URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
15. September 2011(*)
„Freier Dienstleistungsverkehr – Niederlassungsfreiheit – Nationale Regelung, die ein Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele vorsieht – Zulässigkeitsvoraussetzungen – Expansionistische Geschäftspolitik – In anderen Mitgliedstaaten durchgeführte Kontrollen der Glücksspielanbieter – Vergabe des Monopols an eine privatrechtliche Gesellschaft – Möglichkeit der Erlangung des Monopols nur für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland – An den Inhaber des Monopols gerichtetes Verbot, außerhalb des Sitzmitgliedstaats einen Filialbetrieb zu errichten“
In der Rechtssache C‑347/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bezirksgericht Linz (Österreich) mit Entscheidung vom 10. April 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 31. August 2009, in dem Strafverfahren gegen
Jochen Dickinger,
Franz Ömer
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), L. Bay Larsen, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von Herrn Dickinger und Herrn Ömer, vertreten durch Rechtsanwälte W. Denkmair und O. Plöckinger,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und J. Bauer als Bevollmächtigte,
– der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von A. Hubert und P. Vlaemminck, avocats,
– der griechischen Regierung, vertreten durch E.‑M. Mamouna, M. Tassopoulou und G. Papadaki als Bevollmächtigte,
– der maltesischen Regierung, vertreten durch A. Buhagiar und J. Borg als Bevollmächtigte,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. Barros als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Traversa und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. März 2011
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Strafverfahren gegen Herrn Dickinger und Herrn Ömer wegen des Vorwurfs, dass die von ihnen geführte Gesellschaft österreichischen Rechts bet-at-home.com Entertainment GmbH (im Folgenden: bet-at-home.com Entertainment) nicht die österreichischen Rechtsvorschriften über den Betrieb von Glücksspielen, insbesondere in Bezug auf das Anbieten von Kasinospielen im Internet, eingehalten hat.
Rechtlicher Rahmen
3 Das Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspielwesens in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (Glücksspielgesetz, im Folgenden: GSpG) bestimmt in § 3 („Glücksspielmonopol“), dass das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten ist. Die §§ 14 und 21 GSpG sehen parallel vor, dass der Bundesminister für Finanzen Konzessionen für die Durchführung der Ausspielungen und für den Betrieb von Spielbanken erteilen kann. Sportwetten, die nicht als Glücksspiel im engeren Sinne angesehen werden, unterliegen – abgesehen von einer „Toto“ genannten Form der Totalisatorwette – nicht der Regelung des GSpG.
4 Die im Internet angebotenen Kasinospiele werden nach § 12a GSpG Ausspielungen gleichgestellt und unterliegen folglich der Konzessionsregelung für Ausspielungen anstatt der für Spielbanken. Dieser § 12a, der 1997 in das GSpG eingefügt wurde (BGBl I 69/1997), enthält hierzu die folgende Definition des Begriffs „Elektronische Lotterien“:
„Elektronische Lotterien sind Ausspielungen, bei denen der Spielvertrag über elektronische Medien abgeschlossen, die Entscheidung über Gewinn oder Verlust zentralseitig herbeigeführt oder zur Verfügung gestellt wird und der Spielteilnehmer unmittelbar nach Spielteilnahme vom Ergebnis dieser Entscheidung Kenntnis erlangen kann“.
5 Eine Konzession für die Durchführung der Ausspielungen darf nach § 14 Abs. 2 GSpG nur einem Konzessionswerber erteilt werden, der
„1. eine Kapitalgesellschaft mit dem Sitz im Inland ist,
2. keine Eigentümer (Gesellschafter) hat, die über einen beherrschenden Einfluss verfügen und durch deren Einfluss eine Zuverlässigkeit in ordnungspolitischer Hinsicht nicht gewährleistet ist,
3. einen Aufsichtsrat und ein eingezahltes Stamm- bzw. Grundkapital von zumindest 109 Millionen Euro hat, wobei die rechtmäßige Mittelherkunft in geeigneter Art und Weise nachzuweisen ist,
4. Geschäftsleiter bestellt, die auf Grund entsprechender Vorbildung fachlich geeignet sind, über die für den ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen verfügen und gegen die kein Ausschließungsgrund nach § 13 der Gewerbeordnung 1973 … vorliegt, und
5. auf Grund der Umstände (insbesondere Erfahrungen, Kenntnisse und Eigenmittel) erwarten lässt, dass er für den Bund den besten Abgabenertrag (Konzessionsabgabe und Wettgebühren) erzielt sowie
6. bei dem die Struktur des allfälligen Konzerns, dem der oder die Eigentümer, die eine qualifizierte Beteiligung an dem Unternehmen halten, angehören, eine wirksame Aufsicht über den Konzessionär nicht behindert.“
6 Die Konzession kann nach § 14 Abs. 3 Z 1 GSpG für eine Dauer von höchstens 15 Jahren erteilt werden.
7 Solange eine Konzession für Ausspielungen aufrecht ist, dürfen gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 GSpG weitere Konzessionen nicht erteilt werden.
8 Treten mehrere Konzessionswerber, die die in § 14 Abs. 2 GSpG genannten Voraussetzungen erfüllen, gleichzeitig auf, so hat der Bundesminister für Finanzen nach § 14 Abs. 5 Satz 2 GSpG auf der Grundlage des in § 14 Abs. 2 Z 5 GSpG aufgestellten Kriteriums zu entscheiden, so dass er die Konzession demjenigen Konzessionswerber erteilen muss, der erwarten lässt, dass er für den Bund den besten Abgabenertrag erzielt.
9 Nach § 15 Abs. 1 GSpG darf der Konzessionär keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten. Außerdem bedarf der Erwerb von qualifizierten Beteiligungen an anderen Gesellschaften durch den Konzessionär einer Bewilligung des Bundesministers für Finanzen. Nach § 15a GSpG ist eine solche Bewilligung auch für die Erweiterung des Geschäftsgegenstands eines Konzessionärs erforderlich und nur dann zu erteilen, wenn keine Beeinträchtigung des Aufkommens des Bundes aus der Konzessionsabgabe oder aus Wettgebühren zu erwarten ist.
10 § 16 GSpG verpflichtet den Konzessionär für die ihm übertragenen Glücksspiele Spielbedingungen aufzustellen. Diese Bedingungen, die der vorherigen Bewilligung des Bundesministers für Finanzen bedürfen, werden im Amtsblatt zur Wiener Zeitung verlautbart und in den Geschäftslokalen des Konzessionärs und bei seinen Vertriebsstellen zur Einsicht aufgelegt.
11 Der Konzessionär hat nach § 18 Abs. 1 GSpG dem Bundesminister für Finanzen jährlich die Identität der Personen mitzuteilen, die am Grund- oder Stammkapital des Unternehmens beteiligt sind. Ferner unterliegt er nach § 19 Abs. 1 GSpG einer Überwachung durch den Bundesminister für Finanzen. Dieser ist zu diesem Zweck u. a. befugt, in die Bücher und Schriften des Konzessionärs Einsicht zu nehmen, Überprüfungen an Ort und Stelle vorzunehmen oder durch Abschlussprüfer oder sonstige sachverständige Personen vornehmen zu lassen. Die Kosten der Überwachung trägt der Konzessionär. Sie werden ihm jährlich vom Bundesminister für Finanzen zur Zahlung vorgeschrieben.
12 § 19 Abs. 2 GSpG sieht außerdem vor, dass der Bundesminister für Finanzen einen Staatskommissär bestellt, der nach § 26 des Kreditwesengesetzes (BGBl 63/1979) befugt ist, an den Hauptversammlungen und Aufsichtsratssitzungen des Konzessionärs teilzunehmen. Der Staatskommissionär muss Beschäftigter einer Gebietskörperschaft, Rechtsanwalt oder Wirtschaftstreuhänder sein. Er ist den Weisungen des Bundesministers für Finanzen unterworfen und kann von ihm jederzeit abberufen werden. Seine Aufgabe liegt insbesondere darin, gegen Beschlüsse der Gesellschaftsorgane, die er für rechtswidrig erachtet, Einspruch zu erheben. Durch einen solchen Einspruch wird die Wirksamkeit des jeweiligen Beschlusses bis zur Entscheidung der zuständigen Behörden aufgeschoben.
13 Nach § 19 Abs. 3 GSpG haben der Bundesminister für Finanzen und die Bundes-Sportorganisation das Recht, je ein Mitglied des Aufsichtsrats des Konzessionärs vorzuschlagen.
14 § 19 Abs. 4 GSpG verpflichtet den Konzessionär, dem Bundesminister für Finanzen den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Konzernabschluss sowie die Prüfungsberichte der Buchprüfer über diese Dokumente innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des jeweiligen Geschäftsjahrs vorzulegen.
15 In den §§ 17 und 20 GSpG geht es um die Verwendung der Einkünfte aus den Glücksspielen. § 17 Abs. 3 Z 6 setzt die Konzessionsabgabe für elektronische Lotterien auf 24 % der Jahresbruttoeinnahmen abzüglich der Gewinnausschüttungen fest. Nach § 20 GSpG werden 3 % der Einkünfte aus Ausspielungen für die Sportförderung eingesetzt, wobei dieser Betrag 40 Millionen Euro nicht unterschreiten darf.
16 Die §§ 21 bis 31 GSpG enthalten ähnliche Bestimmungen, in denen die Erteilung von zwölf Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken, die Überwachung der Konzessionäre und der Ablauf der Kasinospiele geregelt sind.
17 Die Veranstaltung von Glücksspielen zu Erwerbszwecken durch eine Person, die keine Konzession hierfür besitzt, wird in Österreich strafrechtlich verfolgt. Nach § 168 Abs. 1 des österreichischen Strafgesetzbuchs (im Folgenden: StGB) ist zu bestrafen, „[w]er ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden“. Die Strafen sind Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafen von bis zu 360 Tagessätzen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
18 Die Österreichische Lotterien GmbH (im Folgenden: Österreichische Lotterien) ist eine privatrechtliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 16. März 1995 erhielt sie die Alleinkonzession für die Durchführung der Ausspielungen in Österreich für einen Zeitraum vom 1. Dezember 1994 bis 31. Dezember 2004. Nach der Einführung von „elektronischen Lotterien“ durch Einfügung des § 12a in das GSpG im Jahr 1997 wurde die Konzession dieser Gesellschaft mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 2. Oktober 1997 auf diese Art von Ausspielungen erstreckt und bis zum Jahr 2012 verlängert. Die Dauer der Konzession wurde mit der gesetzlich höchstzulässigen Zeitspanne von 15 Jahren für den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 30. September 2012 festgesetzt.
19 Mehrheitsaktionär von Österreichische Lotterien ist die Casinos Austria AG (im Folgenden: Casinos Austria), eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, die Inhaberin der zwölf vom GSpG vorgesehenen Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken ist (vgl. hierzu Urteil vom 9. September 2010, Engelmann, C‑64/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 13 bis 15). Im entscheidungserheblichen Zeitraum befand sich ein Drittel der das Gesellschaftskapital von Casinos Austria bildenden Aktien mittelbar im Besitz des Staates, die übrigen Aktien wurden von privaten Anlegern gehalten.
20 Herr Dickinger und Herr Ömer sind österreichische Staatsbürger und Gründer der multinationalen Gruppe für Online‑Spiele bet‑at‑home.com. Die Muttergesellschaft dieser Gruppe ist die Gesellschaft deutschen Rechts bet‑at‑home.com AG mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland).
21 Eine der Tochtergesellschaften der bet-at-home.com AG ist die Gesellschaft österreichischen Rechts bet-at-home.com Entertainment mit Sitz in Linz (Österreich), die auf dem Gebiet der „Dienstleistungen mit automatischer Datenverarbeitung und Informationstechnik“ tätig ist. Herr Dickinger und Herr Ömer sind die Geschäftsführer der bet-at-home.com Entertainment. Diese Gesellschaft verfügt über eine österreichische Lizenz, die es ihr erlaubt, Sportwetten anzubieten.
22 Zur bet-at-home.com Entertainment gehört die Tochtergesellschaft maltesischen Rechts bet-at-home.com Holding Ltd, die ihrerseits drei Tochtergesellschaften hat, nämlich die Gesellschaften maltesischen Rechts bet-at-home.com Internet Ltd, bet-at-home.com Entertainment Ltd und bet-at-home.com Internationale Ltd (im Folgenden zusammen: maltesische Tochtergesellschaften).
23 Zwei der maltesischen Tochtergesellschaften bieten über das Internet auf der Seite www.bet-at-home.com Glücksspiele und Sportwetten an. Sie verfügen dabei über eine aufrechte maltesische „Class One Remote Gaming License“ für Online‑Glücksspiele und über eine aufrechte maltesische „Class Two Remote Gaming License“ für Online‑Sportwetten. Die Internetseite wird in den Sprachen Spanisch, Deutsch, Griechisch, Englisch, Italienisch, Ungarisch, Niederländisch, Polnisch, Slowenisch, Russisch und Türkisch, nicht aber auf Maltesisch angeboten. Auf dieser Internetseite werden insbesondere Kasinospiele wie Poker, Black Jack, Baccarat und Roulette sowie Glücksspiele an virtuellen Spielautomaten angeboten. All diese Spiele können mit unbegrenzt hohen Einsätzen gespielt werden.
24 Die Internetseite www.bet‑at‑home.com wird ausschließlich von den maltesischen Tochtergesellschaften betrieben. Sie führen die fraglichen Spiele durch und sind Inhaber der Lizenzen für die Software, die für den Betrieb der Spieleplattform erforderlich ist.
25 Die maltesischen Tochtergesellschaften bedienten sich zumindest bis Dezember 2007 eines Servers mit Standort in Linz, der ihnen von der bet‑at‑home.com Entertainment zur Verfügung gestellt wurde, die auch die Internetseite und die für die Spiele erforderliche Software wartete und den Kundensupport übernahm.
26 Gegen Herrn Dickinger und Herrn Ömer in ihrer Funktion als Geschäftsführer der bet‑at‑home.com Entertainment wurden Strafverfahren wegen Handlungen eröffnet, die gegen § 168 Abs. 1 StGB verstoßen sollen. Der Strafantrag lautet:
„[Herr] Dickinger und [Herr] Ömer haben als Entscheidungsträger der bet‑at‑home.com Entertainment … ab 1.1.2006 bis dato das Vergehen des Glücksspiels nach § 168 Abs. 1 StGB zu Gunsten [der bet‑at‑home.com Entertainment] dadurch begangen, dass sie Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängen oder die ausdrücklich verboten sind, nämlich diverse Pokerarten (Texas Hold’Em, Seven Card Stud etc.), Black Jack, Baccarat, Tischspiele wie Roulette sowie virtuelle ‚einarmige Banditen‘ mit unbegrenzt hohen Spieleinsätzen über das Internet anboten, um sich oder einem anderen, nämlich insbesondere [der bet‑at‑home.com Entertainment], einen Vermögensvorteil zuzuwenden.“
27 Herr Dickinger und Herr Ömer machten einen Verstoß der anwendbaren nationalen Glücksspielregelung gegen die Art. 43 EG und 49 EG geltend.
28 Das vorlegende Gericht hegt Zweifel, ob die Bestimmungen des StGB in Verbindung mit den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden österreichischen Glücksspielvorschriften, insbesondere in Anbetracht der vom vorlegenden Gericht als „offensiv“ angesehenen Werbung von Casinos Austria für ihr Glücksspielangebot, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
29 Unter diesen Umständen hat das Bezirksgericht Linz das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Sind die Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen, dass sie einer mitgliedstaatlichen Regelung wie jener von § 3 in Verbindung mit §§ 14 f und 21 GSpG grundsätzlich entgegenstehen, wonach
– eine Konzession für Ausspielungen (z. B. Lotterien, elektronische Lotterien usw.) nur einem einzigen Konzessionswerber für eine Dauer bis zu 15 Jahren erteilt werden darf, der u. a. eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland zu sein hat, keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten darf, über ein eingezahltes Stamm- bzw. Grundkapital von mindestens 109 000 000 Euro verfügen muss und aufgrund der Umstände erwarten lässt, für den Bund den besten Abgabenertrag zu erzielen;
– eine Konzession für Spielbanken nur an höchstens zwölf Konzessionswerber für eine Dauer bis zu 15 Jahren erteilt werden darf, die u. a. eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland zu sein haben, keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten dürfen, über ein eingezahltes Grundkapital von 22 000 000 Euro verfügen müssen und aufgrund der Umstände erwarten lassen, für die Gebietskörperschaften den besten Abgabenertrag zu erzielen?
Diese Fragen stellen sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Casinos Austria Inhaber aller zwölf Spielbankenkonzessionen ist, welche am 18. Dezember 1991 für die Höchstdauer von 15 Jahren erteilt und in der Zwischenzeit ohne öffentliche Ausschreibung oder Bekanntgabe verlängert wurden.
b) Wenn ja, kann eine solche Regelung auch dann aus Gründen des Allgemeininteresses an einer Begrenzung der Wetttätigkeit gerechtfertigt werden, wenn die Konzessionsinhaber in einer quasimonopolistischen Struktur ihrerseits durch intensiven Werbeaufwand eine expansionistische Politik im Bereich des Glücksspiels betreiben?
c) Wenn ja, ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer solchen Regelung, die das Ziel verfolgt, dadurch Straftaten vorzubeugen, indem die auf diesem Gebiet tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer Kontrolle unterworfen und Glücksspieltätigkeiten so in Bahnen gelenkt werden, die diesen Kontrollen unterliegen, vom vorliegenden Gericht zu beachten, dass dadurch auch grenzüberschreitende Dienstleistungsanbieter erfasst werden, die ohnehin im Mitgliedstaat der Niederlassung mit ihrer Konzession verbundenen strengen Auflagen und Kontrollen unterliegen?
2. Sind die Grundfreiheiten des EG‑Vertrags, insbesondere der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 49 EG, dahin gehend auszulegen, dass ungeachtet der fortbestehenden grundsätzlich mitgliedstaatlichen Zuständigkeit zur Regelung der Strafrechtsordnung auch eine mitgliedstaatliche Strafbestimmung dann am Gemeinschaftsrecht zu messen ist, wenn sie die Ausübung einer der Grundfreiheiten zu unterbinden oder zu behindern geeignet ist?
