In einem durch die Rechtsanwälte G. Bongers und P. Aidenberger geführten Verfahren hat der 13. Senat des OVG Münster, der für die sog. Internetuntersagungsverfahren zuständig ist, einem Eilantrag einer privatrechtlichen Gesellschaft stattgegeben, der seitens der Bezirksregierung Düsseldorf aufgegeben worden war, es zu unterlassen, selbst oder durch Dritte im Internet für öffentliches Glückspiel (Sportwetten, Casinospiele, Pokerspiele) in NRW zu werben.
Der Beschluss ist mehr als nur bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, dass das Bundesverwaltungsgericht erst am 1.6.2011 entschieden hatte, dass das Internetwerbeverbot grundsätzlich nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV verstoße.
Der Senat hat aufgrund unserer konkret dargelegten Werbebeispiele für die Werbung der Landeslotteriegesellschaften Anlass gesehen, die Vereinbarkeit der Regelung in § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV mit dem Unionsrecht erneut grundsätzlich zu überprüfen.
Das Gericht kommt sodann zu dem Ergebnis, dass die vorgenannten Bestimmungen möglicherweise aufgrund der praktischen Anwendung der Werberegelungen in § 5 GlüStV durch die zuständigen Aufsichtsbehörden gegen die unionsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit verstoßen. Auch die Werbung für ein Glücksspiel stelle eine Dienstleistung im Sinne des Unionsrecht dar.
Nach Überprüfung der vom EUGH aufgestellten Grundsätze zur Zulässigkeit der Einschränkung des Rechtes auf freie Dienstleistung stellt der Senat fest, dass es äußerst zweifelhaft sei, ob die Regelungen zum Werbeverbot im Internet zur Erreichung der unionsrechtlich legitimen Ziele geeignet sei.
Diese Zweifel ergäben sich vor allem aus der von den Glückspielaufsichtsbehörden geduldeten, unzulässigen Werbepraxis der staatlichen Landeslotteriegesellschaften.
Der Senat verweist in diesem Zusammenhang zunächst auf die Ausführungen des 4. Senats des OVG Münster in einem ebenfalls durch die Kanzlei Bongers geführten Verfahren, in dem der 4. Senat umfassende Feststellungen dazu getroffen hatte, dass die Werbung der Landeslotteriegesellschaften systematisch zum Wetten und Spielen anreizten. Neben der Werbung der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co OHG – Westlotto –, wie man sie in Pressemitteilungen, im Radio und im Fernsehen finde, beanstandet der Senat dann insbesondere auch den Internetauftritt von "Westlotto", wobei dort im Internet unzulässig für Jackpotausspielungen geworben werde. Dadurch verstoße die Landeslotteriegesellschaft selbst seit langer Zeit gegen die Werbeverbote in § 5 Abs. 1, 2 und 3 GlüStV. Dies, ohne dass die Bezirksregierung Düsseldorf dies bis heute untersagt habe. Gegenüber der BR Düsseldorf sei dies seitens des Gerichts schon 2009 angemahnt worden, ohne dass dies zu Konsequenzen geführt habe. Auch das Innenministerium unterbinde diese Werbung im Internet seit langem nicht konsequent.
Da also das Internetwerbeverbot von den Aufsichtsbehörden in dem umsatzträchtigen Lotteriesektor nicht konsequent durchgesetzt werde, stehe seine Eignung zumindest in Frage. Ebenso fraglich sei, inwieweit das Verbot der Werbung für nicht staatlich konzessioniertes Glückspiel in § 5 Abs. 4 GlüStV in kohärenter Weise zur Verwirklichung der Gemeinwohlziele beitragen könne, wenn diese Ziele von den Trägern des staatlichen Glückspielmonopols mittels systematisch zum Glückspiel anreizender Werbemaßnahmen unterlaufen werde, ohne dass die Aufsichtsbehörden einschreiten.
Der Senat hat sich abschließend eine vertiefte Prüfung dieser Thematik für das Hauptsacheverfahren vorbehalten, gibt dem Interesse unserer Mandantin allerdings dem Vollzugsinteresse der Behörde den Vorzug. Zum einen bestünden erhebliche europarechtliche Bedenken, andrerseits sei angesichts des zum Jahresende auslaufenden Glückspielstaatsvertrages noch nicht konkret absehbar, wie die Werbung für Glückspiel im Internet und anderen Medien in einem geplanten Folgestaatsvertrag reglementiert werde.
