Donnerstag, 8. September 2011

Schleswig-Holstein macht Ernst mit Ausstieg aus dem Glücksspiel-Staatsvertrag

Noch in dieser Woche soll der Gesetzentwurf der schleswig-holsteinischen Landesregierung endgültig abgesegnet werden, der eine weitgehende Freigabe von Sportwetten und Online-Casinos vorsieht. Sie will so den illegalen Markt austrocknen. "Voraussichtlich Donnerstag wird das Vorhaben auf jeden Fall in dritter Lesung verabschiedet", erklärte Hans-Jörn Arp, Vizechef der CDU-Fraktion im Kieler Landtag, am Montag auf der Medienwoche Berlin-Brandenburg. Vom 1. März an würden damit gültige Lizenzen für private Sportwetten-Anbieter erteilt, erläuterte Arp; es gebe bereits 40 Interessenten. weiterlesen

Steigt Schleswig-Holstein jetzt aus dem Glücksspiel-Staatsvertrag aus?
Kommt es jetzt zum Alleingang? Die schleswig-holsteinischen Landesregierung will sehr bald einen eigenen Gesetzesentwurf verabschieden, der eine weitgehende Freigabe von Sportwetten und Online-Casinos vorsieht. Das Ziel ist es, so heißt es, den illegalen Markt austrocknen. weiterlesen

Hans-Jörn Arp und Katharina Loedige:
Nein zur Fortsetzung rechtswidriger und gescheiterter Verträge!

Zum Antrag der SPD-Landtagsfraktion auf Erhaltung des Glücksspielstaatsvertrages erklären der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion ,Hans-Jörn Arp, und die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, Katharina Loedige:

"Bei der Begründung seines Antrages hat Herr Stegner vergessen, dass der bestehende Glücksspielstaatsvertrag von Gerichten in der Luft zerrissen wurde und darüber hinaus die Ziele der Suchtprävention nicht im Ansatz erreicht hat. Der SPD-Landesvorsitzende und die gesamte SPD-Fraktion treten damit offen dafür ein, einen rechtswidrigen Vertrag zu verlängern", so Hans-Jörn Arp (CDU).

Loedige ergänzt: "Herr Dr. Stegner und seine Fraktion sind offenbar auch durch klare juristische Rahmenbedingungen nicht vom Irrweg abzubringen. Der alte, unter dem damaligen Innenminister Ralf Stegner beschlossene, Glücksspielstaatsvertrag ist in zahlreichen Gerichtsentscheidungen auseinander genommen und folgerichtig gekündigt worden. Für ihren aktuellen Entwurf eines neuen Staatsvertrages haben die anderen 15 Bundesländer einen, blauen Brief' aus Brüssel erhalten, weil er - im Gegensatz zu unserem bereits von der EU notifizierten Glücksspielgesetz - in etlichen Punkten geltendem EU-Recht widerspricht."

Bereits vor der Verabschiedung des aktuellen Glücksspielstaatsvertrages hätten CDU und FDP genau vor den Folgen gewarnt, die jetzt eingetreten sind, betonten Arp und Loedige weiter.

"Schon damals hat Stegner nicht mit Argumenten, sondern mit plumpen Vorwürfen gearbeitet. Es ist bezeichnend, dass er auch heute weder die unsere Auffassungen bestätigenden Gerichtsurteile, noch die unsere Auffassung bestätigenden tatsächlichen Folgen zur Kenntnis nimmt, sondern wieder nur auf plumpen Populismus setzt", so Arp.

Loedige: "Auch die Sozialdemokraten sollten zur Kenntnis nehmen: Glücksspiel im Internet findet statt - allerdings bislang ohne staatliche Kontrolle der im Ausland sitzenden Anbieter, ohne jeglichen Spielerschutz, ohne staatliche Einnahmen, mit denen u.a. Suchthilfe und Breitensport unterstützt werden können. Das Glücksspielgesetz von FDP und CDU setzt hier an, und die anderen Bundesländer sind ausdrücklich eingeladen, sich unserer rechtlich einwandfreien und praktikablen Lösung anzuschließen."
Quelle: CDU Fraktion und FDP Landtagsfraktion im schleswig-holsteinischen Landtag


Liberalisierungsschub aus Kiel
Ansgar Lange

Sport und Medien für liberales Glücksspiel-Modell aus Schleswig-Holstein – Verharren die übrigen 15 Bundesländer im Bremserhäuschen?