3. a) Ist Art. 49 EG in Verbindung mit Art. 10 EG dahin gehend auszulegen, dass die im Niederlassungsstaat eines Dienstleistungserbringers durchgeführten Kontrollen und dort geleisteten Sicherheiten im Sinne des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens im Staat der Dienstleistungserbringung zu berücksichtigen sind?
b) Wenn ja, ist Art. 49 EG weiters dahin gehend auszulegen, dass im Fall einer aus Gründen des Allgemeininteresses vorgenommenen Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darauf zu achten ist, ob diesem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften, Kontrollen und Überprüfungen ausreichend Rechnung getragen wird, denen der Dienstleistende in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist?
c) Wenn ja, ist bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Bestimmung, die das grenzüberschreitende Anbieten von Glücksspieldienstleistungen ohne inländische Lizenz mit Strafe bedroht, zu berücksichtigen, dass den vom Staat der Dienstleistungserbringung zur Rechtfertigung der Beschränkung der Grundfreiheit herangezogenen ordnungspolitischen Interessen schon im Staat der Niederlassung durch ein strenges Zulassungs- und Aufsichtsverfahren ausreichend Rechnung getragen wird?
d) Wenn ja, hat das vorliegende Gericht dabei im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer solchen Beschränkung zu berücksichtigen, dass die betreffenden Vorschriften in dem Staat, in dem der Dienstleistende ansässig ist, an Kontrolldichte über jene des Staates der Dienstleistungserbringung sogar hinausgehen?
e) Erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Falle eines aus ordnungspolitischen Gründen wie dem Spielerschutz und der Kriminalitätsbekämpfung vorgenommenen strafbewehrten Verbots des Glücksspiels weiters, dass vom vorlegenden Gericht eine Unterscheidung vorgenommen wird zwischen jenen Anbietern einerseits, die ohne jegliche Genehmigung Glücksspiele anbieten, und jenen andererseits, die in anderen Mitgliedstaaten der Union niedergelassen und konzessioniert sind und unter Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungsfreiheit tätig werden?
f) Ist schließlich bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Bestimmung, die das grenzüberschreitende Anbieten von Glücksspieldienstleistungen ohne inländische Konzession oder Genehmigung unter Strafdrohung verbietet, zu berücksichtigen, dass es einem ordnungsgemäß in einem anderen Mitgliedstaat lizenzierten Anbieter von Glücksspielen aufgrund objektiver mittelbar diskriminierender Zugangsschranken nicht möglich war, eine inländische Lizenz zu erlangen, und das Lizenzierungs- und Aufsichtsverfahren im Staat der Niederlassung ein dem innerstaatlichen zumindest vergleichbares Schutzniveau aufweist?
4. a) Ist Art. 49 EG dahin gehend auszulegen, dass der vorübergehende Charakter der Dienstleistungserbringung für den Dienstleistenden die Möglichkeit ausschließen würde, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (wie etwa einem Server) auszustatten, ohne ihn als in diesem Mitgliedstaat niedergelassen anzusehen?
b) Ist Art. 49 EG weiters dahin gehend auszulegen, dass ein an inländische Supportleister gerichtetes Verbot, einem Dienstleister, der seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, die Erbringung seiner Dienstleistung zu erleichtern, auch dann eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dieses Dienstleistungserbringers darstellt, wenn die Supportleister in demselben Mitgliedstaat wie ein Teil der Empfänger der Dienstleistung ansässig sind?
Zu den Vorlagefragen
Zur zweiten Frage
30 Mit seiner zweiten Frage, die als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Regelung eines Mitgliedstaats, die Zuwiderhandlungen gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie dasjenige, das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehen ist, unter Strafe stellt, mit den durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten und insbesondere mit Art. 49 EG vereinbar sein muss.
31 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 45 bis 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, setzt das Unionsrecht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Strafrechts Schranken, denn Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet dürfen u. a. nicht die durch das Unionsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Februar 1989, Cowan, 186/87, Slg. 1989, 195, Randnr. 19, und vom 19. Januar 1999, Calfa, C‑348/96, Slg. 1999, I‑11, Randnr. 17).
32 Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass das Unionsrecht und insbesondere Art. 49 EG einer Regelung, die den Verstoß gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehene Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele unter Strafe stellt, entgegenstehen, wenn eine solche Regelung nicht mit den Bestimmungen dieses Rechts vereinbar ist.
Zur vierten Frage
33 Mit seiner vierten Frage, die als Zweites zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht klären lassen, welche Grundfreiheiten bei den Beschränkungen zu beachten sind, die den maltesischen Tochtergesellschaften von den im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften auferlegt werden. Es möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 49 EG dahin auszulegen ist, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer
– sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV‑Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat, was zu einer Anwendung der Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit führen könnte, und
– Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen den Verbrauchern in diesem Mitgliedstaat zu erbringen, was dazu führen könnte, dass Art. 49 EG nicht anwendbar wäre.
34 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 57 bis 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die Tatsache, dass ein Anbieter von Internet-Glücksspielen auf Sachmittel für die Kommunikation zurückgreift, die von einem im Aufnahmemitgliedstaat niedergelassenen Drittunternehmen zur Verfügung gestellt werden, für sich allein nicht zum Nachweis geeignet, dass dieser Anbieter in diesem Staat über eine feste Niederlassung vergleichbar einer Agentur verfügt, was zu einer Anwendung der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit führen würde.
35 Um von einer Niederlassung im Sinne des Vertrags sprechen zu können, muss nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Geschäftsbeziehung zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist, und Wirtschaftsteilnehmern oder Vermittlern, die im Aufnahmemitgliedstaat ansässig sind, die Möglichkeit für diesen Wirtschaftsteilnehmer in sich bergen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben in diesem Aufnahmemitgliedstaat teilzunehmen, und daher so ausgestaltet sein, dass sie den Kunden gestattet, die angebotenen Dienste mittels einer ständigen Präsenz in diesem Aufnahmemitgliedstaat in Anspruch zu nehmen, die durch ein einfaches Büro wahrgenommen werden kann, das gegebenenfalls von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer wie eine Agentur für diesen Wirtschaftsteilnehmer zu handeln (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2010, Stoß u. a., C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 59 und 60).
36 Jedoch steht fest, dass die bet-at-home.com Entertainment, die mitnichten beauftragt ist, auf Dauer für die maltesischen Tochtergesellschaften auf dem Glücksspielmarkt in Österreich zu handeln, nicht in die Beziehung zwischen diesen Tochtergesellschaften und deren Kunden eingreift. Die Internet-Plattform www.bet-at-home.com wird ausschließlich von den maltesischen Tochterfirmen betrieben, die für die Durchführung der Spiele zuständig sind und mit denen die Kunden entsprechende Verträge abschließen. Unter diesen Bedingungen könnten die von der bet‑at‑home.com Entertainment erbrachten EDV-Supportleistungen einem anderen Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat anvertraut werden, ohne dass die österreichischen Kunden dies überhaupt bemerkten.
37 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich außerdem, dass Art. 49 EG auf einen Glücksspielanbieter, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist und seine Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anbietet, auch dann anwendbar ist, wenn er dafür Dienste von Vermittlern in Anspruch nimmt, die in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen (Urteil vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031, Randnr. 58). Diese Bestimmung findet erst recht Anwendung, wenn der Glücksspielanbieter keine Dienste von Vermittlern in Anspruch nimmt, sondern sich bloß eines Erbringers von EDV-Supportleistungen im Aufnahmemitgliedstaat bedient.
38 Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin auszulegen ist, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer
– sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV‑Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat und
– EDV‑Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen Verbrauchern zu erbringen, die ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässig sind.
Zur ersten und zur dritten Frage
39 Die erste und die dritte Frage, die zusammen zu prüfen sind, betreffen die Voraussetzungen, unter denen Art. 49 EG die Errichtung eines Monopols für die Durchführung von Internet-Kasinospielen zugunsten eines einzigen Anbieters wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erlaubt.
40 Für eine sachgerechte Beantwortung dieser Fragen ist als Erstes auf die Voraussetzungen hinzuweisen, unter denen Art. 49 EG die Errichtung eines Glücksspielmonopols wie des im Ausgangsverfahren fraglichen erlaubt. Als Zweites ist zu prüfen, ob die Verfolgung einer expansionistischen Geschäftspolitik durch die mit einem Glücksspielmonopol betraute Einrichtung mit den von der Monopolregelung verfolgten Zielen im Einklang stehen kann. Als Drittes sind dem vorlegenden Gericht Hinweise zu der Frage zu geben, ob eine Reihe von speziellen Beschränkungen, die dem Inhaber des Monopols von der nationalen Regelung auferlegt werden und seine Rechtsform, die Höhe seines Gesellschaftskapitals, den Ort seines Sitzes und die Möglichkeit betreffen, Filialbetriebe in anderen Mitgliedstaaten zu errichten, mit Art. 49 EG vereinbar ist. Als Letztes ist zu prüfen, welche Bedeutung die in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen der Glücksspielanbieter und die dort geleisteten Sicherheiten für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der restriktiven Maßnahmen haben, die von einem Mitgliedstaat verhängt werden, der Glücksspiele in Verfolgung eines oder mehrerer der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannten Ziele reglementieren möchte.
41 Eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die des Ausgangsverfahrens, die die Veranstaltung und die Förderung von Glücksspielen einer Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines einzigen Anbieters unterwirft und es allen anderen – auch den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen – Anbietern untersagt, im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats von dieser Regelung erfasste Dienstleistungen über das Internet anzubieten, stellt eine Beschränkung des in Art. 49 EG verbürgten freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange, C‑203/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 22 und 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs kann jedoch im Rahmen der Ausnahmeregelungen, die in den nach Art. 55 EG auf diesem Gebiet anwendbaren Art. 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (Urteile vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633, Randnrn. 55 und 56, und vom 30. Juni 2011, Zeturf, C‑212/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37).
43 Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist zunächst festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 49 EG nicht vereinbar ist (Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891, Randnrn. 63 und 69).
Zu den Voraussetzungen für die Errichtung eines Glücksspielmonopols
44 Zu den gegebenenfalls zulässigen Rechtfertigungen hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich die Ziele, die mit den im Glücksspiel- und Wettbereich erlassenen nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werden, bei einer Gesamtbetrachtung meist auf den Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher sowie auf den Schutz der Sozialordnung beziehen. Der Gerichtshof hat ferner hervorgehoben, dass solche Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die Eingriffe in den freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen können (Urteil Stoß u. a., Randnr. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Zudem hat der Gerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Glücksspielen und Wetten einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft es rechtfertigen können, den staatlichen Stellen ein ausreichendes Ermessen zuzuerkennen, um im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (Urteil Stoß u. a., Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen (Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 58).
47 Somit steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 59).
48 Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, kann, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, diesen erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile Stoß u. a., Randnrn. 81 und 83, und Zeturf, Randnr. 41).
49 Den Behörden eines Mitgliedstaats steht es nämlich frei, den Standpunkt zu vertreten, dass die Tatsache, dass sie als Kontrollinstanz der mit dem Monopol betrauten Einrichtung über zusätzliche Mittel verfügen, mit denen sie deren Verhalten außerhalb der gesetzlichen Regulierungsmechanismen und Kontrollen beeinflussen können, ihnen eine bessere Beherrschung des Glücksspielangebots und bessere Effizienzgarantien bei der Durchführung ihrer Politik zu gewährleisten vermag, als es bei der Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten durch private Anbieter, die im Wettbewerb stehen, der Fall wäre, selbst wenn diese eine Erlaubnis benötigten und einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterlägen (Urteil Stoß u. a., Randnr. 82).
50 Gleichwohl müssen die Beschränkungen durch die Mitgliedstaaten den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen, was die nationalen Gerichte zu prüfen haben (Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnrn. 59 und 60, und Stoß u. a., Randnrn. 77 und 78).
51 Es ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen einer Rechtssache, mit der der Gerichtshof nach Art. 267 AEUV befasst worden ist, für die Klärung der Frage, welche Ziele mit den nationalen Rechtsvorschriften tatsächlich verfolgt werden, das vorlegende Gericht zuständig ist.
52 Nach Ansicht der österreichischen Regierung dient die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung zum einen der Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere durch den Schutz der Glücksspieler vor Betrug und anderen Straftaten, und zum anderen dem Schutz vor übermäßigen Spielausgaben durch die Einführung adäquater Spielerschutzmaßnahmen wie z. B. der verpflichtenden Eingabe persönlicher Einsatzlimits und trägt damit allgemein zum Schutz der Sozialordnung bei.
53 Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung machen hingegen geltend, dass sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des GSpG ergebe, dass dessen Hauptziel die Erhöhung der durch Glücksspiele erzielten Staatseinnahmen sei. Insbesondere werde die Konzession nach § 14 Abs. 5 GSpG regelmäßig demjenigen Konzessionswerber erteilt, der erwarten lasse, dass er für den Bund den besten Abgabenertrag erziele. Außerdem bedürfe jede räumliche oder materielle Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Konzessionärs einer Bewilligung des Bundesministers für Finanzen, die nur erteilt werden dürfe, wenn keine Beeinträchtigung des Aufkommens des Bundes zu erwarten sei.
54 Die Prüfung, ob die nationalen Behörden im entscheidungserheblichen Zeitraum tatsächlich bestrebt waren, im Hinblick auf die geltend gemachten Ziele ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, und ob die Errichtung eines Monopols im Licht dieses angestrebten Schutzniveaus tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte, ist Sache des vorlegenden Gerichts (Urteil Zeturf, Randnr. 47). In diesem Zusammenhang obliegt es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt (Urteil Stoß u. a., Randnr. 71).
55 Das Ziel, die Einnahmen der Staatskasse zu maximieren, kann hierbei für sich allein eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen.
56 In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, sich im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne Urteil Stoß u. a., Randnrn. 88, 97 und 98).
57 Das vorlegende Gericht wird folglich u. a. unter Berücksichtigung der Entwicklung des Glücksspielmarkts in Österreich prüfen müssen, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Inhabers des Monopols gewährleisten können, dass dieser tatsächlich in der Lage sein wird, die geltend gemachten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 2010, Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, C‑258/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37, und Stoß u. a., Randnr. 83).
58 Ferner ist für die Beurteilung der Art und Weise, in der diese Ziele verfolgt werden, die vom Inhaber des Monopols verfolgte Geschäftspolitik von gewisser Bedeutung.
Zur Verfolgung einer expansionistischen Geschäftspolitik durch die mit einem Glücksspielmonopol betraute Einrichtung
59 Das vorlegende Gericht äußert Zweifel daran, dass das mit der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung errichtete Monopol angesichts der expansionistischen Politik, die der Inhaber des Monopols durch intensiven Werbeaufwand betreibe, als geeignet angesehen werden könne, die Verwirklichung des Ziels der Vermeidung von Anreizen für übermäßige Spielausgaben und der Bekämpfung der Spielsucht zu gewährleisten.
60 Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung vertreten hierzu die Auffassung, dass das österreichische System, vor allem über die Internet-Spieleplattform www.win2day.at, die von Österreichische Lotterien ins Leben gerufen worden sei und deren Einnahmen die aller herkömmlichen Spielbanken bei Weitem überstiegen hätten, eine stete Ausweitung des Glücksspielangebots und eine stete Steigerung der Ausgaben für eine an immer neue Zielgruppen, vor allem auch junge Menschen gerichtete Werbung, ermöglicht habe.
61 Hierzu ist festzustellen, dass eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit eines mit ausschließlichen Rechten im Glücksspielbereich ausgestatteten Anbieters sowie eine wesentliche Steigerung der Einnahmen, die er damit erzielt, besondere Aufmerksamkeit bei der Prüfung des kohärenten und systematischen Charakters der fraglichen Regelung und somit ihrer Geeignetheit für die Verfolgung der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannten Ziele erfordert. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass die Finanzierung gemeinnütziger Tätigkeiten mit den Einnahmen aus Glücksspielen nicht das eigentliche Ziel einer in diesem Sektor betriebenen restriktiven Politik sein darf, sondern nur als eine nützliche Nebenfolge angesehen werden kann (vgl. u. a. Urteile vom 24. März 1994, Schindler, C‑275/92, Slg. 1994, I‑1039, Randnrn. 57 und 60, vom 21. September 1999, Läärä u. a., C‑124/97, Slg. 1999, I‑6067, Randnrn. 32 und 37, vom 21. Oktober 1999, Zenatti, C‑67/98, Slg. 1999, I‑7289, Randnrn. 35 und 36, und Gambelli u. a., Randnrn. 61 und 62).
62 Ein Mitgliedstaat kann sich daher nicht auf Gründe der öffentlichen Ordnung berufen, die sich auf die Notwendigkeit einer Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel beziehen, wenn die Behörden dieses Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Glücksspielen teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen (vgl. in diesem Sinne Urteil Gambelli u. a., Randnr. 69).
63 Der Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, dass eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspieltätigkeiten mit dem Ziel im Einklang stehen kann, sie in kontrollierbare Bahnen zu lenken, indem Spielern, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, ein Anreiz gegeben wird, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Eine solche Politik kann nämlich sowohl mit dem Ziel, die Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken zu verhindern, als auch mit dem Ziel der Vermeidung von Anreizen für übermäßige Spielausgaben und der Bekämpfung der Spielsucht im Einklang stehen, indem die Verbraucher zu dem Angebot des Inhabers des staatlichen Monopols gelenkt werden, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass es frei von kriminellen Elementen und darauf ausgelegt ist, die Verbraucher besser vor übermäßigen Ausgaben und vor Spielsucht zu schützen (Urteil Stoß u. a., Randnrn. 101 und 102).
64 Um das Ziel, die Spieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, zu erreichen, müssen die zugelassenen Anbieter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu den nicht geregelten Tätigkeiten bereitstellen, was an und für sich das Anbieten einer breiten Palette von Spielen, Werbung in einem gewissen Umfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken beinhalten kann (vgl. Urteile Placanica u. a., Randnr. 55, und Stoß u. a., Randnr. 101).
65 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, in Anbetracht der Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob die Geschäftspolitik des Inhabers des Monopols sowohl hinsichtlich des Umfangs der Werbung als auch hinsichtlich der Schaffung neuer Spiele als Teil einer Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor zur wirksamen Lenkung der Spiellust in rechtmäßige Bahnen angesehen werden kann (vgl. Urteile Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, Randnr. 37, und Zeturf, Randnr. 69).
66 Im Rahmen dieser Prüfung hat das vorlegende Gericht insbesondere zu untersuchen, ob im entscheidungserheblichen Zeitraum die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich ein Problem waren und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, Randnr. 29).
