Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass das im geltenden Glücksspielstaatsvertrag normierte generelle Verbot, Sportwetten und andere öffentliche Glücksspiele im Internet zu veranstalten, zu vermitteln oder hierfür zu werben, weder gegen das Grundgesetz noch gegen europäisches Unionsrecht verstößt.
Dem Kläger war im April 1990 von dem Gewerbeamt eines sächsischen Landkreises auf der Grundlage des Gewerbegesetzes der DDR eine Erlaubnis zum Betrieb eines Wettbüros für Sportwetten erteilt worden. Unter Berufung darauf sieht er sich als berechtigt an, Sportwetten auch im Internet anzubieten. Das wurde ihm für das Gebiet des Freistaates Bayern untersagt.
Seine dagegen gerichtete Klage war in erster Instanz abgewiesen worden und hatte auch vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Erfolg. Das Internet-Verbot dient dem verfassungs- und unionsrechtlich legitimen Zweck, den mit der zeitlich und örtlich grundsätzlich unbeschränkten Verfügbarkeit der Glücksspiel-Angebote im Internet verbundenen besonderen Gefahren entgegenzuwirken. Geschützt werden sollen damit vor allem Jugendliche und Personen, die eine ausgeprägte Neigung zum Glücksspiel besitzen oder eine solche entwickeln könnten. Das Internet-Verbot trägt dazu bei, diese Personenkreise vor der mit problematischem Spielverhalten verbundenen Suchtgefahr und deren möglichen finanziellen Folgen zu schützen. Dem steht nicht entgegen, dass es wegen des grenzüberschreitenden Charakters des Internets schwierig ist, die Beachtung des Verbots sicherzustellen und Verstöße zu ahnden. Dies hebt die Eignung des Verbots nicht auf, da z.B. gegenüber den Server-Betreibern und den Dienstleistungsunternehmen, die die finanziellen Transaktionen abwickeln, wirksame Maßnahmen in Betracht kommen.
Das Internet-Verbot ist mit dem unionsrechtlichen Kohärenz-Gebot vereinbar, das bei Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu beachten ist. Es gilt für alle vom Glücksspielstaatsvertrag erfassten öffentlichen Glücksspiele. Auch Pferderennwetten dürfen nicht über das Internet vertrieben werden. Die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz des Bundes erforderlichen Erlaubnisse dürfen Buchmachern nur für die Örtlichkeit erteilt werden, wo die Wetten entgegengenommen oder vermittelt werden. Eine solche örtlichkeitsbezogene Erlaubnis erstreckt sich nicht auf die Entgegennahme und Vermittlung von Pferderennwetten im oder über das Internet.
Das Internet-Verbot gilt nicht nur für staatliche oder staatlich dominierte (Monopol)-Anbieter von Sportwetten, sondern für alle Veranstalter und Vermittler der vom Glücksspielstaatsvertrag erfassten öffentlichen Glücksspiele. Es erstreckt sich auch auf private Inhaber einer nach dem Gewerbegesetz der früheren DDR erteilten und nach dem Einigungsvertrag fortgeltenden gewerberechtlichen Erlaubnis zum Betrieb eines Wettbüros für Sportwetten. Sie gestattet ihrem Inhaber nicht, in Bayern solche Wetten zu veranstalten oder zu vermitteln. Ihr räumlicher Geltungsbereich beschränkt sich auf das Gebiet der ehemaligen DDR. Zudem erlaubt sie den Betrieb nur entsprechend dem jeweils geltenden Recht. Durch den Einigungsvertrag ist keine inhaltliche Änderung eingetreten. Der Inhaber einer solchen Erlaubnis kann somit im Freistaat Bayern aus ihr schon deshalb keine Rechtswirkungen gegenüber dem im Glücksspielstaatsvertrag normierten Internet-Verbot herleiten. Ein Verstoß darf im Freistaat Bayern unterbunden werden.