Schleswig-Holstein macht ernst. In ihren heutigen (06.September 2011) Sitzungen haben die Fraktionen von CDU und FDP beschlossen, dass der schleswig-holsteinische Entwurf für ein liberales Glücksspielgesetz noch im September vom Landtag verabschiedet werden soll. Der Landtag wird vom 14. bis 16. September zusammenkommen. „CDU und FDP sind sich einig, dass die abschließende dritte Lesung des Entwurfs für ein Glücksspielgesetz in der Septembersitzung stattfinden wird", erklärten Hans-Jörn Arp, Werner Kalinka (beide CDU) und Wolfgang Kubicki (FDP) in Kiel.

Der aktuell geltende Glücksspielstaatsvertrag endet zum Jahreswechsel.

CDU und FDP in Schleswig-Holstein lassen die Tür jedoch bis März 2012 weiterhin für eine länderübergreifende Lösung geöffnet: „Wir haben immer gesagt, dass eine schleswig-holsteinische Einzellösung in Zeiten zunehmender internationaler Zusammenarbeit und einer weltweiten Vernetzung nicht unsere bevorzugte Lösung ist. Und wir nehmen nach der eindeutigen begründeten Stellungnahme der EU zum Entwurf der anderen 15 Bundesländer durchaus Bewegung wahr. Deshalb geben wir die Hoffnung nicht auf, dass es doch noch zu einer gemeinsamen Lösung kommen wird", betonte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Hans-Jörn Arp.

Experten halten diesen „Alleingang“ jedoch für begründet und unausweichlich, da die von den 15 anderen Bundesländern im Entwurf vorgelegte Nachfolgeregelung im Notifizierungsverfahren von der EU-Kommission scharf kritisiert worden war. Der zu Beschlussfassung anstehende Kieler Entwurf hatte aber sozusagen höchste europäische Weihen erhalten. Er wurde wettbewerbsrechtlich notifiziert. Der Entwurf der christlich-liberalen Koalition im Norden, den die EU-Kommission im Mai 2011 als europarechtskonform eingestuft hatte, sieht im Vergleich zum nicht europarechtstauglichen Vorschlag der anderen Bundesländer keine Beschränkung auf nur wenige private Anbieter vor.

Konzessionen, die auf der Grundlage des neuen schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes erteilt werden, gelten erst ab März 2012. Bis dahin ist also eine länderübergreifende Lösung noch möglich, falls sich die übrigen Länder bewegen. In verschiedenen Bereichen der Suchtprävention will die Kieler Landesregierung weitere Verbesserungen auf den Weg bringen.

„Wir stärken die Kontrolle, werden über eine Verordnung die Zuverlässigkeitskriterien präzisieren, nehmen Berichtspflichten über die Wirksamkeit des Spielerschutzes auf und sorgen über einen Fachbeirat für den Ausschluss anstößiger Wetten", erläuterte Kalinka. „Zudem ist von Wichtigkeit: Es wird keine Anstalt gegründet, wie ursprünglich im Entwurf der Koalitionsfraktionen vorgesehen, sondern die Landesregierung wird über die Vergabe der Lizenzen entscheiden. Diese werden zeitlich begrenzt. Lizenzen aus anderen EU-Ländern gelten nicht automatisch in Schleswig-Holstein." Darüber hinaus sollen Online-Konzessionen für Spielbanken nur für die in Schleswig-Holstein ansässigen Spielbanken erteilt werden. Der Sport erhielte eine feste Zusage zur Förderung, und auch der Verbraucherschutz werde finanziell gestärkt.