67 Da das Ziel, die Verbraucher vor der Spielsucht zu schützen, grundsätzlich schwer mit einer Politik der Expansion von Glücksspielen, die insbesondere durch die Schaffung neuer Spiele und die Werbung für sie gekennzeichnet ist, vereinbar ist, kann eine solche Politik nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken (Urteil Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, Randnr. 30).
68 Jedenfalls muss die vom Inhaber eines staatlichen Monopols eventuell durchgeführte Werbung maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken. Hingegen darf eine solche Werbung nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen (Urteil Stoß u. a., Randnr. 103).
69 Insbesondere ist zu unterscheiden zwischen Strategien des Monopolinhabers, die nur die potenziellen Kunden über die Existenz der Produkte informieren und durch Lenkung der Spieler in kontrollierte Bahnen einen geordneten Zugang zu Glücksspielen sicherstellen sollen, und Strategien, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordern und anregen. Zu unterscheiden ist also zwischen einer restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll, und einer expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt.
Zur Vereinbarkeit der dem Inhaber des Monopols auferlegten spezifischen Beschränkungen mit Art. 49 EG
70 Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine Reihe von spezifischen Beschränkungen, die dem Inhaber des Monopols von der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung auferlegt werden und seine Rechtsform, die Höhe seines Gesellschaftskapitals, den Ort seines Gesellschaftssitzes und die Möglichkeit betreffen, Filialbetriebe in anderen Mitgliedstaaten als dem seines Sitzes zu errichten, mit Art. 49 EG vereinbar sind.
71 Wie der Generalanwalt in Nr. 97 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist zunächst zu beachten, dass ein Monopol, da es eine äußerst restriktive Maßnahme darstellt, auf die Gewährleistung eines besonders hohen Verbraucherschutzniveaus abzielen und daher mit der Schaffung eines normativen Rahmens einhergehen muss, der gewährleistet, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, die so festgelegten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (Urteile Stoß u. a., Randnr. 83, und Zeturf, Randnr. 58).
72 Daher ist es grundsätzlich nicht nur mit dem Unionsrecht vereinbar, dem Inhaber eines Monopols gewisse Beschränkungen aufzuerlegen, sondern nach diesem Recht auch erforderlich. Die Beschränkungen müssen außerdem mit den unionsrechtlichen Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit vereinbar sein, insbesondere müssen sie gewährleisten können, dass die mit der Schaffung einer Monopolregelung verfolgten Ziele erreicht werden, und dürfen nicht über das dafür Erforderliche hinausgehen. Dies zu prüfen ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts, doch können ihm die folgenden Hinweise dafür von Nutzen sein.
– Zur Rechtsform und zur Höhe des Gesellschaftskapitals des Inhabers des Monopols
73 Aus § 14 Abs. 2 Z 1 und 3 GSpG ergibt sich, dass der Inhaber des Monopols für den Betrieb elektronischer Lotterien eine Kapitalgesellschaft sein und über ein eingezahltes Stamm- oder Grundkapital von mindestens 109 000 000 Euro verfügen muss.
74 Die österreichische Regierung macht geltend, dass das Rechtsformerfordernis dazu diene, den Inhaber des Monopols zu einer transparenten Unternehmensstruktur zu zwingen, um Geldwäsche und Betrug vorzubeugen. Das Unionsrecht sehe für den Bereich der Versicherungswirtschaft dasselbe Rechtsformerfordernis vor. Die Höhe des Gesellschaftskapitals sei im Hinblick auf die Höhe der Gewinne, die der Inhaber des Monopols im Rahmen der verschiedenen Spiele, die er über das Internet anbieten dürfe, möglicherweise auszahlen müsse und die einen Jackpot von mehreren Millionen umfassen könnten, verhältnismäßig.
75 Herr Dickinger und Herr Ömer tragen hingegen vor, die verlangte Höhe des Gesellschaftskapitals von 109 000 000 Euro sei vor dem Hintergrund, dass in Österreich von einem Kreditinstitut nur eine Kapitaldecke von 5 000 000 Euro gefordert werde, unverhältnismäßig.
76 Wie der Gerichtshof in Randnr. 30 des Urteils Engelmann entschieden hat, kann das Erfordernis einer bestimmten Rechtsform der Glücksspielanbieter wegen der Verpflichtungen, denen bestimmte Arten von Gesellschaften u. a. in Bezug auf ihre innere Organisation, ihre Buchführung, die Kontrollen, denen sie unterzogen werden können, und ihre Beziehungen zu Dritten unterliegen, durch das Ziel der Geldwäsche- und Betrugsvorbeugung, auf das sich die österreichische Regierung im vorliegenden Fall beruft, gerechtfertigt sein.
77 Auch kann sich das Erfordernis, über ein Gesellschaftskapital in einer bestimmten Höhe zu verfügen, als nützlich erweisen, um eine gewisse Finanzkraft des Anbieters zu gewährleisten und sicherzustellen, dass er in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, die er gegenüber Gewinnern haben könnte. Doch ist zu bedenken, dass die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes u. a. erfordert, dass die auferlegte Beschränkung nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Es wird Sache des vorlegenden Gerichts sein, die Verhältnismäßigkeit des fraglichen Erfordernisses in Anbetracht anderer Möglichkeiten, sicherzustellen, dass der Anbieter die Forderungen der Gewinner erfüllt, zu prüfen.
– Zum Ort des Sitzes des Inhabers des Monopols
78 Nach § 14 Abs. 2 Z 1 GSpG muss der Inhaber des Monopols für Ausspielungen seinen Gesellschaftssitz im Inland haben.
79 Wie der Generalanwalt in Nr. 120 seiner Schlussanträge dargelegt hat, stellt dieses Erfordernis eine diskriminierende Beschränkung dar, die daher nur aus einem der in Art. 46 EG genannten Gründe, also dem Schutz der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit oder der Gesundheit, gerechtfertigt werden kann.
80 Die österreichische Regierung ist der Auffassung, dass für eine wirksame Kontrolle des Online-Glücksspiels ein Gesellschaftssitz im Inland erforderlich sei. Die österreichischen Behörden verfügten bei in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Anbietern nicht über die gleichen Kontrollmöglichkeiten. Die Anwesenheit eines Staatskommissärs in den Aufsichtsgremien des Inhabers des Monopols nach § 19 Abs. 2 GSpG ermögliche den zuständigen nationalen Behörden, die Organbeschlüsse und die Geschäftsgebarung des Inhabers des Monopols effektiv zu überwachen. Diese Behörden seien so in der Lage, sich von diesen Beschlüssen vor ihrer Umsetzung Kenntnis zu verschaffen und sie zu beeinspruchen, wenn sie gegen die Ziele der nationalen Glücksspielpolitik verstießen. Gegenüber einem Anbieter, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei, verfügten die Behörden nicht über die gleichen Möglichkeiten.
81 Wie in Randnr. 53 des vorliegenden Urteils festgestellt, machen Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung indessen insbesondere unter Berufung auf § 14 Abs. 5 GSpG geltend, dass das Hauptziel der fraglichen Rechtsvorschriften die Erhöhung der durch die Glücksspiele erzielten Staatseinnahmen sei. Zwar ist für die Auslegung dieser Bestimmung der nationalen Rechtsvorschriften das vorlegende Gericht zuständig, doch ist festzustellen, dass ein Konzessionsvergabesystem, das sich auf das Kriterium der Einnahmenmaximierung für die Staatskasse gründet und die in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich ansässigen Anbieter allein deshalb systematisch benachteiligt, weil ein Anbieter, der seinen Gesellschaftssitz in Österreich hat, möglicherweise in Österreich mehr Steuern zahlt als ein Anbieter mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, nicht als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden kann.
82 Was insbesondere das Ziel der Kontrolle und Überwachung des Inhabers des Monopols und das von der österreichischen Regierung angeführte Argument angeht, es sei notwendig, u. a. durch die Anwesenheit von Staatskommissären, eine effiziente Kontrolle der Anbieter zu gewährleisten, ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung der Begriff der öffentlichen Ordnung zum einen eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung voraussetzt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und zum anderen eine enge Auslegung geboten ist, wenn eine Ausnahme von einem Grundprinzip des Vertrags gerechtfertigt werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Mai 1982, Adoui und Cornuaille, 115/81 und 116/81, Slg. 1982, 1665, Randnr. 8, Calfa, Randnrn. 21 und 23, vom 20. November 2001, Jany u. a., C‑268/99, Slg. 2001, I‑8615, Randnr. 59, und vom 22. Dezember 2008, Kommission/Österreich, C‑161/07, Slg. 2008, I‑10671, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
83 Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, erstens zu entscheiden, ob die von der österreichischen Regierung geltend gemachten Ziele unter diesen Begriff fallen können, und gegebenenfalls zweitens, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Verpflichtung in Bezug auf den Gesellschaftssitz den von der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorgesehenen Kriterien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht.
84 Das vorlegende Gericht wird u. a. zu prüfen haben, ob es andere, weniger restriktive Mittel gibt, um zu gewährleisten, dass die Tätigkeiten von in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich ansässigen Anbietern genauso kontrolliert werden können wie die Tätigkeiten der im Inland ansässigen Anbieter.
– Zum Verbot, in anderen Mitgliedstaaten Filialbetriebe zu errichten
85 Nach § 15 Abs. 1 GSpG darf der Konzessionär keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten.
86 Die österreichische Regierung ist der Auffassung, dieses Verbot setze nur den Grundgedanken um, dass es dem einzelnen Mitgliedstaat zukomme, den Betrieb von Glücksspielen in seinem Hoheitsgebiet zu regeln.
87 Die Freiheit der einzelnen Mitgliedstaaten, den Betrieb von Glücksspielen in ihrem Hoheitsgebiet zu regeln, stellt jedoch für sich genommen kein legitimes Ziel des Allgemeininteresses dar, das eine Beschränkung der durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen könnte.
88 Demnach ist vor dem Gerichtshof kein stichhaltiger Rechtfertigungsgrund für das dem Inhaber des im Ausgangsverfahren fraglichen Monopols auferlegte Verbot, Filialbetriebe außerhalb Österreichs zu errichten, vorgetragen worden.
Zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen der Glücksspielanbieter
89 Das vorlegende Gericht stellt im Kontext des Ausgangsverfahrens die Frage, ob die in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen der Glücksspielanbieter für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, ein Monopol für Internet-Kasinospiele zu errichten, erheblich sind.
90 Dem Wortlaut der dritten Frage nach scheint das vorlegende Gericht zum einen davon auszugehen, dass den ordnungspolitischen Interessen, die vom Aufnahmemitgliedstaat, also der Republik Österreich, zur Rechtfertigung der im Ausgangsverfahren fraglichen Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs geltend gemacht werden, schon im Mitgliedstaat der Niederlassung, hier also der Republik Malta, ausreichend Rechnung getragen wird, und dass zum anderen die in diesem Staat geltenden Vorschriften jene des Aufnahmemitgliedstaats an Kontrolldichte sogar noch übertreffen.
91 Die maltesische Regierung macht in diesem Zusammenhang geltend, dass der maltesische Staat als erster eine spezielle Regelung zur Kontrolle und Überwachung der Veranstaltung von Internet-Glücksspielen erarbeitet habe, die einerseits zwar auf den gleichen Grundsätzen und Zielen wie die Vorschriften beruhe, mit denen die herkömmlichen Vertriebswege dieser Dienstleistungen geregelt würden, gleichzeitig aber mit dem Ziel konzipiert worden sei, den mit diesen modernen Betriebsformen verbundenen Gefahren zu begegnen. Die in Malta eingeführten Kontrollen gingen insbesondere über die oberflächliche Prüfung hinaus, die nach dem Sachverhalt in der Rechtssache, in der das Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International ergangen sei, in Gibraltar durchgeführt worden seien.
92 Ferner sind Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung der Auffassung, dass die im Internet angebotenen Glücksspiele wegen der Nachvollziehbarkeit aller computergestützten Transaktionen auf eine effizientere Weise kontrolliert werden könnten als die über die herkömmlichen Vertriebswege angebotenen Spiele, wodurch insbesondere problematische oder verdächtige Vorgänge leicht entdeckt werden könnten. Da die Verbraucher außerdem für die Gewinnauszahlung über ein Bankkonto verfügen müssten, sei es möglich, mehr Transparenz zu gewährleisten als bei den herkömmlichen Zugangswegen für Spiele.
93 Die maltesischen Anbieter der bet‑at‑home.com-Gruppe seien strengen Zugangskontrollen unterzogen worden, die eine Prüfung ihrer beruflichen Fähigkeiten und ihrer Unbescholtenheit umfasst hätten. Diese Anbieter blieben der fortgesetzten Kontrolle und Überwachung durch die hierfür zuständige maltesische Regulierungsbehörde wie insbesondere die Lotteries and Gaming Authority unterworfen. Diese habe stets moderne und wirksame Regulierungssysteme angewandt, die die Kontrolle der beteiligten Personen und der vom Anbieter eingesetzten Systeme und Verfahren umfasst habe.
94 Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung berufen sich auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach es nicht mit dem freien Dienstleistungsverkehr vereinbar ist, wenn einem Dienstleistenden zum Schutz allgemeiner Interessen Beschränkungen auferlegt werden, soweit diese Interessen bereits durch die Vorschriften geschützt werden, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist (vgl. u. a. Urteile vom 17. Dezember 1981, Webb, 279/80, Slg. 1981, 3305, Randnr. 17, vom 23. November 1999, Arblade u. a., C‑369/96 und C‑376/96, Slg. 1999, I‑8453, Randnrn. 34 und 35, und vom 22. Januar 2002, Canal Satélite Digital, C‑390/99, Slg. 2002, I‑607, Randnr. 38).
95 Sie machen deshalb geltend, dass die Eignung der maltesischen Tochtergesellschaften für ihr Gewerbe und ihre Redlichkeit bei dessen Ausübung bereits durch die Kontrollen gewährleistet würden, denen sie in Malta unterlägen, und es deshalb gegen Art. 49 EG verstoße, dass die österreichischen Behörden sie unter Berufung auf das angeblich verfolgte Ziel des Schutzes der Spieler vor Betrug der Glücksspielanbieter vom österreichischen Markt ausschlössen.
96 Zunächst ist zu beachten, dass es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse geben kann (Urteil Stoß u. a., Randnr. 112). In Anbetracht der fehlenden Harmonisierung der Regelung des Glücksspielsektors auf Unionsebene und angesichts der wesentlichen Unterschiede zwischen den mit den Regelungen der verschiedenen Mitgliedstaaten verfolgten Zielen und den mit ihnen angestrebten Schutzniveaus kann der Umstand allein, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist und in dem er grundsätzlich bereits rechtlichen Anforderungen und Kontrollen durch die zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats unterliegt, rechtmäßig anbietet, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten angesehen werden, wenn man die Schwierigkeiten berücksichtigt, denen sich die Behörden des Sitzmitgliedstaats in einem solchen Fall bei der Beurteilung der Eignung der Anbieter für ihr Gewerbe und ihrer Redlichkeit bei dessen Ausübung gegenübersehen können (Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 69).
97 Wie in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann zudem allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.
98 Die verschiedenen Mitgliedstaaten verfügen nämlich nicht zwangsläufig alle über die gleichen technischen Mittel für die Kontrolle von Online-Glücksspielen und treffen insoweit nicht unbedingt die gleichen Entscheidungen. Zwar hat die maltesische Regierung vorgetragen, dass die Republik Malta als erster Mitgliedstaat ein spezielles Regulierungssystem zur Kontrolle und Überwachung von Internet-Glücksspielen erarbeitet habe, doch lässt der Umstand, dass die Verbraucher durch die Verwendung von technisch hochentwickelten Kontroll- und Überwachungssystemen in einem gegebenen Mitgliedstaat vor Betrug des Anbieters besonders geschützt werden können, nicht den Schluss zu, dass dies in anderen Mitgliedstaaten, die nicht über diese technischen Mittel verfügen oder nicht dieselben Entscheidungen getroffen haben, auf dem gleichen Niveau möglich ist. Zudem kann ein Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet aus guten Gründen überwachen wollen, was ihm nicht möglich wäre, wenn er sich auf die Kontrollen verlassen müsste, die von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats anhand von Regulierungssystemen durchgeführt werden, die er selbst nicht beherrscht.
99 Folglich findet die von Herrn Dickinger, Herrn Ömer und der maltesischen Regierung angeführte Rechtsprechung, wonach es nicht mit Art. 49 EG vereinbar ist, wenn einem Dienstleistenden zum Schutz allgemeiner Interessen Beschränkungen auferlegt werden, soweit diese Interessen bereits durch die Vorschriften des Sitzmitgliedstaats geschützt werden, beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung des Unionsrechts in einem Bereich wie dem des Glücksspiels, der auf Unionsebene nicht harmonisiert ist und in dem die Mitgliedstaaten in Bezug auf die von ihnen verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau über einen weiten Wertungsspielraum verfügen, keine Anwendung.
100 Daher ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin auszulegen ist,
a) dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen;
b) dass, um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen, eine nationale Regelung, mit der ein Glücksspielmonopol errichtet wird, das dem Inhaber des Monopols ermöglicht, eine Expansionspolitik zu verfolgen,
– auf der Feststellung beruhen muss, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte, und
– nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken;
c) dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben kann, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.
Kosten
101 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
1. Das Unionsrecht und insbesondere Art. 49 EG stehen einer Regelung, die den Verstoß gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehene Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele unter Strafe stellt, entgegen, wenn eine solche Regelung nicht mit den Bestimmungen dieses Rechts vereinbar ist.
2. Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer
– sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV-Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat und
– EDV-Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen Verbrauchern zu erbringen, die ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässig sind.
3. Art. 49 EG ist dahin auszulegen,
a) dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen;
b) dass, um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen, eine nationale Regelung, mit der ein Glücksspielmonopol errichtet wird, das dem Inhaber des Monopols ermöglicht, eine Expansionspolitik zu verfolgen,
– auf der Feststellung beruhen muss, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte, und
– nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken;
c) dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben kann, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.
