Donnerstag, 24. März 2011

Glücksspielstaatsvertrag - Deutsche Glücksspielgesetze verstoßen gegen EU-Recht

Nach einem Urteil eines deutschen Verwaltungsgerichts verstoßen deutsche Glücksspielgesetze gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit. Den Ländern gehe es beim staatlichen Wettmonopol nicht vorrangig um den Verbraucherschutz: Sie versuchten vielmehr, eine traditionelle staatliche Einnahmequelle aufrechtzuerhalten.

Das Verwaltungsgericht Gera gab einer Klage der Sportwetten Gera GmbH statt und stellt fest, dass diese berechtigt ist, das Sportwettengewerbe auszuüben. Das Gericht verwies jedoch auf die bisher nicht einheitliche Rechtsprechung und ließ Berufung zu.

Die deutschen Verbotsvorschriften dürfen dem Gericht zufolge nicht angewendet werden, da sie gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit verstoßen. Diese kann zwar durch nationale Regelungen beschränkt werden, allerdings müssten solche vor allem das Ziel des Verbraucherschutzes verfolgen.

Glücksspielsektor nicht konsequent geregelt

Sowohl der Glücksspielstaatsvertrag als auch das Thüringer Glücksspielgesetz erfüllen diese Anforderungen nach Ansicht des Gerichts nicht. Den Ländern ginge es weniger um den Verbraucherschutz, als um das Aufrechterhalten einer traditionellen staatlichen Einnahmequelle. Der gesamte deutsche Glücksspielsektor sei zudem nicht konsequent geregelt, um der Spielsucht entgegen zu wirken.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im September 2010 das staatliche Lotteriemonopol gekippt.

Deutschland hatte das Monopol damit verteidigt, dass der Staat Spielsucht und Manipulation verhindern müsse. Die Länder müssen nun den Ende 2011 auslaufenden Glücksspielstaatsvertrag neu fassen.

Online-Glücksspiele mit maltesischer Lizenz

Auch das Lotteriemonopol in Österreich beschäftigt derzeit erneut den EuGH. Dieser muss klären, ob die bet-at-home.com Entertainment GmbH mit einer maltesischen Lizenz Online-Glücksspiele auch österreichischen Nutzern zugänglich machen darf. Das Unternehmen beruft sich auf die Dienstleistungsfreiheit.

Die österreichische Regierung meint, dass das nationale Glücksspielgesetz trotz Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in der EU gültig sei, sofern darin enthaltene Einschränkungen "im zwingenden Allgemeininteresse" gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.

Insbesondere beim Online-Glücksspiel gibt es in der EU viele Grauzonen. Die EU-Richter können zudem bislang immer nur zu einzelnen Fragen Stellung nehmen. In Brüssel hat man daher die Notwendigkeit einer Harmonisierung der sehr unterschiedlichen nationalen Regelungen erkannt.

Warten auf das EU-Grünbuch

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hatte bereits vor mehreren Monaten ein Grünbuch zum Glücksspiel angekündigt. Zuletzt hatte er im Oktober erklärt, dass die EU-Kommission im November 2010 ein solches als Diskussionsgrundlage veröffentlichen werde.

Das Grünbuch soll nunmehr in den nächsten Monaten vorgelegt werden. Ziel ist es zunächst, alle Fakten und die Ansichten aller Beteiligten zu sammeln. Aus dem Grünbuch wird nach einem Konsultationsprozess in der Regel dann ein sogenanntes Weißbuch entwickelt, in dem konkrete Schritte und Regelungen vorgeschlagen werden.

Derzeit kursiert eine Entwurfsfassung des Grünbuchs, welches von der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen unter Berücksichtung der Kommentare der anderen Generaldirektionen überarbeitet wird. Die Annahme des Entwurfs ist vorläufig für den zweiten oder neunten März vorgesehen.
Daniel Tost weiterlesen

Es darf an die Urteile des EuGH vom 08.09.2010 erinnert werden:

Vorrang des Gemeinschaftsrechts

Jede andere Auffassung verbietet sich zudem schon aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu der Rechtslage in Deutschland. In seinem Urteil vom 8. September 2010, Rs. C-409/06, hat der Europäische Gerichtshof unmissverständlich und im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung klargestellt, dass das Gemeinschaftsrecht gegenüber dem nationalen Recht Vorrang genießt.

Danach ist jedes nationale Organ eines Mitgliedsstaats verpflichtet, das Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und jede nationale Vorschrift unangewandt zu lassen, die zu einer Abschwächung des Gemeinschaftsrechts führen könnte.

