Mit Urteil vom 01. Juni 2011 hat das Bundesverwaltungsgericht die Sprungrevision eines DDR-Gewerbeerlaubnisinhabers gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach zurückgewiesen. Inzwischen liegt die Urteilsbegründung vor. Sie soll hier analysiert und kommentiert werden.
I. Argumentationsgang des Bundesverwaltungsgerichts
Für die Entscheidung sind folgende Annahmen und Überlegungen tragend:
Das Urteil vertritt die Auffassung, die Internetverbote des § 4 Abs. 4 GlüStV hätten unabhängig von der Vereinbarkeit des staatlichen Glücksspielmonopols mit höherrangigem Recht Bestand, so dass es für das Bundesverwaltungsgericht auf die Frage der Vereinbarkeit des Sportwettmonopols mit dem Verfassungs- und Unionsrecht nicht ankomme (Rn. 12 und 13).
Das Internetverbot für Sportwetten sei verfassungsrechtlich wirksam. Zur Begründung stützt sich das BVerwG vor allem auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG zur gewerblichen Spielvermittlung. Danach sei das Internetverbot geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen, problematisches Spielverhalten einzudämmen (Rn. 21). Die Schwierigkeiten, die Beachtung des Verbots sicherzustellen und Verstöße zu ahnden, stünden dieser Eignung nicht entgegen (Rn. 21). Die Schwere des Eingriffs stehe nicht außer Verhältnis zur Bedeutung dieser Ziele (Rn. 23).
Dem Internetverbot stehe auch europäisches Unionsrecht nicht entgegen (Rn. 30 ff), weil die Anforderungen an die Kohärenz erfüllt seien (Rn. 35 – 41). Es stünde "außer Zweifel", dass die Länder mit den Internetverboten "nicht in Wahrheit fiskalische Interessen verfolgen" (Rn. 36). Ferner gelte das Internetverbot nicht nur für Sportwetten, sondern für sämtliche Glücksspielarten, die der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegen. Für die bundesgesetzlich geregelten Automatenspiele sei es irrelevant. Für den Bereich der Pferdewetten werde die Erreichung der Ziele nicht konterkariert. Dabei stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, dass Pferderennwetten bereits einem Internetverbot unterlägen, das sich aus
§ 2 Abs. 2 RWLG ergeben soll (Rn. 38 – 40). Das insoweit in den Ländern bestehende Vollzugsdefizit (Rn. 41 – 42) stelle die Kohärenz nicht in Frage, weil dem Pferdewettmarkt "innerhalb des gesamten Glücksspielmarkts lediglich eine marginale Bedeutung … mit obendrein weiter abnehmender Tendenz" zukomme (Rn. 42, S. 22). Die Frage, ob das Internetverbot unionsrechtlich Bestand haben könnte, wenn das Sportwettmonopol als inkohärent anzusehen sei, hält das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf das Carmen-Media Urteil des EuGH nicht für klärungsbedürftig. Die Frage, ob das Internetverbot noch gerechtfertigt sein könne, wenn eine systematische und kohärente Glücksspielpolitik insgesamt nicht bestehe (Rn. 24), sei deshalb nicht klärungsbedürftig (Rn. 44).
Die dem Kläger erteilte DDR-Gewerbeerlaubnis soll der Unzulässigkeit der Betätigung nicht entgegenstehen, weil sie für das Hoheitsgebiet der damaligen DDR erteilt worden sei und nach Artikel 19 Satz 1 EV nur für diesen Bereich fortgelte. Eine Erstreckung des räumlichen Geltungsbereichs auf das gesamte Bundesgebiet komme nur für statusbegründende Verwaltungsakte in Betracht (Rn. 48).
Im Übrigen sei die DDR-Gewerbeerlaubnis durch landesrechtliche Rechtsvorschriften einschränkbar, weil für sie nichts anderes gelten könne als zum Zeitpunkt ihres Ergehens. Nach § 1 Abs. 1 GewG-DDR vom 06. März 1990 bestand das Recht, ein Gewerbe auszuüben, nur insoweit als nicht das DDR-Gewerbegesetz, andere Gesetze oder andere Rechtsvorschriften Beschränkungen festlegten. Auch das ab 2008 eingeführte Internetverbot des Freistaates Bayern soll eine solche Beschränkung darstellen. Eines teilweisen Widerrufs der erteilten Erlaubnis bedürfe es daher nicht (Rn. 50).