Quelle: EuGH - Gerichtshof der Europäischen UnionKommentar von Rechtsanwalt Dieter Pawlik
vgl. EuGH Rs. C-64/08 - Strafverfahren gegen Ernst Engelmann
_______________________________________
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
YVES BOT
vom 31. März 2011(1)
Rechtssache C‑347/09
Staatsanwaltschaft Linz
gegen
Jochen Dickinger
und
Franz Ömer
(Vorabentscheidungsersuchen des Bezirksgerichts Linz [Österreich])
„Freier Dienstleistungsverkehr –
Nationale Regelung zur Errichtung eines Monopols für den Betrieb von
Lotterien im Internet – Möglichkeit der Erlangung dieses Monopols nur
für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland – An den Monopolinhaber
gerichtetes Verbot, einen Filialbetrieb im Ausland zu errichten“
1. Zu
der Frage, ob ein Monopol auf dem Gebiet des Glücksspiels mit den
Verkehrsfreiheiten des Gemeinschaftsrechts im Einklang
steht, sind seit September 2009 mehrere
Vorabentscheidungsurteile ergangen, in denen der Gerichtshof seine
frühere Rechtsprechung
präzisieren konnte(2).
2. Zunächst
kann nach diesen Urteilen ein solches Monopol mit diesen Freiheiten im
Einklang stehen, wenn mit ihm das Ziel der
Gewährleistung eines hohen Niveaus des Schutzes der
öffentlichen Ordnung und der Verbraucher verfolgt wird und es so
ausgestaltet
ist und ausgeübt wird, dass diese Ziele tatsächlich erreicht
werden.
3. Sodann kann
nach diesen Urteilen der Inhaber dieses Monopols nicht nur eine
Einrichtung der öffentlichen Hand, sondern auch
ein privater Veranstalter sein(3).
Im letzteren Fall muss die Vergabe des Monopols unter Beachtung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung und der Verpflichtung
zur Transparenz erfolgen, es sei denn, dass seine Einräumung an
diesen privaten Veranstalter eine „In‑house“‑Vergabe darstellt(4).
4. Auf dem
besonderen Gebiet der Internet-Glücksspiele fand die Einräumung von
Monopolen darüber hinaus in den mit diesen Spielen
verbundenen spezifischen Risiken eine weitere Rechtfertigung(5).
5. Der
Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass ein Mitgliedstaat eine
Genehmigung zum Betrieb von Spielen über das Internet,
die einem Anbieter von Online-Spielen von einem anderen
Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem dieser Dienstleister niedergelassen
ist, nicht anerkennen muss(6).
6. Das
vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des Bezirksgerichts Linz
(Österreich), das Ende August 2009 und somit vor der Verkündung
der erwähnten Urteile bei der Kanzlei des Gerichtshofs
eingegangen ist, hat die Beurteilung der Konformität der
österreichischen
Rechtsvorschriften über elektronische Lotterien mit dem freien
Dienstleistungsverkehr zum Gegenstand.
7. Nach diesen
Rechtsvorschriften ist das Anbieten solcher Glücksspiele an in
Österreich ansässige Personen Gegenstand eines
Betriebsmonopols, das für eine Höchstdauer von 15 Jahren einem
privaten Veranstalter vorbehalten ist, der mehreren Anforderungen
genügen muss. Insbesondere muss es sich um eine
Kapitalgesellschaft mit Sitz in Österreich handeln, und diese darf
keinen
Filialbetrieb im Ausland errichten.
8. Das
vorlegende Gericht stellt mehrere Fragen, die ihm die Beurteilung
ermöglichen sollen, ob ein solches Monopol und die vom
österreichischen Recht aufgestellten Voraussetzungen für seine
Einräumung im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehen.
9. Die meisten
dieser Fragen wurden in der Rechtsprechung und insbesondere in den
Urteilen, die nach dem Eingang der Vorlageentscheidung
erlassen wurden, beantwortet.
10. Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof dennoch die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Erfordernis, dass die
das Monopol innehabende Gesellschaft ihren Sitz im betreffenden Mitgliedstaat haben muss, noch weiter zu präzisieren.
11. Im Urteil
Engelmann ist ein solches Erfordernis, soweit es für die Konzessionäre
traditioneller Spielbanken wie Kasinos galt,
als zu den Zielen der Kontrolle und des Schutzes der
öffentlichen Ordnung, auf die sich die österreichische Regierung berufen
hatte, außer Verhältnis stehend angesehen worden.
12. In den
vorliegenden Schlussanträgen werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, zu
entscheiden, dass dieses Erfordernis im besonderen
Fall eines Monopols für den Betrieb von Glücksspielen im
Internet gerechtfertigt sein kann.
13. Ich werde
darauf hinweisen, dass eine Monopolregelung nur gerechtfertigt werden
kann, wenn sie das Ziel verfolgt, ein hohes
Niveau des Schutzes der öffentlichen Ordnung und der
Verbraucher zu gewährleisten, da sie die Verkehrsfreiheiten sehr stark
beschränkt.
14. Ich werde
auch darauf hinweisen, dass Glücksspiele im Internet mit größeren
Risiken für die öffentliche Ordnung und die Verbraucher
verbunden sind als herkömmliche Glücksspiele und dass sie im
Fernabsatz und ohne Infrastruktur im Zielmitgliedstaat, die dieser
Staat genau kontrollieren könnte, angeboten werden können. Ich
werde darauf hinweisen, dass beim gegenwärtigen Stand des
Gemeinschaftsrechts
kein Instrument der Zusammenarbeit besteht, das es einem
Mitgliedstaat ermöglichte, von einem anderen Mitgliedstaat, in dem
ein Anbieter von Online-Glücksspielen niedergelassen ist, die
für solche Kontrollen erforderliche Unterstützung zu erhalten.
15. Ich werde
daraus ableiten, dass ein Mitgliedstaat zu Recht vorschreiben darf, dass
der Veranstalter, der das Monopol für den
Betrieb von Glücksspielen im Internet innehat, seinen Sitz in
diesem Mitgliedstaat haben muss, damit der Staat die Tätigkeit
dieses Veranstalters wirksam kontrollieren kann.
16. Schließlich
werde ich darauf hinweisen, dass ein Mitgliedstaat dem Inhaber des
Monopols für den Betrieb von Spielen über das
Internet im Inland nicht verbieten kann, einen Filialbetrieb im
Ausland zu errichten, ohne nachzuweisen, dass diese Maßnahme
aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt
und im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig ist.
I – Rechtlicher Rahmen
A – Unionsrecht
17. Der Betrieb
von Glücksspielen wurde bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht
gemeinschaftsrechtlich geregelt oder harmonisiert.
Diese Tätigkeit wurde vom Geltungsbereich der Richtlinie
2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember
2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ausgenommen(7).
18. Da
Glücksspiele eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, fallen sie in
den Geltungsbereich der Verkehrsfreiheiten, insbesondere
unter Art. 49 EG, der Beschränkungen des freien
Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Gemeinschaft
gegenüber
Angehörigen der Mitgliedstaaten verbietet, die in einem anderen
Staat der Gemeinschaft als dem des Leistungsempfängers ansässig
sind.
19. Nach den
Art. 55 EG und 48 EG findet Art. 49 EG auf die Dienstleistungen einer
nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats
gegründeten Gesellschaft Anwendung, die ihren satzungsmäßigen
Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb
der Gemeinschaft hat.
B – Österreichisches Recht
21. Nach § 3 GSpG ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen grundsätzlich dem Bund vorbehalten. Der Bundesminister für
Finanzen kann jedoch Konzessionen für die Durchführung von Lotterien und elektronischen Lotterien an Private erteilen.
22. Elektronische
Lotterien sind hierbei nach § 12a GSpG „Ausspielungen, bei denen der
Spielvertrag über elektronische Medien
abgeschlossen, die Entscheidung über Gewinn oder Verlust
zentralseitig herbeigeführt oder zur Verfügung gestellt wird und
der Spielteilnehmer unmittelbar nach Spielteilnahme vom
Ergebnis dieser Entscheidung Kenntnis erlangen kann“.
23. Nach
§ 14 GSpG kann der Bundesminister für Finanzen eine Konzession für die
Durchführung von Lotterien und elektronischen
Lotterien erteilen. § 14 Abs. 2 GSpG sieht vor, dass die
Konzession nur einem Konzessionswerber erteilt werden darf, der
– eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland ist,
– keine Eigentümer
(Gesellschafter) hat, die über einen beherrschenden Einfluss verfügen
und durch deren Einfluss eine Zuverlässigkeit
in ordnungspolitischer Hinsicht nicht gewährleistet ist,
– einen Aufsichtsrat und ein
eingezahltes Stamm- bzw. Grundkapital von zumindest 109 000 000 Euro
hat, wobei die rechtmäßige
Mittelherkunft in geeigneter Art und Weise nachzuweisen ist,
– Geschäftsleiter bestellt, die
aufgrund entsprechender Vorbildung fachlich geeignet sind, über die für
den ordnungsgemäßen
Geschäftsbetrieb erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen
verfügen und gegen die kein Ausschließungsgrund nach § 13 der
Gewerbeordnung vorliegt,
– aufgrund der Umstände
(insbesondere Erfahrungen, Kenntnisse und Eigenmittel) erwarten lässt,
dass er für den Bund den besten
Abgabenertrag (Konzessionsabgabe und Wettgebühren) erzielt, und
– bei dem die Struktur des
allfälligen Konzerns, dem der oder die Eigentümer, die eine
qualifizierte Beteiligung an dem Unternehmen
halten, angehören, eine wirksame Aufsicht über den Konzessionär
nicht behindert.
24. Die
Konzession kann nach § 14 Abs. 3 Satz 1 GSpG für eine Dauer von
höchstens 15 Jahren erteilt werden. Solange eine Konzession
für Ausspielungen aufrecht ist, dürfen gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1
GSpG weitere Konzessionen nicht erteilt werden.
25. Nach § 15
Abs. 1 GSpG darf der Konzessionär keine Filialbetriebe außerhalb
Österreichs errichten. Außerdem bedarf der Erwerb
von qualifizierten Beteiligungen an anderen Gesellschaften
durch den Konzessionär einer Bewilligung des Bundesministers für
Finanzen. Nach § 15a GSpG ist eine solche Bewilligung auch für
die Erweiterung des Geschäftsgegenstands eines Konzessionärs
erforderlich und nur dann zu erteilen, wenn keine
Beeinträchtigung des Aufkommens des Bundes aus der Konzessionsabgabe
oder
Wettgebühren zu erwarten ist.
26. Außerdem hat der Konzessionär nach § 18 Abs. 1 GSpG dem Bundesminister für Finanzen jährlich die Identität jener Personen
mitzuteilen, die an seinem Grundkapital beteiligt sind.
27. Die
Veranstaltung von Glücksspielen zu Erwerbszwecken durch eine Person, die
keine Konzession hierfür besitzt, wird nach § 168
des österreichischen Strafgesetzbuchs strafrechtlich verfolgt.
II – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen
28. Herr
Dickinger und Herr Ömer sind österreichische Staatsbürger und Gründer
des multinationalen Online-Spiele-Konzerns „bet‑at‑home.com“.
Die Muttergesellschaft dieses Konzerns ist die bet‑at‑home.com
AG, eine Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Düsseldorf
(Deutschland), der als eine ihrer Tochtergesellschaften die
bet‑at‑home.com Entertainment GmbH, eine Gesellschaft österreichischen
Rechts, gehört. Diese hat ihren Sitz in Linz (Österreich) und
ist auf dem Gebiet der „Dienstleistungen mit automatischer
Datenverarbeitung
und Informationstechnik“ tätig. Außerdem besitzt sie eine
aufrechte Sportwettenlizenz nach österreichischem Recht. Sie gründete
ferner eine Tochtergesellschaft maltesischen Rechts, die
bet‑at‑home.com Holding Ltd. Diese gründete ihrerseits drei
Tochterunternehmen,
nämlich die Gesellschaften maltesischen Rechts bet‑at‑home.com
Internet Ltd, bet‑at‑home.com Entertainment Ltd und bet‑at‑home.com
International Ltd, alle mit Sitz in Malta.
29. Zwei dieser
maltesischen Gesellschaften, nämlich die bet‑at‑home.com Entertainment
Ltd und die bet‑at‑home.com International
Ltd, bieten über das Internet Glücksspiele und Sportwetten an.
Die Erstgenannte verfügt hierzu über eine aufrechte maltesische
„Class One Remote Gaming License“ für Online‑Glücksspiele und
die Zweitgenannte über eine aufrechte maltesische „Class Two
Remote Gaming License“ für Online‑Sportwetten. Das Glücksspiel-
und Sportwettenangebot wird von den beiden maltesischen Gesellschaften
auf der Internetplattform „bet‑at‑home.com“ bereitgestellt.
Diese Internetseite wird in den Sprachen Spanisch, Deutsch, Griechisch,
Englisch, Italienisch, Ungarisch, Niederländisch, Polnisch,
Slowenisch, Türkisch und Russisch, nicht aber auf Maltesisch angeboten.
Über diese Internetadresse werden insbesondere Glücksspiele wie
Poker, Black Jack, Baccarat und Roulette sowie Glücksspiele
an virtuellen Automaten angeboten. All diese Spiele können mit
unbegrenzt hohen Einsätzen gespielt werden.
30. Der Betrieb
der Internetplattform www.bet‑at‑home.com erfolgt ausschließlich durch
die bet‑at‑home.com Internet Ltd und die
bet‑at‑home.com Entertainment Ltd. Diese maltesischen
Gesellschaften sind für das Veranstalten der Spiele verantwortlich.
Die Spielteilnehmer schließen die entsprechenden Verträge
ausschließlich mit diesen beiden Gesellschaften ab, die auch die
Inhaber der Lizenzen für die für den Betrieb der
Spieleplattform erforderliche Software sind.
31. Bis
Dezember 2007 bedienten sich die bet‑at‑home.com Entertainment Ltd und
die bet‑at‑home.com International Ltd eines Servers
mit Standort in Linz, Österreich, der von der bet‑at‑home.com
Entertainment GmbH bereitgestellt wurde, die auch die Website
bzw. die für die Spiele erforderliche Software wartete. Bis
dahin befand sich auch der telefonische Kundensupport für alle
Spielteilnehmer in Linz. Die Erbringung aller dieser
unterstützenden Dienstleistungen wurde den maltesischen Gesellschaften
in Rechnung gestellt.
32. Ein
österreichisches Bankunternehmen mit Sitz in Linz fungierte u. a. als
Bankverbindung zur Überweisung der Spieleinsätze.
Inhaberin des fraglichen Kontos war die maltesische
Gesellschaft bet‑at‑home.com International Ltd.
33. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts wurde ein Strafverfahren gegen Herrn Dickinger und Herrn Ömer wegen Verstoßes gegen
§ 168 StGB eröffnet, in dem das vorlegende Gericht in erster Instanz zu entscheiden hat.
34. In
Beantwortung einer Frage des Gerichtshofs hat die österreichische
Regierung dargelegt, dass Herr Dickinger und Herr Ömer
im Ausgangsverfahren wegen Handlungen in ihrer Funktion in der
österreichischen Gesellschaft bet-at-home.com Entertainment
GmbH verfolgt würden. Nach den Angaben dieser Regierung lautet
der Strafantrag wie folgt:
„Jochen Dickinger und DI Franz Ömer haben
als Entscheidungsträger der bet‑at‑home.com Entertainment GmbH ab
1. 1. 2006 bis
dato das Vergehen des Glücksspiels nach § 168 Abs. 1 StGB zu
Gunsten des Verbandes dadurch begangen, dass sie Spiele, bei
denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom
Zufall abhängen oder die ausdrücklich verboten sind … über das
Internet anboten.“
35. Vor dem
Bezirksgericht Linz machten Herr Dickinger und Herr Ömer einen Verstoß
der für Glücksspiele geltenden nationalen Regelung
gegen die Art. 43 EG und 49 EG geltend.
36. Das
Bezirksgericht Linz hat ernste Zweifel, ob die im Ausgangsverfahren
anzuwendenden Vorschriften des österreichischen Strafgesetzbuchs
in Verbindung mit den Regeln des österreichischen
Glücksspielgesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Es hat
daher
das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen
zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Sind die
Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen, dass sie einer
mitgliedstaatlichen Regelung wie jener von § 3 in Verbindung
mit §§ 14 f und 21 GSpG grundsätzlich entgegenstehen, wonach
– eine Konzession für
Ausspielungen (z. B. Lotterien, elektronische Lotterien usw.) nur einem
einzigen Konzessionswerber für
eine Dauer bis zu 15 Jahren erteilt werden darf, der u. a. eine
Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland zu sein hat, keine
Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten darf, über ein
eingezahltes Stamm- bzw. Grundkapital von mindestens 109 000 000
Euro verfügen muss und aufgrund der Umstände erwarten lässt,
für den Bund den besten Abgabenertrag zu erzielen;
– eine Konzession für Spielbanken
nur an höchstens zwölf Konzessionswerber für eine Dauer bis zu 15 Jahren
erteilt werden darf,
die u. a. eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland zu sein
haben, keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten dürfen,
über ein eingezahltes Grundkapital von 22 000 000 Euro verfügen
müssen und aufgrund der Umstände erwarten lassen, für die
Gebietskörperschaften den besten Abgabenertrag zu erzielen?
Diese Fragen stellen sich insbesondere vor
dem Hintergrund, dass die Casinos Austria AG Inhaber aller zwölf
Spielbankenkonzessionen
ist, welche am 18. Dezember 1991 für die Höchstdauer von 15
Jahren erteilt und in der Zwischenzeit ohne öffentliche Ausschreibung
oder Bekanntgabe verlängert wurden.
b) Wenn ja, kann eine solche
Regelung auch dann aus Gründen des Allgemeininteresses an einer
Begrenzung der Wetttätigkeit gerechtfertigt
werden, wenn die Konzessionsinhaber in einer quasi
monopolistischen Struktur ihrerseits durch intensiven Werbeaufwand eine
expansionistische Politik im Bereich des Glücksspiels
betreiben?
c) Wenn ja, ist bei der Prüfung
der Verhältnismäßigkeit einer solchen Regelung, die das Ziel verfolgt,
dadurch Straftaten vorzubeugen,
indem die auf diesem Gebiet tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer
Kontrolle unterworfen und Glücksspieltätigkeiten so in Bahnen
gelenkt werden, die diesen Kontrollen unterliegen, vom
vorliegenden Gericht zu beachten, dass dadurch auch grenzüberschreitende
Dienstleistungsanbieter erfasst werden, die ohnehin im
Mitgliedstaat der Niederlassung mit ihrer Konzession verbundenen
strengen
Auflagen und Kontrollen unterliegen?
