Mittwoch, 28. September 2011

BGH: PM Nr. 150/2011 vom 28.09.2011 zum Internetverbot

Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle

Nr. 150/2011
Verbot des Angebots privater Sportwetten und
anderer Glücksspiele im Internet wirksam

Das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet nach § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrags vom 1. Januar 2008 (GlüStV) ist wirksam. Es verstößt insbesondere nicht gegen das Recht der Europäischen Union. Das hat der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs heute entschieden.

In den fünf Fällen, in denen jetzt Urteile verkündet wurden, haben in- und ausländische Wettunternehmen auch nach dem 1. Januar 2008, also nach dem Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrags, ihr Wettangebot im Internet unter ihren jeweiligen Domainnamen präsentiert und beworben. Deutsche Spieler konnten dieses Angebot nutzen. Die Wettunternehmen wurden von verschiedenen staatlichen Lottogesellschaften auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Die Klagen waren vor den Instanzgerichten überwiegend erfolgreich. Nur die Landgerichte Wiesbaden und München I sowie das Oberlandesgericht München hatten sie abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof, der erstmals über die Rechtslage nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags zu entscheiden hatte, hat die Klagen der Lottogesellschaften für begründet erachtet. Soweit den Beklagten von Behörden der DDR im Jahr 1990 vor der Wiedervereinigung Genehmigungen zum Veranstalten oder Vermitteln von Glücksspielen erteilt worden sind, folgt daraus keine Berechtigung, diese Tätigkeit entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV nach dem 1. Januar 2008 im Internet auszuüben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union können sich die Beklagten auch nicht auf eine durch einen anderen Mitgliedstaat – etwa Gibraltar oder Malta - erteilte Erlaubnis berufen, um in Deutschland Glücksspiele im Internet anzubieten.

Das Verbot von Glücksspielen im Internet gem. § 4 Abs. 4 GlüStV stellt zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs in der Europäischen Union dar. Die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Ziele wie Suchtbekämpfung, Jugendschutz und Betrugsvorbeugung können aber Beschränkungen der Spieltätigkeit rechtfertigen. Wegen der größeren Gefahren des Internets, insbesondere Anonymität, fehlende soziale Kontrolle und jederzeitige Verfügbarkeit, darf dieser Vertriebsweg stärker als herkömmliche Absatzwege eingeschränkt werden.

Das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV erfüllt auch die vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelte Anforderung der Kohärenz. Danach müssen Maßnahmen, mit denen ein Mitgliedstaat die Spieltätigkeit beschränkt, dazu beitragen, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Da es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV um eine eigenständige Regelung handelt, kommt es insoweit nicht darauf an, ob der Glücksspielstaatsvertrag insgesamt das Kohärenzkriterium erfüllt. Es ist deshalb hier unerheblich, welche Regeln in Deutschland für Automatenspiele oder herkömmliche Spielbanken gelten, die eine persönliche Anwesenheit der Spieler voraussetzen. Das Angebot von Pferdewetten im Internet ist verboten. Allerdings wird es bislang von den Bundesländern geduldet. Das führt aber im Hinblick auf die vergleichsweise geringe Bedeutung der Pferdewetten nicht zur Ungeeignetheit des Internetverbots zur Gefahrenabwehr.

Der Bundesgerichtshof hat § 5 Abs. 3 GlüStV, der die Werbung für öffentliches Glücksspiel u.a. im Internet verbietet, ebenfalls als wirksam angesehen.

Die Beurteilung des Bundesgerichtshofs deckt sich mit der des Bundesverwaltungsgerichts, das am 1. Juni 2011 ebenfalls eine Entscheidung über die Zulässigkeit privater Sportwetten verkündet hat (8 C 5.10, juris).

Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 92/09 – Sportwetten im Internet II
LG Wiesbaden – 13 O 119/06 – Urteil vom 29. November.2007
ZfWG 2007, 471
OLG Frankfurt am Main – 6 U 261/06 – Urteil vom 4. Juni 2009
ZfWG 2009, 268

und

Urteil vom 28. September – I ZR 189/08
LG München I– 4 HK O 11552/06 – Urteil vom 16. Dezember 2007
OLG München – 29 U 1669/08 – Urteil vom 16. Oktober 2008
MMR 2009, 195

und

Urteil vom 28. September – I ZR 30/10
LG Bremen – 12 O 379/06 – Urteil vom 20. Dezember 2007
ZfWG 2007, 460
OLG Bremen – 2 U 4/08 – Urteil vom 29.Januar 2010
ZfWG 2010, 105

und

Urteil vom 28. September – I ZR 43/10
LG Bremen – 12 O 333/07 – Urteil vom 31. Juli 2008
OLG Bremen – 2 U 96/08 – Urteil vom 12. Februar 2010

und

Urteil vom 28. September – I ZR 93/10
LG Köln – 31 O 599/08 – Urteil vom 9. Juli 2009
ZfWG 2009, 311
OLG Köln – 6 U 142/09 – Urteil vom 12. Mai 2010
MMR 2010, 359