BVerwG 8 C 5.10 - Urteil vom 31. Mai 2011 (pdf-download)
Vorinstanz:
VG Ansbach, AN 4 K 09.00570 und VG AN 4 K 09.00592 - Urteil vom 9. Dezember 2009 -
Quelle: Pressemitteilung BVerwG v. 01.06.2011
BVerwG - Vertrieb von Sportwetten übers Internet unzulässig weiterlesen
Internetverbot im Glücksspielstaatsvertrag europarechtlich unzulässig
EuGH widerspricht Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts weiterlesen
ein weiterer lesenswerter Aufsatz zu obigem Urteil weiterlesen
bwin bereitet Verfassungsbeschwerde in Deutschland vor
Bundesverwaltungsgericht wies Revision von bwin e.K. gegen Internetverbot der bayerischen Glücksspielverwaltung zurück
bwin bereitet eine Verfassungsbeschwerde in Deutschland vor, nachdem das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch einen Revisionsantrag der bwin e.K. gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 09. Dezember 2009 zurückgewiesen.
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Bundesverwaltungsgericht weist Revision von bwin e.K. gegen Internetverbot der bayerischen Glücksspielverwaltung zurück
Gültigkeit der DDR-Lizenz für das Gebiet der ehemaligen DDR bestätigt
Neugersdorf - Entscheidung vor dem Hintergrund der beschlossenen teilweisen Internetöffnung durch die Länder für Zukunft nicht mehr relevant
bwin bereitet Verfassungsbeschwerde vor
Mit einer Entscheidung von heute hat das Bundesverwaltungsgericht einen Revisionsantrag der bwin e.K. gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 09. Dezember 2009 zurückgewiesen. Gleichzeitig hat das Gericht die Gültigkeit der DDR-Lizenz für das Gebiet der ehemaligen DDR bestätigt.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hatte zwei Untersagungsverfügungen der Regierung von Mittelfranken vom Frühjahr 2009 gegen Dr. Steffen Pfennigwerth als Inhaber der bwin e.K. bestätigt. Diese untersagen der bwin e.K. die Veranstaltung, Vermittlung und Bewerbung von Glücksspielen im Internet für Bayern. Pfennigwerth kündigte an, dass er auf Grund seiner verletzten Grundrechte eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung einreichen werde. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits in der Vergangenheit eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben, die einem Inhaber einer DDR-Gewerbegenehmigung die Vermittlung von Sportwetten verboten hatte.
Dr. Pfennigwerth hatte bereits im August 2009 auf Grund der Vielzahl unterschiedlicher Entscheidungen in den einzelnen Bundesländern seine Sportwettenvermittlung eingestellt. Für Dr. Pfennigwerth wird die heutige Entscheidung daher keine unmittelbaren Konsequenzen haben.
Bereits im September 2010 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das deutsche Glücksspielmonopol unionswidrig sei, und Deutschland entsprechende Vorgaben für eine kohärente Glücksspielgesetzgebung gemacht. Die Vereinbarkeit der heutigen Entscheidung mit den Vorgaben des EuGH wird in den nächsten Tagen analysiert werden.
Dr. Steffen Pfennigwerth, Inhaber bwin e.K., sagte: "Die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der von den Bundesländern bereits verabschiedeten teilweisen Öffnung des Internets mit einem neuen Glücksspielstaatsvertrag und der bereits erfolgten Angebotseinstellung der bwin e.K. ohne praktische Relevanz. Die Zukunft der deutschen Glücksspielregulierung wird nicht juristisch, sondern aktuell mit den Beratungen der Länder zum neuen Glücksspielstaatsvertrag politisch entschieden.
Internet-Gaming-Angebote sind in Deutschland Marktrealität. Wir appellieren an die Bundesländer, entsprechend der Vorgaben des EuGH eine kohärente Glücksspielregulierung zu schaffen, die diesen Marktgegebenheiten Rechnung trägt."