Bereits am Montag (05. September) hatte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Hans-Jörn Arp auf der Medienwoche Berlin-Brandenburg gesagt, dass der Gesetzentwurf voraussichtlich am Donnerstag ((15. September) vom Landtag in Kiel verabschiedet werde. Vom 1. März an würden damit gültige Lizenzen für private Sportwetten-Anbieter erteilt. Schon jetzt gebe es 40 Interessenten, berichtet Heise Online.

Auf der Medienwoche wurde deutlich, dass insbesondere Medien und Sportvereine deutliche Verbesserungen von einem liberalen Gesetz erwarten. Sollten die 15 Länder, die noch im Bremserhäuschen sitzen und sich gegen Veränderungen sperren, bei ihrer Haltung bleiben, so dürfte dies nicht nur negative rechtliche Konsequenzen für sie haben. Die anderen Länder, so brachte Arp die Lage auf den Punkt, liefen Gefahr, dass die Marketingetats mit mehreren hundert Millionen Euro „dann im hohen Norden sitzen“. Dies wird den Dampf im Kessel erhöhen und dürfte Bewegung in die derzeit stockenden Gespräche über einen Neuanfang beim Glücksspiel-Staatsvertrag bringen und für andere EU-Länder vorbildlich sein.

Bei einer Öffnung des Sportwettenmarktes – so die Erwartung – werden übertragende Sportereignisse oder Werbung für Sportwettenanbieter Medien hohe Zusatzerlöse bringen. Sollten die Bedingungen für Wetten und Glücksspiel aber weiter am Markt vorbei laufen, dann sind die Aussichten vor allem auch für den Amateursport in Deutschland finster. Dies machte Bernd Schiphorst, Aufsichtsratsvorsitzender des Sportvereins Hertha BSC, auf der Veranstaltung in Berlin mit dem Titel „Chance durch sinnvolle Regulierung? Medien und Anbieter in einem liberalisierten Sportwettenmarkt“ deutlich. Die Kieler Pläne verfolge man mit viel Sympathie, schließlich wolle man verstärkt im Sponsoring- und Werbemarkt tätig werden und etwas für den Breitensport tun.

Wenn sich die Ministerpräsidenten auf ein Modell nach dem Vorbild des schleswig-holsteinischen Gesetzentwurfes einigen könnten und – bei einem fortbestehenden Monopol auf Lotto – eine kontrollierte Legalisierung von privaten Online-Poker-Angeboten und Sportwetten auf den Weg brächten, wäre dies ein großer Wurf. Nur mit einem so ausgestalteten neuen Staatsvertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2012 könnten verschiedene Interessen (Spieler- und Jugendschutz, Bekämpfung des Schwarzmarktes und des rechts-grauen Raumes, höhere Steuereinnahmen, bessere Förderung der Wohlfahrtsverbände, der Kultur und des Breitensports) unter einen Hut gebracht werden. „Aufgrund der mangelnden Entschlusskraft der Politik sind schon in 2011 Tausende von Jobs nicht entstanden“, so ein Brancheninsider. Experten gehen davon aus, dass unter den Bedingungen eines legalisierten Marktes rund 30.000 neue Jobs entstehen könnten. Abgesehen von diesen Argumenten wird der Markt – also die Community der Spieler – de facto auch gar kein anderes Modell akzeptieren. Die Politik sollte zudem nicht riskieren, dass auch eine weitere Reform des Staatsvertrags höchstrichterlich kassiert wird. Quelle

Hans-Jörn Arp, Werner Kalinka und Wolfgang Kubicki zum Glücksspielgesetzentwurf

In ihren heutigen (06. September 2011) Sitzungen haben die Fraktionen von CDU und FDP Änderungen an ihrem für den in der Septembersitzung des Landtages (14.-16. September 2011) zur Verabschiedung anstehenden Entwurf eines Glücksspielgesetzes beschlossen.

"CDU und FDP sind sich einig, dass die abschließende dritte Lesung des Entwurfs für ein Glücksspielgesetz in der Septembersitzung stattfinden wird", erklärten Arp, Kalinka und Kubicki heute (06. September 2011) in Kiel.

