Mittwoch, 14. September 2011

VG Neustadt an der Weinstraße: Altverfügungen rechtswidrig

Ein Artikel der Rechtsanwälte Dr. Ronald Reichert und Hans Wolfram Kessler

Auch das VG Neustadt hat mit Urteil vom 22.08.2011 in einem ersten Hauptsacheverfahren bestätigt, dass Untersagungsverfügungen gegenüber Wettbürobetreibern zumindest vor der Eröffnung der Erlaubnismöglichkeit im Nachgang zu den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 08.09.2010 rechtswidrig waren (Az. 5 K 444/11.NW).

In dem von der Rechtsanwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs geführten Verfahren stellte das VG Neustadt fest, dass eine Untersagungsverfügung der Stadt Ludwigshafen mit der dem Kläger bereits im Jahre 2006 die Sportwettvermittlung untersagt wurde, bis zum Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe im Jahr 2010 rechtwidrig war. Die Berufung wurde zugelassen.

Der Kläger betrieb in Ludwigshafen eine Annahmestelle für Sportwetten, in der er Wetten an verschiedene europäische Sportwettunternehmen vermittelte. Die Stadt Ludwigshafen untersagte noch auf Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 POG (Rlp) in Verbindung mit § 284 StGB und § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des alten Staatsvertrages zum Lotteriewesen, die gewerbliche Tätigkeit als Sportwettannahmestelle.

Nachdem sich der Kläger über Jahre hinweg in Eilverfahren gegen die Untersagungsverfügung zur Wehr gesetzt hatte, kam es nun nach mehr als 5 Jahren zur ersten Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Da der Kläger selbst die Sportwettvermittlung im Februar 2010 notgedrungen aufgegeben hatte, konnte das Verfahren nur im Wege der sogenannten Fortsetzungsfeststellungsklage weiter betrieben werden. Verfahrensgegenstand war die Rechtsmäßigkeit der Untersagungsverfügung bis zum Zeitpunkt der Erledigung.

Das Rechtschutzinteresse des Klägers bestand weiter, da die Entscheidung in dem vorliegenden Verwaltungsgerichtsurteil der Vorbereitung von Staatshaftungsansprüchen dient. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage konnte sich das Verwaltungsgericht Neustadt insofern auf ein Urteil des OVG Koblenz vom 13.04.2011 (Az. 6 A 11131/10.OVG) stützen.

Die Entscheidung des VG Neustadt geht jedoch materiell über das genannte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz hinaus. Bisher liegt eine Berufungsentscheidung des rheinland-pfälzischen Oberverwaltungsgerichts lediglich für solche Altverfügungen vor, die vor Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrages erlassen wurden und die sich nach Inkrafttreten des GlüStV, aber vor der Änderung des LGlüG zum 01.01.2009, erledigt hatten. Das OVG hatte in diesem Urteil, – seiner bisherigen Rechtsprechung in Eilverfahren folgend - bestätigt, dass für diese Rechtsphase eine den verfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht genügende Ausgestaltung des Glückspielmonopols bestand. Erst die Rechtsprechung des OVG in Eilverfahren hatte den Gesetzgeber seinerzeit veranlasst, durch Änderung des Landesglückspielgesetzes bestimmte Neuregelungen einzuführen, um den Bedenken des Senates Rechnung zu tragen.

Mit dem nun vorliegenden Urteil hat das VG Neustadt auch die Untersagung der Sportwettvermittlung unter den am 01.01.2009 in Kraft getretenen Änderungen des LGlüG und der geänderten Zusammensetzung der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH als rechtswidrig erkannt.

Das Verwaltungsgericht stützt sich dabei im Wesentlichen auf drei Begründungsstränge: Es stellt zunächst auf die Fortsetzung der Werbepraxis des staatlichen Monopolanbieters ab, die mit dem gemeinschaftsrechtlichen Kohärenzangebot nicht vereinbar sei. Sodann verweist es auf die fortbestehende Inkohärenz des Glückspielsektors im Hinblick auf die Ausgestaltung des Automatenmarktes. Schließlich stellt es zutreffend fest, dass die Untersagungsverfügung auch nicht mit dem Erlaubnisvorbehalt begründet werden könne, weil zwar der Vermittler eine glückspielrechtliche Erlaubnis zum fraglichen Zeitpunkt nicht besessen habe, unstreitig derartige Erlaubnisse in Rheinland-Pfalz jedenfalls bis zum 08.09.2010 aber ohnehin nicht erlangt werden konnten. Somit steht dem Verweis auf den Erlaubnisvorbehalt der unionsrechtliche Anwendungsvorrang entgegen.

Offen bleibt, wie das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit von Untersagungsverfügungen nach der Eröffnung von Erlaubnisverfahren bewerten wird.

Auch wenn das vorliegende Urteil den Betroffenen nicht die unmittelbare Wiederaufnahme der Vermittlertätigkeit erlaubt, verdeutlicht es, dass die Aufrechterhaltung des Monopols und das Vorgehen der Aufsichtsbehörden gegen die privaten Sportwettvermittler zumindest bis zum Jahre 2010 rechtswidrig waren. Die unter Verstoß gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht erzwungene Schließung privater Sportwettannahmestellen, die für zahlreiche kleine Wettvermittler den wirtschaftlichen Ruin bedeutete, war durch nichts gerechtfertigt. Die Entscheidung des VG Neustadt, die auf einer Linie mit der ganz überwiegenden bundesdeutschen Verwaltungsrechtsprechung steht, kann den Betroffenen nun helfen, zumindest die Kosten des Rechtstreites zurückzuerlangen und gegebenenfalls auch eine Grundlage für Staatshaftungsansprüche bilden.

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Redeker Sellner Dahs
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