Mittwoch, 23. März 2011

BayVGH Grundsatz-Entscheidung

Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)
Pressemitteilung
Staatliches Sportwettenmonopol genügt derzeit nicht den unionsrechtlichen Anforderungen weiterlesen

Gericht: Anbieten privater Sportwetten in Bayern erlaubt
München (dpa/lby) - In einer Grundsatz-Entscheidung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in München das kommerzielle Anbieten privater Sportwetten für zulässig erklärt. Das staatliche Sportwettenmonopol in Deutschland genüge nicht den EU-rechtlichen Anforderungen, entschied der 10. Gerichtssenat in einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung. mehr
Allerdings lehnte der BayVGH die Aussetzung einer Untersagungsverfügung ab, weil der Anbieter keine formelle Erlaubnis eingeholt hatte.
update am Ende

Demgegenüber führte das VG Minden in seinem Urteil insbesondere aus, dass die angefochtene Untersagungsverfügung nicht auf die Nichterfüllung der Erlaubnispflicht und damit auf § 9 Abs. 1 Satz 3 des Glücksspielstaatsvertrages gestützt werden kann. Auch die normierte Erlaubnispflicht verstoße gegen höherrangiges Recht und sei namentlich nicht mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der europäischen Union vereinbar.
Das bloße Fehlen einer Erlaubnis kann nicht zur Begründung einer Untersagungsverfügung herangezogen werden, gerade schon deshalb nicht, weil es für den betreffenden Sportwettvermittler gar keine rechtliche Möglichkeit gibt, eine solche Erlaubnis zu erlangen. Dies ergäbe sich insbesondere auch aus den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2010. vgl. VG Minden (3 L 473/09) v. 05.10.09

VG Hamburg (Az. 4 K 350/08) Staatliches Sportwettenmonopol nicht erforderlich und daher rechtswidrig
Die Untersagungsverfügung könne nicht auf das bloße Fehlen einer Erlaubnis für das Vermitteln von Sportwetten gestützt werden. Die "formelle Illegalität" dürfe nicht herangezogen werden, wenn gar nicht die Möglichkeit bestehe, eine Erlaubnis zu erhalten und diese im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehe (S. 14). Das staatliche Sportwettenmonopol verstoße gegen die Dienstleistungsfreiheit und sei in der Folge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar (S. 15).
Im Folgenden betont das VG Hamburg noch einmal, dass das bloße Fehlen einer Erlaubnis weder dem Anbieter noch dem Vermittler entgegengehalten werden könne, solange in europarechtswidriger Weise privaten Anbietern keine Erlaubnis ausgestellt werde (S. 27). Aus diesem Grund sei auch keine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben (S. 35).

So auch das VG Bremen: Das Gericht entscheidet weiter, dass die Regelung zum Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 GlüStV ("formelle Illegalität") gegen die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit verstößt (S. 17 ff. und 27 ff.). Hier sind die Ausführungen zu den Urteilsbegründungen der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2010, 8 C 13.09, 8 C 14.09 und 8 C 15.09 von aktuell großer Bedeutung.

Höchtsrichterlich entschied das BVerwG (8 C 2.10) am 1. Juni 2011, daß Untersagungsverfügungen nicht pauschal auf eine fehlende Erlaubnis gestützt werden können und eine Untersagung nicht unabhängig von der Wirksamkeit des Wettmonopols rechtmäßig sein kann. Ein insoweit gegebener Verfassungs- und/oder Gemeinschaftsrechtsverstoß führt zur Rechtswidrigkeit der Verfügung. Zum anderen kämen im Zweifel zunächst Nebenbestimmungen in Betracht.

Die Behörde und auch der VGH Baden-Württemberg waren davon ausgegangen, dass die Klägerin keine Erlaubnis habe, sie gleichzeitig aber auch keine solche Erlaubnis erhalten könne. Im Rahmen des Verfahrens hat die Behörde dann vorgetragen, dass trotz etwaiger Gemeinschaftswidrigkeit des Wettmonopols jedenfalls keine Erlaubnis bei der Klägerin vorliege und die Erlaubnisvorbehaltsnorm des § 4 Glückspielstaatsvertrag weiter Anwendung finden müsse.