Der aktuell geltende Glücksspielstaatsvertrag endet zum Jahreswechsel. Die von den 15 anderen Bundesländern im Entwurf vorgelegte Nachfolgeregelung wurde im Notifizierungsverfahren von der EU-Kommission scharf kritisiert, während der zur Beschlussfassung anstehende schleswig-holsteinische Entwurf wettbewerbsrechtlich notifiziert wurde.

"Unsere Landesbehörden können sich damit auf das Ende des aktuellen Glücksspielstaatsvertrages der 16 Bundesländer einstellen und die nötigen Weichenstellungen für eine verfassungs- und europarechtskonforme Regelung vornehmen", erklärte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

CDU und FDP in Schleswig-Holstein lassen die Tür jedoch bis März 2012 weiterhin für eine länderübergreifende Lösung geöffnet:

"Wir haben immer gesagt, dass eine schleswig-holsteinische Einzellösung in Zeiten zunehmender internationaler Zusammenarbeit und einer weltweiten Vernetzung nicht unserebevorzugte Lösung ist. Und wir nehmen nach der eindeutigen begründeten Stellungnahme der EU zum Entwurf der anderen 15 Bundesländer durchaus Bewegung wahr. Deshalb geben wir die Hoffnung nicht auf, dass es doch noch zu einer gemeinsamen Lösung kommen wird", betonte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Hans-Jörn Arp.

Konzessionen, die auf der Grundlage des neuen schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes erteilt werden, gelten deshalb erst ab März 2012. Kubicki: "Bis dahin ist eine länderübergreifende Lösung möglich."

Darüber hinaus wollen CDU und FDP dem Landtag eine Resolution vorlegen, nach der bereits in der Novembersitzung des Landtages ein erster Entwurf für ein eigenes Spielhallengesetz eingebracht werden soll. Die Eckpunkte sind in einem Antrag enthalten, der in der Septembersitzung des Landtages zur Verabschiedung vorgelegt wird. (siehe nachstehend)

Werner Kalinka (CDU): "Dem ausufernden Automatenspiel - das nach Meinung aller Experten ein hohes Suchtpotential hat - muss und wird Einhalt geboten werden."

Auch in anderen Bereichen der Suchtprävention seien noch weitere Verbesserungen vorgenommen worden, betonten die Abgeordneten.

"Wir stärken die Kontrolle, werden über eine Verordnung die Zuverlässigkeitskriterien präzisieren, nehmen Berichtspflichten über die Wirksamkeit des Spielerschutzes auf und sorgen über einen Fachbeirat für den Ausschluss anstößiger Wetten", so Kalinka.

Kalinka: "Zudem ist von Wichtigkeit: Es wird keine Anstalt gegründet, wie ursprünglich im Entwurf der Koalitionsfraktionen vorgesehen, sondern die Landesregierung wird über die Vergabe der Lizenzen entscheiden. Diese werden zeitlich begrenzt.Lizenzen aus anderen EU-Ländern gelten nicht automatisch in Schleswig-Holstein."

Darüber hinaus sollen Online-Konzessionen für Spielbanken nur für die in Schleswig-Holstein ansässigen Spielbanken erteilt werden.

Der Sport erhielte eine feste Zusage zur Förderung, und auch der Verbraucherschutz werde finanziell gestärkt.

Kubicki: "Die Glücksspielaufsicht wird durch die bewährten Behörden im Innenministerium erfolgen - und das kostendeckend durch die erhobenen Gebühren. Damit können wir auf die ursprünglich geplante neue Aufsichtsbehörde verzichten."