2. Sind die Grundfreiheiten des
EG‑Vertrags, insbesondere der freie Dienstleistungsverkehr nach
Art. 49 EG, dahin gehend auszulegen,
dass ungeachtet der fortbestehenden grundsätzlich
mitgliedstaatlichen Zuständigkeit zur Regelung der Strafrechtsordnung
auch
eine mitgliedstaatliche Strafbestimmung dann am
Gemeinschaftsrecht zu messen ist, wenn sie die Ausübung einer der
Grundfreiheiten
zu unterbinden oder zu behindern geeignet ist?
3. a) Ist Art. 49 EG in
Verbindung mit Art. 10 EG dahin gehend auszulegen, dass die im
Niederlassungsstaat eines Dienstleistungserbringers
durchgeführten Kontrollen und dort geleisteten Sicherheiten im
Sinne des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens im Staat
der Dienstleistungserbringung zu berücksichtigen sind?
b) Wenn ja, ist Art. 49 EG
weiters dahin gehend auszulegen, dass im Fall einer aus Gründen des
Allgemeininteresses vorgenommenen
Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darauf zu
achten ist, ob diesem Allgemeininteresse nicht bereits durch die
Rechtsvorschriften, Kontrollen und Überprüfungen ausreichend
Rechnung getragen wird, denen der Dienstleistende in dem Staat
unterliegt, in dem er ansässig ist?
c) Wenn ja, ist bei der
Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen
Bestimmung, die das grenzüberschreitende
Anbieten von Glücksspieldienstleistungen ohne inländische
Lizenz mit Strafe bedroht, zu berücksichtigen, dass den vom Staat
der Dienstleistungserbringung zur Rechtfertigung der
Beschränkung der Grundfreiheit herangezogenen ordnungspolitischen
Interessen
schon im Staat der Niederlassung durch ein strenges Zulassungs-
und Aufsichtsverfahren ausreichend Rechnung getragen wird?
d) Wenn ja, hat das vorliegende
Gericht dabei im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer
solchen Beschränkung zu berücksichtigen,
dass die betreffenden Vorschriften in dem Staat, in dem der
Dienstleistende ansässig ist, an Kontrolldichte über jene des
Staates der Dienstleistungserbringung sogar hinausgehen?
e) Erfordert der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit im Falle eines aus ordnungspolitischen Gründen wie
dem Spielerschutz und der
Kriminalitätsbekämpfung vorgenommenen strafbewehrten Verbots
des Glücksspiels weiters, dass vom vorlegenden Gericht eine
Unterscheidung
vorgenommen wird zwischen jenen Anbietern einerseits, die ohne
jegliche Genehmigung Glücksspiele anbieten, und jenen andererseits,
die in anderen Mitgliedstaaten der EU niedergelassen und
konzessioniert sind und unter Inanspruchnahme ihrer
Dienstleistungsfreiheit
tätig werden?
f) Ist schließlich bei der
Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Bestimmung,
die das grenzüberschreitende
Anbieten von Glücksspieldienstleistungen ohne inländische
Konzession oder Genehmigung unter Strafdrohung verbietet, zu
berücksichtigen,
dass es einem ordnungsgemäß in einem anderen Mitgliedstaat
lizenzierten Anbieter von Glücksspielen aufgrund objektiver mittelbar
diskriminierender Zugangsschranken nicht möglich war, eine
inländische Lizenz zu erlangen, und das Lizenzierungs- und
Aufsichtsverfahren
im Staat der Niederlassung ein dem innerstaatlichen zumindest
vergleichbares Schutzniveau aufweist?
4. a) Ist Art. 49 EG
dahin gehend auszulegen, dass der vorübergehende Charakter der
Dienstleistungserbringung für den Dienstleistenden
die Möglichkeit ausschließen würde, sich im
Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (wie etwa einem
Server)
auszustatten, ohne ihn als in diesem Mitgliedstaat
niedergelassen anzusehen?
b) Ist Art. 49 EG weiters dahin
gehend auszulegen, dass ein an inländische Supportleister gerichtetes
Verbot, einem Dienstleister,
der seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, die
Erbringung seiner Dienstleistung zu erleichtern, auch dann eine
Beschränkung
der Dienstleistungsfreiheit dieses Dienstleistungserbringers
darstellt, wenn die Supportleister in demselben Mitgliedstaat
wie ein Teil der Empfänger der Dienstleistung ansässig sind?
III – Würdigung
37. Zunächst
ist festzustellen, dass die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen
teilweise über den Rahmen des Ausgangsverfahrens
hinausgehen und Fragestellungen umfassen, die für seine
Entscheidung offensichtlich nicht relevant sind. Dies gilt insbesondere
für die Frage 1 Buchst. a zweiter Gedankenstrich zur
Konzessionsregelung nach österreichischem Recht für den Betrieb von
Spielbanken.
38. Nach der
Vorlageentscheidung, bestätigt sowohl durch den Akteninhalt als auch
durch die Antwort der österreichischen Regierung
auf das Ersuchen des Gerichtshofs um Klarstellung, wird den
zwei vor dem vorlegenden Gericht verfolgten Personen vorgeworfen,
unter Verstoß gegen das österreichische Recht Glücksspiele über
das Internet angeboten zu haben. Das Ausgangsverfahren betrifft
nicht den Betrieb von Spielbanken in Österreich.
39. Ich schlage
dem Gerichtshof daher vor, die Fragen nur soweit zu prüfen, als sie
sich auf das Anbieten von Glücksspielen über
das Internet beziehen.
40. Die
zahlreichen Fragen des vorlegenden Gerichts umfassen meines Erachtens
vier Problemstellungen, für deren Prüfung ich folgende
Reihenfolge vorschlage.
41. Das
vorlegende Gericht fragt erstens, ob Bestimmungen eines Mitgliedstaats,
die Zuwiderhandlungen gegen ein Monopol für den
Betrieb von Glücksspielen über das Internet strafrechtlich
sanktionieren, mit den Verkehrsfreiheiten und insbesondere mit
Art. 49 EG im Einklang stehen müssen, obwohl das Strafrecht in
die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt (Frage 2).
42. Zweitens
möchte es wissen, ob Art. 49 EG in der vorliegenden Rechtssache
einschlägig ist, obwohl zum einen die maltesischen
Gesellschaften in Österreich installierte Sachmittel wie z. B.
einen Server verwenden und zum anderen die diese Mittel zur
Verfügung stellende Gesellschaft in Österreich niedergelassen
ist (Frage 4 Buchst. a und b).
43. Drittens
stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob das von seinem
innerstaatlichen Recht vorgesehene Betriebsmonopol
und die Voraussetzungen für seine Einräumung Art. 49 EG
entsprechen, insbesondere im Hinblick auf die Pflichten und Kontrollen,
denen die maltesischen Gesellschaften in ihrem Staat
unterliegen (Frage 1 Buchst. a erster Gedankenstrich und Buchst. c sowie
Frage 3 Buchst. a bis f).
44. Viertens
möchte es wissen, ob die fraglichen Rechtsvorschriften gerechtfertigt
werden können, auch wenn der Inhaber des Monopols
durch intensive Werbung eine expansionistische Politik betreibt
(Frage 1 Buchst. b).
A – Der Rahmen für die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Strafrechts
45. Das
vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob eine Regelung eines
Mitgliedstaats, die jede Zuwiderhandlung gegen
ein Monopol für den Betrieb von Glücksspielen wie das Monopol
für den Betrieb von elektronischen Lotterien nach österreichischem
Recht strafrechtlich sanktioniert, im Einklang mit den
Verkehrsfreiheiten und insbesondere mit Art. 49 EG stehen muss, obwohl
das Strafrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt.
46. Die
Zuständigkeit auf dem Gebiet des Strafrechts war zwar im für das
Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum den Mitgliedstaaten
vorbehalten. Trotz der Reformen durch den Vertrag von Lissabon
bleibt sie dies auch weitgehend. Nach ständiger Rechtsprechung
hat jedoch jeder Mitgliedstaat bei der Ausübung seiner
Befugnisse die Verpflichtungen, die er im Rahmen des Vertrags
eingegangen
ist, und insbesondere die Verkehrsfreiheiten zu wahren(9).
47. Eine
Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats fällt daher nicht allein deshalb,
weil sie zum Strafrecht dieses Staates gehört,
aus dem Geltungsbereich der Verkehrsfreiheiten heraus, so dass
sie nicht mehr der Anforderung unterläge, mit diesen Freiheiten
im Einklang zu stehen(10).
48. Dieses
Konformitätserfordernis in Bezug auf strafrechtliche Bestimmungen, die,
wie in der vorliegenden Rechtssache, die Beachtung
eines aus Gründen des Allgemeininteresses errichteten Monopols
für den Betrieb von Glücksspielen gewährleisten sollen, stellt
sich wie folgt dar: Wird dieses Monopol als
gemeinschaftsrechtskonform angesehen, sind es grundsätzlich auch die
strafrechtlichen
Sanktionen, die seine Beachtung sicherstellen sollen, es sei
denn, diese verstoßen ihrerseits gegen andere Rechtsnormen wie
die Grundrechte.
49. Zeigt sich
hingegen, dass dieses Monopol eine Verkehrsfreiheit verletzt, dürfen die
seiner Absicherung dienenden Strafbestimmungen
nicht angewandt werden. Nach ständiger Rechtsprechung darf
nämlich ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen
einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen, wenn er
die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht
abgelehnt oder vereitelt hat(11).
50. Ich schlage
daher vor, auf die geprüfte Frage zu antworten, dass eine Regelung
eines Mitgliedstaats, die Zuwiderhandlungen
gegen ein Monopol für den Betrieb von Glücksspielen wie das
Monopol für den Betrieb von elektronischen Lotterien nach
österreichischem
Recht strafrechtlich sanktioniert, im Einklang mit den
Verkehrsfreiheiten und insbesondere mit Art. 49 EG stehen muss, obwohl
das Strafrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt.
B – Die Einschlägigkeit von Art. 49 EG in der vorliegenden Rechtssache
51. Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob der bei ihm anhängige Rechtsstreit in den Geltungsbereich von Art. 49 EG fällt.
52. Mit seiner
Frage 4 Buchst. a möchte es daher im Wesentlichen wissen, ob Art. 49 EG
dahin auszulegen ist, dass dem Betrieb
von Glücksspielen im Internet durch einen in einem anderen
Mitgliedstaat als dem Zielmitgliedstaat niedergelassenen Veranstalter
vorübergehender Charakter beigemessen werden kann und er daher
unter diesen Artikel fällt, wenn dieser Veranstalter Sachmittel
für die Kommunikation wie einen Server und eine Telefonzentrale
verwendet, die sich im Zielmitgliedstaat befinden und ihm
von einem dritten Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.
53. Mit seiner
Frage 4 Buchst. b möchte es sodann wissen, ob Art. 49 EG dahin
auszulegen ist, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats,
die im Inland niedergelassenen Dienstleistern verbietet, in
einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaften die
Mittel zur Verfügung zu stellen, um im Inland ansässigen
Personen Glücksspiele über das Internet anbieten zu können, eine
Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt.
1. Die Relevanz der Verwendung von Sachmitteln für die Kommunikation, die sich im Zielmitgliedstaat befinden
54. Nach
ständiger Rechtsprechung stellt das Anbieten von Glücksspielen über das
Internet durch einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen
Veranstalter an Verbraucher, die in einem anderen Mitgliedstaat
ansässig sind, eine Dienstleistung im Sinne von Art. 49 EG
dar(12).
Diese Rechtsprechung folgt derjenigen, wonach die Erbringung einer
Leistung über Kommunikationsmittel an Leistungsempfänger,
die in einem anderen Mitgliedstaat als dem des
Leistungserbringers ansässig sind, ohne dass sich dieser in diesen
anderen
Mitgliedstaat begibt, die Erbringung einer Dienstleistung
darstellt(13).
55. Das
vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Tatsache, dass die maltesischen
Gesellschaften, die in Österreich ansässigen
Verbrauchern über das Internet Glücksspiele anbieten, von einer
in Österreich niedergelassenen Gesellschaft zur Verfügung
gestellte Sachmittel wie einen Server und einen Telefondienst
verwenden, bedeutet, dass sie sich fest und dauerhaft in Österreich
eingerichtet haben, so dass sie nicht mehr unter Art. 49 EG,
sondern unter die Bestimmungen des Vertrags über die
Niederlassungsfreiheit
fallen.
56. Das
vorlegende Gericht macht keine Angaben dazu, welche Bedeutung es dieser
Frage beimisst. Meines Erachtens spielt sie nicht
wirklich eine Rolle. Bejahte man nämlich, dass die maltesischen
Gesellschaften eine feste Niederlassung in Österreich haben
und somit dort im Sinne der Bestimmungen des Vertrags über die
Niederlassungsfreiheit niedergelassen sind, führte eine Prüfung
der fraglichen österreichischen Regelung im Hinblick darauf, ob
sie mit diesen Bestimmungen im Einklang stehen, zu keinem
anderen Ergebnis als eine Prüfung am Maßstab des freien
Dienstleistungsverkehrs(14).
In beiden Fällen würde diese Regelung als eine Beschränkung der
Ausübung der jeweiligen Verkehrsfreiheit beurteilt, und
die Beurteilung, ob sie mit dem Gemeinschaftsrecht angesichts
der von der österreichischen Regierung geltend gemachten
Rechtfertigungen
im Einklang steht, führte zum selben Ergebnis.
57. Sollte die
geprüfte Frage dennoch beantwortet werden müssen, wäre sie meines
Erachtens auf der Grundlage der Informationen
des vorlegenden Gerichts zu verneinen. Die Tatsache, dass ein
Anbieter von Online-Glücksspielen auf Sachmittel für die Kommunikation
zurückgreift, die von einem im Zielmitgliedstaat
niedergelassenen Drittunternehmen zur Verfügung gestellt werden, scheint
mir für sich allein nicht zum Nachweis geeignet, dass dieser
Leistungserbringer in diesem Staat über eine feste Niederlassung
vergleichbar einer Agentur verfügt.
58. Dieser Fall
ist meines Erachtens von jenem zu unterscheiden, über den der
Gerichtshof im Urteil Gambelli u. a. zu entscheiden
hatte. In diesem Urteil bejahte der Gerichtshof, dass die
Stanley International Betting Ltd, eine Gesellschaft britischen
Rechts, von ihrem Recht auf freie Niederlassung in Italien
Gebrauch gemacht hatte, weil sie geschäftliche Vereinbarungen mit
italienischen Veranstaltern oder Vermittlern geschlossen hatte,
wonach diese die Wettabsichten der italienischen Verbraucher
sammelten und registrierten, um sie an diese Gesellschaft
weiterzuleiten.
59. Der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass die Stanley International Betting Ltd die Tätigkeit des Sammelns von Wetten in
Italien durch Vermittlung einer Organisation von Agenturen verfolgte(15).
60. In der
vorliegenden Rechtssache ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen, dass
die maltesischen Gesellschaften mit der die Sachmittel
zur Verfügung stellenden österreichischen Gesellschaft
geschäftliche Vereinbarungen geschlossen hätten, wonach Letztere
beauftragt
wäre, wie eine Agentur nach den vom Gerichtshof im Urteil vom
4. Dezember 1986, Kommission/Deutschland(16), aufgestellten und in den Urteilen Winner Wetten(17) sowie Stoß u. a.(18) bestätigten Kriterien dauerhaft für sie tätig zu werden.
61. Außerdem
bedeutet die Inanspruchnahme eines sich körperlich in einem
Mitgliedstaat befindenden Servers durch einen Unternehmer
nicht, dass dieser Unternehmer seine wirtschaftliche Tätigkeit
in diesem Staat entfaltet. Obwohl Online-Spiele vom Geltungsbereich
der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der
Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des
elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über
den elektronischen Geschäftsverkehr“)(19) ausgeschlossen sind(20),
ist möglicherweise der Hinweis zweckmäßig, dass nach ihrem
19. Erwägungsgrund ein Unternehmen, das Dienstleistungen über
eine Website erbringt, weder dort niedergelassen ist, wo sich
die technischen Mittel befinden, die diese Website beherbergen,
noch dort, wo die Website zugänglich ist, sondern an dem Ort,
an dem es seine Wirtschaftstätigkeit ausübt.
62. Aufgrund
dieser Erwägungen ist meines Erachtens auf die geprüfte Frage zu
antworten, dass Art. 49 EG dahin auszulegen ist,
dass der Umstand, dass ein Dienstleister, der Glücksspiele über
das Internet anbietet, Sachmittel für die Kommunikation wie
einen Server und eine Telefonzentrale verwendet, die sich im
Zielmitgliedstaat befinden und ihm von einem Drittunternehmen
zur Verfügung gestellt werden, für sich allein die Anwendung
der Bestimmungen des Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr
nicht ausschließt.
63. Die
besonderen tatsächlichen Umstände des Ausgangsverfahrens machen jedoch
meines Erachtens eine Ergänzung dieser Antwort
erforderlich. Es ist nämlich bekannt, dass die zwei
maltesischen Gesellschaften, die unter Verwendung eines Servers und
eines
Telefon-Supports, die von der österreichischen bet‑at‑home.com
Entertainment GmbH zur Verfügung gestellt werden, Glücksspiele
österreichischen Verbrauchern anbieten, mittelbare Tochter-
bzw. Enkelgesellschaften dieser Gesellschaft sind. Sie sind die
Tochtergesellschaften der maltesischen Gesellschaft
bet‑at‑home.com Holding Ltd, die ihrerseits die Tochtergesellschaft der
österreichischen Gesellschaft ist.
64. Wie die
österreichische Regierung und die Europäische Kommission zu Recht
angemerkt haben, wäre Art. 49 EG in der vorliegenden
Rechtssache nicht anwendbar, wenn sich zeigen sollte, dass die
maltesischen Tochtergesellschaften künstliche Gestaltungen
sind und nur zu dem Zweck gegründet wurden, es ihrer
österreichischen Muttergesellschaft zu ermöglichen, das Verbot des
Betriebs
von Online-Glücksspielen in Österreich zu umgehen(21).
65. Das wäre
der Fall, wenn diesen Tochtergesellschaften jede wirtschaftliche
Realität fehlte. Der Niederlassungsbegriff im Sinne
der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit
impliziert, worauf der Gerichtshof im Urteil vom 12. September
2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas(22),
hingewiesen hat, die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen
Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Zielmitgliedstaat
auf unbestimmte Zeit. Daher setzt sie eine tatsächliche
Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft in diesem Staat und die
Ausübung
einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem voraus(23).