Das ausgesprochene Werbeverbot für Werbung im Internet ist nunmehr gegenüber der Mandantin nicht vollziehbar, so dass sie die Werbung – soweit sie denn überhaupt geworben hat – weiterhin praktizieren kann.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Kontakt:
Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Rechtsanwalt Guido Bongers
Ludwigstr. 12
D - 61348 Bad Homburg
vgl. OVG NRW (Az.: 4 A 17/08) vom 30.09.2011
OVG für das Land Nordrhein-Westfalen: Gebührenfestsetzungen für Sportwettenuntersagungsverfügungen rechtswidrig s.u.
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 1331/11
Datum:
30.11.2011
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 1331/11
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. Oktober 2011 mit Ausnahme der Entscheidung über die Vollziehbarkeit der Gebührenfestsetzung in der angegriffenen Ordnungsverfügung und der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (Az.: 27 K 5152/10 Verwaltungsgericht Düsseldorf) gegen die Ziffern 1 bis 3 der Ordnungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 23. Juli 2011 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 25.000,- Euro festgesetzt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (Az.: 27 K 5152/10 Verwaltungsgericht Düsseldorf) gegen die Ziffern 1 bis 3 der Ordnungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 23. Juli 2011 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 25.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2
Die Beschwerde der Antragstellerin hat in dem tenorierten Umfang Erfolg. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf Grund der fristgerechten Darlegungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).
3
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (Az.: 27 K 5152/10 Verwaltungsgericht Düsseldorf) gegen die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 23. Juli 2011 anzuordnen, hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 der Verfügung zu Unrecht abgelehnt. Die im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt insoweit zu Gunsten der Antragstellerin aus. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung lässt sich eine offensichtliche Rechtmäßigkeit der Ziffern 1 bis 3 der angefochtenen Ordnungsverfügung nicht feststellen. Der vom Gesetzgeber in § 9 Abs. 2 GlüStV angeordnete Vorrang des Vollziehungsinteresses führt nicht dazu, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.
4
Es bestehen Zweifel, ob die Bezirksregierung E. der Antragstellerin zu Recht untersagt hat, selbst oder durch Dritte – z.B. durch Tochterunternehmen oder deren Tochterunternehmen oder durch sonstige Dritte – im Internet für öffentliches Glücksspiel i. S. d. § 3 GlüStV (insbesondere Sportwetten, Casinospiele, Pokerspiele) insbesondere mit den unter der Domain www.bet-at-home.com aufrufbaren Angeboten in Nordrhein-Westfalen zu werben (Ziffer 1 der Verfügung), und ihr ferner zu Recht auferlegt hat, diese Anordnung innerhalb von zwei Wochen zu erfüllen (Ziffer 2). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV kann die zuständige Behörde des Antragsgegners im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen erlassen, um die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen sicherzustellen. Die Bezirksregierung E. , die gemäß § 1 Abs. 2 des Telemedienzuständigkeitsgesetzes für die Untersagung der Glücksspielwerbung im Internet zuständig ist, hat die Verfügung auf die Verbotsnormen in § 5 Abs. 3 GlüStV, wonach die Werbung für öffentliches Glücksspiel u. a. im Internet verboten ist, und § 5 Abs. 4 GlüStV, der Werbung für unerlaubte Glücksspiele verbietet, gestützt. Bei summarischer Prüfung ist offen, ob die vorgenannten Verbotsregelungen unionsrechtskonform und damit anwendbar sind.
5
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, ZfWG 2011, 332 = juris, Rdnr. 30 ff., entschieden, dass das Internetwerbeverbot in § 5 Abs. 3 GlüStV nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – (vormals Art. 49 EG) verstößt. Diese Auffassung hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung auch zu § 5 Abs. 4 GlüStV vertreten.
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Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2011 – 13 B 733/11 –, juris, m. w. N.
7
Allerdings sieht der Senat aufgrund der Ausführungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren und des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dem Urteil vom 29. September 2011 – 4 A 17/08 –, juris, zur Werbepraxis der Landeslotteriegesellschaften Anlass, die Vereinbarkeit der Regelungen in § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV mit dem Unionsrecht erneut grundsätzlich zu prüfen.