Die Resolution hat folgenden Wortlaut:

Eckpunkte für ein Spielhallengesetz

Zu TOP 2 in der 20. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages Der Landtag wolle beschließen:

In den letzten Jahren hat die Zahl der Spielhallen in einer Weise zugenommen, die teilweise besorgniserregende Ausmaße angenommen hat. Insbesondere auch aus Gründen des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Suchtprävention ist ein ordnungsrechtlicher Rahmen für die Errichtung und den Betrieb von Spielhallen erforderlich, der Fehlentwicklungen verhindert und helfen kann, die Zunahme von Spielhallen zu verhindern, die Entwicklung zu ordnen und in maßvolle Bahnen zu führen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, bis zur Plenartagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages im November 2011 den Entwurf eines Spielhallengesetzes vorzulegen, der folgende Eckpunkte umfasst:

1. Einführung von Mindestabständen zu bereits bestehenden Spielhallen,
2. Verbot von Mehrfachkonzessionen (d.h. pro Gebäude ist nur noch eine Spielhalle erlaubt),
3. Keine Erlaubnis für Spielhallen in der Nähe von Kinder- und Jugendeinrichtungen,
4. Keine Zulässigkeit von Sportwetten in Spielhallen,
5. Einführung einer täglichen Sperrzeit von mindestens 7 Stunden und Einschränkungen des Spiels an Feiertagen,
6. Verbot der Verabreichung von Speisen in Spielhallen,
7. Ausweispflicht für Spieler,
8. Keine Schaffung zusätzlicher Anreize durch die äußere Gestaltung einer Spielhalle.

Zusammen mit dem Glücksspielgesetz für Schleswig-Holstein wird damit ein rechtlicher Rahmen für das Glücksspielwesen geschaffen, der alle Aspekte des Glücksspiels und des gewerblichen Spiels umfasst. Damit ist Schleswig-Holsein das einzige Bundesland, das sich umfassend sowohl für eine europarechtliche Vereinbarkeit des Glücksspielrechts als auch in gleicher Weise konsequent für den Spieler- und Jugendschutz einsetzt.

Werner Kalinka und Fraktion
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Glücksspielstaatsvertrag: Was will eigentlich die SPD?

Genossen in Schleswig-Holstein fordern Neuauflage eines gescheiterten Gesetzes - Kieler Modell verbessert den Spielerschutz

Von Andreas Schultheis

Kiel/Berlin, September 2011 - Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) fand schon bei der Einigung der 15 Bundesländer - mit Ausnahme Schleswig Holsteins - im April den Entwurf eines neuen Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) "nicht ganz zufriedenstellend". Nach einem Bericht von Radio Bremen (http://www.radiobremen.de) hätte der dortige rot-grüne Senat "lieber das Sport-Wett-Monopol in Deutschland erhalten." Dass er damit zwar in prominenter Gesellschaft, aber dennoch auf dem Holzweg ist, bestätigte die Europäische Kommission im Juli mit ihrer Ablehnung des so genannten E-15-Entwurfes. Demgegenüber erklärte Brüssel bereits zuvor den Entwurf Schleswig-Holsteins, der eine kontrollierte Liberalisierung des Marktes vorsieht, für praktikabel. Sehenden Auges sind die Ministerpräsidenten in eine Sackgasse marschiert.

Konzeptlos: SPD übt die Rolle rückwärts

So viel Realitätsverweigerung war selten. Worauf sich beispielsweise die im Entwurf vorgesehene Anzahl von sieben Lizenzen gründet, ist bis heute ein wohl gehütetes Geheimnis der Ministerpräsidentenkonferenz und ihrer Glücksspielreferenten. Auch die nicht wettbewerbsfähige Konzessionsabgabe von 16,66 Prozent des Spieleinsatzes stellt die EU in Frage. Wohin geht die Reise nach der Mahnung aus Brüssel? Klare Alternativkonzepte aus SPD-Federn sucht man landauf und landab vergeblich. Mit Blick auf die Glücksspielgesetzgebung darf die SPD als neue Dagegen-Partei gelten. Denn außer Opposition gegen das Modell Schleswig-Holsteins, wo SPD-Frontmann Ralf Stegner permanent die Anti-Liberalisierungskeule schwingt, ist von den Sozialdemokraten wenig zu hören. Eine tatsächliche Alternative zum Entwurf von CDU und FDP in Schleswig-Holstein legen die Genossen nicht vor. Für die SPD-Fraktion, so der zuständige Sprecher Andreas Beran, sei es wichtig "dass der Spielerschutzgedanke im Vordergrund steht und nicht die Gewinnmaximierung der kommerziellen Wettindustrie. Im Übrigen weist die SPD-Landtagsfraktion schon heute darauf hin, dass sie nach der Landtagswahl am 6. Mai 2012 bei einer Regierungsbeteiligung darauf hin arbeiten wird, das Glücksspielgesetz – falls es im Landtag verabschiedet wird – wieder aufzuheben." Diese Worten folgten bereits Taten, indem die Kieler Sozialdemokraten anlässlich der bevorstehenden Verabschiedung des neuen Glücksspielsgesetzes für Schleswig-Holstein eine Resolution einbringen, wonach der bisherige Glücksspielstaatsvertrag fortgeführt werden solle - ein Vertrag, so CDU-Fraktionsvize Hans-Jörn Arp, der "von Gerichten in der Luft zerrissen wurde und darüber hinaus die Ziele der Suchtprävention nicht im Ansatz erreicht hat. Der SPD-Landesvorsitzende und die gesamte SPD-Fraktion treten damit offen dafür ein, einen rechtswidrigen Vertrag zu verlängern."

