestellt, dass zum einen der Inhaber des staatlichen Monopols auf Sportwetten in Bezug auf die ebenfalls dem Monopol unterliegenden Lotteriespiele intensive Werbekampagnen durchführe, in denen der Finanzierungsbedarf sozialer, kultureller oder sportlicher Aktivitäten herausgestellt werde, denen die erzielten Gewinne zugute kämen, und so den Anschein erwecke, dass die Maximierung der diesen Aktivitäten zugedachten Gewinne zu einem eigenständigen Ziel der fraglichen restriktiven Maßnahmen werde. Zum anderen haben die genannten Gerichte festgestellt, dass die zuständigen Behörden in Bezug auf Kasino- und Automatenspiele, obwohl diese ein höheres Suchtpotenzial aufwiesen als Sportwetten, eine Politik der Angebotsausweitung betrieben oder duldeten. Das Angebot neuer Kasinospielmöglichkeiten im Internet werde nämlich von diesen Behörden geduldet, während die Bedingungen für den Betrieb von Automatenspielen in anderen Einrichtungen als Spielbanken, etwa in Spielhallen, Schank- und Speisewirtschaften sowie Beherbergungsbetrieben, unlängst erheblich gelockert worden seien.

101 Insoweit hat der Gerichtshof zwar in Bezug auf das von einem nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel, einer Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen, entschieden, dass eine Politik der kontrollierten Expansion dieser Tätigkeiten mit dem Ziel in Einklang stehen kann, sie in kontrollierbare Bahnen zu lenken, indem Spielern, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, ein Anreiz gegeben wird, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Zur Erreichung dieses Ziels ist es nämlich erforderlich, dass die Veranstalter, die über eine Erlaubnis verfügen, eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit darstellen, was als solches das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken implizieren kann (vgl. Urteil Placanica u. a., Randnr. 55).

102 Wie der Generalanwalt in Nr. 61 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können solche Erwägungen grundsätzlich auch dann Anwendung finden, wenn mit den innerstaatlichen restriktiven Maßnahmen ein Ziel des Verbraucherschutzes – Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und Bekämpfung der Spielsucht – verfolgt wird, und zwar insbesondere in dem Sinne, dass eine gewisse Werbung vorbehaltlich der in den Randnrn. 97 bis 99 des vorliegenden Urteils angeführten Erfordernisse gegebenenfalls dazu beitragen kann, die Verbraucher zu dem Angebot des Inhabers des staatlichen Monopols zu lenken, bei dem davon auszugehen ist, dass es gerade so eingerichtet und ausgestaltet wurde, dass das genannte Ziel wirksamer verfolgt wird.

103 Wie der Generalanwalt jedoch in Nr. 61 seiner Schlussanträge weiter dargelegt hat, kommt es insoweit darauf an, dass die vom Inhaber eines staatlichen Monopols eventuell durchgeführte Werbung maßvoll und strikt auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken. Hingegen darf eine solche Werbung insbesondere nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden, oder indem die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen.

104 Soweit in den vom Inhaber des Monopols durchgeführten Werbekampagnen für Lotterieprodukte der Umstand herausgestellt wird, dass die Einnahmen aus dem Vertrieb dieser Produkte für die Finanzierung uneigennütziger oder im Allgemeininteresse liegender Aktivitäten verwendet werden, ist zudem erstens darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung zwar nicht gleichgültig ist, dass Geldspiele in erheblichem Maß zur Finanzierung solcher Aktivitäten beitragen können, dies allein aber nicht als sachliche Rechtfertigung von Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs angesehen werden kann. Deren Zulässigkeit setzt nämlich insbesondere voraus, dass die Finanzierung solcher sozialer Aktivitäten nur eine erfreuliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist, was das nationale Gericht zu überprüfen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Zenatti, Randnrn. 36 und 37).

105 Da das Verwaltungsgericht Stuttgart im Übrigen hervorgehoben hat, dass nach dem Abzug, den die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften zugunsten der dafür in Frage kommenden uneigennützigen Aktivitäten vorsähen, die darüber hinausgehenden Einnahmen in die öffentlichen Kassen flössen, und da sich ferner nicht ausschließen lässt, dass die finanzielle Unterstützung als gemeinnützig anerkannter Einrichtungen es diesen erlaubt, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten zu entfalten, die normalerweise der Staat übernehmen müsste, so dass sich dessen Ausgaben verringern, ist zweitens darauf hinzuweisen, dass auch das Erfordernis, einen Rückgang der Steuereinnahmen zu vermeiden, nicht zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zählt, die eine Beschränkung einer vom Vertrag eingeräumten Freiheit rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, Slg. 2009, I‑359, Randnrn. 45 und 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106 Nach alledem können die vorlegenden Gerichte auf der Grundlage der von ihnen getroffenen und in Randnr. 100 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Feststellungen berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben, dass der Umstand, dass die zuständigen Behörden in Bezug auf andere Glücksspiele als die, die dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden staatlichen Monopol unterliegen, eine Politik betreiben oder dulden, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, zur Folge hat, dass das der Errichtung dieses Monopols zugrunde liegende Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann, so dass es im Hinblick auf die Art. 43 EG und 49 EG auch nicht mehr gerechtfertigt werden kann.

107 Somit ist auf die erste in jeder der Rechtssachen gestellte Frage zu antworten, dass die Art. 43 EG und 49 EG wie folgt auszulegen sind:

i) Um ein staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art mit dem Ziel rechtfertigen zu können, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, müssen die betreffenden nationalen Behörden nicht unbedingt in der Lage sein, eine vor Erlass der genannten Maßnahme durchgeführte Untersuchung vorzulegen, die ihre Verhältnismäßigkeit belegt.

ii) Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein solches Monopol einem Erlaubnissystem vorzieht, nach dem privaten Veranstaltern die Ausübung ihrer Tätigkeiten im Rahmen einer Regelung ohne Ausschließlichkeitscharakter gestattet würde, kann dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen, soweit, unter dem Aspekt des Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus, die Errichtung des Monopols mit der Einführung eines normativen Rahmens einhergeht, der dafür sorgt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, ein solches Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.

iii) Der Umstand, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats auf gewisse Schwierigkeiten stoßen könnten, die Beachtung eines solchen Monopols durch im Ausland ansässige Veranstalter von Spielen und Wetten sicherzustellen, die unter Verstoß gegen das Monopol über das Internet Wetten mit Personen im örtlichen Zuständigkeitsbereich dieser Behörden abschließen, ist als solcher nicht dazu angetan, die eventuelle Vereinbarkeit eines solchen Monopols mit den genannten Bestimmungen des Vertrags zu beeinträchtigen.

iv) Stellt ein nationales Gericht sowohl fest,

– dass die Werbemaßnahmen des Inhabers eines solchen Monopols für andere, ebenfalls von ihm angebotene Arten von Glücksspielen nicht auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zum Angebot des Monopolinhabers hinzulenken und sie damit von anderen, nicht genehmigten Zugangskanälen zu Spielen wegzuführen, sondern darauf abzielen, den Spieltrieb der Verbraucher zu fördern und sie zwecks Maximierung der aus den entsprechenden Tätigkeiten erwarteten Einnahmen zu aktiver Teilnahme am Spiel zu stimulieren, als auch,

– dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch,

– dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben oder dulden, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren,

so kann es berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

Zur zweiten in allen Rechtssachen vorgelegten Frage

108 Mit der zweiten in jeder der Rechtssachen gestellten Frage möchten die vorlegenden Gerichte wissen, ob die Art. 43 EG und 49 EG dahin auszulegen sind, dass ein privater Veranstalter, dem in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eine Erlaubnis zum Anbieten von Glücksspielen erteilt wurde, aufgrund dieser Erlaubnis die betreffenden Spiele auch in anderen Mitgliedstaaten anbieten darf, weil diese gegebenenfalls verpflichtet wären, die fragliche Erlaubnis anzuerkennen.

109 Dazu ist, wie der Generalanwalt in Nr. 94 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, zunächst festzustellen, dass dann, wenn in einem Mitgliedstaat ein staatliches Monopol auf Glücksspiele errichtet worden ist und diese Maßnahme den verschiedenen Voraussetzungen genügt, unter denen sie mit in der Rechtsprechung anerkannten legitimen Zielen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann, jede Verpflichtung zur Anerkennung einer Erlaubnis, die privaten Veranstaltern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten erteilt wurde, allein aufgrund der Existenz eines solchen Monopols per se ausgeschlossen ist.

110 Die Frage nach der eventuellen Existenz einer solchen Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung einer in anderen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnis kann sich daher nur dann als für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten relevant erweisen, wenn die dort in Rede stehenden Monopole als mit den Art. 43 EG und 49 EG unvereinbar angesehen würden.