8
Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass das Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet ebenso wie das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) nicht "monopolakzessorisch", sondern unabhängig von Gültigkeit und Bestand des staatlichen Glücksspielmonopols allgemein geltendes Recht ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, a. a. O, Rdnr. 12.
10
Daher ist es für die rechtliche Beurteilung des Internetwerbeverbots unerheblich, dass das staatliche Sportwettenmonopol nach der jüngsten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen die unionsrechtliche Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit verletzt und folglich die hierauf bezogenen Vorschriften des GlüStV wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar sind.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. September 2011 – 4 A 17/08 –, a. a. O.
12
Ebenso wenig "monopolakzessorisch" dürfte die Verbotsregelung in § 5 Abs. 4 GlüStV sein. Denn diese knüpft an den Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV an, der seinerseits unabhängig von der Wirksamkeit des Sportwettenmono-pols anwendbar sein dürfte.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 – 8 C 13.09 –, NVwZ 2011, 549 = juris, Rdnr. 77; OVG NRW, Urteil vom 29. September 2011 – 4 A 17/08 –, a. a. O., Rdnr. 183.
14
Die Bestimmungen in § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV verstoßen indes möglicherweise aufgrund der praktischen Anwendung der Werberegelungen in § 5 GlüStV durch die zuständigen Aufsichtsbehörden gegen die unionsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit. Durch die Werbeverbote wird der freie Dienstleistungsverkehr beschränkt. Denn auch die Werbung für Glücksspiele stellt eine Dienstleistung im Sinne der vorgenannten unionsrechtlichen Vorschriften dar.
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Vgl. EuGH, Urteile vom 8. September 2010 – Rs. C-316 (Markus Stoß) u. a. –, GewArch 2010, 444 = juris, Rdnr. 56, und vom 24. März 1994 – Rs. C-275/92 (Schindler) –, Slg. 1994, I-1039, Rdnr. 22 ff.
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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit unter den folgenden Voraussetzungen zulässig: Die beschränkende Regelung darf nicht diskriminierend sein und muss zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie etwa dem Verbraucherschutz, der Betrugsvorbeugung oder der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen dienen. Ferner muss sie geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
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Vgl. EuGH, Urteile vom 6. März 2007 – Rs. C-338/04 (Placanica) –, Slg. 2007, I-1891, Rdnr. 46, 49, und vom 8. September 2009 – Rs. C-42/07 (Liga Portuguesa) –, Slg. 2009, I-7633, Rdnr. 56, 60.
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Eine nationale Regelung, durch die die Dienstleistungsfreiheit beschränkt wird, ist nur dann zur Erreichung der mit ihr verfolgten Gemeinwohlziele geeignet, wenn sie hierzu in systematischer und kohärenter Weise beiträgt.
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Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2003 – Rs. C-243/01 (Gambelli) –, Slg. 2003, I-13031, Rdnr. 67, vom 10. März 2009 – Rs. C-169/07 (Hartlauer) –, Slg. 2009, I-1721, Rdnr. 55, und vom 8. September 2010 – Rs. C-316/07 (Markus Stoß u.a.) –, a. a. O., Rdnr. 88, 97 ff., und – Rs. C-46/08 (Carmen Me-
20
dia) –, NVwZ 2010, 1422, Rdnr. 55, 64 ff.
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Aus dem Kohärenzgebot folgt zum einen, dass der Mitgliedstaat die Gemeinwohlziele, denen die Regelung dienen soll und die die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit legitimieren sollen, auch tatsächlich verfolgen muss und nicht in Wahrheit andere – insbesondere finanzielle – Ziele verfolgen darf.
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Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Oktober 1999 – Rs. C-67/98 (Zenatti) –, Slg. 1999, I-7289, Rdnr. 36, vom 6. November 2003 – Rs. C-243/01 (Gambelli) –, a. a. O., Rdnr. 69, und vom 8. September 2010 – Rs. C-46/08 (Carmen Media) –, a. a. O., Rdnr. 66; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, a. a. O, Rdnr. 35.