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, Katharina Loedige, forderte die SPD auf, sich den Realitäten zu stellen: "Glücksspiel im Internet findet statt - allerdings bislang ohne staatliche Kontrolle der im Ausland sitzenden Anbieter, ohne jeglichen Spielerschutz, ohne staatliche Einnahmen, mit denen u.a. Suchthilfe und Breitensport
unterstützt werden können. Das Glücksspielgesetz von FDP und CDU setzt hier an, und die anderen Bundesländer sind ausdrücklich eingeladen, sich unserer rechtlich einwandfreien und praktikablen Lösung anzuschließen."

Realitätsverweigernden Geleitschutz erhält die SPD von Gewerkschaftsseite: "Ver.di steht wie bisher grundsätzlich zum Glücksspielstaatsvertrag und spricht sich ausdrücklich für den Erhalt des Glücksspielmonopols in Deutschland aus", sagt Bernhard Stracke von der Bundeskoordinierung Spielbanken der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Die beabsichtigte Liberalisierung des Glücksspielmarktes wie sie Schleswig-Holstein vorsehe, werde von ver.di entschieden abgelehnt. Der Entwurf von CDU und FDP in Kiel sieht die kontrollierte Marktöffnung mit Werbemöglichkeiten und Online-Vertrieb bei hohem Spielerschutz vor.

SPD: Ja und Nein zu Netzsperren

Markant: Während etliche SPD-Landespolitiker den mit dem Instrument der Netzsperren operierenden E-15-Entwurf unterstützten, sprechen sie sich in Koalitionsverträgen mit den Grünen gegen eben diese Netzsperren aus - etwa in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. "Die Regierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD)", so war noch Ende Mai unter anderem bei Heise Online (http://www.heise.de) nachzulesen, "will sich trotz des im Koalitionsvertrag festgehaltenen Grundsatzes 'Löschen statt Sperren' die Option zum Sperren von Glücksspielseiten, die im Ausland legal sind, offen halten." Von der Regierungsfraktion der SPD in Düsseldorf heißt es auf Nachfrage zu möglichen Netzsperren, diese seien "nach geltendem Recht bereits möglich, allerdings nicht angewendet worden, da sie kaum praktikabel sind. Deshalb halten wir Netzsperren in einem neuen Staatsvertrag für nicht entscheidend", so ein Sprecher.

Die koalitionsinterne Düsseldorfer Gegenposition macht der grüne NRW-Landtagsabgeordnete Matthi Bolte (http://www.matthi-bolte.de) auf seiner Homepage deutlich: "Wir haben schon von Anfang an klargemacht, dass ein Entwurf, der Netzsperren vorsieht, für Grüne nicht zustimmungsfähig ist. Die Landesregierung ist intensiv bemüht, dies auch im Aushandlungsprozess mit den übrigen Staatskanzleien umzusetzen." Und dafür nimmt man sich abermals Zeit, die man nicht hat. Kurt Beck, Regierungschef von Rot-Grün in Rheinland-Pfalz, ließ unlängst über seinen Staatskanzleichef Martin Stadelmeier im Haushaltsauschuss des Landtages mitteilen, dass der überarbeitete Vertrag Mitte Dezember unterzeichnet und bis Ostern von den Landesparlamenten ratifiziert werden könne. Dabei strebe man eine Einigung unter Einbeziehung von Schleswig-Holstein an - nicht mehr, nicht weniger.