Die Ministerpräsidenten der Länder hatten am 6. April Eckpunkte verabschiedet, auf deren Grundlage in diesem Sommer ein neuer Glücksspielstaatsvertrag beschlossen werden soll, der ab dem 1. Januar 2012 in Kraft treten würde.
Pfennigwerth betonte, dass bereits der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag gezeigt hätte, dass Sportwettenmonopole und Online-Verbote nicht funktionieren. Mit ihnen seien weder die staatlichen Regulierungsziele erreicht noch die Verbraucher geschützt worden. Stattdessen sei ein gigantischer Schwarz- und Graumarkt entstanden, der sich jeder staatlichen Kontrolle entzieht. In Deutschland werden im Sportwettenbereich rund 95 Prozent der Umsätze von Anbietern ohne Lizenz getätigt, der Branchenumsatz betrug alleine in diesem Bereich 2009 rund 7,8 Milliarden Euro.
Eine Umsetzung der von den Ministerpräsidenten vorgestellten Eckpunkte wäre genauso wie das in Deutschland auslaufende Monopolmodell zum Scheitern verurteilt. Ein Abgabensatz von über 16 Prozent auf die Einsätze bei der Sportwette lässt keine Möglichkeit zu, ein wettbewerbsfähiges Produkt anzubieten. Damit würden die Eckpunkte das Ziel, den Spieltrieb zu kanalisieren sowie den Spielerschutz und Manipulationen zu bekämpfen, glatt verfehlen. "Von einem regulierten Markt profitieren der Staat und Verbraucher gleichermaßen. Nur so können staatliche wie private Anbieter unter strengen Auflagen und unabhängiger Kontrolle Zugang zum Markt bekommen. Es ist der einzige Weg, den bestehenden Schwarzmarkt zu beseitigen und die Konsumenten effektiv zu schützen", so Pfennigwerth. bwin appelliere an die Länder, den Beispielen zahlreicher EU-Mitgliedstaaten wie Italien und Frankreich zu folgen, die ihre Märkte kontrolliert geöffnet hätten, und auch in Deutschland eine marktgerechte und EU-rechtskonforme Glücksspielregulierung umzusetzen.
Über bwin e.K.:
Das Unternehmen bwin e.K. mit Sitz in Neugersdorf/Sachsen wird von Herrn Dr. Steffen Pfennigwerth als Einzelkaufmann betrieben. An dem Unternehmen ist die bwin.party digital entertainment plc. mit 50 Prozent atypisch still beteiligt. Ein wichtiges Ziel von bwin ist die Förderung des fairen sportlichen Wettbewerbs, die Bereitstellung von sicheren Wettangeboten sowie eine effektive Prävention vor Spielsucht. Mit der vorhandenen Expertise in Sachen Sicherheit ist bwin daher ein wichtiger Partner von Verbänden und Politik bei der Diskussion um sichere Standards für Sportwetten.
Pressekontakt:
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Sportwettenmonopol - Kippt? Wackelt? Hat Luft?
von: Dr. Martin Pagenkopf
Ein Grundsatzurteil war erwartet worden, als das BVerwG über das Sportwettenmonopol zu entscheiden hatte. Entweder der finale Todesstoß oder aber die abschließende Bekräftigung des Monopols. Tatsächlich sorgten die Entscheidungen dann eher für Ratlosigkeit. Viel interessanter waren Details aus der mündlichen Verhandlung - Dr. Martin Pagenkopf hat sie sich angehört.
Spanndender als das Ergebnis: Details aus der BVerwG-Verhandlung
Durfte das BVerwG die Rechtssprechung zum Inländergrundrecht des Art. 12 GG ohne weiteres zugunsten der ausländischen Kläger anwenden? Wohl nicht. Hilft der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 GG weiter? Eine Differenzierung zwischen beiden Normen wurde zwar breit erörtert, aber von den Leipziger Richtern in der mündlichen Verhandlung nicht vorgenommen. weiterlesen
BVerwG 8 C 5.10 v. 31.05.2011 Leitsatz
BVerwG Pressemitteilung Nr. 45/2011 vom 1.06.2011
aktuelle Urteile des BVerwG
BVerwG: Vertrieb von Sportwetten über Internet unzulässig
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Internetverbot im Glücksspielstaatsvertrag europarechtlich unzulässig
Von Rechtsanwalt Dieter Pawlik weiterlesen
Der EuGH widerspricht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, und stellte mit den Zeturf und Dickinger/Ömer – Entscheidungen fest, dass ein pauschales Internetverbot dem europäisches Unionsrecht entgegen steht.
