Donnerstag, 16. Februar 2012

EuGH: Urteil Rs. C-72 und C 77/10 Costa u.a.

Costa-Urteil: Europäischer Gerichtshof verschärft Anforderungen an die Vergabe von Glücksspielkonzessionen

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Mit dem am 16. Februar 2012 verkündeten Urteil in den verbundenen Rechtssachen Costa u.a. (Rs. C-72/10 und C-77/10) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die europarechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Vergabe von Glücksspielkonzessionen konkretisiert und verschärft. Die Ausführungen des Gerichtshofs sind daher insbesondere für die EU-Mitgliedstaaten interessant, die Glücksspielkonzessionen neu vergeben wollen (wie etwa Deutschland) oder vergeben haben.

Der EuGH damit seine Rechtsprechung, hier insbesondere sein Urteil in der Rechtssache Engelmann (Rs. C-64/08) bestätigt. Entsprechend der bisherigen EuGH-Rechtsprechung muss die Konzessionsvergabe transparent sein, d.h. "auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden". Eine Vergabe "unter der Hand" ist unzulässig. Alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer müssen "auf der Grundlage sämtlicher einschlägiger Informationen an Ausschreibungen teilnehmen können". Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens müssen "klar, genau und eindeutig formuliert" sein. Negative Auswirkungen müssen für die Bewerber bestimmt und vorhersehbar sein.

Aus der vom EuGH geforderten Öffnung für den Wettbewerb und aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt, dass etablierte Konzessionsinhaber keine unzulässigen Wettbewerbsvorteile gegenüber den Newcomern haben dürfen (wie etwa durch einseitig geltende Abstandsvorschriften). Die etablierten Konzessionäre und die Zulassungsbehörde können sich insbesondere nicht auf "Kontinuität, finanzielle Stabilität und angemessene Renditen aus den getätigten Investitionen" berufen.

Auch fordert der EuGH eine umfassende gerichtliche Kontrolle. Es muss insbesondere eine gerichtliche Nachprüfung möglich sein, ob die Vergabe unparteiisch durchgeführt worden ist. Für ausgeschlossene Wirtschaftsteilnehmer muss es einen äquivalenten und effektiven Rechtsschutz geben.

1. Sachverhalt
Dem Costa-Urteil liegt die Vergabe von Glücksspielkonzessionen in Italien zugrunde (die bereits Gegenstand mehrerer EuGH-Urteile war, vgl. die Urteile in den Rechtssachen Zenatti, Gambelli und Placanica sowie das Vertragsverletzungsverfahren Kommission/Italien, Rs. C-260/04).

Ausgangsverfahren waren zwei Strafsachen, in denen die für den britischen Buchmacher Stanley International Betting Ltd (Stanley) tätige Sportwettenvermittler wegen unerlaubter Wetttätigkeit angeklagt worden waren. Den Datenübertragungszentren für Stanley betreibenden Herren Costa und Cifone wurde dabei vorgeworfen, Sportwetten ohne die erforderliche Konzession und polizeiliche Genehmigung (für die eine Konzession Voraussetzung ist) vermittelt zu haben.

Die ursprüngliche Konzessionsvergabe in Italien im Jahr 1999 war europarechtswidrig, da u. a. börsennotierte Kapitalgesellschaften ausgeschlossen waren. Um die Europarechtskonformität herzustellen, erfolgten daher 2006 mit dem Dekret Bersani eine Neuregelung sowie eine Neuausschreibung. Alte Konzessionsinhaber wurden jedoch insbesondere durch Abstandsregelungen geschützt. Die Ausschreibungsbedingungen für die neu vergebenen Konzessionen waren von dem Buchmacher Stanley nicht zu erfüllen. Er reichte daher Klage beim Verwaltungsgericht (Tribunale amministrativo regionale del Lazio) ein.