111 Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof angesichts des in Randnr. 76 des vorliegenden Urteils angesprochenen Ermessens der Mitgliedstaaten bei der nach ihrer eigenen Wertordnung vorzunehmenden Festlegung des Schutzniveaus, das sie gewährleisten wollen, und der Erfordernisse, die dieser Schutz mit sich bringt, regelmäßig betont hat, dass die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des von einem Mitgliedstaat errichteten Schutzsystems insbesondere nicht dadurch beeinflusst werden kann, dass ein anderer Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem gewählt hat (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 58).

112 Angesichts dieses Wertungsspielraums und in Ermangelung jeglicher Harmonisierung des betreffenden Gebiets auf Gemeinschaftsebene kann es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse geben.

113 Daraus folgt insbesondere, dass jeder Mitgliedstaat berechtigt bleibt, die Möglichkeit, den Verbrauchern in seinem Hoheitsgebiet Glücksspiele anzubieten, für alle daran interessierten Veranstalter vom Besitz einer von seinen zuständigen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen, ohne dass der Umstand, dass ein bestimmter Veranstalter bereits über eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis verfügt, dem entgegenstehen kann.

114 Die Vereinbarkeit eines solchen Erlaubnissystems mit den Art. 43 EG und 49 EG setzt allerdings angesichts der mit ihm verbundenen Beschränkungen des Rechts auf die freie Erbringung von Dienstleistungen oder des Rechts auf freie Niederlassung voraus, dass es den insoweit in der Rechtsprechung insbesondere in Bezug auf seine Diskriminierungsfreiheit und seine Verhältnismäßigkeit aufgestellten Erfordernissen genügt (vgl. Urteil Placanica u. a., Randnrn. 48 und 49).

115 Angesichts der in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen näheren Angaben des Verwaltungsgerichts Gießen ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat (Urteil Placanica u. a., Randnr. 69).

116 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen sind, dass beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts der Umstand, dass ein Veranstalter in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über eine Erlaubnis für das Anbieten von Glücksspielen verfügt, es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, unter Beachtung der Anforderungen des Unionsrechts die Möglichkeit für solche Veranstalter, derartige Dienstleistungen den Verbrauchern in seinem Hoheitsgebiet anzubieten, vom Besitz einer von seinen eigenen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen.

Kosten

117 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Art. 43 EG und 49 EG sind wie folgt auszulegen:

a) Um ein staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art mit dem Ziel rechtfertigen zu können, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, müssen die betreffenden nationalen Behörden nicht unbedingt in der Lage sein, eine vor Erlass der genannten Maßnahme durchgeführte Untersuchung vorzulegen, die ihre Verhältnismäßigkeit belegt.

b) Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein solches Monopol einem Erlaubnissystem vorzieht, nach dem privaten Veranstaltern die Ausübung ihrer Tätigkeiten im Rahmen einer Regelung ohne Ausschließlichkeitscharakter gestattet würde, kann dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen, soweit, unter dem Aspekt des Ziels eines hohen Verbraucherschutzniveaus, die Errichtung des Monopols mit der Einführung eines normativen Rahmens einhergeht, der dafür sorgt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, ein solches Ziel mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieses Ziels quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.

c) Der Umstand, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats auf gewisse Schwierigkeiten stoßen könnten, die Beachtung eines solchen Monopols durch im Ausland ansässige Veranstalter von Spielen und Wetten sicherzustellen, die unter Verstoß gegen das Monopol über das Internet Wetten mit Personen im örtlichen Zuständigkeitsbereich dieser Behörden abschließen, ist als solcher nicht dazu angetan, die eventuelle Vereinbarkeit eines solchen Monopols mit den genannten Bestimmungen des Vertrags zu beeinträchtigen.

d) Stellt ein nationales Gericht sowohl fest,

dass die Werbemaßnahmen des Inhabers eines solchen Monopols für andere, ebenfalls von ihm angebotene Arten von Glücksspielen nicht auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zum Angebot des Monopolinhabers hinzulenken und sie damit von anderen, nicht genehmigten Zugangskanälen zu Spielen wegzuführen, sondern darauf abzielen, den Spieltrieb der Verbraucher zu fördern und sie zwecks Maximierung der aus den entsprechenden Tätigkeiten erwarteten Einnahmen zu aktiver Teilnahme am Spiel zu stimulieren, als auch,

dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch,

dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben oder dulden, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren,

so kann es berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

2. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin gehend auszulegen, dass beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts der Umstand, dass ein Veranstalter in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über eine Erlaubnis für das Anbieten von Glücksspielen verfügt, es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, unter Beachtung der Anforderungen des Unionsrechts die Möglichkeit für solche Veranstalter, derartige Dienstleistungen den Verbrauchern in seinem Hoheitsgebiet anzubieten, vom Besitz einer von seinen eigenen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen.

Unterschriften

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WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS: Für die Angaben auf dieser Website besteht Haftungsausschluss und Urheberrechtsschutz.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

8. September 2010(*)

„Art. 49 EG – Freier Dienstleistungsverkehr – Inhaber einer in Gibraltar erteilten Lizenz, die die Annahme von Sportwetten ausschließlich im Ausland gestattet – Auf der Ebene eines Bundeslands bestehendes staatliches Monopol auf die Veranstaltung von Sportwetten – Ziel der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht – Verhältnismäßigkeit – Restriktive Maßnahme, die tatsächlich darauf abzielen muss, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Glücksspieltätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen – Andere Glücksspiele, die von privaten Veranstaltern angeboten werden können – Erlaubnisverfahren – Ermessen der zuständigen Behörde – Verbot des Anbietens von Glücksspielen über das Internet – Übergangsmaßnahmen, die bestimmten Veranstaltern vorübergehend ein solches Angebot gestatten“

In der Rechtssache C‑46/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Schleswig‑Holsteinischen Verwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2008, in dem Verfahren

Carmen Media Group Ltd

gegen

Land Schleswig-Holstein,

Innenminister des Landes Schleswig-Holstein

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.‑C. Bonichot, der Kammerpräsidentin P. Lindh sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), A. Borg Barthet, M. Ilešič, J. Malenovský, U. Lõhmus, A. Ó Caoimh und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Carmen Media Group Ltd, vertreten durch die Rechtsanwälte W. Hambach, M. Hettich und S. Münstermann sowie durch Professor C. Koenig,

– des Landes Schleswig‑Holstein und des Innenministers des Landes Schleswig‑Holstein, vertreten durch L.‑E. Liedke und D. Kock als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte M. Hecker und M. Ruttig,

– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, J. Möller und B. Klein als Bevollmächtigte,

– der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und A. Hubert, advocaten,

– der griechischen Regierung, vertreten durch A. Samoni‑Rantou, M. Tassopoulou und O. Patsopoulou als Bevollmächtigte,

– der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,

– der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Grave als Bevollmächtigte,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

– der norwegischen Regierung, vertreten durch K. Moen als Bevollmächtigten,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Traversa, P. Dejmek und H. Krämer als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. März 2010

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 EG.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Carmen Media Group Ltd (im Folgenden: Carmen Media) einerseits und dem Land Schleswig-Holstein sowie dem Innenminister des Landes Schleswig-Holstein andererseits über deren Zurückweisung eines Antrags von Carmen Media auf Anerkennung bzw. Erteilung des Rechts, in diesem Bundesland Sportwetten über das Internet anzubieten.

Nationaler rechtlicher Rahmen

Bundesrecht

3 § 284 des Strafgesetzbuchs bestimmt:

„(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1. gewerbsmäßig [handelt]

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

…“

4 Mit Ausnahme der Wetten auf öffentliche Pferdewettkämpfe, die insbesondere dem Rennwett- und Lotteriegesetz (RWLG) unterliegen, sowie des Aufstellens und des Betriebs von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in anderen Einrichtungen als Spielbanken (Spielhallen, Schank‑ und Speisewirtschaften, Beherbergungsbetrieben), die insbesondere der Gewerbeordnung und der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit unterliegen, werden die Voraussetzungen, unter denen Erlaubnisse im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB auf dem Gebiet des Glücksspiels erteilt werden können, auf Länderebene bestimmt.

5 § 1 Abs. 1 RWLG lautet:

„Ein Verein, der das Unternehmen eines Totalisators aus Anlass öffentlicher Pferderennen und anderer öffentlicher Leistungsprüfungen für Pferde betreiben will, bedarf der Erlaubnis der nach Landesrecht zuständigen Behörde.“

6 § 2 Abs. 1 RWLG bestimmt:

„Wer gewerbsmäßig Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde abschließen oder vermitteln will (Buchmacher), bedarf der Erlaubnis der nach Landesrecht zuständigen Behörde.“

Der Glücksspielstaatsvertrag

7 Mit dem am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (im Folgenden: LottStV) haben die Länder für die Veranstaltung, die Durchführung und die gewerbliche Vermittlung von Glücksspielen mit Ausnahme von Spielbanken einen einheitlichen Rahmen geschaffen.