Dieser Argumentation hat das Bundesverwaltungsgericht deshalb eine Absage erteilt, weil es nach 114 VwGO zwar möglich ist, eine Ergänzung von Ermessenserwägungen vorzunehmen, nicht aber die Gründe auszutauschen, also die Ermessenserwägung auf eine ganz andere Grundlage zu stellen.
- weitere aktuelle Entscheidungen s.u. -

Auszug aus dem Beitrag (TIME LAW NEWS 4/2010) von Univ.-Prof. Dr. iur. Christian Koenig LL.M. (LSE), dem unter „Unmittelbare Urteilswirkungen im Hinblick auf die Zulassungsvorschriften des GlüStV“, entnommen werden kann, daß ab der Urteilsverkündung (EuGH vom 08.09.2010)
die Pflicht der zuständigen Aufsichtsbehörden zur unmittelbaren Nichtanwendung der unionsrechtswidrigen Zulassungs- und Sanktionsvorschriften des GlüStV besteht.
Alle mitgliedstaatlichen Organe sind verpflichtet, den Anwendungsvorrang des Unionsrechts praktisch wirksam ("effet utile") in vollem Umfang zu realisieren. Mithin darf eine Zulassung der bisher unionsrechtswidrig ausgeschlossenen Anbieter seit der Urteilsverkündung am 8. September 2010 nicht mehr von einer entsprechenden Liberalisierungsnovelle des GlüStV abhängig gemacht werden. Vielmehr sind die unionsrechtswidrigen Zulassungs- und Sanktionsvorschriften des GlüStV nicht mehr anzuwenden.

Die Mitgliedstaaten müssen grundsätzlich zur Rechtfertigung von Beschränkungen der Vertragsfreiheiten bei der Ermittlung von Gefahren eine Risikobewertung auf der Grundlage der zuverlässigsten wissenschaftlichen Informationen und Daten vornehmen. Diese strenge, wissenschaftlich zu fundierende mitgliedstaatliche Rechtfertigungsobliegenheit, deren Erfüllung die Prüfung der tatsächlichen Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Zielverfolgung sowie der regulatorischen Kohärenz voraussetzt, gilt beim Online-Verbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV umso mehr, als mit Verkündung der Urteile am 8. September 2010 feststeht, dass der staatliche Monopolvorbehalt beim stationären (offline) Glückspielbetrieb in der regulatorischen Gestaltung des GlüStV unionsrechtswidrig ist.

Bis zu einer Rücknahme der unionsrechtswidrig verliehenen Altkonzessionen und anschließenden transparenten, diskriminierungsfreien und wettbewerbsoffenen Konzessionsneuverteilung müssen die deutschen Behörden "in jedem Fall" die Mindestschutzvorgabe der Placanica-Entscheidung des Gerichtshofs beachten:
Gegenüber unionsrechtswidrig von einer Zulassung ausgeschlossenen Anbietern darf der "Umstand, dass sie keine Konzession besitzen, nicht zum Anlass für die Verhängung einer Sanktion gegen sie genommen werden."
(EuGH, Placanica, verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, S. I-1932, Rz. 63)