2. Rechtsausführungen des EuGH

Entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung hält der EuGH fest, dass strafrechtliche Sanktionen nicht verhängt werden dürfen. Dies gelte auch nach der Neuausschreibung zur Behebung des bisherigen Unionsrechtsverstoßes, soweit diese Ausschreibung und die Vergabe neuer Konzessionen den rechtswidrigen Ausschluss von der früheren Ausschreibung nicht wirksam behoben habe.

Interessanter sind die Ausführungen des EuGH zu den europarechtlichen Anforderungen an eine Konzessionsvergabe. Der EuGH verweist darauf, dass es für die rechtswidrig von der Konzessionsvergabe ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmern einen effektiven Rechtsschutz geben müsse (Rn. 51). Dieser dürfe nicht weniger günstig ausgestaltet sein als für entsprechende Sachverhalte innerstaatlicher Art (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).
Zwar könne bei einer europarechtswidrigen Konzessionsvergabe auch eine Ausschreibung neuer Konzessionen (neben einer kompletten Neuvergabe) eine europarechtlich zulässige Lösung sein. Allerdings müssten dann die bislang rechtswidrig ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer auf dem Markt unter den gleichen Voraussetzungen wie die bestehenden Betreiber tätig werden können (Rn. 52 unter Hinweis auf Rn. 63 des Placania-Urteils). Den bisherigen Konzessionsinhabern, die sich auf dem Markt bereits etablieren konnten, dürften daher keine zusätzlichen Wettbewerbsvorteile eingeräumt werden (Rn. 53). Ansonsten werde der rechtswidrige Ausschluss aufrechterhalten und verstärkt. Dies stelle eine weitere Verletzung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit dar und verstoße gegen den Gleichbehandlungs- und Effektivitätsgrundsatz.

Neben den Grundfreiheiten hat die die Konzessionen vergebende Behörde den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot zu beachten (R. 54). Dem entsprechend muss die Behörde zur Erfüllung des Transparenzerfordernisses "einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherstellen, der eine Öffnung der Konzessionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind" (Rn. 55, bestätigt in Rn. 72).

Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt, dass alle potenziellen Bieter die gleichen Chancen haben, und impliziert somit, dass sie denselben Bedingungen unterliegen (Rn. 57). Dies gilt nach Ansicht des EuGH umso mehr, wenn die Verletzung des Unionsrechts für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer eine Ungleichbehandlung zur Folge hatte. Die italienische Regelung, dass ein Mindestabstand zu den bereits vorhandenen Konzessionären einzuhalten ist, schützt die von den bereits etablierten Betreibern erworbenen Geschäftspositionen zum Nachteil der neuen Konzessionäre. Diese müssen sich an Orten niederlassen, die geschäftlich weniger interessant sind (Rn. 58). Eine solche Maßnahme bedeutet somit eine Diskriminierung der von der Ausschreibung von 1999 ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer. Diese Ungleichbehandlung kann nicht durch "Kontinuität, finanzielle Stabilität und angemessene Renditen aus den getätigten Investitionen" gerechtfertigt werden, da es sich hierbei nicht um zwingende Gründe des Allgemeininteresses handelt (Rn. 59). Mit dem Argument einer Verringerung der Gelegenheit zum Spiel, als Rechtfertigung grundsätzlich anerkannt (Rn. 61), kann angesichts der expansiven Politik im italienischen Glücksspielsektor die Ungleichbehandlung nicht begründet werden (Rn. 62). Auch das Argument der Kriminalitätsbekämpfung kann nur dann vorgebracht werden, wenn die eingesetzten Mittel kohärent und systematisch sind (Rn. 63 unter Verweis auf Rn. 48 und 53 des Placanica-Urteils). Dies scheitert hier schon daran, da die Mindestabstandsregelung nur für neuen Konzessionäre und nicht für die bereits etablierten gilt (Rn. 64).

