Lottoblock "desinformiert" - der Deutsche Lottoverband klärt auf: Europäischer Gerichtshof hat erneut die Anforderungen für staatliche Glücksspielmonopole verschärft
- EuGH macht strenge Vorgaben für gerichtliche Kontrollen des Glücksspielrechts
- Internet darf als Vertriebsform nicht ohne weiteres beschränkt werden.
Der Deutsche Lotto- und Totoblock (DLTB) hat in seiner Pressemitteilung vom 01.07.2011 zentrale Aussagen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus seinem neuesten Urteil zum europäischen Glücksspielrecht vom 30.06.2011 gravierend verfälscht. Die gezielten Fehlinformationen sollen offenbar darüber hinwegtäuschen, dass der gegenwärtige Entwurf eines Glücksspielstaatsvertrags der Mehrheit der Bundesländer den neuen Vorgaben aus Luxemburg nicht genügt. Das Ziel des DLTB ist klar. Er will verhindern, dass weitere Bundesländer auf das europarechtskonforme Glücksspielmodell aus Schleswig-Holstein umschwenken.
In seiner Pressemitteilung vom Freitag behauptet der Lottoblock fälschlicherweise, dass nach dem EuGH-Urteil seien "ausschließlich staatliche Glücksspielangebote zulässig" sei. Richtig ist jedoch, dass der EuGH mit dem Urteil vom 30.06.2011 seine kritische Haltung gegenüber Glücksspielmonopolen bekräftigt hat. Dabei hat er die europarechtlichen Anforderungen an staatliche Monopole und Beschränkungen der EU-Grundfreiheiten noch einmal verschärft. Das neue Urteil zum französischen Recht enthält allgemeine Vorgaben zum Europarecht. Sie spielen auch für den neuen deutschen Glücksspielstaatsvertrag eine wichtige Rolle.
Nach der europäischen Rechtsprechung sind staatliche Monopole nur ausnahmsweise zulässig. Monopole sind im europäischen Binnenmarkt ein Fremdkörper, der jeweils besonderer Rechtfertigung bedarf. Folgerichtig heißt es in der amtlichen Pressemitteilung des EuGH vom vergangenen Donnerstag (Nr. 65/11), die nationalen Gerichte müssten überhaupt erst einmal prüfen, ob die Einführung des Monopols "tatsächlich" erforderlich ist und seinem Anliegen gerecht wird. Frankreich hatte sein Pferdewetten-Monopol unter anderem mit Spielsuchteindämmung begründet. Der EuGH entschied hierzu, dass nun das französische Ausgangsgericht untersuchen muss, ob Spielsucht bei Pferdewetten in Frankreich auch wirklich ein Problem darstellt. Der Staat müsse die Grundlagen für seine Annahmen nachvollziehbar darlegen. Darüber hinaus hat der EuGH klargestellt, dass der Mitgliedstaat sich nicht mit dem Erlass von Vorschriften begnügen darf, sondern seine gewählten Ziele auch tatsächlich verfolgen muss, damit sie als Rechtfertigung dienen können. Er muss seine Monopolgesellschaften nachweislich streng kontrollieren.
"Auch die Bundesländer begründen die massiven Beschränkungen für Lotterievermittler im Glücksspielstaatsvertrag mit der Bekämpfung von Lottosucht", erläutert Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbands. "Nach dem neuen EuGH-Urteil müssten die Bundesländer also nachweisen, dass Spielsucht bei Lotto tatsächlich ein Problem ist und von den Monopolgesellschaften des DLTB besonders gut bekämpft werden könne. Es gibt aber keine Lottosucht." Wissenschaftliche Studien und mehrere Urteile in verschiedenen Bundesländern geben ihm Recht. So hat das Verwaltungsgericht Halle festgestellt, dass es in Deutschland keine nennenswerten Probleme mit "Lotto-Sucht" gibt. Ebenso entschied das Verwaltungsgericht Chemnitz. Für Lottovermittler wie Tipp24, JAXX und Faber sind die Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrags nach diesen Urteilen unverhältnismäßig und europarechtswidrig. Das Grundsatzurteil des Verwaltungsgerichts Halle, auf die das Verwaltungsgericht Chemnitz verwies, ist letzte Woche rechtskräftig geworden.
"Der neue Staatsvertragsentwurf enthält die alten Fehler und ist nicht zu halten", meint Faber auch mit Blick auf den Internetvertrieb von Lotto. Das neue EuGH-Urteil gibt ihm Recht: Die nationalen Gerichte dürfen in einem Glücksspielsektor grundsätzlich keine Widersprüche mehr zwischen Internet und sonstigen Vertriebskanälen dulden. In Deutschland stehen aber die drastischen Beschränkungen des Internet-Lottovertriebs im krassen Widerspruch zu den Lockerungen, die im neuen Staatsvertrag für die staatlichen Lotteriegesellschaften und ihr Netz von immer noch rund 25.000 Annahmestellen vorgesehen sind.