Die Aufsichtsbehörden der Länder dürfen gegen nicht zugelassene Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten, deren Angebot in Deutschland die nicht zulassungsgebundenen Rechts- und Schutzvorschriften einhält, keine – auf die fehlende Zulassung gestützten – Sanktionen, wie insbesondere sofort vollziehbare Untersagungsverfügungen, erlassen. Viel klarer als noch zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung in der Rechtssache Placanica im Jahr 2007 muss nun mit Verkündung der Urteile am 8. September 2010 von der Unionsrechtswidrigkeit des Zulassungsausschlusses ausgegangen werden. Damit wird das Placanica-Gebot des unmittelbaren und praktisch wirksamen Sanktionsschutzes für unionsrechtswidrig von einer Zulassung ausgeschlossene Anbieter mit der Urteilsverkündung am 8. September 2010 erheblich verstärkt.
Verhängen Landesbehörden dem widersprechende Sanktionen, wie insbesondere sofort vollziehbare Untersagungsverfügungen, so verstoßen sie offenkundig und erheblich, also "hinreichend qualifiziert", gegen ihre – subjektiv gerade die Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten schützende – unionsrechtliche Verpflichtung und setzen sich damit der unionsrechtlichen Staatshaftung aus.
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Mehr zum Gleichheitsgrundsatz, zur Inländergleichbehandlung und den Gemeinschaftsgrundrechten weiterlesen

Verwaltungsrecht:
§ 44 Abs. 1 Nr. 8 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und die entsprechenden Verwaltungsverfahrensgesetze der Bundesländer sehen vor, dass ein Verwaltungsakt, der gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Er entfaltet insofern von Anfang an keine Rechtswirkungen und muss daher auch nicht im Widerspruchsverfahren angefochten werden.

Gewinn- und Glückspielrecht

Was Anbieter von privaten Sportwetten beachten sollten

EU überprüft Online-Glücksspiele
Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission will Glücksspiele im Internet genauer unter die Lupe nehmen. In einer öffentlichen Anhörung will die Brüsseler Behörde herausfinden, wie Gebühren in dem Onlinesektor erhoben werden können und Kriminellen das Handwerk gelegt werden kann. Dies geht aus einem Papier hervor, das die Kommission am Donnerstag vorstellt. Bis zum 31. Juli können Nutzer, Online-Spielbetreiber, Regierungen und andere Organisationen ihre Ansichten vertreten. mehr

Online-Glücksspiele in der EU: reden wir darüber!
IP/11/358
Brüssel, 24. März 2011


Weitere aktuelle Entscheidungen zum Erlaubnisvorbehalt

Gemäß dem GlüStV (1.1.08) ist die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten und Lotterien ausschließlich den staatlichen Anbietern vorbehalten. Dieses staatliche Monopol sperrt deshalb nach der Gesetzeskonzeption von vornherein jegliche Erteilung einer Erlaubnis an Private.

Allerdings ist nicht ersichtlich, dass das staatliche Glücksspielmonopol mit höherrangigem Recht vereinbar wäre.

Der Ansicht, der Glücksspielstaatsvertrag sehe einen allgemeinen Erlaubnisvorbehalt auch unabhängig vom staatlichen Monopol vor, verkennt nämlich, dass der Erlaubnisvorbehalt gerade der Sicherung des staatlichen Monopols dient (vgl. VG Gelsenkirchen, a.a.O., Rn 78). Der Gesetzgeber hat sich bei der Neuregelung des öffentlichen Glücksspiels bewusst für die Beibehaltung eines Monopols entschieden. So haben alle Bundesländer von der Ermächtigung zur Errichtung eines solchen Monopols gem. § 10 Abs. 2 GlüStV Gebrauch gemacht.

AG Obernburg a. M. durch Beschluss vom 5. April 2011 (1 Ds 109 Js 10150/09)
Sodann führt das Gericht aus, dass die Erlaubnisvorbehaltsnorm des § 4 GlückStV für den Bereich der Sportwetten und Lotterien in Deutschland derzeit nicht angewandt werden kann, da das Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstoße.

LG Bamberg (Az. 1 Qs 33/2011)
"Als Ziel des Glücksspielstaatsvertrages zitiert das Landgericht § 1 GlüStV. Demnach sei das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht entschieden, dass die Regelung zum Erlaubnisvorbehalt des § 4 GlüStV entsprechend der Auffassung des Amtsgerichts "und der vordringenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (nunmehr auch in Fischer, Kommentar zum StGB 58. Auflage 2011, § 284 Rn. 2, 16a) gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht (Art. 49, 56 EUV), das den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel läuft", verstößt (S. 4)."