Im Folgenden befasst sich der EuGH mit den durch das Dekret Bersani neu eingeführten Beschränkungen. So sind der Entzug der Konzession und der Verfall der für die Konzession gestellten finanziellen Sicherheit vorgesehen, wenn gegen den Konzessionär ein Strafverfahren eingeleitet wird oder dieser über Server im Ausland Glücksspiele anbietet (Rn. 67). Diese Tatbestände beschränken in der Praxis auch den Zugang zur Konzession. Insoweit stellt ein Hindernis für eine Konzessionserteilung an den Buchmacher Stanley auch eine Beschränkung der Tätigkeiten der Herren Costa und Cifone dar (Rn. 68).

Diese die Grundfreiheiten einschränkenden Beschränkungen müssen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Der EuGH bestätigt hierbei noch einmal seine strengen Transparenzanforderungen. Diese sollen gewährleisten, dass "alle interessierten Wirtschaftsteilnehmer auf der Grundlage sämtlicher einschlägiger Informationen an Ausschreibungen teilnehmen können, und die Gefahr von Günstlingswirtschaft oder von willkürlichen Entscheidungen der Vergabestelle ausschließen" (Rn. 73). Alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens müssen demnach "klar, genau und eindeutig formuliert" seien. Zum Einen sollen dadurch alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können. Zum Anderen soll dem Ermessen der konzessionserteilenden Stelle Grenzen gesetzt werden. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet im Übrigen, dass Rechtsvorschriften vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen haben können, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sind (Rn. 74).

Insbesondere, soweit hinsichtlich der Sanktionen auf "sonstige Straftatbestände, die geeignet sind, die vom Vertrauen getragenen Beziehungen mit der AAMS (italienische Glücksspielbehörde) zu zerrütten", Bezug genommen wird, äußert der EuGH gravierende Zweifel an der Bestimmtheit, überlässt die Überprüfung jedoch dem vorlegenden Gericht (Rn. 79). Nach Ansicht des EuGH kann ein Ausschluss vom Markt durch Entzug der Konzession auch nur dann als dem Ziel der Bekämpfung der Kriminalität angemessen betrachtet werden, wenn er auf einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer hinreichend schweren Straftat beruht (Rn. 81).

Hinsichtlich der weiteren Konzessionentziehungsmöglichkeit, die in Art. 23 Abs. 3 des von dem Konzessionsbewerber zu unterzeichnenden Mustervertrags vorgesehen ist, verweist der EuGH auf die zwei völlig unterschiedlichen Auslegungen durch den Generalanwalt (Rn. 87). Dieser Bestimmung fehle es daher ersichtlich an Klarheit. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahren seien zwar nationale Vorschriften von den nationalen Gerichten auszulegen. Unionsrecht verlange jedoch, dass die Bedingungen und Modalitäten eines Vergabeverfahrens klar, genau und eindeutig formuliert seinen, was bei dieser Regelung nicht der Fall sei (Rn. 89). Stanley könne nicht vorgeworfen werden, auf eine Bewerbung um eine Konzession angesichts fehlender Rechtssicherheit verzichtet zu haben, solange hinsichtlich der Vereinbarkeit seiner Arbeitsweise mit den Bestimmungen des bei der Vergabe der Konzession zu unterzeichnenden Vertrags Unklarheit bestand (Rn. 90). Soweit ein solcher Wirtschaftsteilnehmer von der im Urteil Placanica u. a. beanstandeten vorherigen Ausschreibung unionsrechtswidrig ausgeschlossen war, ist davon auszugehen, dass dieser Ausschluss durch die neue Ausschreibung nicht wirksam behoben wurde.

Kontakt:
Arendts Rechtsanwälte
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Rechtsanwalt Martin Arendts
Perlacher Str. 68
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Zum EuGH-Urteil Rs. C-72 und C 77/10 Costa u.a.
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS PEDRO CRUZ VILLALÓN
s.u.

Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung über Glücksspiele entgegen, die einen Mindestabstand zwischen Wettannahmestellen vorschreibt, wenn damit die Geschäftspositionen der bestehenden Betreiber geschützt werden sollen

Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union

Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-72/10, Marcello Costa, und C-77/10, Ugo Cifone

Der Gerichtshof prüft die Maßnahmen Italiens zur Behebung des von ihm 2007 für rechtswidrig erklärten Ausschlusses bestimmter Glücksspielanbieter

Die geltende italienische Regelung sieht vor, dass die Tätigkeiten des Sammelns und der Verwaltung von Wetten nur von Personen ausgeübt werden, die aufgrund einer Ausschreibung eine Konzession erlangt und ferner eine ordnungspolizeiliche Genehmigung erhalten haben. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften ist strafbar.

1999 hatten die italienischen Behörden nach Ausschreibungen eine große Zahl von Konzessionen für Sport- und Pferderennwetten vergeben. Von den Ausschreibungen waren u. a. Gesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, ausgeschlossen. 2007 stellte der Gerichtshof die Rechtswidrigkeit dieses Ausschlusses fest1.

2006 begann Italien, den Glücksspielsektor zu reformieren, um ihn an die Anforderungen des Unionsrechts anzupassen. Insbesondere schrieb Italien eine große Zahl von neuen Konzessionen aus und legte u. a. fest, dass die neuen Wettannahmestellen Mindestabstände zu den Annahmestellen einhalten müssen, für die bereits im Zuge der Ausschreibung von 1999 eine Konzession vergeben worden war.

Herr Costa und Herr Cifone, die Datenübertragungszentren (DÜZ) betreiben und vertraglich an die englische Gesellschaft Stanley International Betting Ltd gebunden sind, wurden wegen unerlaubter Wetttätigkeit belangt, weil sie, ohne die Voraussetzungen nach der italienischen Regelung zu erfüllen, Wetten angenommen hatten. Stanley ist in Italien ausschließlich durch mehr als 200 Agenturen tätig, die als DÜZ betrieben werden. Das Unternehmen war von der Ausschreibung im Jahr 1999 rechtswidrig ausgeschlossen worden und hatte von einer Teilnahme an der Ausschreibung von 2006 mangels einer zufriedenstellenden Antwort der italienischen Behörden auf seine Ersuchen um Klarstellung zu der neuen Regelung Abstand genommen.

Die Corte suprema di cassazione (italienischer Kassationshof), bei der diese Verfahren anhängig sind, hat Zweifel an der Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit der durch das Unionsrecht gewährleisteten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Diese Regelung scheint nämlich nach Auffassung des italienischen Gerichts diskriminierende Züge aufzuweisen, weshalb es dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen vorgelegt hat.

Als Erstes prüft der Gerichtshof die nationale Bestimmung, nach der die neuen Konzessionäre mit ihren Einrichtungen einen Mindestabstand zu den bereits vorhandenen Konzessionären einzuhalten haben. Diese Maßnahme bewirkt nach Auffassung des Gerichtshofs, dass die von den bereits etablierten Betreibern erworbenen Geschäftspositionen zum Nachteil der neuen Konzessionäre geschützt sind, die sich an Orten niederlassen müssen, die geschäftlich weniger interessant sind als die der etablierten Betreiber. Eine solche Maßnahme bedeutet somit eine Diskriminierung der von der Ausschreibung von 1999 ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer.