23
Zum anderen darf die fragliche Regelung nicht durch die Politik in anderen Glücksspielsektoren, selbst wenn für diese andere Hoheitsträger desselben Mitgliedsstaats zuständig sind, konterkariert werden. Es dürfen daher in anderen Glücksspielsektoren keine Umstände durch entsprechende Vorschriften oder, wenn sie vorschriftswidrig bestehen, strukturell geduldet werden, die – sektorenübergreifend – zur Folge haben, dass die in Rede stehende Regelung zur Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele nicht beitragen kann, so dass ihre Eignung zur Zielerreichung aufgehoben wird.
24
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, a. a. O., Rdnr. 35; EuGH, Urteile vom 8. September 2010 – Rs. C-316/07 (Markus Stoß) u. a. –, a. a. O., Rdnr. 106, und – Rs. C-46/08 (Carmen Media) –, a. a. O., Rdnr. 68 f.
25
Gemessen an diesen Vorgaben ist es zweifelhaft, ob die Regelungen in § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV zur Erreichung der in § 1 GlüStV angeführten – unionsrechtlich legitimen – Gemeinwohlziele geeignet sind. Diese Zweifel ergeben sich aus der von den Glücksspielaufsichtsbehörden (zumindest) geduldeten unzulässigen Werbepraxis der Landeslotteriegesellschaften, die Träger des staatlichen Glücksspielmonopols sind (vgl. § 10 Abs. 2 GlüStV).
26
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 29. September 2011 – 4 A 17/08 –, a. a. O., Rdnr. 46 f., die unions- und verfassungsrechtlichen Anforderungen zusammengefasst, die im Falle der Errichtung eines staatlichen Glücksspielmonopols an die Werbung der Monopolträger zu stellen sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Gründe des vorgenannten Urteils verwiesen. Die Werbung der staatlichen Lotteriegesellschaften entspricht diesen Vorgaben nicht, weil sie systematisch zum Wetten anreizt.
27
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. September 2011 – 4 A 17/08 –, a. a. O., Rdnr. 48.
28
Diese Einschätzung belegt der 4. Senat mit zahlreichen Beispielen von Werbemaßnahmen der Landeslotteriegesellschaften im Internet oder in anderen Publikationen und Medien (Pressemitteilungen, Plakate, Hörfunk, Fernsehen), die einen Verstoß gegen das Internetwerbeverbot in § 5 Abs. 3 GlüStV und/oder die – unionsrechts- und verfassungskonform auszulegenden – Anforderungen an Werbung für erlaubte Glücksspiele in § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV darstellen (a. a. O., Rdnr. 58 ff.).
29
Der Senat schließt sich vor diesem Hintergrund der Schlussfolgerung des 4. Senats in dem vorgenannten Urteil (a. a. O., Rdnr. 54 ff.) an, dass mit Blick auf die Werbeaktivitäten der staatlichen Glücksspielanbieter ein strukturelles Defizit bei der Umsetzung der Regelungen zur Glücksspielwerbung in § 5 GlüStV zu verzeichnen ist. Denn die jeweils für die Glücksspielaufsicht zuständigen Behörden der Länder schreiten augenscheinlich nicht gegen die unzulässigen Werbepraktiken der staatlichen Lotteriegesellschaften ein. Dies wird am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen deutlich. Auf der Internet-Startseite der Westdeutsche Lotterie GmbH & Co. OHG – WestLotto – (www.westlotto.de) wird unter den optisch mittels farblicher Unterlegung hervorgehobenen Überschriften "Jackpot am Samstag" und "Jackpot Spiel 77" auf die Höhe der aktuellen Jackpots beim Lotto "6 aus 49" und beim "Spiel 77" hingewiesen. Hiermit wird nicht nur gegen das Internetwerbeverbot nach § 5 Abs. 3 GlüStV, sondern auch gegen die Regelungen in § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV verstoßen. Denn ein durchschnittlicher Betrachter der Internetseite wird durch den Hinweis auf einen bei der nächsten Ziehung möglichen (Millionen-)Gewinn zur Teilnahme am Spiel motiviert.
30
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. September 2011 – 4 A 17/08 –, a. a. O., Rdnr. 61, zu einem entsprechenden Hinweis auf der Internetseite des Deutschen Lotto- und Totoblocks (www.lotto.de).
31
Der Senat hat gegenüber der Bezirksregierung E. bereits vor geraumer Zeit angemahnt, auch gegen die unzulässige Internetwerbung der WestLotto einzuschreiten.