66. Diese
tatsächliche Ansiedlung muss anhand objektiver Anhaltspunkte wie des
Ausmaßes des greifbaren Vorhandenseins der beherrschten
ausländischen Gesellschaft in Form von Geschäftsräumen,
Personal und Ausrüstungsgegenständen nachprüfbar sein(24).
67. Daher
schlage ich dem Gerichtshof vor, die vorangehende Antwort um den Hinweis
zu ergänzen, dass eine Berufung auf Art. 49 EG
nicht möglich wäre, wenn sich zeigen sollte, dass unter den
Umständen des vorliegenden Falls die maltesischen Tochtergesellschaften
rein künstliche Gestaltungen sind, die es ihrer
österreichischen Muttergesellschaft ermöglichen sollen, das Verbot des
Betriebs
von Online-Glücksspielen in Österreich zu umgehen.
2. Die Relevanz der Ansässigkeit der verfolgten Personen in Österreich
68. Mit seiner
Frage 4 Buchst. b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 49 EG in
der vorliegenden Rechtssache anwendbar
ist, obwohl die der Strafverfolgung zugrunde liegende
Strafbestimmung gegen die Entscheidungsträger einer Gesellschaft
gerichtet
ist, die selbst im Zielmitgliedstaat niedergelassen ist.
69. Die Antwort
auf diese Frage dürfte keine Schwierigkeiten bereiten. Art. 49 EG ist
in der vorliegenden Rechtssache gewissermaßen
„doppelt anwendbar“.
70. Zum einen
beschränkt eine nationale Regelung, die im Ergebnis, wie die streitige
österreichische Regelung, verhindert, dass
ein in Österreich niedergelassenes Unternehmen den in einem
anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Anbietern von
Online-Glücksspielen
die Mittel für das Anbieten ihrer Spiele an österreichische
Verbraucher zur Verfügung stellt, das Recht dieses österreichischen
Unternehmens, diesen Dienstleistern seine eigenen
Supportleistungen zu erbringen. Sie stellt daher eine Beschränkung der
Freiheit
der vermittelnden Gesellschaft zur Erbringung ihrer
Dienstleistungen dar(25).
71. Zum anderen
stellt auch ein strafbewehrtes Verbot eines Mitgliedstaats für die in
ihm Ansässigen, als Vermittler für einen
in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmer
tätig zu werden, um zu verhindern, dass dieser Unternehmer im
Mitgliedstaat des Verbots seine Dienstleistungen erbringt, eine
Beschränkung im Sinne von Art. 49 EG dar. Es beschränkt nämlich
die Möglichkeit des betroffenen Unternehmers, seine
Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem anzubieten, in
dem er niedergelassen ist, und die Möglichkeit der in diesem
Staat ansässigen Verbraucher, Zugang zu diesen Dienstleistungen
zu erhalten(26).
72. Ich schlage
daher vor, auf die geprüfte Frage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin
auszulegen ist, dass eine Regelung eines
Mitgliedstaats, die im Inland niedergelassenen Dienstleistern
verbietet, in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen
Gesellschaften
die Sachmittel für das Anbieten von Online-Glücksspielen an im
Inland ansässige Personen zur Verfügung zu stellen, eine Beschränkung
des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne dieses Artikels
darstellt.
C – Rechtfertigung des Monopols und Anforderungen an seinen Inhaber
73. Die
Gemeinschaftsrechtskonformität der im Ausgangsverfahren fraglichen
strafrechtlichen Verfolgungshandlungen hängt, wie ich
bereits angemerkt habe, von derjenigen des Monopols ab, deren
Beachtung sie gewährleisten sollen. Das vorlegende Gericht hat
mehrere Fragen gestellt, die ihm die Beurteilung der
Konformität dieses Monopols ermöglichen sollen.
74. Mit seiner
Frage 1 Buchst. a möchte es wissen, ob Art. 49 EG dem Monopol für den
Betrieb von Lotterien über das Internet und
den Voraussetzungen, von denen die Einräumung dieses Monopols
nach der für es geltenden Regelung abhängt, entgegensteht. Mit
seiner Frage 1 Buchst. c und seiner Frage 3 Buchst. a bis f
fragt das vorlegende Gericht danach, ob und gegebenenfalls in
welchem Umfang die Tatsache, dass die in einem anderen
Mitgliedstaat niedergelassenen Anbieter von Online-Glücksspielen dort
Pflichten und Kontrollen unterliegen, im Rahmen der Beurteilung
der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung zu berücksichtigen
ist.
75. Ich schlage
dem Gerichtshof vor, diese Fragen gemeinsam zu prüfen. Das vorlegende
Gericht stellt mit seinen Fragen zum Bestehen
und gegebenenfalls zur Tragweite einer Verpflichtung zur
gegenseitigen Anerkennung der Pflichten und Kontrollen, denen die
maltesischen Gesellschaften in Malta unterliegen, die
Rechtswirksamkeit der Einführung des streitigen Monopols sowie in
gewissem
Umfang die der Voraussetzung in Frage, dass die dieses Monopol
innehabende Gesellschaft ihren Sitz in Österreich haben muss.
76. Diese
Fragen des vorlegenden Gerichts können daher dahin verstanden werden,
dass es mit ihnen im Wesentlichen wissen will,
ob Art. 49 EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht,
wonach der Betrieb von Lotterien über das Internet einem einzigen
Konzessionär für die Dauer von höchsten 15 Jahren vorbehalten
ist, der eine Kapitalgesellschaft mit einem Grund- oder Stammkapital
von mindestens 109 000 000 Euro mit Sitz im Inland sein muss
und der keinen Filialbetrieb im Ausland errichten darf.
77. Für die
Beantwortung dieser Frage sind die verschiedenen Beschränkungen, die
sich aus der österreichischen Regelung ergeben,
nämlich das Bestehen eines Monopols, seine Dauer, die
Rechtsform der dieses Monopol innehabenden Gesellschaft und die Höhe
ihres Kapitals, das Erfordernis des Sitzes im Inland und
schließlich das Verbot der Errichtung von Filialbetrieben im Ausland,
nacheinander zu prüfen.
78. Zuvor ist
auf die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze hinzuweisen, in
deren Rahmen diese Prüfung zu erfolgen hat.
79. Nach
ständiger Rechtsprechung haben die Mitgliedstaaten das Recht, den
Betrieb von Glücksspielen in ihrem Hoheitsgebiet Beschränkungen
zu unterwerfen. Das Glücksspiel stellt nämlich eine
wirtschaftliche Tätigkeit dar, die objektiv sehr schädliche Auswirkungen
sowohl auf die Gesellschaft – aufgrund der Verarmung der
Spieler, die übermäßiges Spielen bewirken kann – als auch allgemein
auf die öffentliche Ordnung, insbesondere in Anbetracht der
hohen Einnahmen, die mit ihm erzielt werden, haben kann.
80. Der freie
Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Glücksspiels kann daher nach
Art. 46 Abs. 1 EG aus Gründen der öffentlichen
Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit oder auch aus zwingenden
Gründen des Allgemeininteresses, wie der Betrugsvorbeugung oder
dem Schutz der Verbraucher vor Anreizen zu übermäßigen Ausgaben
für das Spielen, Beschränkungen unterworfen werden(27).
81. Mangels
einer Harmonisierung durch die Gemeinschaft und aufgrund der
beträchtlichen sittlichen, religiösen und kulturellen
Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet ist
es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, im Einklang mit ihrer
eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich
aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben(28).
82. Die den
Verkehrsfreiheiten zum Schutz dieser Belange auferlegte Beschränkung
muss jedoch einer Eignungs- und Verhältnismäßigkeitsprüfung
standhalten. Diese Beschränkung muss daher geeignet sein, die
Verwirklichung des oder der von ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten,
was impliziert, dass sie kohärent und systematisch zu sein hat,
und sie muss verhältnismäßig sein(29).
83. Es ist
unstreitig, dass im Rahmen der Beurteilung der Erforderlichkeit und der
Verhältnismäßigkeit der von einem Mitgliedstaat
erlassenen Bestimmungen der Umstand allein, dass dieser Staat
ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt
hat, angesichts der fehlenden Harmonisierung auf diesem Gebiet
und des oben erwähnten Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten
keine Rolle spielen kann. Diese Bestimmungen sind allein im
Hinblick auf die von den zuständigen Behörden des betreffenden
Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte
Schutzniveau zu beurteilen(30).
84. In der
vorliegenden Rechtssache geht aus dem Akteninhalt hervor, dass die
streitige österreichische Regelung eingeführt wurde,
um die Kriminalität zu bekämpfen und die Verbraucher zu
schützen. Laut der österreichischen Regierung dient sie der Geldwäsche-
und Betrugsvorbeugung sowie der Kriminalitätsabwehr. Ferner
bezwecke sie die Sicherstellung einer ausreichenden
Abwicklungssicherheit
für Spielgewinne und den Schutz der Spieler vor übermäßigen
Ausgaben für das Spielen.
85. Nach den
oben erwähnten Grundsätzen ist im Hinblick auf diese Ziele zu prüfen, ob
die mit der österreichischen Regelung verbundenen
Beschränkungen, auf die das vorlegende Gericht abzielt, als
gerechtfertigt angesehen werden können. Ich werde sie nacheinander
prüfen.
1. Die Einräumung eines Monopols zum Betrieb von Lotterien über das Internet
86. Wie von mir
in der Einleitung zu den vorliegenden Schlussanträgen angemerkt, kann
nach ständiger Rechtsprechung ein Monopol
für den Betrieb von Gewinnsspielen im Einklang mit dem
Gemeinschaftsrecht stehen, wenn mit ihm das Ziel verfolgt wird, ein
hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Ordnung und der
Verbraucher sicherzustellen.
87. Der
Gerichtshof hat daher den Standpunkt der Behörden eines Mitgliedstaats
gebilligt, dass die Gewährung exklusiver Rechte
an eine Einrichtung der öffentlichen Hand, die hinsichtlich
ihrer Leitung unmittelbarer staatlicher Aufsicht untersteht, oder
an einen privaten Veranstalter, dessen Tätigkeiten die Behörden
genau überwachen können, bessere Garantien einer effizienten
Durchführung ihrer Politik des Schutzes der öffentlichen
Ordnung und der Verbraucher biete, als es bei der Ausübung der
entsprechenden
Tätigkeiten durch private Veranstalter in einer
Wettbewerbssituation der Fall wäre, selbst wenn diese eine Genehmigung
benötigten
und einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterlägen(31).
88. Die
Einräumung eines solchen Monopols kann es insbesondere ermöglichen,
Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und
die Gefahr der Spielsucht besser zu bekämpfen als eine
Regelung, nach der dieser Markt mehreren Dienstleistern offensteht(32).
89. Mit anderen
Worten können durch die Einräumung eines Monopols die nachteiligen
Wirkungen der Einführung eines Wettbewerbs
zwischen mehreren Veranstaltern verhindert werden, durch den
diese versucht sein könnten, einander an Einfallsreichtum zu
übertreffen, um ihr Angebot attraktiver zu machen, und damit
die Ausgaben der Verbraucher für das Spiel zu erhöhen(33).
90. Diese
Rechtsprechung ist erst recht auf dem Gebiet des Internet-Glücksspiels
wegen der zusätzlichen Gefahren, die diese Spiele
für die öffentliche Ordnung und die Verbraucher mit sich
bringen, anwendbar(34). Diese Gefahren wurden im Urteil Carmen Media Group wie folgt beschrieben:
„102. … Glücksspiele über das Internet
[bergen], verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen
des fehlenden unmittelbaren
Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders
geartete und größere Gefahren in sich, dass die Verbraucher eventuell
von den Anbietern betrogen werden (Urteil Liga Portuguesa de
Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 70).
103. Desgleichen können sich die
Besonderheiten des Angebots von Glücksspielen im Internet als Quelle
von, verglichen mit den herkömmlichen
Glücksspielmärkten, anders gearteten und größeren Gefahren für
den Schutz der Verbraucher und insbesondere von Jugendlichen
und Personen erweisen, die eine besonders ausgeprägte
Spielneigung besitzen oder eine solche Neigung entwickeln könnten. Neben
dem bereits erwähnten fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen
Verbraucher und Anbieter stellen auch der besonders leichte
und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen
sowie die potenziell große Menge und Häufigkeit eines solchen Angebots
mit internationalem Charakter in einem Umfeld, das überdies
durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende
soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, Faktoren dar, die die
Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen
begünstigen und aufgrund dessen die damit verbundenen negativen
sozialen und moralischen Folgen, die in ständiger Rechtsprechung
herausgestellt worden sind, vergrößern können.“
91. Ein
Mitgliedstaat darf daher das Recht zum Betrieb von
Internet-Glücksspielen im Inland einem einzigen privaten Veranstalter
vorbehalten.
92. Aufgrund
dieses Ergebnisses sind die vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragen
zum Bestehen und zur möglichen Tragweite
einer Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats, die
Pflichten und Kontrollen zu berücksichtigen, denen Anbieter von
Online-Glücksspielen
im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung unterliegen, irrelevant.
93. Wie im
Urteil Stoß u. a. ganz klar festgestellt wurde, ist dann, wenn in einem
Mitgliedstaat ein staatliches Monopol für Glücksspiele
errichtet wurde und diese Maßnahme den verschiedenen
Voraussetzungen genügt, unter denen sie mit in der Rechtsprechung
anerkannten
legitimen Zielen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden
kann, jede Verpflichtung zur Anerkennung einer Genehmigung,
die privaten Veranstaltern mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten
erteilt wurde, allein aufgrund der Existenz eines solchen Monopols
per se ausgeschlossen. Die Frage nach dem eventuellen
Bestehen einer solchen Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der
in
anderen Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen kann nur dann
relevant werden, wenn die fraglichen Monopole als mit dem
Gemeinschaftsrecht
unvereinbar angesehen würden(35).
94. Im Bereich
des Glücksspiels über das Internet muss man erst recht zu diesem
Ergebnis gelangen. Wie ich nämlich bereits einleitend
angemerkt habe, dürfen angesichts der Schwierigkeiten, denen
sich die Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der Qualitäten und
der Redlichkeit der in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen
Veranstalter von Online-Glücksspielen gegenübersehen können, die
anderen Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung die
Auffassung vertreten, dass die Kontrollen und Pflichten, denen diese
Dienstleister in deren Niederlassungsstaat unterliegen, keine
hinreichenden Garantien für den Schutz ihrer eigenen Verbraucher
vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten darstellen(36).
95. Die
maltesische Regierung, die sich, wenn ich mich nicht irre, an den
vorangegangenen Rechtssachen auf dem Gebiet des Glücksspiels,
über die der Gerichtshof zu entscheiden hatte, nicht beteiligt
hat, bestreitet in ihren schriftlichen Erklärungen die Stichhaltigkeit
dieser Rechtsprechung. Sie beruft sich auf die Qualität der
nach ihrer Regelung vorgesehenen Kontrollen.
96. Ich glaube
nicht, dass die Argumentation der maltesischen Regierung es
rechtfertigt, diese Rechtsprechung zu überdenken. Seitdem
in ständiger Rechtsprechung bejaht wird, dass ein hohes Niveau
des Schutzes der Verbraucher vor Anreizen zu übermäßigen Ausgaben
für das Spielen die Einräumung eines Monopols rechtfertigen
kann, scheint nämlich die Diskussion, die die maltesische Regierung
erneut eröffnen will, nicht mehr relevant.
97. Da jedoch
ein Monopol eine sehr restriktive Maßnahme darstellt, muss es nach der
Rechtsprechung auf die Gewährleistung eines
besonders hohen Verbraucherschutzniveaus abzielen. Es muss
daher zum einen mit einem normativen Rahmen, mit dem sich gewährleisten
lässt, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage
sein wird, die so festgelegten Ziele, insbesondere das des Schutzes
der Verbraucher vor einem Anreiz zu übermäßigen Ausgaben für
das Spielen, zu verfolgen, und zum anderen mit einer genauen
Kontrolle durch die Behörden einhergehen(37).
99. Die
österreichische Regierung bringt hierzu vor, dass nach ihrer Regelung
der Inhaber des Monopols hohe Spielerschutzstandards
wie die Festsetzung einer Obergrenze von 800 Euro pro Woche
sowie persönliche Spielzeit- und Einsatzlimits vorsehen müsse.
Nach dem Akteninhalt übt dieser Inhaber seine Tätigkeiten unter
der Aufsicht des österreichischen Bundesministers für Finanzen
aus, der diese Aufsicht über Staatskommissäre und ein Mitglied
des Aufsichtsrats wahrnimmt, die zwar erhöhten Einblick in
die Geschäftsführung haben, aber keinen direkten Einfluss
darauf nehmen können.
100. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die österreichische Regelung in dieser Ausgestaltung und nach der
Art und Weise ihrer Umsetzung die oben erwähnten Voraussetzungen erfüllt.
101. Nachdem das vorlegende Gericht in seinen Fragen die Regelung des innerstaatlichen Rechts für Spielbanken wie Kasinos erwähnt,
sind hierzu möglicherweise noch die folgenden Hinweise zweckdienlich.
102. Meines
Erachtens kann der Umstand, dass der Betrieb von Spielbanken nach
österreichischem Recht nicht Gegenstand eines Monopols,
sondern eines Konzessionssystems ist, das zwölf Veranstaltern
offensteht und daher weniger restriktiv ist, an der
Gemeinschaftsrechtskonformität
des fraglichen Monopols nichts ändern. Das Anbieten von Spielen
über das Internet und ihr Anbieten in Kasinos weisen nämlich
erhebliche Unterschiede auf, insbesondere hinsichtlich der
Voraussetzungen, unter denen die Spieler an ihnen teilnehmen können,
die es rechtfertigen, dass Erstere einem viel engeren Rahmen
unterliegen(39).
103. Aus diesem
Grund bin ich auch der Ansicht, dass der Hinweis in der mündlichen
Verhandlung, dass das Limit von 800 Euro pro
Woche nur für Internet-Lotterien gelte, so dass ein Spieler,
der dieses Limit erreicht habe, nicht daran gehindert sei, sich
anderen in Österreich üblichen Arten des Glücksspiels
hinzugeben, nicht geeignet ist, die Kohärenz der österreichischen
Regelung
für Online-Glücksspiele in Frage zu stellen.
2. Die Dauer des Monopols
104. Die Dauer
eines Monopols kann an sich eine Beschränkung der Verkehrsfreiheiten
darstellen, die von derjenigen verschieden
ist, die sich aus der Gewährung von Alleinrechten ergibt, da
durch diese Dauer der Zeitraum festgelegt wird, in dem der fragliche
Markt anderen Unternehmern verschlossen bleibt.