8 Mit Urteil vom 28. März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Regelung zur Umsetzung des LottStV im Land Bayern entschieden, dass das dort bestehende staatliche Sportwettenmonopol gegen den die Berufsfreiheit gewährleistenden Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt. Es war insbesondere der Auffassung, dass das Monopol deshalb unverhältnismäßig in die geschützte Berufsfreiheit eingreife, weil es die Tätigkeit der Veranstaltung privater Wetten ausschließe, ohne dass ihm ein rechtlicher Rahmen zur Seite gestellt werde, der auf rechtlicher und tatsächlicher Ebene strukturell und substanziell eine effektive Verfolgung der Ziele gewährleisten könne, die Spielleidenschaft einzudämmen und die Spielsucht zu bekämpfen.

9 Nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts wird mit dem zwischen den Bundesländern geschlossenen und am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) ein neuer einheitlicher Rahmen für die Veranstaltung, die Durchführung und die Vermittlung von Glücksspielen geschaffen, um den vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 28. März 2006 aufgestellten Anforderungen zu genügen.

10 Das vorlegende Gericht führt weiter aus, wie sich insbesondere aus dem Erläuterungsbericht des Entwurfs zum GlüStV (im Folgenden: Erläuterungsbericht) ergebe, sei das erste und wichtigste Ziel des GlüStV die Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspielsucht. Nach dem Erläuterungsbericht mache eine im April 2006 im Auftrag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung erstellte Studie zum Glücksspielmarkt in der Europäischen Union deutlich, wie wirksam eine strikte Regulierung und Kanalisierung der betreffenden Tätigkeiten insoweit sein könne.

11 In Bezug speziell auf den Sektor der Sportwetten heiße es in dem Erläuterungsbericht, dass es, auch wenn solche Wetten für die große Mehrheit der Spieler reinen Erholungs- und Unterhaltungscharakter haben dürften, bei einer erheblichen Ausweitung des Angebots an diesen Wetten sehr wahrscheinlich sei, dass sich das von ihnen erzeugte Suchtpotenzial als erheblich erweise, denn darauf deuteten die Angaben in den verfügbaren wissenschaftlichen Studien und Expertenberichten hin. Daher müssten vorbeugende Maßnahmen gegen eine solche Sucht getroffen werden, indem Beschränkungen für die Veranstaltung, den Vertrieb und die Durchführung solcher Glücksspiele auferlegt würden. Die Kanalisierung und Begrenzung des Markts für diese Spiele durch den GlüStV solle insoweit insbesondere durch die Beibehaltung des bestehenden Monopols auf die Veranstaltung von Sportwetten und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotenzial erreicht werden.

12 Nach § 1 GlüStV sind dessen Ziele,

„1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen,

2. das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern,

3. den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten,

4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden“.

13 Nach § 2 GlüStV gelten für Spielbanken nur seine §§ 1, 3 bis 8, 20 und 23.

14 § 4 GlüStV lautet:

„(1) Öffentliche Glücksspiele dürfen nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn das Veranstalten oder das Vermitteln des Glücksspiels den Zielen des § 1 zuwiderläuft. Die Erlaubnis darf nicht für das Vermitteln nach diesem Staatsvertrag nicht erlaubter Glücksspiele erteilt werden. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht kein Rechtsanspruch.

(4) Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten.“

15 § 10 GlüStV bestimmt:

„(1) Die Länder haben zur Erreichung der Ziele des § 1 die ordnungsrechtliche Aufgabe, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen. Sie werden dabei von einem Fachbeirat beraten, der sich aus Experten in der Bekämpfung der Glücksspielsucht zusammensetzt.

(2) Auf gesetzlicher Grundlage können die Länder diese öffentliche Aufgabe selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen.

(5) Anderen als den in Abs. 2 Genannten darf nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts erlaubt werden.“

16 Der Dritte Abschnitt des GlüStV bezieht sich auf Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential, die unter sehr restriktiven Voraussetzungen ausschließlich solchen Veranstaltern erlaubt werden können, die gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verfolgen.

17 § 25 Abs. 6 GlüStV lautet:

„Die Länder können befristet auf ein Jahr nach Inkrafttreten des Staatsvertrages abweichend von § 4 Abs. 4 bei Lotterien die Veranstaltung und Vermittlung im Internet erlauben, wenn keine Versagungsgründe nach § 4 Abs. 2 vorliegen und folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Der Ausschluss minderjähriger oder gesperrter Spieler wird durch Identifizierung und Authentifizierung gewährleistet; die Richtlinien der Kommission für Jugendmedienschutz zur geschlossenen Benutzergruppe sind zu beachten.

2. Die Beachtung der in der Erlaubnis festzulegenden Einsatzgrenzen, die 1 000 Euro pro Monat nicht überschreiten dürfen, und des Kreditverbots ist sichergestellt.

3. Besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung und die Möglichkeit interaktiver Teilnahme mit zeitnaher Gewinnbekanntgabe sind ausgeschlossen; davon kann regelmäßig bei Lotterien mit nicht mehr als zwei Gewinnentscheiden pro Woche ausgegangen werden.

4. Durch Lokalisierung nach dem Stand der Technik wird sichergestellt, dass nur Personen teilnehmen können, die sich im Geltungsbereich der Erlaubnis aufhalten.

5. Ein an die besonderen Bedingungen des Internets angepasstes Sozialkonzept ist zu entwickeln und einzusetzen; seine Wirksamkeit ist wissenschaftlich zu evaluieren.“

18 Das vorlegende Gericht hebt hervor, dass die Übergangsvorschrift in § 25 Abs. 6 GlüStV nach dem Erläuterungsbericht dem Verhältnismäßigkeitsausgleich bei den beiden gewerblichen Spielvermittlern, die fast ausschließlich im Internet tätig seien und 140 bzw. 151 Personen beschäftigten, dienen solle, indem ihnen ausreichend Zeit gegeben werde, um ihren Betrieb auf nach dem GlüStV zulässige Vertriebswege umzustellen.

Die Regelung des Landes Schleswig‑Holstein

19 Der GlüStV wurde durch das Land Schleswig‑Holstein mit dem Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 13. Dezember 2007 (GVOBl. 2007 S. 524) (GlüStV AG) umgesetzt.

20 § 4 GlüStV AG sieht vor:

„(1) Zur Erreichung der Ziele des § 1 des [GlüStV] nimmt das Land Schleswig-Holstein die Glücksspielaufsicht, die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebotes und die Sicherstellung der wissenschaftlichen Forschung zur Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren durch Glücksspiele als öffentliche Aufgabe wahr.

(2) Das Land Schleswig-Holstein erfüllt seine öffentliche Aufgabe nach § 10 Abs. 1 GlüStV durch die NordwestLotto Schleswig-Holstein GmbH & Co. KG (NordwestLotto Schleswig-Holstein), deren Anteile vollständig oder überwiegend vom Land unmittelbar oder mittelbar gehalten werden. …

(3) NordwestLotto Schleswig-Holstein kann Zahlenlotterien, Losbrieflotterien und Sportwetten sowie hierzu Zusatzlotterien und ‑ausspielungen veranstalten.

…“

21 § 5 Abs. 1 GlüStV AG sieht vor:

„Die Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV für Glücksspiele, die keine Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential sind (§ 6), setzt voraus, dass

1. Versagungsgründe nach § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 GlüStV nicht entgegenstehen,

2. die Einhaltung

a) der Jugendschutzanforderungen nach § 4 Abs. 3 GlüStV,

b) des Internetverbots in § 4 Abs. 4 GlüStV,

c) der Werbebeschränkungen nach § 5 GlüStV,

d) der Anforderungen an das Sozialkonzept nach § 6 GlüStV und

e) der Anforderungen an die Aufklärung über Suchtrisiken nach § 7 GlüStV

sichergestellt ist,

3. die Veranstalterin oder der Veranstalter oder die Vermittlerin oder der Vermittler zuverlässig ist, insbesondere die Gewähr dafür bietet, dass die Veranstaltung und die Vermittlung ordnungsgemäß und für die Spielteilnehmerinnen und Spielteilnehmer sowie für die zuständige Behörde nachvollziehbar durchgeführt wird,

4. bei der Einführung neuer Glücksspielangebote oder Vertriebswege oder bei der erheblichen Erweiterung bestehender Vertriebswege nach § 9 Abs. 5 GlüStV der Fachbeirat beteiligt wurde und der Bericht über die sozialen Auswirkungen des neuen oder erweiterten Angebots sichergestellt ist,

5. bei Veranstalterinnen oder Veranstaltern nach § 10 Abs. 2 GlüStV die Teilnahme am Sperrsystem nach §§ 8 und 23 GlüStV sichergestellt ist,

6. der Ausschluss gesperrter Spieler nach § 21 Abs. 3 Satz 1 und § 22 Abs. 2 Satz 1 GlüStV sichergestellt ist und

7. bei gewerblichen Spielvermittlerinnen und Spielvermittlern die Einhaltung der Anforderungen nach § 19 GlüStV sichergestellt ist.