32
Vgl. Beschlüsse vom 5. November 2009 – 13 B 724/09 und 13 B 892/09 -, jeweils juris.
33
Dem ist die Bezirksregierung indes, wie der gegenwärtige Internetauftritt von WestLotto zeigt, nicht (hinreichend) nachgekommen. Bei summarischer Prüfung lässt sich ferner nicht feststellen, dass das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen die in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden unzulässigen Werbeaktivitäten von WestLotto systematisch unterbindet. Der Erlass des Innenministeriums von September 2011, den der Antragsgegner im Parallelverfahren 13 B 1135/11 vorgelegt hat, vermag einen entsprechenden Nachweis nicht zu erbringen. Ausweislich des Erlasses legt das Innenministerium der Überprüfung von Werbemaßnahmen der WestLotto die für die Glücksspielanbieter verbindlichen Werberichtlinien der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder (aktueller Stand: 23. Mai 2011) zugrunde. Die Werberichtlinien werden allerdings den unions- und verfassungsrechtlichen Anforderungen an zulässige Glücksspielwerbung nicht gerecht, weil sie zum einen Imagewerbung für allgemein zulässig (unter 5.2.1.d) und zum anderen lediglich die "gezielte" Aufforderung, Anreizung oder Ermunterung zur Teilnahme am Glücksspiel für unzulässig (unter 5.2.2) erklären. Diese Bestimmungen stehen nicht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der jede Form der Image- und Sympathiewerbung und des Weiteren alle Werbemaßnahmen, die – unabhängig von der Intention des Werbenden – von einem noch nicht zur Teilnahme am Glücksspiel entschlossenen durchschnittlichen Empfänger der Botschaft als Motivierung zur Teilnahme zu verstehen sind, ausgeschlossen sind.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 – 8 C 13.09 –, a. a. O., Rdnr. 52 und 56; OVG NRW, Urteil vom 29. September 2011 – 4 A 17/08 –, a. a. O., Rdnr. 55 ff.
35
Das aufgezeigte Vollzugsdefizit bezüglich der Werbung im Lotteriebereich wirkt sich auf einen erheblichen Teil des gesamten Glücksspielmarktes aus. Die Wetteinsätze im Lottomarkt betrugen in den Jahren 2005 und 2008 10,0 bzw. 8,1 Milliarden Euro.
36
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 –, a. a. O., unter Hinweis auf eine Studie von Deloitte zum deutschen Sportwettenmarkt aus dem Jahr 2010.
37
Insoweit stellt sich die Sachlage beim Lotto anders dar als bei den Pferdewetten, deren Markt das Bundesverwaltungsgericht in der vorstehend zitierten Entscheidung als zu geringfügig angesehen hat, als dass ein für diesen Bereich erkanntes Vollzugsdefizit die grundsätzliche Eignung des Veranstaltungs- und Vermittlungsverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV zur Erreichung der hierfür angeführten Gemeinwohlziele in Frage stellen könnte.
38
Da das Internetwerbeverbot gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV in dem umsatzträchtigen Lotteriesektor von den Aufsichtsbehörden nicht konsequent durchgesetzt wird, steht seine Eignung zur Erreichung der mit ihm verfolgten Gemeinwohlziele, insbesondere der Verhinderung von Wett- und Spielsucht (§ 1 Nr. 1 GlüStV) und des Spielerschutzes (§ 1 Nr. 3 GlüStV), zumindest in Frage. Ebenso fraglich ist, inwieweit das Verbot der Werbung für nicht staatlich konzessioniertes Glücksspiel in § 5 Abs. 4 GlüStV in kohärenter Weise zur Verwirklichung der vorgenannten Gemeinwohlziele beitragen kann, wenn diese Ziele von den Trägern des staatlichen Glücksspielmonopols mittels systematisch zum Glücksspiel anreizender Werbemaßnahmen unterlaufen werden, ohne dass die Aufsichtsbehörden hiergegen einschreiten. Für eine vertiefte Prüfung, ob die Werbeverbote in § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV mit dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot vereinbar sind, ist allerdings im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein Raum. Die Klärung dieser komplexen Rechtsfrage muss vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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Lässt sich danach im vorliegenden Verfahren nicht feststellen, dass die streitgegenständliche Untersagungsverfügung offensichtlich rechtmäßig ist, so überwiegen die Interessen der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse. Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des § 9 Abs. 2 GlüStV zwar eine Wertung vorgegeben, wonach der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnungen der Glücksspielaufsicht ein gesteigertes Interesse zukommt. Das öffentliche Interesse muss aber ausnahmsweise zurücktreten, wenn – wie hier – Zweifel daran bestehen, ob die von der Behörde herangezogene Verbotsnorm mit europäischem Unionsrecht vereinbar ist. Hinzu kommt, dass der geltende Glücksspielstaatsvertrag und mithin auch die unionsrechtlich bedenklichen Regelungen in § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV zum Jahresende – vorbehaltlich einer vorübergehenden Fortgeltung nach Art. 1 § 2 Abs. 3 des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland – außer Kraft treten. Es ist nicht konkret absehbar, wie die Werbung für Glücksspiel im Internet und in anderen Medien in dem geplanten Folgestaatsvertrag reglementiert wird. Auch aus diesem Grund erscheint es gegenwärtig nicht als geboten, dem öffentlichen Vollzugsinteresse den Vorrang einzuräumen.