Blockade fehl am Platz

Die abstruse Gemengelage wird vor allem im Sportsponsoring deutlich. Über den deutschen Teilnehmern der UEFA Champions League sowie anderen internationalen Sportwettbewerben schwebt permanent der ordnungsamtliche Zeigefinger des Gesetzes, wenn Gastmannschaften empfangen werden, deren Trikotwerbung von ausländischen Wettanbietern bestritten wird. Doch welche Ordnungsbehörde setzt sich millionenschweren Schadensersatzklagen von Real Madrid oder der Europäischen Fußball Union aus?

Ein anderes Beispiel: Während das renommierte ATP-Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum zukünftig unter dem Namen des neuen Hauptsponsors "bet-at-home.com Open" firmiert, obwohl der bislang geltende Glückspielstaatsvertrag die Bewerbung nichtstaatlicher Glücksspielangebote untersagt, wurde eine Werbekampagne der staatlichen Lotto Hamburg GmbH auf Linienbussen gerichtlich verboten. Die Werbung verstoße in ihrer Gestaltung gegen das im Glücksspielstaatsvertrag verankerte Sachlichkeitsgebot und sei deshalb wettbewerbswidrig. Stringente Politik sieht wohl anders aus. Einmal mehr wird von den beteiligten Sozialdemokraten in Hamburg auch der Spielerschutz ins Feld geführt auf die Frage, ob sich die 15 Bundesländer mit ihrem neuen Entwurf demjenigen Schleswig-Holsteins annähern werden.

Informationspflichten für Anbieter

Unter anderem in diesem Punkt aber schlägt Kiel die übrigen Bundesländer um Längen: Während der bisherige Glücksspielstaatsvertrag und auch das E-15-Modell Millionen Spieler in den Schwarzmarkt treibt und damit den Spielerschutz faktisch unmöglich macht, haben Union und FDP an der Küste hier Sicherheitsmechanismen eingebaut: "Eine Ausweitung des staatlichen Glücksspielmonopols, wie Sie die Ministerpräsidentenkonferenz mehrheitlich befürwortet, ist falsch und gefährlich. Der Schwarzmarkt wird wachsen, der Spielerschutz kann noch schlechter geleistet werden, und letztlich werden die Einnahmen einbrechen", prognostizierte Hans-Jörn Arp bereits im Dezember 2010 im Kieler Landtag. Arp weiter: "Durch unseren Gesetzentwurf drängen wir den Schwarzmarkt zurück. Wir erlauben Werbung, was den Anreiz für den Erwerb von Lizenzen sehr stark erhöht. Wir legalisieren das Internetspiel und generieren daraus erstmals Einnahmen für den Staatshaushalt. Wir verbessern auch den Spielerschutz: Nur ein legaler Markt kann wirksam kontrolliert werden. Wir legen den Anbietern Informationspflichten auf, wir verpflichten sie zur Aufklärung über Risiken und zur Erstellung eines Sozialkonzeptes." Mittels einer zentralen Prüfstelle und einer zentralen Sperrdatei könnte effektiv gegen Spielsucht vorgegangen werden. "Mit unserem Modell wird es eine kohärente Suchtprävention geben." Arp verwies unter anderem auf eine Untersuchung des Max Planck Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Breisgau (http://www.mpicc.de/ww/de/pub/home/sieber.htm). In dem Gutachten "Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des Jugendschutzes in einem geöffneten Sportwetten- und Online-Casino-Markt" kommt der Autor, Professor Dr. Dr. Ulrich Sieber, zum Ergebnis, dass ein so genanntes Duales System und damit das kontrollierte Nebeneinander von staatlichen und privaten Anbietern wie es Schleswig-Holstein vorsieht, dem Spielerschutz gerecht wird. "Die Gutachtenfrage, ob bei einer Marktöffnung im Bereich der Online-Sportwetten und der Online-Casinos der Spielsuchtprävention und dem Jugendschutz hinreichend Rechnung getragen werden kann, ist damit grundsätzlich zu bejahen." Schon 2009 hatte die TÜV Rheinland Secure iT GmbH in einer Studie zur Regulierungs- und Selbstverpflichtungsmöglichkeiten beim Online-Spiel bestätigt, dass insbesondere Online-Anbieter Analysemethoden etabliert hätten, um das Spielverhalten zu analysieren und zu kontrollieren, wobei Kundendaten in Echtzeit überprüft werden könnten.