Dieser nachträglichen Erstreckung auf den Kläger und Andere stehe das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nicht entgegen, weil die Erlaubnis schon vor dem Inkrafttreten des § 4 Abs. 4 GlüStV keine Rechtswirkungen in Bayern entfaltet habe (Rn. 53).
Dem Einwand des Klägers, es sei ihm weder möglich noch zumutbar, das auf Bayern beschränkte Verbot zu befolgen, hält das BVerwG entgegen, dass eine bundesweite Einstellung möglich sei und den gewünschten Effekt in Bayern mit sich bringe (Rn.15). Die Zumutbarkeit einer solchen bundesweiten Einstellung für den Kläger ergebe sich allein aus der bundesweiten Verbotswirkung (Rn.16). Eine Prüfung, ob diese Verbotswirkung auch im Gebiet der ehemaligen DDR mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot vereinbar ist, findet sich im Urteil nicht.
Die Beanstandungen der Ermessensausübung hält das BVerwG nicht für durchgreifend. Zur Begründung begnügt es sich über die Wiederholung der Bestandteile der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus im Wesentlichen mit dem lapidaren Hinweis, dass kein Anspruch darauf bestehe, "aus wirtschaftlichen Gründen die mit den Internetverboten bekämpften Gefahren für wichtige Rechtsgüter herbeiführen zu dürfen." Es zieht keine Folgerungen aus der Besonderheit, dass das Verbot einen seit über zehn Jahren bundesweit im Internet tätigen und nach Auffassung der meisten Behörden und Gerichte zumindest bis zum Inkrafttreten des GlüStV auch legal tätigen Anbieter betraf und diesem ohne eine Übergangsfrist die Grundlage seiner beruflichen Existenz entzogen wurde.
II.
Kritische Würdigung
Keine dieser Überlegung hält der Überprüfung stand:
Die Annahme, die rechtliche Geltung von Internetverboten sei unabhängig von der Frage der Vereinbarkeit des Glücksspielmonopols mit höherrangigem Recht wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht wirklich begründet. Sie soll vielmehr offenbar schlicht aus dem einfachgesetzlichen Befund hergeleitet werden, dass das Internetverbot nicht monopolakzessorisch sei.
Diese These ist schon für sich genommen mindestens sehr fragwürdig. Nicht von ungefähr hatte das Bundesverwaltungsgericht im November noch just das Gegenteil vertreten.
Nun soll ohne den Ansatz einer Begründung Umgekehrtes gelten. Auch der Hinweis auf das Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts spricht eher für die seinerzeitige Rechtsauffassung. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte ja gerade aus Regelungsdefizit und Ausgestaltung des Monopols, u.a. auch dem staatlichen Angebot im Internet, seine Bedenken gegen die Wirksamkeit des Monopols hergeleitet. Das Verbot ist also Wirksamkeitsvoraussetzung für das Monopol und damit durchaus "monopolakzessorisch" im besten Sinne des Wortes. Wie das Bundesverwaltungsgericht nun zur gegenteiligen Annahme gelangt, erschließt sich nicht zu befassen namentlich nicht vor dem Hintergrund der gegenteiligen Aussage im früheren Urteil vom 24.11.2010.
Ebensowenig trifft es zu, dass das Bundesverfassungsgericht "ein Internetverbot gefordert" hat. Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil im Jahre 2006 die Alternative – Monopol oder private Anbieter – offen gehalten und nur Vorgaben für ersteren Fall formuliert. Es hat keineswegs jegliches Internetangebot für unzulässig erklärt, wie die derzeitigen Überlegungen der Bundesländer belegen, sondern lediglich auf die damaligen Bedenken und die konkrete Vertriebsform der staatlichen Angebote verwiesen.