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Nach alledem ist die aufschiebende Wirkung der Klage auch hinsichtlich der auf die §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW gestützten Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 50.000,00 Euro (Ziffer 3 der Verfügung) anzuordnen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Senat legt dabei ebenso wie das Verwaltungsgericht den Betrag zugrunde, mit dem die Antragstellerin die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für sie im vorläufigen Rechtsschutz beziffert hat.
42
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Quelle
Mit dieser Entscheidung folgte das OVG NRW den Vorgaben des EuGH.
Zur Erinnerung:
Unter der Rn 87 des Urteils Carmen Media Group Ltd. Rs. C-46/08 führt der EuGH aus:
"Daher muss ein System der vorherigen behördlichen Erlaubnis, um trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt zu sein, auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzen, damit diese nicht willkürlich erfolgt. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden einschränkenden Maßnahme betroffen ist, ein effektiver gerichtlicher Rechtsbehelf offenstehen (vgl. Urteil Sporting Exchange, Randnr. 50 und dort angeführte Rechtsprechung)."
Bis zu einer unionsrechtskonformen Neuregelung bleibt § 4 Abs. 4 GlüStV und damit das Internetveranstaltungs- und Internetvermittlungsverbot für Glücksspiele unanwendbar. (C-46/08, Rn 100)
Auch die Vorschriften, die bislang das staatliche Monopol erhalten haben, § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 2, 5 GlüStV, können aufgrund des Unionsrechtsverstoßes nach Verkündung des Urteils in der Rechtssache Carmen Media Group Ltd. nicht mehr angewendet werden (24 EuGH, 8. 9. 2010 – C-46/08, Rn 71) Zu den Rechtsfolgen: s. Prof. Dr. Koenig in timelaw 4/10; I,2
Da der EuGH für alle Mitgliedstaaten verbindlich das Recht der Europäischen Union (Anmerkung 1) auslegt, gilt die Norm des Recht der Europäischen Union, so wie sie durch die im Urteil verkündete Auslegung zu verstehen ist, für alle Mitgliedstaaten und − in der Regel − ex tunc, d. h. rückwirkend. Anders formuliert: Der EuGH stellt fest, wie eine Vorschrift des Recht der Europäischen Union immer schon und von allen hätte verstanden werden müssen.
(Anmerkung 1; Vor dem Vertrag von Lissabon bezog sich diese Befugnis auf das Gemeinschaftsrecht)
Mit der Zeturf (C-212/08) Entscheidung vom 30. Juni 2011 verschärfte der EuGH die Anforderungen an staatliche Glücksspielmonopole.
- EuGH macht strenge Vorgaben für gerichtliche Kontrollen des Glücksspielrechts
- Internet darf als Vertriebsform nicht ohne weiteres beschränkt werden.
Mit der Dickinger/Ömer - Entscheidung des EuGH (Rs C-347/09 vom 15.09.2011) wurde diese Rechtsprechung bestätigt und weiter konkretisiert. Der EuGH führt aus, dass das Internet wie der stationäre Vertrieb behandelt werden muss.
Besondere Auflagen, die nur im Online-Bereich gelten, sind demnach unzulässig!