LG Bochum verneint Verbotsgesetzcharakter des § 284 StGB
Ausdrücklich erklärt das Gericht:
"§ 4 GlüStV i.V.m. dem Landesgesetz kann jedoch weder für sich genommen noch über die Strafvorschrift des § 284 StGB ein Verbotsgesetz gem. § 134 BGB begründen, da die hier maßgebliche Erlaubnispflicht von Sportwetten in Wettbüros – wie von dem Beklagten als Wettvermittler für die Klägerin betrieben –nach dem Glückspielstaatsvertrag gegen europäisches Recht verstößt und damit unwirksam ist."

AG Essen spricht Sportwettenvermittler vom Vorwurf des unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels gem. § 284 StGB aus Rechtsgründen frei
In seiner mündlichen Urteilsbegründung lies das Gericht erkennen, dass auf Grundlage der Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 die derzeitigen Regelungen des Glückspielstaatsvertrages europarechtswidrig seien, was auch zu einer Unanwendbarkeit des Erlaubnisvorbehaltes des § 4 Abs.1 GlüStV führe.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg spricht Pokerturnierveranstalter vom Vorwurf des § 284 StGB frei

Berufungskammer des Landgerichts Berlin spricht Sportwettvermittler vom Tatvorwurf des § 284 StGB frei.
Das Gericht hat in seiner Urteilsbegründung insbesondere darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH und zahlreicher Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte erhebliche europarechtliche Bedenken an der Gemeinschaftskonformität des Glücksspielstaatsvertrages bestünden.

BGH: In der mündlichen Verhandlung am 22.07.2010 hatten die obersten Bundesrichter Zweifel geäußert, ob die Strafnormen der §§ 284, 287 StGB im Lichte der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Rechtsprechung als hinreichend bestimmt angesehen werden können. Rn 30 ff. Eine Strafbarkeit könne nicht von der Würdigung tatsächlichen Verhaltens staatlicher Glückspielanbieter abhängig gemacht werden. BGH, Urteile vom 22. Juli 2010 Az.: I ZR 163/07, I ZR 170/07; Urteile vom 18. November 2010 Az: I ZR 156/07, I ZR 159/07, I ZR 165/07, I ZR 168/07, I ZR 171/07

VG Stuttgart (Az. 4 K 3645/10 u.a.) Untersagungen können nicht auf den Erlaubnisvorbehalt gestützt werden.
Denn aufgrund der Rechtswidrigkeit des Monopols seien auch die Erlaubnisregelungen nicht im Strafrecht anwendbar. "Andernfalls würde über den Weg des Strafrechts ermöglicht, eine unionsrechtswidrig in Grundrechte (Art. 12 GG) und Grundfreiheiten (Art. 49 bzw. 56 AEUV) eingreifende Monopolstruktur vorläufig aufrechtzuerhalten" (S. 13 des Urteils).

VG Aachen 17. Juni 2011 (Az. 6 L 495/10 u.a.)
"der derzeit bestehende Erlaubnisvorbehalt widerspricht nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck des Staatsvertrages sowie der umzusetzenden Vorschriften des GlüStV AG NRW höherrangigem Recht. Der Erlaubnisvorbehalt ist vom Gesetzgeber eingesetzt worden, um das Monopol konkret auszugestalten und abzusichern. Die getroffene Monopolregelung dient insbesondere nicht einer Kontrolle des Veranstalters oder Vermittlers, sonder beschränkt den Kreis der potentiellen Veranstalter und bewirkt, dass die besonderen Zulassungskriterien und Zuverlässigkeitsprüfungen nur auf diesen beschränkten Teil Anwendung finden können. Insgesamt ist der Erlaubnisvorbehalt damit Teil eines einheitlichen Regelungsziels und für die gewählte gesetzliche Regelung zwingend erforderlich und somit nicht losgelöst vom staatlichen Sportwettenmonopol mit Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren"