Sind die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt, soll die Erlaubnis erteilt werden.“

22 § 9 GlüStV AG bestimmt:

„Abweichend von § 4 Abs. 4 GlüStV kann bei Lotterien die Veranstaltung und die Vermittlung im Internet bis 31. Dezember 2008 erlaubt werden, wenn die Beachtung der in § 25 Abs. 6 GlüStV genannten Voraussetzungen sichergestellt ist. …“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

23 Carmen Media ist in Gibraltar ansässig, wo ihr eine Lizenz zur Vermarktung von Sportwetten erteilt wurde. Aus steuerlichen Gründen beschränkt sich diese Lizenz allerdings auf die Vermarktung solcher Wetten im Ausland („offshore bookmaking“).

24 Da Carmen Media derartige Wetten über das Internet in Deutschland anbieten wollte, beantragte sie im Februar 2006 beim Land Schleswig-Holstein die Feststellung, dass diese Tätigkeit angesichts der ihr in Gibraltar erteilten Lizenz zulässig sei. Hilfsweise beantragte sie die Erteilung einer Erlaubnis für ihre Tätigkeit oder in Ermangelung dessen deren Duldung bis zur Schaffung eines gemeinschaftsrechtskonformen Genehmigungsverfahrens für private Anbieter.

25 Nachdem diese Anträge am 29. Mai 2006 zurückgewiesen worden waren, erhob Carmen Media am 30. Juni 2006 Klage beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht. Sie stützte die Klage insbesondere darauf, dass das im Land Schleswig-Holstein bestehende staatliche Sportwettenmonopol gegen Art. 49 EG verstoße. Entgegen den Anforderungen, die der Gerichtshof u. a. in seinem Urteil vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031), aufgestellt habe, erlaube es die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Monopols auf dem Gebiet der Sportwetten und Lotterien nach dem LottStV nämlich nicht, eine kohärente und systematische Bekämpfung der Spielsucht sicherzustellen. Andere Spiel- und Wettformen wie Geldspielautomaten, Pferdewetten oder Kasinospiele seien nicht Gegenstand eines solchen staatlichen Monopols und entwickelten sich darüber hinaus immer extensiver, obwohl derartige Spiele und Wetten eine höhere Suchtgefahr aufwiesen als Sportwetten und Lotterien. Während des Verfahrens hat Carmen Media geltend gemacht, dass diese Inkohärenzen nach dem Inkrafttreten des GlüStV und des GlüStV AG fortbestünden.

26 Das Land Schleswig-Holstein trägt vor, der Umstand, dass die Lizenz von Carmen Media auf „offshore bookmaking“ beschränkt sei, hindere diese daran, sich auf die Gemeinschaftsvorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr zu berufen, da sie im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung nicht rechtmäßig derartige Dienstleistungen erbringe. Das Gemeinschaftsrecht enthalte im Übrigen nicht das Erfordernis einer Gesamtkonsistenz aller Glücksspielregelungen. Die unterschiedlichen Glücksspielbereiche seien nämlich nicht vergleichbar, und etwaige Defizite in einem dieser Bereiche könnten keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der für die anderen Bereiche geltenden Regelung haben. Die Vereinbarkeit eines staatlichen Monopols mit dem Gemeinschaftsrecht sei somit allein anhand des betreffenden Spielsektors zu beurteilen. Im vorliegenden Fall bestünden an dieser Vereinbarkeit, insbesondere nach dem Inkrafttreten des GlüStV und des GlüStV AG, keine Zweifel.

27 Das vorlegende Gericht führt aus, dass der Erfolg des Begehrens von Carmen Media, im Land Schleswig-Holstein als privater Anbieter von Sportwetten im Internet auftreten zu können, vor allem davon abhänge, wie diese beiden vom Land Schleswig-Holstein vorgebrachten Argumente zu beantworten seien.

28 In Bezug auf das erste dieser Argumente ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass auf einen Dienstleister, der Dienstleistungen über das Internet anbieten wolle, die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr schon dann anwendbar seien, wenn die betreffende Tätigkeit im Mitgliedstaat der Niederlassung des Dienstleisters nicht verboten sei. Auf die Frage, ob eine derartige Dienstleistung dort durch den Dienstleister tatsächlich erbracht werde, komme es hingegen nicht an. Das Anbieten von Wetten sei aber in Gibraltar nicht verboten, und die Carmen Media erteilte Erlaubnis gelte im vorliegenden Fall nur aus steuerrechtlichen Gründen ausschließlich für Wetten im Ausland.

29 In Bezug auf das zweite Argument stellt das vorlegende Gericht klar, dass sich die nunmehr zugrunde zu legende innerstaatliche Rechtslage aus dem GlüStV und dem GlüStV AG ergebe, und wirft die Frage auf, ob das staatliche Monopol und der daraus resultierende Ausschluss privater Veranstalter auf dem Gebiet der Sportwetten und Lotterien mit nicht geringem Gefährdungspotential, die aus § 10 Abs. 1, 2 und 5 GlüStV in Verbindung mit § 4 Abs. 2 GlüStV AG folgten, gegen Art. 49 EG verstießen.

30 Wie insbesondere aus dem Erläuterungsbericht hervorgehe, sei oberstes Ziel des GlüStV die Vermeidung und Bekämpfung der Spielsucht. Insoweit ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das Ermessen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festlegung der Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels, insbesondere der Verfolgung einer Politik der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben in diesem Bereich, unter genauer Bestimmung des angestrebten Schutzniveaus es ihnen zwar grundsätzlich gestatte, ein Monopol zu begründen, dass dies aber voraussetze, dass die insoweit getroffenen Regelungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügten; hierzu sei insbesondere auf das Urteil vom 21. September 1999, Läärä u. a. (C‑124/97, Slg. 1999, I‑6067, Randnr. 39), zu verweisen. Es sei zweifelhaft, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende staatliche Sportwettenmonopol dem sich aus Randnr. 67 des Urteils Gambelli u. a. ergebenden Erfordernis der Kohärenz und der Systematik bei der Bekämpfung der Spielsucht genüge.

31 Insoweit sei erstens darauf hinzuweisen, dass der Bundesminister für Wirtschaft kürzlich die Bedingungen für den gewerblichen Betrieb von Automatenspielen, für die nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und insbesondere nach den Ausführungen im Erläuterungsbericht erwiesen sei, dass sie unter den Glücksspielen das größte Suchtgefährdungspotenzial aufwiesen, durch Änderung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (BGBl. 2006 I S. 280) erleichtert habe. Zu den dabei am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Änderungen gehörten die Erhöhung der Zahl zulässiger Geräte in Gaststätten von zwei auf drei, die Verringerung der Mindestfläche pro Gerät in Spielhallen, und zwar von 15 m2 auf 12 m2, und die Erhöhung der maximalen Gerätezahl in Spielhallen von 10 auf 12. Außerdem seien die Mindestspieldauer pro Gerät von 12 auf 5 Sekunden reduziert und die Verlustgrenze von 60 Euro auf 80 Euro heraufgesetzt worden.

32 Zweitens bestehe ein Widerspruch zwischen den Zielen, mit denen das staatliche Sportwettenmonopol gerechtfertigt werde, und der expansiven Politik der deutschen Behörden im Bereich der Kasinospiele, obwohl deren Spielsuchtgefährdungspotential ebenfalls höher sei als das der Sportwetten. Die Zahl der erlaubten Kasinos sei nämlich zwischen 2000 und 2006 von 66 auf 81 gestiegen.

33 Drittens seien Wetten auf öffentliche Pferderennen oder andere Leistungsprüfungen für Pferde aus dem Geltungsbereich des GlüStV ausgenommen und würden namentlich durch das RWLG geregelt, das von Privatunternehmen gewerbsmäßig betriebene Wetten zulasse.

34 Die Kohärenz der Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Glücksspiele sei anhand einer Gesamtschau der zugelassenen Glücksspielangebote zu beurteilen, die allein es dem Gesetzgeber ermöglichen könne, den Gefahren der Spielsucht effektiv zu begegnen.

35 Dass diese unterschiedlichen Spiel- und Wettformen zum Teil in die Zuständigkeit der Länder und zum Teil in die des Bundes fielen, dürfe bei der Beurteilung der Vereinbarkeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Monopols mit dem Gemeinschaftsrecht nicht berücksichtigt werden.

36 Sollte sich aus der Antwort des Gerichtshofs auf die ersten beiden Vorlagefragen ergeben, dass Art. 49 EG auf eine Situation wie die der Klägerin des Ausgangsverfahrens anwendbar sei und das Monopol gegen diese Vorschrift verstoße, stelle sich sodann die Frage, in welcher Form das nationale Recht der Verpflichtung zur Gewährleistung der den Wirtschaftsteilnehmern aus diesem Artikel zustehenden Rechte genügen müsse und ob insbesondere § 4 Abs. 2 GlüStV, der die Möglichkeit der Erteilung einer Erlaubnis von den dort genannten Voraussetzungen abhängig mache, mit Art. 49 EG vereinbar sei.

