Erstens sei die Imagewerbung vom VGH Baden-Württemberg zu Unrecht pauschal für zulässig angesehen wurden. Hierzu ist anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits in einer Entscheidung aus November 2010 darauf hingewiesen hat, dass es mit den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht in Einklang steht, wenn seitens der Lotteriegesellschaften dergestalt geworben wird, dass in dem Sinne geworben wird: "Lotto tut Gutes". Gerade eine solche, vom Ausgangsgericht festgestellte Imagewerbung der Landeslotteriegesellschaften hatte der Verwaltungsgerichtshof aber noch für zulässig erachtet. Dies ist rechtsfehlerhaft, wie das Bundesverwaltungsgericht nun feststellt.
Zweitens habe der VGH das Problem der Spielautomaten nicht hinreichend erfasst. Insoweit müsse eine Gesamtkohärenzprüfung – wie vom EuGH vorgegeben - unter Einbeziehung des Automatenmarktes und der dort zu Grunde liegenden Spielverordnung erfolgen, die der VGH ebenfalls nicht zutreffend vorgenommen habe.
Schließlich - und dies aus aktuellem Anlass besonders bedeutsam - könne dem Wettvermittler auch das Erlaubniserfordernis nicht entgegengehalten werden, da eine Auswechslung der Gründe bei Ermessensentscheidungen nicht möglich sei. Die Behörde und auch der VGH Baden-Württemberg waren davon ausgegangen, dass die Klägerin keine Erlaubnis habe, sie gleichzeitig aber auch keine solche Erlaubnis erhalten könne. Im Rahmen des Verfahrens hat die Behörde dann vorgetragen, dass trotz etwaiger Gemeinschaftswidrigkeit des Wettmonopols jedenfalls keine Erlaubnis bei der Klägerin vorliege und die Erlaubnisvorbehaltsnorm des § 4 Glückspielstaatsvertrag weiter Anwendung finden müsse.
Dieser Argumentation hat das Bundesverwaltungsgericht deshalb eine Absage erteilt, weil es nach 114 VwGO zwar möglich ist, eine Ergänzung von Ermessenserwägungen vorzunehmen, nicht aber die Gründe auszutauschen, also die Ermessenserwägung auf eine ganz andere Grundlage zu stellen.
Genau dies war hier aber rechtsfehlerhaft veranlasst worden.
Dies bedeutet nach unserer Einschätzung auch, dass die zuletzt durch einige Oberverwaltungsgerichte ergangenen Eilentscheidungen, in denen genau so argumentiert wurde, also auf das Erlaubniserfordernis abgestellt wurde, obwohl ein gemeinschaftswidriges Monopol besteht, nicht mehr haltbar sind.
Klagen der Wettvermittler dürften hiernach bundesweit durchgängig Erfolg haben, wie zuletzt schon in den erstinstanzlichen Entscheidungen diverser Verwaltungsgerichte.
Kontakt:
Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Rechtsanwalt Guido Bongers
Ludwigstr. 12
D - 61348 Bad Homburg
schriftliche Urteilsgründe
BayVGH - Beschluss des 10. Senats vom 21. März 2011:
Staatliches Sportwettenmonopol verstößt gegen Europarecht - allerdings lehnte der BayVGH die Aussetzung einer Untersagungsverfügung ab, weil der Anbieter keine formelle Erlaubnis eingeholt hatte. mehr
Bundesverwaltungsgericht:
Staatliches Sportwettenmonopol nur bei konsistenter Bekämpfung von Suchtgefahren zulässig
Urteile vom 24.11.2010
Bereits im Jahre 2007 stellte der EuGH in der Rechtssache Placanica (verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, S. I-1932, Rz. 63) wie folgt fest:
Gegenüber unionsrechtswidrig von einer Zulassung ausgeschlossenen Anbietern darf der "Umstand, dass sie keine Konzession besitzen, nicht zum Anlass für die Verhängung einer Sanktion gegen sie genommen werden."
Demzufolge dürfen die Aufsichtsbehörden der Länder gegen nicht zugelassene Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten, deren Angebot in Deutschland die nicht zulassungsgebundenen Rechts- und Schutzvorschriften einhält, keine – auf die fehlende Zulassung gestützten – Sanktionen, wie insbesondere sofort vollziehbare Untersagungsverfügungen, erlassen. weiterlesen
Das Bundesverwaltungsgericht hat dies jetzt mit obiger Entscheidung bestätigt.
Bereits am 05.10.09, also vor der EuGH Entscheidung vom 08.09.2010, stellte das VG Minden (3 L 473/09) fest, dass erhebliche Zweifel daran bestehen, ob die angefochtene Verfügung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 3 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen (GlüStV) gestützt werden kann.
Nationale Regelungen, die - wie das in Frage stehende Sportwettenmonopol - die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 49 EG) beschränken, sind nur unter vier Voraussetzungen zulässig:
- Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden,
- sie müssten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen,
- sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und
- sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
Vgl. dazu: EuGH vom 23.10.1997 - C-189/95 (Lexezius) - Rdnr. 42, Urteil vom 26.10.2006 - C-65/05 - Rdnr. 49 und Urteil vom 05.06.2007 - C-170/04 (Rosengren)-.Wenn die Zahl der Wirtschaftsteilnehmer beschränkt wird mit dem Ziel, die Gelegenheit zum Glücksspiel zu vermindern, muss die Beschränkung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen.
EuGH, Urteil vom 06.03.2007 - C-338/04, C-359/04 und C-360/04 (Plancanica u.a.) - Rdnr. 58.Ob das in Deutschland begründete Sportwettenmonopol diesen Anforderungen genügt, ist zweifelhaft. Die Kammer hält insoweit auch nach erneuter Überprüfung an der den Beteiligten bekannten Auffassung fest (vgl. zuletzt Beschluß vom 20.05.2009 - 3 L 176/09-).
weiterlesen (pdf-download)
vgl. VG Kassel 09.08.2010
VG Berlin vom 03.11.10
Anmerkung:
Ein Monopol ist nur bei Einhaltung aller o.g. vier Voraussetzungen zulässig – fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist das Monopol bereits unzulässig !
update: 10.08.2011