Dementsprechend hat es selbst auf die Möglichkeit der Einführung einer Selbstsperre im Internet hingewiesen (a.a.O. Rn.152). Zum anderen ist es verfassungsrechtlich schwerlich haltbar, aus dem Verbot einer staatlichen Betätigung, das zur Rechtfertigung ansonsten unverhältnismäßiger Beschränkungen der Berufsfreiheit für erforderlich gehalten wird, die Legitimation für ein zusätzliches Verbot für bereits zugelassene private Anbieter herzuleiten! Dass der
8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts so argumentiert, ohne dazu auch nur ein Wort zu verlieren, belegt nicht eben ein ausgeprägtes verfassungsrechtliches Problembewusstsein.
Ganz unabhängig von alledem unterläuft dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein schwerer methodischer Fehler. Die einfachgesetzliche Auslegung kann natürlich nicht darüber entscheiden, ob sich die Verfassungswidrigkeit und Unionsrechtswidrigkeit des Monopols auf die Wirksamkeit des Internetverbotes auswirkt. Denn die Frage nach einer solchen Wirkung ist ihrerseits ebenfalls verfassungsrechtlicher und unionsrechtlicher Art, und damit eine solche höherrangigen Rechts, so dass sich bereits aus der Normenhierarchie ergibt, dass einfaches Recht sie nicht bestimmen kann.
In unionsrechtlicher Hinsicht ist es sogar umgekehrt selbstverständlich, dass sich eine Inkohärenz der Glücksspielpolitik insgesamt auf die Wirksamkeit einer so massiven Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, wie sie das Internetverbot darstellt, auswirken kann und diese nicht unbeeinträchtigt lässt. Dies liegt allein deshalb schon nahe, weil dieselben Gründe, die die Eignung des Monopols entfallen lassen, auch die Eignung des Internetverbots in Frage stellen. Dementsprechend hatte die EU-Kommission in ihrem Mahnschreiben vom 31.01.2008 die fehlende Kohärenz des Internetverbots u.a. mit der Lockerung der Regelungen zum gewerblichen Automatenspiel und der Eröffnung neuer (stationärer) Spielbanken begründet.
Der Kläger hatte deshalb beantragt, diese Frage ebenfalls dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, falls das Bundesverwaltungsgericht wider Erwarten anderer Auffassung sein sollte. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte dies mit der Begründung ab, die Prämisse der Inkohärenz der Glücksspielpolitik sei in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt. Im Übrigen sei es in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass "Art. 56 AEUV so auszulegen ist, dass auch ein Vertriebsverbot von öffentlichen Glücksspielen einschließlich Sportwetten über das Internet dem unionsrechtlichen Kohärenzverbot entsprechen muss."
Beides ist offenkundig verfehlt:
Ersteres ist zirkelschlüssig. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt das Internetverbot als selbständig, hält deshalb tatsächliche und rechtliche Feststellungen der Vereinbarkeit des Glücksspielmonopols nicht für erforderlich, um sodann unter Hinweis auf eben dieses Fehlen zu erklären, die unionsrechtliche Frage stelle sich nicht. Im übrigen sei bemerkt, dass dieses Vorgehen sich auf Verfahren vor Instanzgerichten als Tatsachengerichten naturgemäß nicht übertragen lässt.
Und mit Letzterem wird die Vorlagefrage kurzerhand umgedeutet, so dass sie sich nicht mehr stellt. Denn es ging nicht darum, ob das Internetvertriebsverbot selbst dem Kohärenzgebot entsprechen muss, sondern darum, ob es sich auf Ersteres auswirkt, wenn die Glücksspielpolitik im Übrigen insgesamt nicht systematisch und kohärent ist, wie es z. B. auch die EU-Kommission annimmt. An dieser Stelle verletzt das Urteil Art. 267 AEUV. Dass die Frage keineswegs im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts zu beantworten ist, folgt inzwischen mit aller Deutlichkeit aus dem Zeturf-Urteil des EuGH. Sollten daran Zweifel bestehen, führen diese jedenfalls zur Vorlagebedürftigkeit.
Im Ergebnis vermag die These von der Unabhängigkeit des Internetverbotes von der Vereinbarkeit des Monopols mit höherrangigem Recht daher unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt zu überzeugen.