37 Ferner stelle sich die Frage, ob das in § 4 Abs. 4 GlüStV aufgestellte Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet mit Art. 49 EG vereinbar sei. Insoweit sei zweifelhaft, ob diese Maßnahme geeignet sei, die hier verfolgten Ziele des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Spielsuchtgefahr zu erreichen.

38 Unter diesen Umständen hat das Schleswig‑Holsteinische Verwaltungsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 49 EG dahin gehend auszulegen, dass die Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit voraussetzt, dass der Dienstleistungserbringer nach den Bestimmungen des Mitgliedstaats, in dem er ansässig ist, die Dienstleistung auch dort erbringen darf (hier: Beschränkung der Glücksspiellizenz Gibraltars auf „offshore bookmaking“)?

2. Ist Art. 49 EG dahin gehend auszulegen, dass dieser einem maßgeblich mit der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren begründeten nationalen staatlichen Veranstaltungsmonopol auf Sportwetten und Lotterien (mit nicht nur geringem Gefährdungspotenzial) entgegensteht, wenn in diesem Mitgliedstaat andere Glücksspiele mit erheblichem Suchtgefährdungspotenzial von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen und die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen zu Sportwetten und Lotterien einerseits und anderen Glücksspielen andererseits auf der unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes beruhen?

Für den Fall der Bejahung der zweiten Vorlagefrage:

3. Ist Art. 49 EG dahin gehend auszulegen, dass dieser einer nationalen Regelung entgegensteht, die einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen auch bei Vorliegen der gesetzlich normierten Erteilungsvoraussetzungen in das Ermessen der Erlaubnisbehörde stellt?

4. Ist Art. 49 EG dahin gehend auszulegen, dass dieser einer nationalen Regelung entgegensteht, die das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet untersagt, wenn insbesondere gleichzeitig – wenngleich auch nur für eine Übergangsfrist von einem Jahr – die Veranstaltung und Vermittlung im Internet unter Einhaltung von Jugend- und Spielerschutzbestimmungen ermöglicht wird, um zum Zweck eines Verhältnismäßigkeitsausgleichs namentlich zweier gewerblicher Spielvermittler, die bislang ausschließlich im Internet tätig sind, eine Umstellung auf die nach dem GlüStV zugelassenen Vertriebswege zu ermöglichen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

39 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich ein Wirtschaftsteilnehmer, der Sportwetten in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem er ansässig ist, anbieten möchte, auf Art. 49 EG berufen kann, wenn er nicht über eine Erlaubnis verfügt, solche Wetten Personen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats seiner Niederlassung anzubieten, sondern nur über eine Erlaubnis, diese Dienstleistungen Personen im Ausland anzubieten.

40 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass Tätigkeiten, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Geldspiel zu ermöglichen, Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 EG darstellen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 24. März 1994, Schindler, C‑275/92, Slg. 1994, I‑1039, Randnr. 25, und vom 21. Oktober 1999, Zenatti, C‑67/98, Slg. 1999, I‑7289, Randnr. 24).

41 Nach ständiger Rechtsprechung fallen solche Dienstleistungen daher in den Anwendungsbereich von Art. 49 EG, wenn der Leistungsanbieter in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dem die Leistung angeboten wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Zenatti, Randnrn. 24 und 25). So verhält es sich insbesondere bei Dienstleistungen, die ein Leistungserbringer potenziellen Empfängern, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, über das Internet anbietet und die er ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Gambelli u. a., Randnrn. 53 und 54).

42 Der Umstand, dass die einem Veranstalter, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist, erteilte Erlaubnis nur für Wetten gilt, die Personen im Ausland über das Internet angeboten werden, kann für sich genommen nicht zur Folge haben, dass ein solches Wettangebot vom Anwendungsbereich des durch Art. 49 EG gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs ausgenommen wird.

43 Das einem Wirtschaftsteilnehmer, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist, durch diese Bestimmung gewährleistete Recht, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen, ist nämlich nicht davon abhängig, dass er entsprechende Dienstleistungen auch in dem Mitgliedstaat erbringt, in dem er ansässig ist (vgl. Urteil vom 5. Juni 1997, VT4, C‑56/96, Slg. 1997, I‑3143, Randnr. 22). Art. 49 EG verlangt insoweit nur, dass der Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als der Leistungsempfänger.

44 Diese Feststellung gilt im Übrigen unbeschadet dessen, dass jeder Mitgliedstaat, auf dessen Hoheitsgebiet sich ein Wettangebot erstreckt, das ein solcher Veranstalter über das Internet abgibt, die Befugnis behält, diesem die Beachtung der in seinen einschlägigen Rechtsvorschriften aufgestellten Beschränkungen vorzuschreiben, sofern diese Beschränkungen, insbesondere in Bezug auf ihre Diskriminierungsfreiheit und ihre Verhältnismäßigkeit, den Anforderungen des Unionsrechts genügen (vgl. Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891, Randnrn. 48 und 49).

45 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zu den gegebenenfalls zulässigen Rechtfertigungen innerstaatlicher Maßnahmen, mit denen der freie Dienstleistungsverkehr eingeschränkt wird, wiederholt dargelegt hat, dass sich die Ziele, die mit den im Spiel- und Wettbereich erlassenen nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werden, bei einer Gesamtbetrachtung meist auf den Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und allgemeiner der Verbraucher sowie auf den Schutz der Sozialordnung beziehen. Der Gerichtshof hat ferner hervorgehoben, dass solche Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die Eingriffe in den freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Schindler, Randnr. 58, Läärä u. a., Randnr. 33, Zenatti, Randnr. 31, vom 11. September 2003, Anomar u. a., C‑6/01, Slg. 2003, I‑8621, Randnr. 73, sowie Placanica u. a., Randnr. 46).

46 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es demnach Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Läärä u. a., Randnrn. 35 und 36, Zenatti, Randnrn. 33 und 34, sowie vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 58).

47 Unter Bezugnahme insbesondere auf die Urteile vom 3. Februar 1993, Veronica Omroep Organisatie (C‑148/91, Slg. 1993, I‑487), und vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, Slg. 2006, I‑7995), haben die belgische und die österreichische Regierung Zweifel daran geäußert, dass sich Carmen Media unter den Umständen des Ausgangsfalls auf die Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr berufen kann, weil sich dieser Veranstalter – hierzu durch steuerliche Anreize ermuntert – nur deshalb in Gibraltar niedergelassen habe, um sich den strikteren Vorschriften zu entziehen, die auf ihn Anwendung gefunden hätten, wenn er sich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats niedergelassen hätte, auf den seine wirtschaftliche Tätigkeit ausgerichtet sei.

48 Solche Erwägungen gehen jedoch über den Rahmen der hier gestellten Vorlagefrage hinaus.

49 Bei ihr geht es nämlich ausschließlich darum, ob ein Veranstalter wie Carmen Media deshalb nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr erfasst wird, weil ihm die Behörden von Gibraltar keine Erlaubnis erteilt haben, die ihm das Anbieten von Wetten auch im dortigen Hoheitsgebiet ermöglichen würde. Hingegen hat das vorlegende Gericht in Bezug auf die Gründe, die Carmen Media dazu veranlasst haben, sich in Gibraltar niederzulassen, keine näheren Angaben gemacht oder besondere Zweifel zum Ausdruck gebracht, und es hat den Gerichtshof auch nicht zu den Konsequenzen befragt, die sich daraus ergeben könnten.

50 Überdies hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich die Frage der Anwendbarkeit von Art. 49 EG von der Frage unterscheidet, ob ein Mitgliedstaat Maßnahmen ergreifen darf, um einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Erbringer von Dienstleistungen an der Umgehung seiner internen Rechtsvorschriften zu hindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 1994, TV10, C‑23/93, Slg. 1994, I‑4795, Randnr. 15, und entsprechend, zur Niederlassungsfreiheit, Urteil vom 9. März 1999, Centros, C‑212/97, Slg. 1999, I‑1459, Randnr. 18).

51 Daher besteht für den Gerichtshof im Rahmen des vorliegenden Verfahrens kein Anlass, zu den von der belgischen und der österreichischen Regierung insoweit geäußerten Zweifeln Stellung zu nehmen.

52 Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin gehend auszulegen ist, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der über das Internet Sportwetten in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem er ansässig ist, anbieten möchte, nicht allein deshalb aus dem Anwendungsbereich dieser Bestimmung herausfällt, weil er nicht über eine Erlaubnis verfügt, solche Wetten Personen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats seiner Niederlassung anzubieten, sondern nur über eine Erlaubnis, diese Dienstleistungen Personen im Ausland anzubieten.