VG Köln Urteil vom 24.03.2011 (1 K 4589/07)
Aus dem unbeschränkten Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts folgert das Verwaltungsgericht zutreffend die Unanwendbarkeit der Monopolregelungen. Diese schlage unmittelbar auf den in § 4 Abs. 1 GlüStV statuierten Erlaubnisvorbehalt durch, da das gemeinschaftsrechtwidrige Monopol und die Erlaubnispflicht nicht isoliert betrachtet werden könnten. Letztere sei vom Gesetzgeber gerade als Mittel eingesetzt worden, um das Monopol konkret auszugestalten und abzusichern. Monopol und Erlaubnisvorbehalt seinen daher untrennbar miteinander verknüpft und in ihrer derzeitigen Fassung in gleicher Weise unanwendbar, woraus letztendlich die Erlaubnisfreiheit der privaten Sportwettvermittlung folge.

VG Köln stellte (u.a. 1 K 3288/07) fest, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitraum bis zum 31. Dezember 2007 die untersagte Tätigkeit nicht gegen § 14 Abs. 1 OBG verstoßen habe, weil es sich gerade nicht um unerlaubtes Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB gehandelt habe. Das staatliche Sportwettenmonopol habe im Übergangszeitraum den Anforderungen des Europarechts schon in formeller Hinsicht nicht genügt.

VG Köln (1 K 3293/07, 1 K 3356/07 und 1 K 3497/06)
Verbot auch auf der Grundlage des aktuell geltenden Glücksspielstaatsvertrages rechtswidrig

Das VG Hamburg (Az: 4 K 22-08) stellte fest, dass ein Erlaubnisvorbehalt als solcher zulässig sein kann, sich im Übrigen aber als erforderlich, verhältnismäßig sowie diskriminierungsfrei erweisen muss. Letzteres ist in Deutschland bis heute jedoch nicht der Fall. Eine Abkopplung des Erlaubnisvorbehalts von dem staatlichen Monopol, dessen Durchsetzung damit ermöglicht werden soll, scheidet danach aus. Vielmehr schlägt die Unverhältnismäßigkeit der deutschen Rechtslage und damit ihre Unionsrechtswidrigkeit zwangsläufig auf das Erlaubniserfordernis durch. (vgl. Az. 4 K 350/08 Aus diesem Grund sei auch keine Strafbarkeit nach § 284 StGB gegeben, S. 35).

VG Potsdam 27.04.2011 (6 K 2126/06): Nichts anderes könne für § 284 StGB oder § 287 StGB gelten. Auch diese Vorschriften seien verwaltungsakzessorisch, so dass man die Betreiber einer Wettannahmestelle auf einen angeblichen Erlaubnisvorbehalt nicht verweisen könne.

Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages

VG Halle (Az. 3 A 158/09 HAL) Die Kammer warf die Frage auf, ob es bei Lotterien mit bis zu zwei Ziehungen in der Woche überhaupt eine relevante Suchtgefahr gebe, die einen solchen Eingriff rechtfertigen könne.

VG Gelsenkirchen vom 06.04.2011
VG Gelsenkirchen ( 7 K 3095/09 und 7 K 3716/09)

VG Arnsberg (Az. 1 K 2979/07)

VG Chemnitz (Az. 3 K 448/09) Inkohärenz und Übermaßverbot

LG Wiesbaden: Keine Verhängung von Zwangsgeldern aus unionsrechtswidrigem Urteil

Bereits seit 2006 hält die Europäische Kommission die deutschen Regelungen für europarechtswidrig - Einschlägige Maßnahmen müssen jedoch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, d. h. notwendig, angemessen und nicht diskriminierend sein.