Zur verfassungsrechtlichen Würdigung des Internetverbotes bezieht sich das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen auf einen Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zur gewerblichen Spielvermittlung.
Es übergeht nicht nur, dass es sich bei Nichtannahmebeschlüssen um "Nichtentscheidungen" (Graßhoff) des Bundesverfassungsgerichts handelt, denen ohnehin nichts entnommen werden kann. Sieht man davon einmal ab, hat das Bundesverfassungsgericht nur wenig später mit einem weiteren Kammerbeschluss vom 20.03.2009 – 1 BvR 2410/08 – zu Sportwetten gerade klargestellt hat, dass verfassungsrechtlich die verschiedenen Glücksspielsektoren durchaus verschieden zu beurteilen sein können (BA S.8). Zum anderen bestätigt er ausdrücklich, dass für den Sportwettbereich seine Beurteilung unter dem Vorbehalt einer verfassungsgerichtlichen Prüfung auf der Grundlage eines Hauptsacheverfahrens bestehe (BA S.10f.). Er erkennt einen Klärungsbedarf also grundsätzlich selbst an. Daraus folgt zwar nicht zwangsläufig, dass eine sich dabei u.U. ergebende Verfassungswidrigkeit auch das Internetverbot zu Fall brächte. Andererseits kann das Internetverbot auch nicht einfach völlig losgelöst von dem Sportwettenmonopol betrachtet werden, als dessen Voraussetzung es gerade eingerichtet wurde.
Darüber hinaus verkennt das Bundesverwaltungsgericht an dieser Stelle die verfassungsrechtliche Kernfrage des Verfahrens, ob es verfassungsrechtlicher Überprüfung standhält, dieses Internetverbot kurzerhand, ohne Umsetzungsakt, ohne Übergangsfrist und mit einer Umsetzungsfrist von zwei Wochen (zwischen Veröffentlichung im Gesetzblatt und Inkrafttreten) auf Anbieter zu erstrecken, die als behördlich zugelassene Veranstalter ihren Betrieb auf das Internet erstreckt haben. Es ist bezeichnend, dass das Bundesverwaltungsgericht das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nur in Bezug auf Bayern prüft, nicht aber in Bezug auf die östlichen Bundesländer, gleichwohl aber ohne nähere Begründung von einer bundesweiten Verbotswirkung ausgeht.
Ebenso bruchstückhaft, apodiktisch und ergebnisgeleitet fällt die unionsrechtliche Würdigung aus.
So fällt zunächst auf, dass die Urteilsbegründung sich insoweit ohne erkennbaren Grund auf die Geeignetheitsprüfung und in dieser auf die Untersuchung der Kohärenz beschränkt. Es fehlen jedwede Ausführungen zum unionsrechtlichen Übermaßverbot und der Angemessenheitsprüfung.
Es fehlen insbesondere Ausführungen zu der vom Europäischen Gerichtshof dazu immer wieder hervorgehobenen Frage, ob die geltend gemachten Gefahren, die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit hinreichend nachgewiesen seien. Das ist umso überraschender, als gerade diese Fragen in dem Revisionsverfahren eine wesentliche Rolle gespielt haben und von Seiten der Klägerin dazu Untersuchungen vorgelegt wurde, in denen dargetan wurde, dass das Internet die geltend gemachten Gefahren nicht beinhaltet, ja mehr noch gerade im Falle der Regulierung in besonderer Weise geeignet ist, Gefahren für den Jugend- und Spielerschutz zu reduzieren. Das Schweigen dazu in dem Urteil ist nicht zu erklären.
Aber auch die Ausführungen zur Kohärenz, als Teil der unionsrechtlichen Geeignetheitsprüfung, greifen selbst wesentlich zu kurz. Dies gilt namentlich für die insoweit vom Bundesverwaltungsgericht in den Mittelpunkt gerückte Pferdewette. Nur auf sie soll hier eingegangen werden.