(vgl. Gambelli u.a. Rs C-243/01 vom 06.11.2003 Rn 53, 54)
weiterlesen
Die Lottogesellschaften scherten sich wenig um EU-Recht – sie konnten sich bislang auf die schützende Hand der Ministerien und Aufsichtsbehörden verlassen. vgl. u.a. Rn 31ff
Mit obiger Entscheidung bestätigt das OVG NRW unter der Rn 33, das die übergeordnete Behörde die Aufsichtsbehörde zum Rechtsbruch veranlasst, indem sie rechtswidrige Vorgaben macht.
Das BVerfG führt in seinem Sportwettenurteil (BVerfGE 115, 276 ff = NJW 2006, 161 ff) unter Rn. 144 aus, dass die Anforderungen des Verfassungsrechts parallel zu den vom EuGH formulierten Vorgaben verlaufen. Das Übergehen der Rechtsprechung des EuGH führt somit zur Verfassungswidrigkeit!
"Rn 144:
Insofern laufen die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben. Nach dessen Rechtsprechung ist die Unterbindung der Vermittlung in andere Mitgliedstaaten mit dem Gemeinschaftsrecht nur vereinbar, wenn ein Staatsmonopol wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-243/01 - Gambelli u.a., Slg. 2003, I-13076, Rn. 62). Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen damit denen des Grundgesetzes."
BGH auf Konfrontationskurs zum EuGH?
OVG für das Land Nordrhein-Westfalen:
Gebührenfestsetzungen für Sportwettenuntersagungsverfügungen rechtswidrig
Gebührenfestsetzungen für Sportwettenuntersagungsverfügungen rechtswidrig
Veröffentlicht am 03.02.2009
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 02.02.2009 entschieden, dass sich die Festsetzung der Gebühr der Stadt Köln im
Rahmen einer Sportwettenuntersagungsverfügung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sich als rechtswidrig erweisen wird. Die allein in Betracht kommende Tarifstelle 17.8 des allgemeinen Gebührentarifs zur allgemeinen
Verwaltungsgebührenordnung vom 03.07.2001 in der Verfassung der 11. Verordnung zur Änderung der allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 10.06.2008 kann nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Es spricht
Überwiegendes dafür, dass diese Tarifstelle wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig ist.
Der Verordnungsgeber hat entgegen den Vorgaben des § 3 GebG NRW bei der Bestimmung des Gebührenrahmens zu Unrecht auch die wirtschaftliche Bedeutung der untersagten
Tätigkeit gebührenerhöhend berücksichtigt.
Gemäß § 3 GebG NRW hat der Verordnungsgeber bei der Bemessung der Gebührensätze zu beachten, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden
Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung für den Kostenschuldner andererseits ein angemessenes Verhältnis zu bestehen hat. Die Vorschrift
konkretisiert das Äquivalenzprinzip, indem sie bestimmt, dass kein Missverhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und der Leistung der Behörde bestehen darf. Sie legt aber zugleich abschließend
die zulässigen Gebührenzwecke und damit die Kriterien fest, an denen sich die Bemessung der Gebührensätze orientieren kann. Der Verordnungsgeber darf bei der Festlegung der Gebührensätze als Bemessungskriterien
ausschließlich die Gesichtspunkte Kostendeckung und Vorteilsabschöpfung heranziehen.
Darüber hinaus gehende (negative) Auswirkungen der Amtshandlung auf den Kostenschuldner oder eine der Amtshandlung zuerkannte besondere Bedeutung für Dritte oder die
Allgemeinheit hat der Verordnungsgeber dagegen unberücksichtigt zu lassen. Begründet eine Amtshandlung, wie es etwa Akten der Eingriffsverwaltung zu eigen ist, für den Kostenschuldner keinen Vorteil, ist für
die Bemessung der Gebührensätze allein der für die Amtshandlung im Wege der Pauschalierung und Typisierung zu veranschlagende Verwaltungsaufwand maßgeblich.
Dass zulässiger Gebührenzweck neben der Abgeltung eines mit der Amtshandlung entstandenen Verwaltungsaufwandes nur ein Vorteilsausgleich sein kann, weist das OVG NRW
anhand des Wortlautes und der Systematik des § 3 GebG NRW sowie anhand der Gesetzesbegründung dazu nach.