Aus meiner Sicht durfte auch das BVerwG nicht durchentscheiden – es war vielmehr verpflichtet die Frage eines "eigenständigen Internetverbots" dem EuGH vorzulegen.
Entsprechend den Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; stRspr). 1 BvR 230/09 Rn 15. Das BVerfG, (1 BvR 230/09) stellte am 25.2.2010 fest, dass der EuGH als gesetzlicher Richter i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entzogen wird, „wenn das nationale Gericht eine eigene Lösung entwickelt, die nicht auf die bestehende Rechtsprechung des EuGH zurückgeführt werden kann und auch nicht einer eindeutigen Rechtslage entspricht“. Selbstgestricktes Europarecht durch heimische Gerichte ist damit verfassungswidrig. Entsprechend darf das nationale Gericht nur selbst entscheiden, wenn die Beantwortung der europarechtlichen Frage „offenkundig“ ist. Davon darf es bei einer unvollständigen EuGH-Rechtsprechung nur dann ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass dies auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den EuGH so ist. so Prof. Dr. Gregor Thüsing (NJW Editorial 26/2010)
Das BVerfG stellte den uneingeschränkten Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber deutschem Gesetzesrecht fest: (2 BvR 225/69 vom 09.06.1971, BVerfGE 31, 145; 2 BvR 687/85 vom 08.04.1987, BVerfGE 75, 223; 2 BvR 1210/98)
Zu einer eigenen Entscheidung über die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht sind nationale Gerichte - gleich welcher Instanz - nicht befugt. EuGH 22.10.1987, Rs 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199. s.u.a. EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 (AZ: C-119/05) Das VG Arnsberg spricht in seinem Urteil sogar von einer Missachtung des europäischen Anwendungsvorranges.
Kommentar zum EuGH-Urteil vom 30. Juni 2011 - Zeturf C-212/08
EuGH verschärft Anforderungen an staatliche Glücksspielmonopole
- EuGH macht strenge Vorgaben für gerichtliche Kontrollen des Glücksspielrechts
- Internet darf als Vertriebsform nicht ohne weiteres beschränkt werden.
Mit der Dickinger/Ömer - Entscheidung des EuGH (Rs C-347/09 vom 15.09.2011) wurde diese Rechtsprechung bestätigt und weiter konkretisiert. Der EuGH führt aus, dass das Internet wie der stationäre Vertrieb behandelt werden muss. Besondere Auflagen, die nur im Online-Bereich gelten, sind unzulässig!
Europäischer Gerichtshof (EuGH)
Rechtsprechungsorgan der Europäischen Union
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist gemeinsamer Gerichtshof und höchstes Gericht der Europäischen Union. Seine Urteile sind für alle Gerichte und alle Bürger in der EU bindend.
Nationale Gesetze und Gerichtsurteile müssen der Rechtsprechung des EuGH angepasst werden.
Nationale Gerichte letzter Instanz sind sogar verpflichtet, beim EuGH Vorabentscheidungen einzuholen. So wird gewährleistet, dass Europarecht in allen EU-Ländern einheitlich ausgelegt wird. Der Gerichtshof wahrt auch die Grundrechte des Bürgers gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft, schützt ihn also gegen Missbrauch. Quelle
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Europäische Gerichtshof (EuGH)
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, gelegentlich auch EuGHMR)
Europa - Das Portal der Europäischen Union - Gerichtshof der Europäischen Union