Zur zweiten Frage

53 Angesichts der in den Randnrn. 29 bis 35 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Angaben in der Vorlageentscheidung ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage wissen möchte, ob Art. 49 EG dahin gehend auszulegen ist, dass er der Errichtung eines staatlichen Monopols auf die Veranstaltung von Sportwetten und Lotterien, mit der im Wesentlichen das Ziel verfolgt wird, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, durch eine regionale Körperschaft entgegensteht, wenn im konkreten Fall Zweifel daran bestehen, dass dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise verfolgt wird, weil

– erstens privaten Wirtschaftsteilnehmern gestattet ist, andere Glücksspiele wie Pferdewetten oder Automatenspiele durchzuführen, und

– zweitens in Bezug auf Angebote anderer Glücksspiele wie Kasinospiele oder Automatenspiele in Spielhallen, Schank- und Speisewirtschaften sowie Beherbergungsbetrieben eine Expansionspolitik verfolgt wird.

54 Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob der Umstand, dass die Regelung dieser anderen Glücksspiele zumindest zum Teil in die Zuständigkeit des Bundes fällt, Auswirkungen auf die Beantwortung dieser Frage haben kann.

55 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Randnr. 67 des Urteils Gambelli u. a. zunächst hervorgehoben hat, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können, dann jedoch entschieden hat, dass dies jedoch nur insoweit gilt, als die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der Sozialordnung vorzubeugen, geeignet sind, die Verwirklichung der genannten Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie dazu beitragen müssen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

56 Wie insbesondere aus Randnr. 53 des vorliegenden Urteils hervorgeht, stellt sich das vorlegende Gericht Fragen zur Tragweite dieses letztgenannten Erfordernisses.

57 Es hat nämlich Zweifel daran, ob ein staatliches Monopol wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sportwettenmonopol, das zur Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und zur Bekämpfung der Spielsucht errichtet wurde, angesichts der Art der Vermarktung anderer Arten von Glücksspielen in kohärenter und systematischer Weise zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen kann.

58 Wie sich aus der in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, ist es insoweit Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.

59 Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass im Rahmen mit dem Vertrag vereinbarer Rechtsvorschriften die Wahl der Bedingungen für die Organisation und die Kontrolle der in der Veranstaltung von und der Teilnahme an Glücks- oder Geldspielen bestehenden Tätigkeiten, wie z. B. der Abschluss eines verwaltungsrechtlichen Konzessionsvertrags mit dem Staat oder die Beschränkung der Veranstaltung von und der Teilnahme an bestimmten Spielen auf ordnungsgemäß dafür zugelassene Orte, Sache der nationalen Stellen im Rahmen ihres Ermessens ist (Urteil Anomar u. a., Randnr. 88).

60 Der Gerichtshof hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass im Bereich der Glücksspiele grundsätzlich gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung namentlich zu prüfen ist, ob sie geeignet ist, die Verwirklichung des Ziels oder der Ziele zu gewährleisten, die von dem fraglichen Mitgliedstaat geltend gemacht werden, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist (Urteil Placanica u. a., Randnr. 49).

61 In den Randnrn. 50 bis 52 des Urteils Schindler, das zu einer Regelung eines Mitgliedstaats ergangen ist, mit der Lotterien verboten wurden, hat der Gerichtshof u. a. ausgeführt, dass andere in dem entsprechenden Mitgliedstaat weiterhin zugelassene Geldspiele wie Fußballtoto oder das Spiel „Bingo“, auch wenn es bei ihnen zu Einsätzen in einer Höhe kommen kann, die mit denen bei Lotterien vergleichbar sind, und der Zufall bei ihnen eine bedeutende Rolle spielt, sich hinsichtlich ihres Gegenstands, ihrer Regeln sowie der Einzelheiten ihrer Durchführung doch von den Lotterien in anderen Mitgliedstaaten unterscheiden; er hat daraus den Schluss gezogen, dass die Lage bei diesen anderen Spielen nicht mit der bei den Lotterien vergleichbar ist, die durch die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verboten wurden, und dass sie diesen nicht gleichgestellt werden können.

62 Wie alle Regierungen, die Erklärungen beim Gerichtshof abgegeben haben, hervorgehoben haben, steht nämlich fest, dass die verschiedenen Arten von Glücksspielen erhebliche Unterschiede aufweisen können, u. a. hinsichtlich der konkreten Modalitäten ihrer Veranstaltung, des Umfangs der für sie kennzeichnenden Einsätze und Gewinne, der Zahl potenzieller Spieler, ihrer Präsentation, ihrer Häufigkeit, ihrer kurzen Dauer oder ihrem sich wiederholenden Charakter, der bei den Spielern hervorgerufenen Reaktionen oder danach, ob sie, wie es bei den in Spielbanken angebotenen Spielen und den dort oder in anderen Einrichtungen aufgestellten Geldspielautomaten der Fall ist, die körperliche Anwesenheit des Spielers erfordern oder nicht.

63 Daher kann der Umstand, dass von verschiedenen Arten von Glücksspielen einige einem staatlichen Monopol und andere einer Regelung unterliegen, nach der private Veranstalter eine Erlaubnis benötigen, im Hinblick darauf, dass mit Maßnahmen, die – wie das staatliche Monopol – auf den ersten Blick als am restriktivsten und wirkungsvollsten erscheinen, legitime Ziele verfolgt werden, für sich genommen nicht dazu führen, dass diese Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren. Derart divergierende rechtliche Regelungen ändern nämlich als solche nichts an der Eignung eines solchen staatlichen Monopols zur Verwirklichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels, Anreize für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen.

64 Wie in Randnr. 55 des vorliegenden Urteils dargelegt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs aber auch, dass die Errichtung einer mit diesem Ziel begründeten Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn die entsprechende restriktive Maßnahme geeignet ist, die Verwirklichung dieses Ziels dadurch zu gewährleisten, dass sie dazu beiträgt, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

65 Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass es den nationalen Gerichten obliegt, sich im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Zenatti, Randnrn. 36 und 37, sowie Placanica u. a., Randnrn. 52 und 53).

66 Wie der Gerichtshof zu diesen verschiedenen Aspekten bereits im Urteil Gambelli u. a. (Randnrn. 7, 8 und 69) entschieden hat, können sich die Behörden eines Mitgliedstaats, soweit sie den Verbrauchern Anreize geben und sie dazu ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, nicht auf die öffentliche Sozialordnung mit der aus ihr folgenden Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, berufen, um restriktive Maßnahmen zu rechtfertigen, auch wenn diese sich wie in jener Rechtssache ausschließlich auf Wetttätigkeiten beziehen.

67 Hier hat das vorlegende Gericht nach einem Hinweis darauf, dass Pferdewetten und Automatenspiele von privaten Veranstaltern mit einer Erlaubnis betrieben werden können, auch festgestellt, dass die zuständigen Behörden in Bezug auf Kasino‑ und Automatenspiele, obwohl diese ein höheres Suchtpotenzial aufwiesen als Sportwetten, eine Politik der Angebotsausweitung betrieben. Zwischen 2000 und 2006 sei nämlich die Zahl der Spielbanken von 66 auf 81 gestiegen, während die Bedingungen für den Betrieb von Automatenspielen in anderen Einrichtungen als Spielbanken, etwa in Spielhallen, Schank- und Speisewirtschaften sowie Beherbergungsbetrieben, unlängst erheblich gelockert worden seien.

68 Insoweit kann das vorlegende Gericht auf der Grundlage solcher Feststellungen berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben, dass der Umstand, dass die zuständigen Behörden somit in Bezug auf andere Glücksspiele als die, die dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden staatlichen Monopol unterliegen, eine Politik verfolgen, die eher darauf abzielt, zur Teilnahme an diesen anderen Spielen zu ermuntern, als darauf, die Spielgelegenheiten zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, zur Folge hat, dass das der Errichtung dieses Monopols zugrunde liegende Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, mit ihm nicht mehr wirksam verfolgt werden kann, so dass es im Hinblick auf Art. 49 EG auch nicht mehr gerechtfertigt werden kann.

69 Was den Umstand betrifft, dass die verschiedenen Glücksspiele zum Teil in die Zuständigkeit der Länder und zum Teil in die des Bundes fallen, ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung seiner aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats, namentlich zwischen zentralen, regionalen und lokalen Behörden, kann ihn u. a. nicht davon entbinden, den genannten Verpflichtungen nachzukommen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 13. September 2001, Kommission/Spanien, C‑417/99, Slg. 2001, I‑6015, Randnr. 37).

70 Dementsprechend müssen, auch wenn das Unionsrecht einer internen Zuständigkeitsverteilung, nach der für bestimmte Glücksspiele die Länder zuständig sind und für andere der Bund, nicht entgegensteht, in einem solchen Fall die Behörden des betreffenden Bundeslandes und die Bundesbehörden gleichwohl gemeinsam die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland erfüllen, nicht gegen Art. 49 EG zu verstoßen. Soweit die Beachtung dieser Bestimmung es erfordert, müssen diese verschiedenen Behörden dabei folglich die Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten koordinieren.