105. Im Urteil Engelmann hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine Dauer von bis zu 15 Jahren für Konzessionen für den Betrieb
von Spielbanken eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt(40). Dies gilt erst recht, wenn diese Dauer von bis zu 15 Jahren für die Einräumung eines Monopols an einen privaten Veranstalter
vorgesehen ist.
106. In diesem
Urteil hat der Gerichtshof jedoch auch angenommen, dass die Vergabe von
Konzessionen für eine solche Dauer insbesondere
im Hinblick darauf gerechtfertigt sein kann, dass der
Konzessionär ausreichend Zeit benötigt, um die für die Gründung einer
Spielbank erforderlichen Investitionen zu amortisieren(41).
107. Diese
Rechtsprechung scheint mir auf die Einräumung eines Monopols für den
Betrieb von Glücksspielen über das Internet übertragbar,
auch wenn mir die für die Ausübung dieser Tätigkeit
erforderlichen Investitionen auf den ersten Blick niedriger erscheinen
als die für den Betrieb von Kasinos.
108. Außerdem
könnte die Einräumung eines Betriebsmonopols für einen zu kurzen
Zeitraum den Inhaber dieses Alleinrechts dazu verleiten,
seine Gewinne maximieren zu wollen. Unter diesem Blickwinkel
kann die Einräumung eines Betriebsmonopols für eine hinreichende
Dauer zur Verwirklichung des Ziels beitragen, die Verbraucher
vor einem Anreiz zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu
schützen.
3. Die Rechtsform und die Höhe des Gesellschaftskapitals
109. Die fragliche
österreichische Regelung sieht vor, dass der Inhaber des Monopols für
den Betrieb von Lotterien über das Internet
zum einen eine Kapitalgesellschaft sein und zum anderen über
ein Grund- oder Stammkapital von mindestens 109 000 000 Euro
verfügen muss.
110. Das erste
dieser Erfordernisse nimmt in einem anderen Mitgliedstaat
niedergelassenen natürlichen Personen und Unternehmen
die Möglichkeit, die streitige Tätigkeit in Österreich in einer
anderen Gesellschaftsform auszuüben. Durch das zweite wird
die Gründung einer Kapitalgesellschaft erschwert, die sich um
die Einräumung des fraglichen Monopols bewerben kann. Somit
stellen beide Erfordernisse eine Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit dar(42). Sie können jedoch durch die von der österreichischen Regelung verfolgten Ziele gerechtfertigt sein, wenn sie sich im Hinblick
auf diese Ziele als verhältnismäßig erweisen.
111. Die
österreichische Regierung legt hierzu dar, dass das
Rechtsformerfordernis dazu diene, den Monopolinhaber zu einer
transparenten
Unternehmensstruktur zu zwingen, um Geldwäsche und Betrug
vorzubeugen. Das Gemeinschaftsrecht sehe für den Bereich der
Versicherungswirtschaft
dasselbe Rechtsformerfordernis vor(43).
Die Höhe des Gesellschaftskapitals sei im Hinblick auf die Höhe der
Gewinne, die der Monopolinhaber im Rahmen der Spiele,
die er über das Internet anbieten dürfe, möglicherweise
auszahlen müsse und die einen Jackpot von mehreren Millionen umfassen
könnten, verhältnismäßig.
112. In Anbetracht
dieser Darlegungen sowie der Rechtsprechung scheinen die beiden
geprüften Erfordernisse, vorbehaltlich der Beurteilung
des nationalen Gerichts, gerechtfertigt und verhältnismäßig.
113. Was die
Rechtsform betrifft, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die
österreichische Regelung, anders als die Rechtsvorschriften,
die in den den Urteilen Gambelli u. a. sowie Placanica u. a.
zugrunde liegenden Rechtssachen fraglich waren, es unterschiedslos
allen Kapitalgesellschaften ermöglicht, das fragliche Monopol
auszuüben(44).
114. Zum anderen
hat der Gerichtshof im Urteil Engelmann darauf hingewiesen, dass die
Kontrollen, denen ein Mitgliedstaat einen
Unternehmer, der im Inland Glücksspiele betreiben möchte,
unterziehen kann, es rechtfertigen können, diesem eine besondere
Rechtsform vorzuschreiben. Die österreichische Regelung, die
den Betrieb von Kasinos Aktiengesellschaften vorbehalte, könne
durch die Verpflichtungen, denen diese Gesellschaftsform u. a.
hinsichtlich ihrer Buchführung, der Kontrollen, denen sie unterzogen
werden könne, und ihrer Beziehungen zu Dritten unterliege,
gerechtfertigt werden(45).
115. Angesichts der
Verpflichtungen, die das Gemeinschaftsrecht den Kapitalgesellschaften
in Bezug auf ihre Buchführung und auf
die Kontrollen, denen sie unterliegen, auferlegt, dürfte diese
Beurteilung auf das Erfordernis der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft
übertragbar sein(46).
116. Daraus kann
abgeleitet werden, dass die von der österreichischen Regelung
aufgestellten Voraussetzungen, dass der Monopolinhaber
die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft aufweisen und über ein
Grund- oder Stammkapital von mindestens 109 000 000 Euro verfügen
muss, vorbehaltlich der Prüfung ihrer Verhältnismäßigkeit durch
das nationale Gericht, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht
stehen können.
4. Der Ort des Gesellschaftssitzes
117. Nach der fraglichen österreichischen Regelung muss der Inhaber des Monopols für den Betrieb von Lotterien über das Internet
seinen Gesellschaftssitz im Inland haben.
118. Dieses
Erfordernis stellt ohne jeden Zweifel eine Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit dar. Im Urteil Engelmann wurde es
als diskriminierende Maßnahme beurteilt, da es zu einer
Ungleichbehandlung zwischen Gesellschaften mit Sitz im Inland und
solchen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat führt. Eine
solche Voraussetzung hindert Letztere auch daran, über eine
Zweitniederlassung
wie eine Agentur oder Zweigniederlassung in Österreich
Glücksspiele über das Internet zu veranstalten.
119. In diesem
Urteil hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit der österreichischen
Regelung für Spielbanken darauf hingewiesen,
dass das Erfordernis, dass Konzessionäre ihren
Gesellschaftssitz in Österreich haben, eine in einem anderen
Mitgliedstaat
niedergelassene Gesellschaft auch daran hindert, ihre Tätigkeit
in Österreich über eine Tochtergesellschaft auszuüben. In
der mündlichen Verhandlung hat die österreichische Regierung
jedoch dargelegt, dass das Monopol für den Betrieb von Lotterien
über das Internet auch einer Tochtergesellschaft einer in einem
anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft eingeräumt
werden könne.
120. Es ist zu
prüfen, ob dieses Erfordernis gerechtfertigt werden kann. Wie der
Gerichtshof in diesem Urteil dargelegt hat, kann
es das wegen seines diskriminierenden Charakters nur aus einem
der in Art. 46 EG genannten Gründe, nämlich dem Schutz der
öffentlichen Ordnung, der Sicherheit oder der Gesundheit(47).
121. Die
österreichische Regierung ist der Auffassung, dass ein Gesellschaftssitz
im Inland für eine wirksame Kontrolle des Online-Glücksspiels
erforderlich sei. Dieser Sitz im Inland ermögliche es den
zuständigen innerstaatlichen Behörden, die Organbeschlüsse und die
Geschäftsgebarung des Monopolinhabers effektiv zu überwachen.
Diese Behörden seien so in der Lage, sich Kenntnis von den Beschlüssen
dieses Inhabers vor ihrer Umsetzung zu verschaffen und sie zu
beeinspruchen, wenn sie gegen die Ziele der innerstaatlichen
Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels verstießen. In Bezug
auf einen Anbieter, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen
sei, verfüge sie nicht über diese Möglichkeiten.
122. Ich bin, wie auch die Kommission, der Ansicht, dass der Argumentation der österreichischen Regierung gefolgt werden kann.
123. Allerdings ist
der Gerichtshof im Urteil Engelmann hinsichtlich eben dieses
Niederlassungserfordernisses, das nach der österreichischen
Regelung für die Inhaber einer Konzession für den Betrieb einer
Spielbank galt, zum gegenteiligen Ergebnis gelangt.
124. Er hat
entschieden, dass weniger einschneidende Mittel die Kontrolle der
Tätigkeiten und der Konten der Konzessionäre und
somit die Kriminalitätsbekämpfung ermöglichten, wie die
Möglichkeit, für jede Spielbank eine getrennte Buchführung zu verlangen,
die von einem externen Buchprüfer überprüft werde, die gezielte
Unterrichtung über die Entscheidungen der Leitungsorgane sowie
die Möglichkeit, Auskünfte über deren Führungskräfte
einzuholen(48).
125. Jedes in einem
Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen könne nämlich unabhängig
davon, wo seine Führungskräfte wohnten,
kontrolliert und zudem Sanktionen unterworfen werden.
Schließlich könnten in Bezug auf die betreffende Tätigkeit, nämlich
den Betrieb von Spielbanken in Österreich, Überprüfungen in den
Räumlichkeiten dieser Spielbanken durchgeführt werden(49).
126. Meines
Erachtens können diese Begründung und das Ergebnis, zu dem der
Gerichtshof abschließend gelangt ist, nicht auf ein
Monopol für den Betrieb von Glücksspielen über das Internet
übertragen werden. Ich stütze mich dabei auf folgende Erwägungen
im Zusammenhang mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung gemäß
der Definition dieses Begriffs durch die Rechtsprechung, da
sie sich auf eine tatsächliche und hinreichend schwere
Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft beziehen(50).
127. Es steht fest,
dass Glücksspiele über das Internet mit größeren Gefahren verbunden
sind als solche in herkömmlichen Spielbanken
wie Kasinos. Die größere Gefährlichkeit dieser Spiele ergibt
sich, wie gesagt, aus dem fehlenden unmittelbaren Kontakt zwischen
dem Spieler und dem Veranstalter, wodurch betrügerische
Handlungen sowohl des Verbrauchers – sein Alter oder seine Identität
betreffend – als auch des Veranstalters oder seines Personals
hinsichtlich der Einhaltung der Regeln für den Ablauf des Spiels
begünstigt werden können.
128. Diese
Gefährlichkeit ergibt sich auch aus der großen Leichtigkeit, mit der
jedermann über einen Computer oder ein Mobiltelefon
an den Spielen teilnehmen kann, dem ständigen Zugang, der
möglicherweise sehr großen Menge an Spielen sowie daraus, dass das
Umfeld des Spielers, wenn er dem Spiel verfallen ist, im
Allgemeinen durch Isolation, Anonymität und fehlende soziale Kontrolle
gekennzeichnet ist.
129. Es ist daher anerkannt, dass diese Spiele die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben fördern können, ganz besonders
bei jungen Personen oder Personen mit besonderer Spielneigung.
130. Diese
besonderen Merkmale rechtfertigen es daher, dass sich ein Mitgliedstaat
mit den Mitteln ausstattet, die eine wirksame
Kontrolle der Bedingungen gewährleisten, unter denen der
Unternehmer, dem der Betrieb solcher Spiele in seinem Hoheitsgebiet
genehmigt wurde, seine Tätigkeit tatsächlich ausübt. Wie die
österreichische Regierung dargelegt hat, will ein Mitgliedstaat
zu Recht in der Lage sein, die Einhaltung seiner Regelung zu
überprüfen und gegebenenfalls eine Entscheidung dieses Unternehmers,
die gegen dessen Verpflichtungen verstößt, zu beeinspruchen,
bevor sie umgesetzt wird und sozialschädliche Wirkungen hervorruft.
131. Ein
Mitgliedstaat kann mit anderen Worten die Aufstellung eines Rahmens
detaillierter Regeln für die Tätigkeit des Monopolinhabers
zu Recht als unzureichend ansehen. Er kann zu Recht auch die
Einhaltung dieser Regeln eingehend kontrollieren wollen und sich
mit den Mitteln ausstatten wollen, Verstößen gegen sie
vorbeugend entgegenzuwirken.
132. Die
Besonderheit von Internet-Glücksspielen besteht jedoch auch darin, dass
sie zur Gänze im Fernabsatz abgewickelt werden
können. Ihre Abwicklung erfordert in materieller Hinsicht,
anders als herkömmliche Glücksspiele wie Kasino-Spiele, keine
Infrastruktur
im Zielmitgliedstaat, die die Behörden dieses Staates selbst
kontrollieren könnten.
133. Im Fall von
Online-Spielen, die von einem anderen Mitgliedstaat aus angeboten
werden, sind daher die Behörden des Zielmitgliedstaats
nicht in der Lage, selbst die Kontrollen und Überprüfungen
durchzuführen, die ihres Erachtens in den Räumen durchgeführt werden
müssen, in denen der Dienstleister seine Tätigkeiten ausübt.
Dazu ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Kampfs gegen
Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung die Mitgliedstaaten nach
der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum
Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung(51),
die auf Kasinos, die Glücksspiele über das Internet anbieten, anwendbar
ist, die Möglichkeit der Durchführung von Prüfungen
vor Ort vorsehen mussten. Ein Mitgliedstaat kann daher meines
Erachtens zu Recht davon ausgehen, dass der Schutz seiner Verbraucher
vor den Gefahren des Betrugs und des Anreizes zu übermäßigen
Ausgaben für das Spielen solche Kontrollen ebenfalls rechtfertigt.
134. Wie jedoch
mehrere Mitgliedstaaten in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben
haben, gibt es derzeit keinen Rechtstext über
eine Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft, wonach der
Mitgliedstaat der Niederlassung eines Anbieters von Online-Glücksspielen
verpflichtet wäre, den zuständigen Behörden des
Zielmitgliedstaats jede erforderliche Unterstützung zu gewähren, die
diese
benötigen könnten, um zu kontrollieren, ob ihre eigene Regelung
eingehalten wird(52).
135. Außerdem kann
meines Erachtens kaum davon ausgegangen werden, dass die Behörden des
Mitgliedstaats, in dem ein solcher Anbieter
von Glücksspielen niedergelassen ist, in der Lage sind, genau
und eingehend zu prüfen, ob dieser Dienstleister die Verpflichtungen
gewissenhaft und ständig beachtet, denen er in jedem einzelnen
Mitgliedstaat unterliegt, in dem ihm der Betrieb von Glücksspielen
erlaubt wurde. Dies umso weniger, als diese Verpflichtungen
mangels Harmonisierung von einem Mitgliedstaat zum anderen verschieden
sind und sich in jedem von ihnen jederzeit ändern können.
136. Dies muss erst
recht gelten, wenn die Tätigkeit eines solchen Dienstleisters auf
mehrere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist,
wie dies bei der bet‑at‑home.com Entertainment Ltd sowie bei
der bet‑at‑home.com International Ltd der Fall zu sein scheint,
deren Website in den Sprachen Spanisch, Deutsch, Griechisch,
Englisch, Italienisch, Ungarisch, Niederländisch, Polnisch, Slowenisch,
Türkisch und Russisch abgerufen werden kann.
137. Außerdem ist
auf dem besonderen Gebiet des Internet-Glücksspiels eine Berufung auf
den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung,
der bei fehlender Harmonisierung normalerweise anzuwenden ist,
um die Ausübung der Verkehrsfreiheiten zu ermöglichen, nicht
möglich. Wie erwähnt dürfen nämlich nach ständiger
Rechtsprechung wegen der praktischen Schwierigkeiten, die mit der
Ausübung
einer wirksamen und gründlichen Kontrolle der Tätigkeit eines
Anbieters von Online-Glücksspielen verbunden sind, die im Staat
seiner Niederlassung durchgeführten Kontrollen von den anderen
Mitgliedstaaten als unzureichend angesehen werden(53).
138. In der
mündlichen Verhandlung ist die Frage gestellt worden, ob es ausreichte,
dem Anbieter von Online-Glücksspielen vorzuschreiben,
den für das Anbieten seiner Spiele im Zielmitgliedstaat
erforderlichen Server in diesem zu installieren. Die belgische Regierung
hat darauf geantwortet, dass sich ein solches Erfordernis als
unzureichend erweisen könne, wenn der Server von einem anderen
Mitgliedstaat aus verwendet werde und alle Entscheidungen, die
diese Verwendung beträfen, in diesem Staat getroffen würden.
139. Unter
Berücksichtigung der verschiedenen Beurteilungsfaktoren, die im Rahmen
der vorliegenden Rechtssache dargelegt wurden,
scheint mir somit das geprüfte Erfordernis nicht
unverhältnismäßig zu sein. Ein Mitgliedstaat kann meines Erachtens zu
Recht
die Auffassung vertreten, dass er einen Anbieter von
Online-Glücksspielen genauer und wirksamer kontrollieren und so
gegebenenfalls
die Umsetzung einer gegen seine Regelung verstoßenden
Entscheidung beeinspruchen kann, wenn dieser Dienstleister seinen Sitz
im Inland hat.
140. Im Rahmen der
Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieses Erfordernisses ist meines
Erachtens noch ein letztes Argument zu berücksichtigen.
141. Es wurde
bereits dargelegt, dass die Gemeinschaftsrechtskonformität eines
Monopols davon abhängt, ob dieses Monopol die Ziele
der Gewährleistung eines hohen Schutzes der öffentlichen
Ordnung und der Verbraucher verfolgt und mit einem rechtlichen Rahmen
einhergeht, der die Verwirklichung dieser Ziele und eine
gründliche Kontrolle durch den betreffenden Mitgliedstaat gewährleistet.
Diese Anforderungen ergeben sich logisch aus der Systematik der
Verkehrsfreiheiten, da ein Betriebsmonopol eine diese Freiheiten
stark beschränkende Maßnahme darstellt.
142. Damit steht
meines Erachtens im Einklang, einem Mitgliedstaat zu gestatten, das
Erfordernis aufzustellen, dass ein Monopolinhaber
auf dem spezifischen Gebiet des Internet-Glücksspiels seinen
Sitz im Inland hat, weil er dadurch viel wirksamer, als wenn
der Veranstalter seine Tätigkeit von einem anderen
Mitgliedstaat aus ausübte, kontrollieren kann, ob dieser die staatliche
Politik zum Schutz der Verbraucher vor Betrug und Spielsucht
beachtet.