Karlsruhe, den 28. September 2011

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Quelle

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Mit dem Urteil (I ZR 93/10) vom 28.09.2011 hält der BGH auch zufallslastige 50-Cent Gewinnspiele für zulässig und stellt unter der Rn.: 66 fest: "Teilnahmeentgelte von höchstens 0,50 € sind glücksspielrechtlich unerheblich" Der BGH weicht damit von der Entscheidung des BVerwG ab. weiterlesen

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Verhandlung vor dem BGH:
vom 18. März 2011
Streit zwischen Landeslotteriegesellschaften und privaten Wettanbietern geht in die Verlängerung

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BGH zum Onlineglücksspiel
Zocken im Internet ist und bleibt verboten – vorerst

Wenig überraschend, meint Felix Hüsken. Spannender findet er, was die Länder daraus bei der anstehenden Neuregelung des Glücksspielrechts machen.

Die 15 verbleibenden Länder beabsichtigen eine Lockerung der Internetverbote und wollen vor allem für Sportwetten, Casinospiele und Poker ein beschränktes Onlineangebot zulassen. Nachdem sowohl BGH als auch BVerwG eindrucksvoll bestätigt haben, dass die Internetverbote gemeinschaftsrechtskonform sind, wären die Länder allerdings gut beraten, diese Bestrebungen noch einmal zu überdenken.

Der Autor Dr. Felix B. Hüsken ist Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen und zugleich Schriftleiter der Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht (ZfWG). weiterlesen

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Lotto informiert: Bundesgerichtshof stärkt staatliches Glücksspiel

- Kommerzielle Internet-Anbieter von Sportwetten und Casinospielen weiterhin in Deutschland verboten
- Glücksspielstaatsvertrag ermöglicht effiziente Eindämmung des Schwarzmarktes
- Deutscher Lotto- und Totoblock begrüßt Entscheidung

München, 28. September 2011. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute festgestellt, dass kommerzielle Sportwettenanbieter ihre Sportwetten und anderen Glücksspiele im Internet in Deutschland nicht vertreiben dürfen. Der BGH hat betont, dass das Verbot im Glücksspielstaatsvertrag, Glücksspiele über das Internet zu vertreiben und zu bewerben nicht gegen Verfassungs- und Europarecht verstößt. Mit der Entscheidung stärkt der BGH das staatliche Glücksspiel und bestätigt das Modell des Glücksspielstaatsvertrages.

"Die Entscheidung zeigt: Es ist nicht nötig, die Sportwetten zu kommerzialisieren und illegale Anbieter mit einer Konzessionierung zu legalen Anbietern zu machen, weil nun endlich höchstrichterlich geklärt ist, dass die Bekämpfung des Schwarzmarktes auch im Staatsvertragsmodell effizient möglich ist", sagte Erwin Horak, Präsident der Staatlichen Lotterieverwaltung in Bayern und Federführer des Deutschen Lotto- und Totoblocks.

"Wir begrüßen die Klarstellung durch den BGH ausdrücklich. Sie beseitigt eine große Rechtsunsicherheit, die es bisher sehr erschwert hat, illegale Glücksspielanbieter vom deutschen Markt fernzuhalten", so Horak.

Den Verfahren beim BGH lagen Urteile der Oberlandesgerichte Köln, Bremen und Frankfurt am Main zugrunde, mit denen den kommerziellen Glücksspielanbietern verboten wurde, Sportwetten und andere Glücksspiele in Deutschland über das Internet zu bewerben und zu vertreiben. Die Verbote stützten sich auf Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages. Demgegenüber hatte das Oberlandesgericht München die Klage gegen einen Sportwettenanbieter abgewiesen. Der Bundesgerichtshof musste darüber entscheiden, ob die Beurteilung der Berufungsgerichte zutreffend ist.

Die kommerziellen Glücksspielanbieter argumentierten, die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages seien europarechtswidrig und würden daher in unzulässiger Weise die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit beeinträchtigen. Dieser Ansicht hat der Bundesgerichtshof nun ausdrücklich widersprochen. Die Frage der Europarechtskonformität der Ausschließlichkeitsrechte aus dem Glücksspielstaatsvertrag sei für die Entscheidung der vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn eine restriktivere Regelung des besonders suchtgefährdenden Automatenspiels in Spielhallen für eine gemäß Europarecht kohärente Gesamtregelung des Glücksspiels notwendig sein sollte, gilt in jedem Fall, dass Anbieter in Deutschland keine Glücksspiele über das Internet bewerben oder vertreiben dürfen.
Quelle: Deutscher Lotto- und Totoblock (DLTB)