71 Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin gehend auszulegen ist, dass, wenn ein regionales staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien errichtet wurde, mit dem das Ziel verfolgt wird, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, und ein nationales Gericht sowohl feststellt,

– dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch,

– dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren,

das nationale Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben kann, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Dass die Glücksspiele, die Gegenstand des genannten Monopols sind, in die Zuständigkeit der regionalen Behörden fallen, während für die anderen Arten von Glücksspielen die Bundesbehörden zuständig sind, ist dabei unerheblich.

Zur dritten Frage

72 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 49 EG dahin gehend auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Erteilung einer Erlaubnis für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen auch bei Vorliegen der gesetzlich normierten Erteilungsvoraussetzungen in das Ermessen der zuständigen Behörde stellt.

73 Diese Frage ist nur hilfsweise für den Fall gestellt worden, dass der Antwort auf die zweite Frage zu entnehmen sein sollte, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Monopol gegen Art. 49 verstößt. Da es indessen Sache des vorlegenden Gerichts ist, auf der Grundlage der Antwort des Gerichtshofs auf die zweite Frage zu bestimmen, ob das Monopol durch die im Allgemeininteresse liegenden legitimen Ziele, die seiner Errichtung zugrunde liegen, gerechtfertigt werden kann, hat der Gerichtshof die dritte Frage zu beantworten.

74 Das Land Schleswig-Holstein hat allerdings die Zulässigkeit dieser Frage in Zweifel gezogen, weil sich für sie in der Vorlageentscheidung keine hinreichende Begründung finde.

75 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Richters ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 38, und vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, Randnr. 24).

76 Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann nur dann abgelehnt werden, wenn offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteile PreussenElektra, Randnr. 39, und Hartlauer, Randnr. 25).

77 Im vorliegenden Fall zielt die von Carmen Media erhobene Klage, wie aus Randnr. 24 des vorliegenden Urteils hervorgeht, insbesondere für den Fall, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Monopol gegen das Unionsrecht verstoßen sollte, darauf ab, dass die Beklagten des Ausgangsverfahrens verurteilt werden, ihr eine Erlaubnis zur Vermarktung von Sportwetten im Land Schleswig-Holstein zu erteilen oder, hilfsweise, diese Tätigkeit bis zur Schaffung eines unionsrechtskonformen Erlaubnisverfahrens zu dulden.

78 Im Übrigen ergibt sich aus dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen rechtlichen Rahmen, dass in § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV und in § 5 Abs. 1 GlüStV AG verschiedene Voraussetzungen aufgestellt werden, von denen die Erteilung von Erlaubnissen für die Veranstaltung und die Vermittlung von Glücksspielen abhängt, wobei jedoch in § 4 Abs. 2 GlüStV u. a. klargestellt wird, dass kein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis besteht.

79 Anhand dieser Angaben lässt sich nachvollziehen, welche Gründe das vorlegende Gericht dazu veranlasst haben, die dritte Frage zu stellen, und welche Bedeutung eine Beantwortung dieser Frage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits haben kann. Sie reichen auch aus, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, die gestellte Frage sachdienlich zu beantworten.

80 Daraus folgt, dass die dritte Vorlagefrage zulässig ist.

81 In der Sache geht aus den Angaben des vorlegenden Gerichts zwar hervor, dass das Land Schleswig-Holstein für Lotterien und Sportwetten ein staatliches Monopol errichtet hat, dessen Inhaberin die NordwestLotto Schleswig‑Holstein GmbH & Co. KG ist, dass aber die Möglichkeit der Erteilung von Erlaubnissen in diesem Bereich zumindest theoretisch durch § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV und § 5 Abs. 1 GlüStV AG vorbehalten worden zu sein scheint.

82 Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob eine Erlaubnisregelung der mit diesen Vorschriften geschaffenen Art den Anforderungen von Art. 49 EG genügen kann, obwohl sie die Erteilung einer Erlaubnis für das Veranstalten oder Vermitteln von Glücksspielen auch bei Vorliegen der in den genannten Vorschriften normierten Erteilungsvoraussetzungen in das Ermessen der zuständigen Behörde stellt.

83 Wie in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten im Glücksspielbereich vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen.

84 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs steht es einem Mitgliedstaat, der das Ziel verfolgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, u. a. grundsätzlich frei, eine Erlaubnisregelung zu schaffen und dabei Beschränkungen in Bezug auf die Zahl der zugelassenen Veranstalter vorzusehen (vgl. Urteil Placanica u. a., Randnr. 53).

85 Das Ermessen, über das die Mitgliedstaaten demnach zur Beschränkung des Angebots an Glücksspielen verfügen, entbindet sie aber nicht davon, sich zu vergewissern, dass die von ihnen geschaffenen Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. u. a. Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine in einem Mitgliedstaat geschaffene Erlaubnisregelung, mit der legitime, in der Rechtsprechung anerkannte Ziele verfolgt werden, insbesondere keine Ermessensausübung der nationalen Behörden rechtfertigen, die geeignet ist, den Bestimmungen des Unionsrechts und vor allem denen, die eine Grundfreiheit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreffen, ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen (vgl. u. a. Urteil vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange, C‑203/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 49).

87 Daher muss ein System der vorherigen behördlichen Erlaubnis, um trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt zu sein, auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzen, damit diese nicht willkürlich erfolgt. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden einschränkenden Maßnahme betroffen ist, ein effektiver gerichtlicher Rechtsbehelf offenstehen (vgl. Urteil Sporting Exchange, Randnr. 50 und dort angeführte Rechtsprechung).

88 In seinen schriftlichen Erklärungen hat das Land Schleswig‑Holstein in Bezug auf die Erlaubnis nach § 4 GlüStV u. a. geltend gemacht, dass das Ermessen der zuständigen Behörde kein freies Ermessen sei, sondern durch das verfolgte gesetzgeberische Ziel, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte begrenzt werde. Das schließe insbesondere jede willkürliche Behandlung aus und erlaube eine den rechtsstaatlichen Anforderungen genügende gerichtliche Kontrolle. § 5 Abs. 1 GlüStV AG konkretisiere im Übrigen die Grenzen des behördlichen Ermessens durch die Aufstellung verschiedener Voraussetzungen und die Vorgabe, dass die Erlaubnis bei Erfüllung der Voraussetzungen erteilt werden solle. Die deutsche Regierung macht geltend, dass die deutsche Rechtsordnung geeignete Rechtsbehelfe gegen Ermessensentscheidungen der Verwaltung biete, die sich als willkürlich erwiesen.

89 Es ist Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, gegebenenfalls zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung, insbesondere § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV und § 5 Abs. 1 GlüStV AG, den in den Randnrn. 85 bis 87 des vorliegenden Urteils dargelegten Anforderungen des Unionsrechts genügt.

90 Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin gehend auszulegen ist, dass eine in einem Mitgliedstaat eingeführte Regelung, nach der das Angebot bestimmter Arten von Glücksspielen einer vorherigen behördlichen Erlaubnis bedarf, als eine in den durch Art. 49 EG gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehr eingreifende Regelung nur dann den Anforderungen dieser Bestimmung genügen kann, wenn sie auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzen, damit diese nicht willkürlich erfolgen kann. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden einschränkenden Maßnahme betroffen ist, ein effektiver gerichtlicher Rechtsbehelf offenstehen.

Zur vierten Frage

91 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 49 EG dahin gehend auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, die das Veranstalten und das Vermitteln von Glücksspielen im Internet untersagt, insbesondere dann entgegensteht, wenn diese Tätigkeiten für eine Übergangsfrist von einem Jahr zulässig bleiben, um Wirtschaftsteilnehmern, die bislang nur im Internet tätig waren, eine Umstellung ihrer Tätigkeit auf andere, zulässige Vertriebswege zu ermöglichen, sofern während dieser Übergangsfrist verschiedene Jugend‑ und Spielerschutzbestimmungen eingehalten werden.

92 Das Land Schleswig-Holstein macht geltend, aus dem Wortlaut dieser Frage gehe nicht klar hervor, ob sie nur die Vereinbarkeit einer Übergangsfrist, wie sie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung vorsehe, mit dem Unionsrecht oder auch das grundsätzliche Verbot des Anbietens von Glücksspielen im Internet betreffe.

93 Diese Zweifel sind indessen unbegründet.

94 Zunächst ergibt sich nämlich schon aus dem Wortlaut der vorliegenden Frage, dass sich das vorlegende Gericht allgemein und vornehmlich fragt, ob ein Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns von Glücksspielen im Internet mit dem Unionsrecht vereinbar ist, während auf das Vorliegen der genannten Übergangsbestimmungen, wie die Verwendung des Adverbs „insbesondere“ zeigt, nur als Besonderheit, die im Ausgangsverfahren ebenfalls zu berücksichtigen ist, Bezug genommen wird.

