Mittwoch, 6. April 2011

Kein neuer Glücksspiel-Staatsvertrag in Sicht

Berlin. Der Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten über einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrage heute in Berlin droht einem Zeitungsbericht zufolge das Scheitern. Es liege «kein für alle Länder beschlussfähiger Vorschlag» auf dem Tisch.

Das schreibt die «Neue Osnabrücker Zeitung» unter Berufung auf Teilnehmerkreise. Knackpunkt sei die Zukunft des staatlichen Monopols für Sportwetten. Die Länder seien sich uneinig, inwieweit der milliardenschwere Markt liberalisiert werden solle. weiterlesen

Neuer Staatsvertrag:Glücksspiel-Gipfel droht ein bitteres Scheitern
Auf ihrer heutigen Sonderkonferenz wollten die Ministerpräsidenten eigentlich den neuen Glücksspielstaatsvertrag beschließen. Doch daraus wird wohl nichts - die Positionen der einzelnen Länder liegen zu weit auseinander. weiterlesen

Glücksspiel: Schleswig-Holstein droht mit Ausstieg aus Staatsvertrag
Vor dem Treffen der Ministerpräsidenten zur Neuregelung des Glücksspielmarkts am Mittwoch in Berlin hat Schleswig-Holstein den Druck auf die anderen Länder erhöht. Die schwarz-gelbe Landesregierung plant, bis zum Sommer ein eigenes Glücksspielgesetz zu verabschieden. weiterlesen

Gezänk ums Glücksspiel bis zur letzten Minute
Der Entwurf des Staatsvertrags zur Zukunft des Wettmarktes alarmiert den Sport. Der Fußball könnte deutlich weniger profitieren als erhofft, andere Sportarten müssten mit Einbußen rechnen. Am Mittwoch soll eine Entscheidung fallen. weiterlesen


Politik ignoriert "Europas heimliche Erfolgsgeschichte" – Deutschland nach Großbritannien zweitgrößter Markt für Online-Glücksspiele

von Ansgar Lange


Berlin/München, April 2011 - Die staatlichen Lotterieunternehmen in Deutschland werfen wieder einmal Nebelkerzen, um die Verbraucher zu verunsichern. In großformatigen und sicher nicht billigen Anzeigen in auflagenstarken Tageszeitungen warnen sie im schrillen Ton: "Deutschland hat (noch) die Wahl!" Nein, es geht nicht um Grundsatzentscheidungen wie darüber, ob Deutschland weiterhin auf Kernenergie setzt oder nicht. Es geht um die Entscheidung der Ministerpräsidenten am 6. April 2011 in Berlin, wie Glücksspiel zukünftig in Deutschland reguliert werden kann.

"Es ist bedauerlich, dass die Lottounternehmen so einseitig Einfluss nehmen wollen. So trifft die Kernaussage der Anzeige nicht zu, dass der Glücksspielvertrag in seiner jetzigen Form der Garant für ein maßvolles Spielangebot und Spielerschutz auf hohem Niveau durch die staatlichen Lotterieunternehmen wäre. Diese Aussage geht an der Wahrheit vorbei und ist eine bewusste Desinformation der Öffentlichkeit. Fakt ist, dass die deutsche Misere in puncto Glücksspielmarkt im hohen Maße selbst verschuldet ist. Der 2008 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag hat dazu geführt, dass 95 Prozent der Spieler auf nicht-deutsche Seiten abgewandert sind. Der Staatsvertrag verbietet es nämlich privaten Anbietern, Sportwetten anzubieten. Man muss die Dinge so akzeptieren wie sie sind. Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag hat auf ganzer Linie versagt, da er an den Bedürfnissen der Menschen vorbei geht. Verbote bringen nichts. Sie sind sogar kontraproduktiv. Oder glaubt jemand, dass sich die Menschen in Zukunft nur von Wasser und Brot ernähren würden, wenn man alle anderen Lebensmittel verböte? Es mag ja sein, dass manche Spiele generell oder auch Sportwetten und Online-Glücksspiele für unsinnig halten. Man kann aber nicht darüber hinwegdiskutieren, dass mündige Bürger und Verbraucher neben Lotto auch ein Faible für Sportwetten und Online-Poker haben. In Deutschland gibt es allein 4 Millionen Pokerspieler, die auf eine Liberalisierung warten. Warum sollte kein friedliches und auskömmliches Nebeneinander verschiedener Wettformen möglich sein?", fragt der Münchener Rechtsexperte Dr. Wulf Hambach http://www.timelaw.de.

Nach Meinung von Experten geht auch die Forderung des Generaldirektors des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) http://www.dosb.de, Michael Vesper, noch nicht weit genug. Vesper hatte sich für die Beibehaltung des Lottomonopols, verbunden mit einem staatlich regulierten Konzessionsmodell für Sportwetten, ausgesprochen. "Deutschland hinkt bereits jetzt international hinterher. In Dänemark, Frankreich, Italien und Spanien ist man schon weiter. Internationale Vergleiche zeigen, dass die Einbeziehung von Online Poker in ein Gesamtkonzept sinnvoll und zwingend geboten ist. Eine kontrollierte Liberalisierung sollte neben den Sportwetten auch Online-Poker umfassen. Zum einen lassen sich legalisierte Märkte besser kontrollieren. Und zum anderen dürfte der Rohertrag bei Online Poker denjenigen der Online Sportwetten sogar leicht übertreffen", argumentiert Hambach.

Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer des Beratungshauses Goldmedia http://www.goldmedia.com, verweist mit Bezug auf die Goldmedia-Studie "Glücksspielmarkt Deutschland 2015" auf die beeindruckende Marktentwicklung: So sei der Bruttospielertrag im gesamten Online-Markt von 2005 bis 2009 im Jahresschnitt um knapp 30 Prozent gewachsen, wobei die Sportwetten um 28 Prozent anstieg, das Segment Online-Poker sogar um jährlich 35 Prozent zulegen konnte. Für die Prognose bis 2015 zeigt er zwei Wege auf: Während die Bruttospielerträge bei einem verschärften Monopol, das in Deutschland erst einmal vom Tisch scheint, von derzeit 960 Millionen Euro auf bis zu 580 Millionen sinken dürften, kletterten sie bei einer kontrollierten Marktöffnung mit Werbemöglichkeiten und Online-Vertrieb auf etwa 1,5 Milliarden Euro, so Goldhammer im Februar dieses Jahres auf dem Branchenkongress SpoBiS in Düsseldorf.

Khalid Ali, Generalsekretär der European Sports Security Association (ESSA) sagt sogar, Online-Wetten seien "Europas heimliche Erfolgsgeschichte". Ali zufolge stammen die größten Online-Wettanbieter wie zum Beispiel Pokerstars.com aus Europa. Online-Wetten seien zudem besser gegen Betrug gesichert, da man online alles zurückverfolge könne. Jeder, der ein Online-Wettkonto anlege, müsse nämlich Details zur eigenen Kreditkarte und zum Pass angeben. Online-Glücksspiele verzeichnen laut Angaben der EU-Kommission ein schnelles Wachstum. Mittlerweile gebe es fast 15.000 einschlägige Websites, die Jahreseinnahmen hätten 2008 über 6 Milliarden Euro erreicht. Der Umfang dieses Markts werde sich bis 2013 voraussichtlich verdoppeln. Deutschland sei nach Großbritannien der zweitgrößte europäische Markt für Online-Glücksspiele, so Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Während Deutschland immer noch mit seiner bizarren Rechtslage zu kämpfen hat, will die EU-Kommission möglichst bald auch Online-Wetten regulieren. Nach einem Bericht des Handelsblattes beläuft sich der Branchenumsatz auf rund neun Milliarden Euro, Tendenz steigend. "Die Entwicklung des Internets und das wachsende Angebot an Online-Glücksspielen machen es schwieriger, verschiedene nationale Regulierungsmodelle nebeneinander aufrechtzuerhalten", heißt es in einem Grünbuch, das die EU-Kommission vorgelegt hat.

"Eine Vereinheitlichung des Rechtsrahmens auf europäischer Ebene macht dann Sinn, wenn es sich nicht nur um eine Regulierung, sondern um eine echte Liberalisierung handelt", so Hambach. "Doch erst einmal ist die Politik in Deutschland am Zug. Will sie sich nicht einseitig dem Druck von Lobbyisten zum Beispiel im Bereich Lotto beugen, dann führt an einer Freigabe des Marktes kein Weg vorbei. Wenn sich die Ministerpräsidenten auf ein Modell nach dem Vorbild des schleswig-holsteinischen Gesetzentwurfes einigen könnten und – bei einem fortbestehenden Monopol auf Lotto – eine kontrollierte Legalisierung von privaten Online-Poker-Angeboten und Sportwetten auf den Weg brächten, wäre dies ein großer Wurf. Nur mit einem so ausgestalteten neuen Staatsvertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2012 könnten verschiedene Interessen (Spieler- und Jugendschutz, Bekämpfung des Schwarzmarktes und des rechts-grauen Raumes, höhere Steuereinnahmen, bessere Förderung der Wohlfahrtsverbände, der Kultur und des Breitensports) unter einen Hut gebracht werden."

Aufgrund der mangelnden Entschlusskraft der Politik sind schon in 2011 Tausende von Jobs nicht entstanden. Experten gehen davon aus, dass unter den Bedingungen eines legalisierten Marktes rund 30.000 neue Jobs entstehen könnten. Abgesehen von diesen Argumenten wird der Markt – also die Community der Spieler – de facto auch gar kein anderes Modell akzeptieren. Die Politik sollte zudem nicht riskieren, dass auch eine weitere Reform des Staatsvertrags höchstrichterlich kassiert wird. Das Land Schleswig-Holstein hat bereits als einziges Land einen Gesetzentwurf vorgelegt, der als Modell für einen vernünftigen neuen Glücksspielstaatsvertrag dienen könnte.

Andreas Schultheis
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