Eine solche Ungleichbehandlung kann nach dem Unionsrecht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Die italienische Regierung führt zwei Gründe an. Zum einen solle verhindert werden, dass Verbraucher, die in der Nähe von Wettannahmestellen wohnen, einem Überangebot ausgesetzt seien. Der Gerichtshof weist dieses Argument zurück, weil der italienische Glücksspielsektor lange Zeit durch eine expansive Politik gekennzeichnet war, die mit dem Ziel einer Erhöhung der Staatseinnahmen betrieben wurde. Zum anderen trägt Italien vor, die Regelung solle der Gefahr entgegentreten, dass sich die in schlechter versorgten Orten lebenden Verbraucher auf illegale Spiele einließen. Hierzu weist der Gerichtshof darauf hin, dass die zur Verwirklichung des geltend gemachten Ziels eingesetzten Mittel kohärent sein und systematisch gelten müssen. Im vorliegenden Fall gilt die Mindestabstandsregelung nicht für die bereits etablierten, sondern für die neuen Konzessionäre und würde daher nur für diese zu Nachteilen führen.

Jedenfalls ließe sich eine nationale Regelung, die einen Mindestabstand zwischen Annahmestellen vorschreibt, nur dann rechtfertigen, wenn ihr wirkliches Ziel nicht im Schutz der Geschäftspositionen der bestehenden Betreiber bestünde, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist. Das italienische Gericht hat gegebenenfalls auch zu prüfen, ob die Verpflichtung zur Einhaltung von Mindestabständen, die der Einrichtung zusätzlicher Annahmestellen in vom Publikum stark frequentierten Zonen entgegensteht, zur Erreichung des angegebenen Ziels geeignet ist und die neuen Betreiber dazu veranlasst, sich an weniger frequentierten Orten niederzulassen, womit das nationale Hoheitsgebiet abgedeckt wird.

Als Zweites prüft der Gerichtshof die italienische Regelung, die den Entzug der Konzession (und den Verfall der für ihre Erlangung gestellten finanziellen Sicherheit) vorsieht, wenn der Konzessionsinhaber oder der Geschäftsführer unerlaubte Spiele anbietet und damit einen Straftatbestand erfüllt, "der geeignet ist, die vom Vertrauen getragenen Beziehungen mit der Staatsmonopolverwaltung zu zerrütten".

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs Sanktionen gegen Personen (wie Herrn Costa und Herrn Cifone), die an einen Wirtschaftsteilnehmer (wie Stanley) gebunden sind, entgegenstehen, wenn dieser von einer Ausschreibung unionsrechtswidrig ausgeschlossen worden ist. Diese Feststellung gilt auch für die Neuausschreibung zur Behebung dieses rechtswidrigen Ausschlusses des Wirtschaftsteilnehmers, wenn dieses Ziel durch die Neuausschreibung nicht erreicht werden konnte, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

Ferner stellt der Gerichtshof fest, dass die Bedingungen und Modalitäten eines Vergabeverfahrens und insbesondere Bestimmungen, die den Entzug von Konzessionen vorsehen, klar, genau und eindeutig formuliert sein müssen, was vorliegend nicht der Fall ist. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, dies zu prüfen.

1) Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C-338/04, C-359/04 und C-360/04), siehe auch Pressemitteilung Nr. 20/2007.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union



Eine Verbotsverfügung ist als unverhältnismäßig anzusehen, wenn diese über das hinausgeht, was zur Bekämpfung einer möglichen Spielsucht erforderlich ist.
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 74, vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 62, und Kommission/Spanien, Randnr. 39).

s.u.s.: Urteil des Gerichtshofs Rs. C-64/08 - Strafverfahren gg. Ernst Engelmann und Placanica u. a. (C-338/04, C-359/04 und C-360/04), siehe auch Pressemitteilung Nr. 20/2007 (ganz unten)

Die strafrechtlichen Sanktionen
Grundsätzlich sind für das Strafrecht zwar die Mitgliedstaaten zuständig, jedoch setzt das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit Grenzen. So darf das Strafrecht nicht die vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beeinträchtigen. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bekräftigt, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. Die Italienische Republik darf daher gegen Personen wie die in den Ausgangsverfahren Beschuldigten keine Strafen wegen der Ausübung einer Tätigkeit des organisierten Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung verhängen.
Quelle: PM Nr. 20/2007 ganz unten