95 Sodann betreffen die in der Vorlageentscheidung geäußerten Zweifel, wie aus Randnr. 37 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ganz allgemein die Frage, ob ein Verbot wie das in § 4 Abs. 4 GlüStV enthaltene als zur Verfolgung der Ziele der Bekämpfung der Spielsucht und des Jugendschutzes, die dem Erlass der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung zugrunde liegen sollen, geeignet angesehen werden kann.

96 Schließlich kann offensichtlich nur dann, wenn das grundsätzliche Verbot, Glücksspiele über das Internet anzubieten, als zur Erreichung der verfolgten legitimen Ziele geeignet angesehen werden kann, Anlass bestehen, sich die Frage zu stellen, ob die Ausgestaltung einer Übergangsfrist wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden diese Eignung beeinträchtigen kann.

97 Was erstens das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns von Glücksspielen im Internet betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht die Vereinbarkeit dieses Verbots mit dem Unionsrecht nur in der in Randnr. 95 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen ganz allgemeinen Form in Zweifel gezogen hat.

98 Da dieses Gericht seine insoweit bestehenden Zweifel nicht genauer dargelegt und dazu lediglich auf die Standpunkte verwiesen hat, die die Kommission in einer an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten detaillierten Stellungnahme zu dem von dieser mitgeteilten Entwurf des GlüStV vertreten haben soll, ohne die Zweifel jedoch näher zu erläutern, wird der Gerichtshof seine Prüfung auf die Frage beschränken, ob eine Maßnahme wie die in § 4 Abs. 4 GlüStV vorgesehene, mit der das Anbieten von Glücksspielen im Internet verboten wird, grundsätzlich als geeignet angesehen werden kann, die Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu erreichen.

99 Dazu ist einleitend darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits anerkannt hat, dass eine Maßnahme, mit der die Ausübung einer bestimmten Form von Glücksspielen, nämlich von Lotterien, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schlicht verboten wird, mit solchen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann (vgl. Urteil Schindler).

100 Im Ausgangsfall betrifft das streitige Verbot nicht die Vermarktung einer bestimmten Art von Glücksspielen, sondern einen bestimmten Vertriebskanal für Glücksspiele, nämlich das Internet.

101 Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, die Besonderheiten des Anbietens von Glücksspielen über das Internet hervorzuheben (vgl. Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 72).

102 Er hat insbesondere ausgeführt, dass über das Internet angebotene Glücksspiele, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich bergen, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden (Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 70).

103 Desgleichen können sich die Besonderheiten des Angebots von Glücksspielen im Internet als Quelle von, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, anders gearteten und größeren Gefahren für den Schutz der Verbraucher und insbesondere von Jugendlichen und Personen erweisen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder eine solche Neigung entwickeln könnten. Neben dem bereits erwähnten fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter stellen auch der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots mit internationalem Charakter in einem Umfeld, das überdies durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und aufgrund dessen die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen, die in ständiger Rechtsprechung herausgestellt worden sind, vergrößern können.

104 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass angesichts des Ermessens, über das die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung des Niveaus des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung im Glücksspielsektor verfügen, im Hinblick auf das Kriterium der Verhältnismäßigkeit nicht verlangt wird, dass eine von den Behörden eines Mitgliedstaats erlassene restriktive Maßnahme einer von allen Mitgliedstaaten geteilten Auffassung in Bezug auf die Modalitäten des Schutzes des fraglichen berechtigten Interesses entspricht (vgl. entsprechend Urteil vom 28. April 2009, Kommission/Italien, C‑518/06, Slg. 2009, I‑3491, Randnrn. 83 und 84).

105 Nach alledem ist anzuerkennen, dass eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten wird, grundsätzlich als geeignet angesehen werden kann, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt.

106 Zweitens ist, was die Schaffung einer Übergangsfrist der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art betrifft, insbesondere zu prüfen, ob sie nicht die Kohärenz der betreffenden Rechtsvorschriften beeinträchtigt, indem sie zu einem Ergebnis führt, das dem verfolgten Ziel widerspricht.

107 Dazu ist zunächst festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Übergangsmaßnahme nur auf Lotterien und nicht auf andere Arten von Glücksspielen Anwendung findet.

108 Sodann ergibt sich aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts, dass diese Übergangsmaßnahme lediglich bezweckt, bestimmten Wirtschaftsteilnehmern, die in dem betreffenden Bundesland bislang rechtmäßig Lotterien über das Internet angeboten haben, eine Umstellung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen, nachdem das Verbot ihrer ursprünglichen Tätigkeit in Kraft getreten ist, und dass sie auf die Dauer eines Jahres befristet ist, was unter diesem Blickwinkel nicht als unangemessen angesehen werden kann.

109 Schließlich ist noch hervorzuheben, dass zum einen aus § 25 Abs. 6 GlüStV und § 9 GlüStV AG hervorgeht, dass die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer während der Übergangsfrist zur Einhaltung einer Reihe von Voraussetzungen hinsichtlich des Ausschlusses minderjähriger und gesperrter Spieler, der Einsatzgrenzen, der Modalitäten und der Häufigkeit des Spielangebots sowie zum Einsatz sozialer Maßnahmen verpflichtet sind, und dass zum anderen nach den Angaben, die das Land Schleswig-Holstein vor dem Gerichtshof gemacht hat, alle eventuell betroffenen Lotterieveranstalter diskriminierungsfrei in den Genuss der Übergangsmaßnahme kommen können.

110 Daher ist nicht ersichtlich, dass eine solche Übergangsfrist, die durch Erwägungen der Rechtssicherheit gerechtfertigt erscheint (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 2008, ASM Brescia, C‑347/06, Slg. 2008, I‑5641, Randnrn. 68 bis 71), die Kohärenz der Maßnahme, mit der das Anbieten von Glücksspielen im Internet verboten wird, und ihre Eignung zur Erreichung der mit ihr verfolgten legitimen Ziele zu beeinträchtigen vermag (vgl. entsprechend zu einer vorübergehenden Ausnahme von einem Verbot des Betriebs von Apotheken durch Personen, die keine Apotheker sind, Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a., C‑171/07 und C‑172/07, Slg. 2009, I‑4171, Randnrn. 45 bis 50).

111 Nach alledem ist auf die vierte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin gehend auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, die das Veranstalten und das Vermitteln von Glücksspielen im Internet untersagt, um übermäßige Ausgaben für das Spielen zu verhindern, die Spielsucht zu bekämpfen und die Jugend zu schützen, grundsätzlich als zur Verfolgung solcher legitimer Ziele geeignet angesehen werden kann, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt. Dass das Verbot mit einer Übergangsmaßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verbunden ist, lässt seine Eignung unberührt.

Kosten

112 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 49 EG ist dahin gehend auszulegen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der über das Internet Sportwetten in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem er ansässig ist, anbieten möchte, nicht allein deshalb aus dem Anwendungsbereich dieser Bestimmung herausfällt, weil er nicht über eine Erlaubnis verfügt, solche Wetten Personen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats seiner Niederlassung anzubieten, sondern nur über eine Erlaubnis, diese Dienstleistungen Personen im Ausland anzubieten.

2. Art. 49 EG ist dahin gehend auszulegen, dass, wenn ein regionales staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien errichtet wurde, mit dem das Ziel verfolgt wird, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, und ein nationales Gericht sowohl feststellt,

dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch,

dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren,

das nationale Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben kann, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

Dass die Glücksspiele, die Gegenstand des genannten Monopols sind, in die Zuständigkeit der regionalen Behörden fallen, während für die anderen Arten von Glücksspielen die Bundesbehörden zuständig sind, ist dabei unerheblich.

3. Art. 49 EG ist dahin gehend auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat eingeführte Regelung, nach der das Angebot bestimmter Arten von Glücksspielen einer vorherigen behördlichen Erlaubnis bedarf, als eine in den durch Art. 49 EG gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehr eingreifende Regelung nur dann den Anforderungen dieser Bestimmung genügen kann, wenn sie auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzen, damit diese nicht willkürlich erfolgen kann. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden einschränkenden Maßnahme betroffen ist, ein effektiver gerichtlicher Rechtsbehelf offenstehen.

4. Art. 49 EG ist dahin gehend auszulegen, dass eine nationale Regelung, die das Veranstalten und das Vermitteln von Glücksspielen im Internet untersagt, um übermäßige Ausgaben für das Spielen zu vermeiden, die Spielsucht zu bekämpfen und die Jugendlichen zu schützen, grundsätzlich als zur Verfolgung solcher legitimer Ziele geeignet angesehen werden kann, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt. Dass das Verbot mit einer Übergangsmaßnahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verbunden ist, lässt seine Eignung unberührt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

Pressemitteilung Nr: 78/10 des Europäischen Gerichtshofs