Während die SPD sich also darauf versteht, durchaus gegensätzliche Positionen zu vertreten und Zeitspiel zum Prinzip zu erklären, machen nun auch die Grünen Druck: Die Staatskanzleien müssten endlich einen rechtskonformen Staatsvertrag vorlegen. "Blockade und Festhalten an dem alten Regelwerk sind dabei fehl am Platz", mahnt Monika Heinold, grüne Abgeordnete im Kieler Landtag. Ähnliche Töne kommen aus Hessen: "Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom September 2010 war klar, dass die gesamte rechtliche Grundlage der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung aller Bereiche des Glückspiels vollkommen unzureichend ist", so der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, Jürgen Frömmrich. Er verweist insbesondere auf die Notwendigkeit, auch das Automatenglücksspiel - mit viel höherem Suchtpotenzial - regeln zu müssen. Mit den Grünen sei eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes möglich.

Hessens FDP-Fraktionschef Florian Rentsch erläuterte in einer aktuellen Stunde im Wiesbadener Landtag nochmals die dringende Reform auch mit Blick auf die Einnahmen für Kulturförderung und Breitensport: Nur eine Marktöffnung könne die hier verzeichneten Einbrüche kompensieren. "Denn ein Verharren im status-quo oder gar die Ausweitung des staatlichen Monopols würde der Finanzierung des Breitensportes und der Kultur völlig den Boden unter den Füßen wegziehen." Für den Fall, dass die Länder nicht zeitnah eine neue gemeinsame Regelung finden, "werden wir in der Koalition vorschlagen, eine eigene gesetzliche Regelung für Hessen zu verabschieden", so Rentsch. Sein niedersächsischer Kollege Christian Dürr sieht im Entwurf Schleswig-Holsteins ebenfalls das Vorbild für die weiteren Beratungen.

Während die SPD auf dem Weg hin zu einer neuen Glücksspielgesetzgebung flächendeckend den Rückwärtsgang eingelegt hat und einer europarechtswidrigen Lösung das Wort redet, hatten die FDP-Fraktionsvorsitzenden bereits am Rande des Rostocker Parteitages im Frühjahr die Marschrichtung ausgegeben und ein Zeichen für die Freiheit gesetzt. Die liberalen Fraktionschefs forderten damals von den Ministerpräsidenten einen Entwurf für einen Glücksspielstaatsvertrag, "der auf Grundlage des von der EU notifizierten Gesetzentwurfes von FDP und CDU in Schleswig-Holstein zur Neuordnung des Glücksspiels (…) eine europarechtskonforme, marktwirtschaftliche Neuregelung darstellt, die Wettbewerb erlaubt, die Finanzierung des Sports langfristig sichert und die fiskalischen Interessen unseres Landes praxistauglich umsetzt und damit nachhaltig verbessert".

Die Zeit läuft: Schleswig-Holstein stimmt in diesen Tagen über das neue Gesetz ab, für das die Europäische Union bereits grünes Licht signalisiert. Der rückwärtsgewandte E-15-Entwurf mit Netzsperren und horrender Besteuerung dagegen ist alles andere als geeignet, ausländische Anbieter nach Deutschland zu holen, die hier Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen.

Quelle: Andreas Schultheis || Text & Redaktion