Dienstag, 29. März 2011

BayVGH: Staatliches Sportwettenmonopol verstößt gegen Europarecht

Mit Beschluss vom 21. März 2011 hat der Bayerische VGH in einem durch die Kanzlei Bongers geführten vorläufigen Rechtsschutzverfahren festgestellt, dass das staatliche Sportwettenmonopol im geltenden Glücksspielstaatsvertrag den europarechtlichen Anforderungen nicht genügt. Insbesondere wegen der kontinuierlich steigenden Zahl zugelassener Geldspielautomaten in Spielhallen, die ein deutlich größeres Suchtpotential als Sportwetten hätten, werde das Ziel einer systematischen und kohärenten Begrenzung der Spiel- und Wetttätigkeit verfehlt.

Der Bayerische VGH vertritt insoweit entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung nunmehr die Auffassung, dass das staatliche Sportwettenmonopol eine unverhältnismäßige Beschränkung der europarechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit bewirke und deshalb grundsätzlich auch nicht mehr Grundlage für eine Untersagungsverfügung sein könne. Der Eilantrag wurde überraschenderweise ungeachtet dieser Feststellungen abgelehnt, weil der Bayerische VGH erstmalig die Auffassung vertritt, es bedürfe trotz einer gemeinschaftswidrigen Rechtslage möglicherweise noch einer Erlaubnis.

Jedenfalls könne aber der Zugang vom Sportwettenmarkt privaten Anbietern und Vermittlern in Bayern nicht mehr wie bisher unter Berufung auf das staatliche Monopol verwehrt werden.

Ob und unter welchen Voraussetzungen dem Mandanten des Verfahrens eine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten erteilt werden könne, sah das Gericht noch als klärungsbedürftig an. Dies könne jedenfalls nicht im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geklärt werden und bleibe dem Hauptsacheverfahren überlassen.

Unter Berücksichtigung der vom Gericht getroffenen Feststellungen ist indes aus Sicht des Unterzeichners wenig nachvollziehbar, dass der Eilantrag trotz dieser Umstände abgelehnt wurde.

Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass nach diesseitiger Einschätzung auch ein Berufen auf den Erlaubnisvorbehalt des § 4 GlückStV nicht zulässig ist, wenn ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt. Dies ergibt sich nach Einschätzung des Unterzeichners auch eindeutig aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2010 zum AZ: 8 C 15.09, in dem die Regelung des Erlaubnisvorbehalts gerade dann nicht für rechtmäßig erachtet wird, wenn ein unzulässiger Eingriff in die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit erfolgt. Genau dies hat aber der Bayerische VGH festgestellt.

Nachdem mit Beschlüssen vom Vortag auch das OVG Nordrhein-Westfalen in mehreren, durch die Kanzlei Bongers geführten Verfahren Eilanträge mit ähnlicher Begründung abgewiesen hat, gleichzeitig aber auch die gemeinschaftswidrige, weil inkohärente Rechtslage festgestellt hat, lässt sich festhalten, dass nunmehr eine ganz überwiegende Anzahl deutscher Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte von einer gemeinschaftswidrigen, weil inkohärenten Gesetzeslage ausgehen.

Die Schlussfolgerung daraus kann aus unserer Sicht nur sein, dass sich jegliche Ordnungsverfügung der letzten Jahre gegen Sportwettvermittler als rechtswidrig erweisen wird. Daher empfehlen wir auch, jegliche Klage und jeglichen Widerspruch in den Angelegenheiten entscheiden zu lassen, soweit noch Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung dieser Verfahren besteht.
Kontakt:
Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Rechtsanwalt Guido Bongers
Ludwigstr. 12
D - 61348 Bad Homburg


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

- Pressemitteilung -

Staatliches Sportwettenmonopol genügt derzeit nicht den unionsrechtlichen Anforderungen

Mit Beschluss vom 21. März 2011 hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes festgestellt, dass das staatliche Sportwettenmonopol im geltenden Glücksspielstaatsvertrag den europarechtlichen Anforderungen nicht genügt. Wegen der kontinuierlich steigenden Zahl zugelassener Geldspielautomaten in Spielhallen, die ein deutlich größeres Suchtpotential als Sportwetten hätten, werde das Ziel einer systematischen und kohärenten Begrenzung der Spiel- und Wetttätigkeit verfehlt.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist eine behördliche Verfügung, mit der dem Antragsteller untersagt wurde, ohne die dafür erforderliche Erlaubnis Sportwetten anzunehmen und an einen privaten Sportwettenveranstalter mit Sitz in Gibraltar zu vermitteln. Der Antragsteller hat unter Hinweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum deutschen Glücksspielrecht vom 8. September 2010 die einstweilige Aussetzung dieses Verbots bis zur Entscheidung über seine beim BayVGH anhängige Berufung beantragt. Der BayVGH vertritt entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung nunmehr die Auffassung, dass das staatliche Sportwettenmonopol eine unverhältnis-
mäßige Beschränkung der europarechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit bewirke und deshalb nicht mehr als Grundlage für Untersagungsverfügungen herangezogen werden könne. Zwar bedürfe die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter auch künftig einer behördlichen Erlaubnis. Der Zugang zum Sportwettenmarkt könne privaten Anbietern und Vermittlern in Bayern aber nicht mehr wie bisher unter Berufung auf das staatliche Monopol verwehrt werden.

Der Antrag des Sportwettenvermittlers auf einstweilige Aussetzung der Untersagungsverfügung blieb dennoch erfolglos, weil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend habe beurteilt werden können, ob die unabhängig vom Bestehen des staatlichen Monopols geltenden Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis erfüllt seien. Das bleibe dem Hauptsacheverfahren überlassen. Bei der notwendigen Interessenabwägung hat der BayVGH das öffentliche Interesse, den Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete, behördlich überwachte Bahnen zu lenken, um so eine wirksame Suchtprävention und –bekämpfung zu gewährleisten, für gewichtiger befunden, als das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers.

Gegen den Beschluss gibt es kein Rechtsmittel.

(Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. März 2011, Az. 10 AS 10.2499)
Quelle

Mehr zur Grundsatz-Entscheidung des BayVGH

update 12.01.2012:

BayVGH:
Vermittlung privater Sportwetten darf nicht untersagt werden
Mit am Freitag bekanntgewordenen Urteilen hat der Bayerische VGH entschieden, dass zwei Unternehmern die Vermittlung von privaten Sportwetten zu Unrecht untersagt worden ist. Das derzeit noch geltende Glücksspielrecht genüge den europarechtlichen Anforderungen nicht.
(Urt. v. 12. Januar 2012, Az. 10 BV 10.2271 und 10 BV 10.2505). weiterlesen