Schreiben der Kommission vom 04.04.2006 u.a. über die Zulässigkeit des Strafrechts (Auszug)
Die Kommission sieht in der Anwendung des Strafrechts (§ 284 Abs. 1 StGB) eine Beschränkung des Art. 49 EGV.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehören wirtschaftliche Interessen und der Schutz der Einnahmen eines Mitgliedstaates nicht zu den in Art 46 EGV genannten Gründen und können keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses bilden, der zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit oder des feien Dienstleistungsverkehrs berechtigt.
vgl. EuGH Rs C 243/01 Gambelli u.a. Rn 61, und in diesem Sinne Urteile vom 16.07.1998, Rs C 264/96, ICI, Slg. 1998, I-4695, Rn 28 und v. 3.10.2002, Rs C 136/00 Danner, Slg. 2002, I-8147, Rn 56

Staatliche Betreiber versuchen zur Einnahmeerhöhung mit immer neuen Produkten ihren Markt auf neue Verbrauchergruppen auszudehnen (erst 2009 eingestellte Minuten - Jugend-Internet-Lotterie QUICKY, Tageslotterie-KENO, Lotto am Mittwoch, Oddset, Toto, Super 6, Glücksspirale, Sofortlotterie-Rubbellose, BINGO und ab 23.03.2012 der neue Eurojackpot mit einer Gewinnsumme bis 90 Mio €) anstatt einer solchen Ausweitung entgegenzuwirken, wie es in den politischen Zielen der Gesetzesmotive zu § 284 StGB (Deutscher Bundestag, Drucksache 13/8587) nachzulesen ist.

Hierzu führt RA Martin Reeckmann, Regierungsdirektor a.D wie folgt aus:
Die hierbei vom Bundesrat eingenommene Position beinhaltet nichts anderes als das Interesse der Bundesländer an der Aufrechterhaltung der Monopolstellung der landeseigenen Unternehmen im Deutschen Lotto- und Totoblock, das mit der Erweiterung des Sechsten Strafrechtsreformgesetzes unverblümt dem Bundes- und Strafgesetzgeber untergeschoben wurde. Weder der Initiative der Länder noch den nachfolgenden Beratungen in Bundesrat und Bundestag zur Änderung der §§ 284 ff. StGB lagen wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse zu Spielsucht oder Kriminalitätsbelastung privater Glücksspielangebote zu Grunde. Es hat auch keine inhaltliche Erörterung von Fragen der Spielsucht stattgefunden. In den Gesetzesmaterialen finden sich keine diesbezüglichen Hinweise oder Belege. Quelle

Die Unionsrechtswidrigkeit führt zur Unanwendbarkeit der §§ 1 ff GlüStV mit der Folge, dass auch die verwaltungsakzessorischen §§ 284 ff StGB unanwendbar sind. (s.o.)

Ebenfalls unanwendbar ist § 9 GlüStV als Rechtsgrundlage für Untersagungsverfügungen, da an das Fehlen einer Erlaubnis, die in unionsrechtswidriger Weise nicht erlangt werden konnte, keine Sanktionen geknüpft werden können, zumal derzeit wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts keine Erlaubnispflicht besteht. Dies darf auch nicht durch eine Heranziehung der subsidiären Vorschriften des Landesstrafrechts (z.B. Art. 7 II BayLStVG i.V.m. § 284 StGB) umgangen werden.

Der rechtliche Teil des Glücksspiels,
Bekämpfung des Glücks- und Falschspiels (mit Fallbeispiel)
Falschspielertricks
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update 12.01.2012:

BayVGH:
Vermittlung privater Sportwetten darf nicht untersagt werden

Mit am Freitag bekanntgewordenen Urteilen hat der Bayerische VGH entschieden, dass zwei Unternehmern die Vermittlung von privaten Sportwetten zu Unrecht untersagt worden ist. Das derzeit noch geltende Glücksspielrecht genüge den europarechtlichen Anforderungen nicht.
(Urt. v. 12. Januar 2012, Az. 10 BV 10.2271 und 10 BV 10.2505). weiterlesen


update: 12.01.2012