Mit Urteil vom 15. September 2011 (Rs. C-347/09) hat der EuGH die unionsrechtlichen Anforderungen an ein Glücksspielmonopol weiter verschärft. Denn nach Auffassung des höchsten Gerichts der EU ist ein Monopol nur dann unionsrechtskonform, wenn es konkrete Straftaten verhindert, die es ohne das Monopol zuvor nachweislich gegeben hat. Bezüglich des österreichischen Glücksspielgesetzes betont der EuGH (unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung für den deutschen Markt), dass ein Monopol nur dann unionsrechtskonform sein kann, wenn konkret nachgewiesen ist, dass "die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht ... ein Problem waren". Und selbst dann ist ein Monopol nur zulässig, "wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben". Das vorlegende österreichische Gericht muss nun genau diese Prüfung vornehmen, und der Staat hat "alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt".
Ein derartiger Nachweis ist dem Staat in Deutschland (hinsichtlich der Suchtproblematik) bereits unter Geltung des noch bis Ende 2011 laufenden Glücksspielstaatsvertrages nicht gelungen. Und bezüglich eines erheblichen Umfangs an Straftaten wird dies nun erst recht nicht gelingen. Denn in Deutschland existieren, insbesondere im faktisch schon lange entmonopolisierten Sportwettmarkt, keinerlei Probleme mit Straftaten in der Beziehung zwischen Wettunternehmen und –Kunden. Schon gar nicht weisen solche Tätigkeiten einen erheblichen Umfang auf. Gleiches gilt für weiterhin die Suchtproblematik. Damit sollten die Überlegungen für einen Monopol-Glücksspielstaatsvertrag endgültig ad acta gelegt werden können
Klare Worte findet der EuGH auch hinsichtlich der Strafbarkeit von Glücksspielunternehmen und Kunden: Solange es in einem Mitgliedstaat keine europarechtskonforme Regelung gibt, kann der "Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen".
Kuentzle Rechtsanwälte
An der Raumfabrik 29
76227 Karlsruhe/ Durlach
EuGH: Carmen Media Group Ltd. C-46/08) vom 8. September 2010
Bis zu einer unionsrechtskonformen Neuregelung bleibt § 4 Abs. 4 GlüStV und damit das Internetveranstaltungs- und Internetvermittlungsverbot für Glücksspiele unanwendbar. (Rn 100) Auch die Vorschriften, die bislang das staatliche Monopol erhalten haben, § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 2, 5 GlüStV, können aufgrund des Unionsrechtsverstoßes nach Verkündung des Urteils in der Rechtssache Carmen Media Group Ltd. nicht mehr angewendet werden (Rn 71)
EuGH Rs.: C‑347/09 vom 15. September 2011 - Strafverfahren gegen Jochen Dickinger, Franz Ömer
vgl. EuGH Rs. C-64/08 vom 9. September 2010 - Strafverfahren gegen Ernst Engelmann
Bezirksgericht Zell am See spricht Casinobetreiber Ernst Engelmann frei
Laut Europarecht ist ein nationales Glücksspielmonopol nur dann zulässig, wenn es Anforderungen des Allgemeininteresses gerecht wird. Die Republik Österreich begründet das Monopol mit der Verhinderung von Kriminalität sowie dem Schutz der Bürger vor übermäßigen Spielausgaben. bet-at-home.com setzt dem entgegen, dass die Geschäftspolitik der derzeitigen Konzessionärin Österreichische Lotterien GmbH - ein Tochterunternehmen der Casinos Austria AG - auf Einnahmenmaximierung abziele und damit den Zielen des Verbraucher- und Spielerschutzes, die das Monopol rechtfertigen, widerspräche.
"Die Beweislast liegt hier aufseiten der Republik Österreich.", so Prof. Dr. Franz Leidenmühler, Vorstand des Instituts für Europarecht an der Johannes Kepler Universität Linz. " Quelle
EuGH-Urteil im Verfahren bet-at-home.com: Österreichisches Glücksspielmonopol schwankt
Die Republik Österreich hatte wegen Verstoß gegen das Glücksspielrecht Klage gegen den Online-Glücksspielanbieter bet-at-home.com erhoben. Das mit dem Fall befasste Bezirksgericht Linz forderte eine Vorabentscheidung des EuGH an, da Zweifel über die Vereinbarkeit des österreichischen Glücksspielrechts mit dem Europarecht bestanden hatten. Die Konsequenzen des EuGH-Urteils reichen weit: Die Bedingungen, welche das österreichische Glücksspielmonopol nach EU-Recht erfüllen muss, stehen fest. Ob das Monopol in seiner derzeitigen Form fallen wird, hat das Bezirksgericht Linz unter strengsten Maßstäben zu prüfen.
Strenge Anforderungen an österreichisches Glücksspielmonopol
Mit der Vorabentscheidung gibt der EuGH sehr strenge Prüfungsmaßstäbe an das österreichische Glücksspielmonopol vor, welchen das Bezirksgericht Linz nachzugehen hat. Laut Europarecht ist ein nationales Glücksspielmonopol nur dann zulässig, wenn es Anforderungen des Allgemeininteresses gerecht wird. Die Republik Österreich begründet das Monopol mit der Verhinderung von Kriminalität sowie dem Schutz der Bürger vor übermäßigen Spielausgaben. bet-at-home.com setzt dem entgegen, dass die Geschäftspolitik der derzeitigen Konzessionärin Österreichische Lotterien GmbH - ein Tochterunternehmen der Casinos Austria AG - auf Einnahmenmaximierung abziele und damit den Zielen des Verbraucher- und Spielerschutzes, die das Monopol rechtfertigen, widerspräche.
Spielerschutz oder Gewinnmaximierung?
Das Bezirksgericht Linz wird nun drei zentrale Fragen zu klären haben:
- Sind die gesetzlichen Anforderungen an Konzessionswerber geeignet und angemessen, um Spielerschutz zu gewährleisten?
- Setzt die derzeitige Konzessionärin Österreichische Lotterien GmbH Maßnahmen, die Kriminalität in Verbindung mit Glücksspiel sowie Gelegenheiten zum Spielen verringern?
- Zielt die Werbung der Österreichischen Lotterien GmbH darauf ab, Glücksspiel in kontrollierte Bahnen zu lenken? Oder zielt sie auf Marktwachstum und damit einhergehende Gewinnsteigerung ab?
"Die Beweislast liegt hier aufseiten der Republik Österreich.", so Prof. Dr. Franz Leidenmühler, Vorstand des Instituts für Europarecht an der Johannes Kepler Universität Linz. "Der EuGH gibt vor, das österreichische Monopol besonders streng zu prüfen, und präzisiert, wie die Werbeaktivitäten im Rahmen eines Monopols auszusehen haben. Besonders im Hinblick auf die Werbung der Österreichischen Lotterien GmbH wird es schwer, zu beweisen, dass hier keine expansionistische Geschäftspolitik verfolgt wird."
Gelingt es der Republik Österreich nicht, der Beweislast nachzukommen, so erlischt der Strafanspruch gegenüber Glücksspielanbietern, die über keine gültige Konzession verfügen.
Quelle
update: 14.02.2012