Quelle: Deutscher Lottoverband
Pressemitteilung Nr. 65/2011 (pdf): 30. Juni 2011
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-212/08 Zeturf
s.a.: Monopol für Pferdewetten
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 30. Juni 2011 – C-212/08 [Zeturf Ltd / Premier ministre]
Euromat: Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Formen des Glücksspiels
Annette Kok, Präsidentin von Euromat, forderte auf der europäischen Glücksspielkonferenz am 28. Juni 2011 in Brüssel gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Formen des Glücksspiels, unabhängig von den gewählten Vertriebskanäle.
Die eintägige Konferenz versammelte hochrangige Entscheidungsträger, Vertreter nationaler Regulierungsbehörden und Interessengruppen. Konferenzteilnehmer diskutierten aktuelle Entwicklungen im Glücksspielsektor und befassten sich mit der Frage, wie ein angemessen regulierter Markt für Online-Dienstleistungen erreicht werden kann.
Annette Kok, Niederlande, nahm an der ersten Podiumsdiskussion über "Das Grünbuch zum Online-Glücksspiel: Ist Europa auf dem richtigen Weg?" teil und präsentierte die Ansichten des terrestrischen Glücksspielsektors, des stationären gewerblichen Geld- Gewinnspiels. Sie betonte: "Wir begrüßen die Verabschiedung des Grünbuchs. Dies ist ein wichtiger erster Schritt. Eine Reihe von Schlüsselproblemen muss jedoch noch gelöst werden." Wesentliche Elemente einer konsequenten Regulierung des Glücksspiels, inklusive des Online-Glücksspiels, umfassen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Formen des Glücksspiels, eine effektive Durchsetzung der Regeln, die Verankerung der Grundsätze eines verantwortlichen Spielens sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrug und Geldwäsche. Auf Grund der sozialen und kulturellen Besonderheiten des Glücksspiels wird eine Lösung für diese Problematiken am besten auf nationaler Ebene erreicht, sagte Frau Kok. "Nationale Regelwerke bestehen nebeneinander. EUROMAT repräsentiert eine Branche, die seit mehr als 30 Jahren beweist, dass es möglich ist, innerhalb nationaler gesetzlicher Vorgaben operieren und zusammenarbeiten zu können".
Quelle: BaBerlin.de / Euromat
Internetverbot im Glücksspielstaatsvertrag europarechtlich unzulässig
EuGH widerspricht Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
Von Rechtsanwalt Dieter Pawlik
Auszug aus dem
EuGH-Urteil vom 30. Juni 2011 - Zeturf C-212/08
32. Vor dem vorlegenden Gericht macht Zeturf u. a. geltend, dass die zuständigen nationalen Behörden keinen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dargelegt hätten, der die genannte Beschränkung rechtfertige, dass diese Beschränkung, selbst wenn ein solcher Grund nachgewiesen werden könnte, in keinem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehe und dass der PMU eine expansive Geschäftspolitik verfolge, die auf dem Anreiz zum Spiel und zu Ausgaben beruhe und nicht mit den Zielen der anwendbaren nationalen Regelung übereinstimme.
47. Das vorlegende Gericht wird somit zu prüfen haben, ob die nationalen Behörden zum für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich bestrebt waren, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, und ob die Einführung eines Monopols im Hinblick auf dieses angestrebte Schutzniveau tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte.
48. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die bloße Tatsache, dass die Zulassung und die Kontrolle einer gewissen Zahl privater Betreiber sich für die nationalen Behörden als kostspieliger erweisen kann als die Aufsicht über einen einzigen Betreiber, unerheblich ist. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich nämlich, dass verwaltungstechnische Nachteile die Beeinträchtigung einer durch das Unionsrecht gewährleisteten Grundfreiheit nicht rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C-386/04, Slg. 2006, I-8203, Randnr. 48, und vom 27. Januar 2009, Persche, C-318/07, Slg. 2009, I-359, Randnr. 55).
50. Dem vorlegenden Gericht obliegt es, zu prüfen, inwieweit dieses Vorbringen nachgewiesen ist und ob eine etwaige Toleranz gegenüber derartigen Praktiken mit dem Streben nach einem hohen Schutzniveau vereinbar ist.
81. Folglich sind sämtliche austauschbaren Vertriebskanäle zu berücksichtigen, es sei denn, die Nutzung des Internets führt dazu, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen.
82. Im Fall einer nationalen Regelung wie derjenigen, die Anlass zu dem Vorabentscheidungsersuchen gegeben hat, die gleichermaßen für online angebotene Wetten wie für Wetten gilt, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, und für die der nationale Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen nicht für erforderlich gehalten hat, ist die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigungen zu beurteilen, die für den gesamten in Rede stehenden Sektor treffen.
83. Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die nationalen Gerichte bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch ein System, das für die Veranstaltung von Pferdewetten eine Ausschließlichkeitsregelung vorsieht, sämtliche austauschbaren Vertriebskanäle für diese Wetten zu berücksichtigen haben, es sei denn, die Nutzung des Internets führt dazu, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen. Im Fall einer nationalen Regelung, die gleichermaßen für online angebotene Wetten wie für Wetten gilt, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, ist die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit unter dem Blickwinkel der Beeinträchtigungen zu beurteilen, die den gesamten in Rede stehenden Sektor treffen.
update: 05.08.2011