Dass das deutsche Glücksspielmonopol die Wetttätigkeit nicht in kohärenter und systematischer Weise beschränkt, ist seit den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs unstreitig und wurde in der Folgezeit durch den Bundesgerichtshof (Urt. v. 18.11.2010) sowie durch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 24.11.2010) ausdrücklich ebenfalls bestätigt.

Der gemeinschaftsrechtliche Anwendungsvorrang gilt unmittelbar und entsprechende deutsche Gerichtsentscheidungen haben lediglich deklaratorische Bedeutung.

Hinzuweisen ist des Weiteren darauf, dass der Europäische Gerichtshof durchgehend davon spricht, dass die Regelungen nicht mehr anzuwenden sind und gerade nicht danach differenziert, auf wen sie nicht mehr angewandt werden dürfen.

Ferner sei darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof mit seinen Urteilen explizit klargestellt hat, dass aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts eine nationale Regelung, die mit der Niederlassungs- und/oder Dienstleistungsfreiheit unvereinbar ist, weil sie die Wetttätigkeit nicht in kohärenter und systematischer Weise beschränkt, nicht weiter angewandt werden darf, nicht einmal für eine Übergangszeit (vgl. dazu insb. Rs. C-409/06, Rn 69).

Das Anwendungsverbot gilt absolut!

Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) rechtswidrig


Das Bundesministerium für Gesundheit schreibt zur Glücksspielsucht

Die Entscheidungen des EuGH zum deutschen Glücksspielstaatsvertrag

Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Glücksspielstaatsvertrag aus dem September 2010 sind ein Sieg für Spielerschutz und Suchtprävention im Glücksspielbereich.
Der EuGH hat nicht das Monopol, das von vielen Experten als wirksamer Schutz zur Vorbeugung von Glücksspielsucht angesehen wird, abgeschafft – er hat vielmehr den Spielerschutz generell, das heißt für alle Bereiche des Glücksspiels gestärkt.

Die Urteile des EuGH zum Glücksspiel im September 2010 betrafen den Bereich der monopolisierten Sportwetten, aus den Entscheidungen ergeben sich aber auch wichtige Aussagen für die Gestaltung des Glücksspielbereichs im Allgemeinen.

Der EuGH bestätigt in diesen Urteilen seine Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten im Glücksspielbereich frei sind, selbst über Regelungsmodelle (z. B. Monopol oder Konzessionssystem) und deren Ausgestaltung zu entscheiden. Insbesondere sei es auch nicht schädlich, wenn ein Bereich (z. B. Lotterien und Sportwetten) im Monopol bleiben, andere Bereiche (z. B. das Automatenspiel) aber anders geregelt sind. Allerdings betont der Gerichtshof, dass in diesen Fällen eine kohärente (d. h. widerspruchsfreie) und systematische Politik verfolgt werden müsse. Ein Mitgliedstaat muss deshalb das Ziel der Suchtvorbeugung und des Spielerschutzes in allen Glücksspielbereichen gleichermaßen, also widerspruchsfrei verfolgen.
Dies bedeutet, zum einen, dass die Regelungen innerhalb eines Glücksspielsegments widerspruchsfrei sein müssen. So muss beispielsweise bei den Lottospielen die Werbung darauf begrenzt bleiben, die Spieler auf diese monopolisierten Spiele zu lenken und darf nicht darauf abzielen, den Spieltrieb zu fördern oder zu stimulieren.
Zum anderen muss auch zwischen den verschiedenen Glücksspielsegmenten ein widerspruchsfreier (kohärenter) Spielerschutz sichergestellt sein. Deshalb dürfen beispielsweise Glücksspiele mit höherem Suchtpotential (wie Automatenspiele) nicht schlechteren Spielerschutz aufweisen als Spiele mit geringem Suchtpotential. Der Gerichtshof verlangt also vom deutschen Gesetzgeber, dass vergleichbarer Spielerschutz in allen Glücksspielsegmenten sichergestellt ist. Nur wenn dies der Fall ist, ist es in Deutschland möglich, über die Ausgestaltung der einzelnen Glücksspielbereich z. B. durch Monopol, durch Konzession oder durch schlichte Genehmigung zu entscheiden. Der Gerichtshof verbindet das Schicksal der Monopolglücksspiele damit mit dem Schicksal der anderen Glücksspielbereiche, insbesondere dem gewerblichen Automatenspiel. Der Spielerschutz im einen Bereich kann nicht ohne den Spielerschutz im anderen Bereich geregelt werden. Quelle