Nach dem Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteilen vom 28.9.2011 nun auch der Bundesgerichtshof das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV als wirksam und mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar beurteilt. Verkündet wurde bislang nur der entsprechende Tenor in den dort anhängigen Revisionsverfahren (Urteile vom 28.09.2011 - I ZR 93/10, I ZR 92/09, I ZR 43/10, I ZR 30/10, I ZR 189/08).
Lediglich in einem parallel geführten Revisionsverfahren eines DDR-Gewerbeerlaubnisinhabers ist keine entsprechende Entscheidung ergangen. Insoweit ist das Verfahren ausgesetzt worden, weil in einem parallelen Verwaltungsrechtsstreit ein Urteil zugunsten des DDR-Gewerbeerlaubnisinhabers ergangen ist, dass die ihm erteilte Erlaubnis das Internetangebot gestatte und dass der Ausgang des darüber geführten Berufungsverfahrens abgewartet werden soll.
In der Sache lässt sich das Urteil noch nicht bewerten. Es liegt bislang nur die Pressemitteilung vor. Mit dem Eingang der Urteile ist erst in zwei bis sechs Wochen zu rechnen.
Die Pressemitteilung selbst ist stark angelehnt an die des Bundesverwaltungsgerichts bei seinem Urteil vom 01.06.2011. Auf die massiven Einwände der Revision gegen die darin getroffenen Aussagen wird nicht eingegangen. Derzeit spricht alles dafür, dass die Kohärenzprüfung den Anforderungen des Gerichtshofs nicht gerecht wird. Insofern muss aber vor einer abschließenden Bewertung die Urteilsbegründung abgewartet werden.
Schon jetzt darf aber angenommen werden, dass die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unberücksichtigt geblieben ist. Die Annahme einer Selbständigkeit des Internetverbots, das völlig losgelöst von der sonstigen Glücksspielpolitik und Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrags als regulatorische Insel die Fahne der Spielsuchtprävention hochhalten soll, kann unionsrechtlich danach keinen Bestand haben.
Der Gerichtshof hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Behandlung des stationären Vertriebs von Glücksspielprodukten nicht außer Betracht bleiben darf. Soweit ein Mitgliedsstaat wie Deutschland der Auffassung ist, das Internet berge besonders starke Gefahren bei Glücksspielprodukten, die eine verschärfte Behandlung durch ein Internetverbot rechtfertigen, müssen diese Gefahren nachgewiesen sein. Die dazu vorliegenden Untersuchungen sprechen für das Gegenteil. Erst unlängst hat sich der Experten-Workshop der Europäischen Kommission eindeutig in diesem Sinne geäußert (European Voice vom 29.09.2011 und http://ec.europa.eu/internal_market/services/docs/gambling/workshops/workshop-ii-conclusions_en.pdf). Die Beweislast trifft den Mitgliedsstaat. Sie wird (und kann) in Deutschland auch weiter nicht geführt werden.
Nicht von ungefähr haben sich die Länder deshalb längst darauf verständigt, das Internet wieder zu öffnen, von der These seiner besonderen Gefährlichkeit also politisch längst selbst verabschiedet. Sie folgen damit dem Beispiel der meisten europäischen Länder. Die Unterzeichnung eines entsprechenden Glücksspielstaatsvertrages durch die Ministerpräsidentenkonferenz ist für Ende Oktober vorgesehen. Und Schleswig-Holstein ist mit der Verabschiedung seines Gesetzes mit gutem Beispiel vorausgegangen.
Dass die Länder das Ruder also nach den jetzt ergangenen BGH-Urteilen noch einmal herumreißen könnten, darf als äußerst unwahrscheinlich gelten. Die politische Entscheidung zur Wiedereröffnung des Internets ist längst gefallen. Die Gründe dafür sind sattsam bekannt. Der Fiskus leidet selbst stark unter dem Internet- und werbeverbot. Und mehr noch: Ein zeitgemäßes Internetangebot ist überfällig. Der deutsche Lotto-Toto-Block droht ansonsten, den Anschluss an die europäische Entwicklung zu verpassen. Denn eines steht fest: Ob das Internetverbot nun rechtlich wirksam ist oder nicht, mag dahinstehen - überwiegendes spricht derzeit für die Zulässigkeit -. Praktisch wirksam ist es jedenfalls nicht. Seine Durchsetzung lief in der Vergangenheit stets ins Leere und wird dies auch in Zukunft tun. Das ist die Absurdität des Streits, der hier geführt wird. Er geht an der Realität vorbei.
Wenn danach davon ausgegangen werden muss, dass das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV schon in wenigen Wochen ohnehin aufgeweicht wird, ist aber auch die Bedeutung der jetzt ergangenen BGH-Urteile von kurzer Dauer. Sie sind im Grunde überholt, bevor die Tinte unter den Urteilen trocken wird. Am Ende gilt: Nach dem BGH ist vor dem BGH.
Kontakt:
Redeker Sellner Dahs
Dr. Ronald Reichert
Partner und Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Mozartstraße 4-10
53115 Bonn
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Zu den Urteilen des Wettbewerbssenats beim BGH vom 28.9.2011
Mit dem Urteil (I ZR 93/10) vom 28.09.2011 hält der BGH auch zufallslastige 50-Cent Gewinnspiele für zulässig und stellt unter der Rn.: 66 fest: "Teilnahmeentgelte von höchstens 0,50 € sind glücksspielrechtlich unerheblich"