Nach Ansicht des OVG NRW wird die Tarifstelle 17.8 AGT den Vorgaben des § 3 GebG NRW nicht gerecht. Nach ihr wird für die Untersagung von unerlaubtem Glücksspiel,
Durchführung und Vermittlung einschließlich der Werbung, eine Gebühr von 1.000,00 € bis 10.000,00 € erhoben. Bei der Untersagung von unerlaubtem Glücksspiel handelt es sich um einen Akt der Eingriffsverwaltung,
der dem Adressaten keinen Vorteil bringt. Demgemäß durfte der Verordnungsgeber bei der Bemessung des Gebührenrahmens allein den für die Ordnungsverfügung anfallenden Verwaltungsaufwand berücksichtigen.
Darauf hat sich der Verordnungsgeber allerdings nicht beschränkt. Er hat vielmehr unzulässigerweise die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit in die Bemessung einbezogen und deshalb den Gebührenrahmen
deutlich zu hoch festgesetzt.
Nach Ansicht des OVG NRW ergibt sich dies bereits aus der "Anmerkung" zu den Tarifstellen 17.7 und 17. AGT, wonach "der wirtschaftliche Vorteil des Antragstellers
zu berücksichtigen" ist. Diese Vorgabe belegt zugleich, dass der Verordnungsgeber schon in die Bemessung des Gebührenrahmens einen angenommenen "wirtschaftlichen Vorteil" des Kostenschuldners eingestellt
hat. Da derjenige, dem eine gewerbliche Betätigung untersagt wird, aus dieser Untersagung keinen wirtschaftlichen Vorteil zieht, kann hiermit nur die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit als solche gemeint sein.
Ebenso ist aus der Höhe des Gebührenrahmens ersichtlich, dass der Verordnungsgeber sich bei dessen Festlegung nicht allein am anfallenden Verwaltungsaufwand orientiert
hat. Für die Untersagung von unerlaubtem Glücksspiel ist ein Verwaltungsaufwand in Höhe von 10.000,00 € kaum denkbar. Dass der Verwaltungsaufwand den Gebührenrahmen nicht ausfüllen kann, zeigt
außerdem ein Vergleich der unter Nr. 17 AGT erfassten Gebührentarifstellen. So sehen etwa die Tarifstellen 17.6 und 17.7 AGT, die den Widerruf einer Erlaubnis betreffen, lediglich einen Gebührenrahmen von 500,00
€ bis 5.000,00 € vor. Jedenfalls im Regelfall wird aber für die Versagung von Erlaubnissen kein wesentlich geringerer Verwaltungsaufwand anfallen, als für die Untersagung unerlaubten Glücksspiels.
Darüber hinaus steht der Gebührenrahmen der Tarifstelle 17.8 AGT außer Verhältnis zu dem in der Tarifstelle 17.2 AGT für die Erteilung einer Erlaubnis eines gewerblichen Spielvermittlers festgelegten
Gebührenrahmens. Hier beträgt die höchstmögliche Gebühr lediglich 5.000,00 €, obgleich neben dem Verwaltungsaufwand der mit der Erlaubnis verbundene wirtschaftliche Wert für immerhin ein
Jahr einbezogen ist.
Das OVG NRW kommt daher zutreffend zu dem Ergebnis, dass sich mangels einer wirksamen Rechtsgrundlage die Gebührenfestsetzung im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen
wird.
Mit dieser Entscheidung dürfte die unsägliche Praxis der Städte in NRW ein Ende finden, Sportwettbürobetreiber über die Verwaltungsgebühr finanziell
zu ruinieren. Diese Verwaltungspraxis, insbesondere der Stadt Köln, verbrannte Erde zu hinterlassen, wird die Stadt Köln teuer zu stehen kommen. Durch die Vielzahl der Untersagungsverfügungen, die die Stadt
Köln erlassen hat, wird die Stadt Köln in mehreren hundert Verwaltungsverfahren die Gerichts und Anwaltskosten zu bezahlen haben. Bereits bezahlte Gebühren werden zurückzuzahlen sein.
Das Verfahren wurde von Rechtsanwalt Dieter Pawlik aus Karlsruhe geführt. Die Entscheidung wird heute auf www.vewu.de veröffentlicht.
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Rechtsanwalt Dieter Pawlik
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Beschluss vom 02.02.2009 (pdf-download)