143. In der
mündlichen Verhandlung haben sich die beiden Beschuldigten des
Ausgangsverfahrens, Herr Dickinger und Herr Ömer, zum
Nachweis u. a. dafür, dass die von ihnen gewissenhaft ausgeübte
Kontrolle real und wirksam sei, darauf berufen, dass die Unternehmen,
die die betreffenden Spiele anböten, in Malta niedergelassen
seien und ihnen nur Personen angehörten, die dort wohnten. Es
ist daher nicht ersichtlich, warum dieselben und eben diesem
Zweck dienenden Erfordernisse zu verurteilen sein sollten, weil
sie von der Republik Österreich aufgestellt wurden.
144. Ich werde dem
Gerichtshof daher vorschlagen, zu entscheiden, dass Art. 49 EG der
Vorschrift eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht,
wonach die Kapitalgesellschaft, der dieser Staat das Monopol
für den Betrieb von Internet-Glücksspielen in seinem Hoheitsgebiet
eingeräumt hat, ihren Sitz im Inland haben muss.
5. Das Verbot der Errichtung von Filialbetrieben in einem anderen Mitgliedstaat
145. Das Verbot der
Errichtung von Filialbetrieben im Ausland, soweit es eine solche
Errichtung in einem anderen Mitgliedstaat
untersagt, stellt eine ausdrückliche Verweigerung eines der
Rechte dar, die die Art. 43 EG und 48 EG einer Gesellschaft mit
Sitz in einem Mitgliedstaat einräumen. Dieses Verbot kann daher
die Ausübung des Monopols für den Betrieb von Internet-Glücksspielen
in Österreich weniger attraktiv machen und so eine in einem
anderen Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft davon abhalten,
sich um die Einräumung dieses Monopols zu bewerben.
146. Die
österreichische Regierung hat sich in ihren schriftlichen Erklärungen
auf den Hinweis beschränkt, dass das geprüfte Verbot
nur den Grundgedanken umsetze, dass es jedem einzelnen
Mitgliedstaat obliege, den Betrieb von Glücksspielen in seinem
Hoheitsgebiet
zu regeln.
147. Meines Erachtens kann diese Erklärung nicht als Rechtfertigung für eine Beschränkung herangezogen werden.
148. Ob ein Recht
zum Betrieb von Glücksspielen in einem Mitgliedstaat besteht, liegt zwar
im Ermessen dieses Staates. Es ist jedoch
Sache jedes Mitgliedstaats, darüber zu entscheiden und
gegebenenfalls Maßnahmen zu treffen, die die Beachtung seiner
Rechtsvorschriften
sicherstellen sollen. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür,
seinen Glücksspielmarkt privaten Veranstaltern zu öffnen,
hat jede rechtmäßig in einem Mitgliedstaat niedergelassene
Gesellschaft das Recht, sich um den Eintritt in diesen Markt und
gegebenenfalls um die Durchführung des von diesem Staat
vorgesehenen Genehmigungsverfahrens zu bemühen.
149. Die
österreichische Regierung kann daher einem Unternehmer, dem sie das
Monopol für den Betrieb von Glücksspielen über das
Internet in seinem Hoheitsgebiet eingeräumt hat, nicht
rechtswirksam verbieten, dieselbe Tätigkeit über einen Filialbetrieb
in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, ohne darzulegen,
inwiefern ein solches Verbot für die Verwirklichung eines mit ihrer
Regelung verfolgten legitimen Ziels wie des Schutzes der
öffentlichen Ordnung oder der Verbraucher erforderlich ist.
150. Zudem ist es
erforderlich, dass ein solches Verbot seine Ziele in kohärenter und
systematischer Weise verfolgt. In der vorliegenden
Rechtssache könnte die Kohärenz einer solchen Maßnahme fraglich
sein, wenn sie nur die Errichtung eines Filialbetriebs, nicht
aber einer Agentur oder Zweigniederlassung verbietet.
Schließlich muss sich das Verbot der Errichtung eines Filialbetriebs
im Ausland im Hinblick auf die verfolgten Ziele als
verhältnismäßig erweisen.
151. Da sich in der
vorliegenden Rechtssache die Diskussionen auf die Gültigkeit eines
Betriebsmonopols auf dem Gebiet des Internet-Glücksspiels
und auf das Erfordernis des Gesellschaftssitzes im Inland
konzentriert haben, kann ich nicht ausschließen, dass sich die
österreichische
Regierung vor dem nationalen Gericht auf Umstände berufen kann,
die das geprüfte Erfordernis rechtfertigen.
152. Ich schlage
daher dem Gerichtshof vor, Letzterem die Beurteilung dieses
Erfordernisses zu überlassen und zu antworten, dass
Art. 43 EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht,
wonach es der Gesellschaft, die in seinem Hoheitsgebiet das Monopol
für den Betrieb von Glücksspielen über das Internet hat,
verboten ist, einen Filialbetrieb in einem anderen Mitgliedstaat
zu errichten, es sei denn, dass dieses Erfordernis aus einem
zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und im
Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig ist.
D – Das Verhalten des Monopolinhabers
153. Mit seiner
Frage 1 Buchst. b möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen,
ob ein Monopol für den Betrieb von Glücksspielen
über das Internet gerechtfertigt werden kann, wenn der Inhaber
dieses Monopols durch intensive Werbung eine expansionistische
Politik betreibt.
154. Der
Gerichtshof hat insbesondere in den Urteilen Ladbrokes
Betting & Gaming und Ladbrokes International sowie Stoß u. a. eine
vergleichbare Frage beantwortet.
155. Nach diesen
Urteilen ist es nicht notwendigerweise mit dem Bestehen eines solchen
Monopols und dem Ziel des Schutzes der Verbraucher
vor einem Anreiz zu übermäßigem Spielen unvereinbar, dass der
Inhaber eines Betriebsmonopols eine Politik der Expansion betreibt
und Werbung für seine Spiele macht.
156. Nach der
Rechtsprechung darf ein Mitgliedstaat dem Inhaber eines Monopols für den
Betrieb von Glücksspielen über das Internet
erlauben, eine Politik der Expansion zu betreiben und in
bestimmtem Umfang Werbung für sie zu machen, wenn nachgewiesen wird,
dass illegale Online-Glücksspiele einen erheblichen Umfang
aufweisen, so dass sich diese Expansion und diese Werbung als
erforderlich
erweisen, um die Spieler auf rechtmäßige Bahnen zu lenken(54).
157. Ein
Mitgliedstaat, der sich einer großen Zahl nicht genehmigter Websites
gegenübersieht, auf denen Glücksspiele angeboten
werden, kann es daher dem Inhaber des Monopols für den Betrieb
von Online-Glücksspielen im Inland rechtmäßig erlauben, in
bestimmtem Umfang Werbung zu machen, die zugkräftig genug ist,
um die Verbraucher zu den genehmigten Glücksspielen hinzuführen.
158. Wenn ein
Mitgliedstaat zugleich auf den Schutz der Verbraucher gegen einen
übermäßigen Anreiz zum Glücksspiel und den Kampf
gegen Betrug und geheimes Glücksspiel abzielt, ist daher die
Frage, ob seine Regelung diese Ziele in kohärenter und systematischer
Weise verfolgt, im Hinblick auf diese Ziele in ihrer Gesamtheit
zu würdigen(55).
159. Eine
kontrollierte Politik der Expansion, unterstützt durch Werbung in
bestimmtem Umfang, die die Spieler auf rechtmäßige
Bahnen lenken soll, darf daher nicht als mit dem Ziel des
Schutzes der Verbraucher vor übermäßigem Anreiz zum Glücksspiel
grundsätzlich unvereinbar angesehen werden, auch wenn es den
Anschein haben kann, dass sie einander entgegenstehen(56). Es kommt darauf an, dass der Monopolinhaber bei seiner Tätigkeit innerhalb des vom betreffenden Mitgliedstaat vorgegebenen
Rahmens bestrebt ist, bei der Verfolgung all dieser Ziele ein angemessenes Gleichgewicht zu finden.
160. Es ist daher
Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die vom Monopolinhaber
betriebene Politik der Expansion und seine
Werbung nach ihrem Umfang und ihrer Art im Rahmen dessen
bleiben, was erforderlich ist, um die Spieler auf rechtmäßige Bahnen
zu lenken, und weiterhin mit dem Ziel des Schutzes der
Verbraucher vor einem übermäßigen Anreiz zum Glücksspiel vereinbar
sind(57).
161. Ich schlage
daher vor, auf die geprüfte Frage zu antworten, dass ein Monopol für den
Betrieb von Glücksspielen über das Internet
auch dann gerechtfertigt werden kann, wenn der Inhaber dieses
Monopols durch intensive Werbung eine expansionistische Politik
betreibt, sofern diese Expansion und diese Werbung erforderlich
sind, um die Spieler zu den genehmigten Online-Glücksspielen
hinzulenken, und nicht nach ihrem Umfang und ihrer Art mit dem
Schutz der Verbraucher vor einem Anreiz zu übermäßigen Ausgaben
für das Spielen unvereinbar sind.
IV – Ergebnis
162. Nach alledem schlage ich vor, auf die Vorlagefragen des Bezirksgerichts Linz wie folgt zu antworten:
1. Eine Regelung eines
Mitgliedstaats, die Zuwiderhandlungen gegen ein Monopol für den Betrieb
von Glücksspielen wie das Monopol
für den Betrieb von elektronischen Lotterien nach
österreichischem Recht strafrechtlich sanktioniert, muss im Einklang mit
den Verkehrsfreiheiten und insbesondere mit Art. 49 EG stehen,
obwohl das Strafrecht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten
fällt.
2. Art. 49 EG ist dahin
auszulegen, dass der Umstand, dass ein Dienstleister, der Glücksspiele
über das Internet anbietet, Sachmittel
für die Kommunikation wie einen Server und eine Telefonzentrale
verwendet, die sich im Zielmitgliedstaat befinden und ihm
von einem Drittunternehmen zur Verfügung gestellt werden, für
sich allein die Anwendung der Bestimmungen des EG‑Vertrags über
den freien Dienstleistungsverkehr nicht ausschließt.
Eine Berufung auf Art. 49 EG ist jedoch nicht
möglich, wenn sich zeigen sollte, dass unter den Umständen des
vorliegenden
Falls die maltesischen Tochtergesellschaften rein künstliche
Gestaltungen sind, die es ihrer österreichischen Muttergesellschaft
ermöglichen sollen, das Verbot des Betriebs von
Online-Glücksspielen in Österreich zu umgehen.
Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass eine
Regelung eines Mitgliedstaats, die im Inland niedergelassenen
Dienstleistern verbietet,
in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaften
die Sachmittel für das Anbieten von Online-Glücksspielen an
im Inland ansässige Personen zur Verfügung zu stellen, eine
Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne dieses
Artikels darstellt.
3. Art. 49 EG steht der
Vorschrift eines Mitgliedstaats nicht entgegen, wonach die
Kapitalgesellschaft, der dieser Staat das
Monopol für den Betrieb von Internet-Glücksspielen in seinem
Hoheitsgebiet eingeräumt hat, ihren Sitz im Inland haben muss.
Art. 43 EG steht der Regelung eines
Mitgliedstaats entgegen, wonach es der Gesellschaft, die dieses Monopol
innehat, verboten
ist, einen Filialbetrieb in einem anderen Mitgliedstaat zu
errichten, es sei denn, dass dieses Erfordernis aus einem zwingenden
Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und im Hinblick
auf dieses Ziel verhältnismäßig ist.
4. Ein Monopol für den Betrieb
von Glücksspielen über das Internet kann auch dann gerechtfertigt
werden, wenn der Inhaber dieses
Monopols durch intensive Werbung eine expansionistische Politik
betreibt, sofern diese Expansion und diese Werbung erforderlich
sind, um die Spieler zu den genehmigten Online-Glücksspielen
hinzulenken, und nicht nach ihrem Umfang und ihrer Art mit dem
Schutz der Verbraucher vor einem Anreiz zu übermäßigem
Glücksspiel unvereinbar sind.
1 – Originalsprache: Französisch.
2 –
Urteile vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional
und Bwin International (C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633),
vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange (C‑203/08, noch nicht in
der amtlichen Sammlung veröffentlicht), und Ladbrokes
Betting & Gaming
und Ladbrokes International (C‑258/08, noch nicht in der
amtlichen Sammlung veröffentlicht), vom 8. September 2010, Winner
Wetten (C‑409/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung
veröffentlicht), Stoß u. a. (C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07
und C‑410/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung
veröffentlicht) sowie Carmen Media Group (C‑46/08, noch nicht in der
amtlichen
Sammlung veröffentlicht), und vom 9. September 2010, Engelmann
(C‑64/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).
3 – Urteile Sporting Exchange (Randnr. 48) sowie Stoß u. a. (Randnr. 81).
4 – Urteil Sporting Exchange (Randnr. 59).
5 –
Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International
(Randnrn. 69 bis 72) sowie Carmen Media Group (Randnrn.
102 f.).
6 – Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (Randnr. 69), Sporting Exchange (Randnr. 33) sowie
Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International (Randnr. 54).
7 – ABl. L 376, S. 36.
8 – BGBl. Nr. 620/1989 in der durch BGBl. I Nr. 145/2006 geänderten Fassung (im Folgenden: GSpG).
9 –
Vgl. z. B. auf dem Gebiet der direkten Steuern Urteil vom 18. Dezember
2007, A (C‑101/05, Slg. 2007, I‑11531, Randnr. 19
und die dort angeführte Rechtsprechung); zur Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihres Systems der sozialen
Sicherheit vgl. Urteil vom 28. April 1998, Kohll (C‑158/96,
Slg. 1998, I‑1931, Randnrn. 15 f. und 21), und auf dem Gebiet
der Gesundheit Urteil vom 16. Mai 2006, Watts (C‑372/04, Slg.
2006, I‑4325, Randnr. 92).
10 – Vgl. insbesondere Urteil vom 2. Februar 1989, Cowan (186/87, Slg. 1989, 195, Randnr. 19).
11 – Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891, Randnr. 69).
12 – Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031, Randnr. 54), sowie Liga Portuguesa de Futebol
Profissional und Bwin International (Randnr. 46).
13 – Vgl. insbesondere Urteil vom 10. Mai 1995, Alpine Investments (C‑384/93, Slg. 1995, I‑1141, Randnr. 22).
14 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Gambelli u. a. (Randnr. 59). Vgl. auch Urteil Stoß u. a.
15 – Randnr. 46 dieses Urteils.
16 – 205/84, Slg. 1986, 3755, Randnr. 21.
17 – Randnr. 46.
18 – Randnr. 59.
19 – ABl. L 178, S. 1.
20 – Art. 1 Abs. 5 Buchst. d letzter Gedankenstrich der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr.
21 – Urteil vom 12. Mai 1998, Kefalas u. a. (C‑367/96, Slg. 1998, I‑2843, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
22 – C‑196/04, Slg. 2006, I‑7995.
23 – Randnr. 54.
24 – Randnr. 67.
25 – Urteil Gambelli u. a. (Randnr. 58).
26 – Vgl. u. a. Urteile vom 21. Oktober 1999, Zenatti (C‑67/98, Slg. 1999, I‑7289, Randnr. 24), sowie Stoß u. a. (Randnr. 57).
27 – Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (Randnr. 56).
28 – Ebd. (Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 – Ebd. (Randnrn. 60 f.).
30 – Ebd. (Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
31 – Urteil Stoß u. a. (Randnrn. 81 f.).
32 – Ebd. (Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 – Urteil Sporting Exchange (Randnr. 58).
34 – Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (Randnrn. 67 bis 70).
35 – Urteil Stoß u. a. (Randnrn. 109 f.).
36 – Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (Randnr. 69), Sporting Exchange (Randnr. 33) sowie
Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International (Randnr. 54).
37 – Urteil Stoß u. a. (Randnr. 83).
38 – Urteile Zenatti (Randnr. 37), Gambelli u. a. (Randnr. 66) sowie Stoß u. a. (Randnr. 78).
39 – Vgl. Urteil Stoß u. a. (Randnrn. 95 f.).
40 – Randnr. 46.
41 – Randnr. 48.
42 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Engelmann (Randnr. 28).
43 –
Die österreichische Regierung zitiert Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der
Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl.
L 345, S. 1), Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Ersten Richtlinie
73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der
Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und
Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der
Lebensversicherung) (ABl. L 228, S. 3) sowie Art. 5 in Verbindung
mit Anhang I der Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 über die Rückversicherung
und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 92/49/EWG des
Rates sowie der Richtlinien 98/78/EG und 2002/83/EG (ABl. L 323,
S. 1) in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2005/68.
44 –
Die in diesen Urteilen fraglichen italienischen Rechtsvorschriften
schlossen Kapitalgesellschaften aus, die auf reglementierten
Märkten notiert waren. Der Gerichtshof hat entschieden, dass
dieser auf die Unternehmenstransparenz gestützte Ausschluss
unverhältnismäßig
war, da es andere Mittel gab, ihre Konten und Tätigkeiten zu
kontrollieren (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 74).
45 – Urteil Engelmann (Randnr. 30).
46 –
Vgl. Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur
Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten
den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des
Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben
sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl.
L 65, S. 8), und Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.
Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des
Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter
Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11) in geänderter Fassung.
47 – Randnr. 34.
48 – Randnrn. 37 f.
49 – Randnrn. 38 f.
50 – Urteil vom 22. Dezember 2010, Sayn-Wittgenstein (C‑208/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 86
und die dort angeführte Rechtsprechung).
51 – ABl. L 309, S. 15.
52 –
Die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in Bezug auf Kasinos im Inland
nach der Richtlinie 2005/60 durchführen müssen, dienen
nur dem Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Sie
haben nicht zum Ziel, sämtliche betrügerischen Handlungen,
die bei der Ausübung solcher Tätigkeiten zum Nachteil von
Verbrauchern begangen werden können, zu verhindern. Sie dienen auch
nicht der Gewährleistung des Spielerschutzes. Ebenso wenig
zielen sie darauf ab, es einem Mitgliedstaat zu ermöglichen, die
Beachtung seiner Glücksspielregelung durch einen anderen
Mitgliedstaat kontrollieren zu lassen.
53 – Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International (Randnr. 69), Sporting Exchange (Randnr. 33) sowie
Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International (Randnr. 54).
54 – Urteil Betting & Gaming und Ladbrokes International (Randnr. 30).
55 – Ebd. (Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
56 – Urteil Stoß u. a. (Randnr. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).
57 – Urteile Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International (Randnr. 37) sowie Stoß u. a. (Randnr. 103).