Zum einen betrifft die gesamte Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts lediglich die Buchmacherwetten. Totalisatorwetten werden gänzlich ausgeklammert. Der vom Bundesverwaltungsgericht angeführte § 2 Abs. 2 RWLG gilt nur für Buchmacher, nicht für Totalisatorunternehmen. Dementsprechend werden Totalisatorwetten nicht bloß auf der jeweiligen Rennbahn, sondern bundesweit auch an anderen Standorten – darunter mehr als 400 Lotto-Annahmestellen in Hamburg – vertrieben. Ferner stellen die Totalisatoren ihr Angebot deshalb bundesweit mit Genehmigung der Behörden im Internet zur Verfügung. Rund die Hälfte des in Deutschland lizenzierten Internet-Pferdewettmarktes werden von solchen Totalisatorwetten bestimmt. Selbst wenn also die Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Buchmachern zutreffen würden, beträfen sie doch rund die Hälfte des konzessionierten Pferdewettmarktes.
Mehr noch: Die Zulässigkeit des Internetvertriebs von Totalisatorwetten brächte ein entsprechendes Verbot bei Buchmacherwetten, wenn es denn tatsächlich bestünde, aus europarechtlichen Gründen zu Fall. Es fehlte dann nämlich insoweit an der gebotenen Kohärenz innerhalb des Pferdewettmarktes! Zudem verstößt ein auf Buchmacher beschränktes Internetverbot gegen das Diskriminierungsverbot, da zwar in den deutschen Toto auch im Internet gesetzt werden dürfte, nicht aber in den ausländischen Toto, weil dieser für Pferdewetter in Deutschland nach der Systematik des RWLG nur über die Vermittlung deutscher Buchmacher wie z. B. German Tote zugänglich ist.
All dies hat das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht bedacht. Insoweit rächt sich, dass das Bundesverwaltungsgericht gemeint hat, eine Entscheidung treffen zu können, die eine Geschäftstätigkeit illegalisiert, ohne den Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren und ohne der Vorinstanz, die sich damit nicht befasst hatte, Gelegenheit zur gebotenen Aufarbeitung zu geben.
Weiter lässt sich das vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Internetverbot aber selbst bei Buchmacherwetten nicht überzeugend begründen. Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgetragenen Einwände beruhen auf Fehlvorstellungen über die seinerzeitige Wettpraxis und die Gesetzesintention. Sie sind überdies auch methodisch unzureichend entwickelt. Nach keiner der anerkannten Methoden der Gesetzesinterpretation lässt sich ein Verbot von Pferderennwettangeboten der Buchmacher im Internet herleiten:
Soweit das Bundesverwaltungsgericht auf den Gesetzeswortlaut abstellt, der die Annahme oder Vermittlung der Wetten in der jeweiligen Örtlichkeit gebiete, wird diesem Erfordernis mit einem Internetwettangebot ohne weiteres entsprochen. Auch bei der Teilnahme über das Internet findet die Annahme und Vermittlung in der Örtlichkeit statt. Ein Vertragsschluss kommt jeweils rechtlich mit dem Zugang der Annahme des Angebotes der Buchmacher in dessen Geschäftslokal zustande. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Briefwette, einen Telegrammwechsel, eine online aus einem anderen Buchmachergeschäft oder aus dem Ausland vermittelte Wette, oder einen Internetabschluss handelt.
Die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts ist überdies rechtssystematisch verfehlt. Sie übersieht die Vorschrift des § 11 RennwLottAB, die ebenfalls Gesetzeskraft haben. § 11 sieht ausdrücklich vor, dass der Buchmacher nicht nur die Durchschriften der Wettscheine, sondern auch "die sonstigen Unterlagen für den Abschluß der Wetten wie Brief- und Telegrammwechsel …" aufzubewahren hat. Die Regelung geht also ganz selbstverständlich davon aus, dass eine körperliche Präsenz des Kunden im Wettbüro nicht notwendig ist, vielmehr Wetten auch über Telekommunikationsmittel abgeschlossen werden können.
Entstehungsgeschichtlich lässt sich ebenfalls belegen, dass das seinerzeitige Winkelbuchmachertum keineswegs lediglich auf Rennbahnen praktiziert wurde, sondern durch Brief-, Telegrammwechsel und auch Telefonwetten – sogar grenzüberschreitend – bereits praktiziert wurde. Dies war auch dem Gesetzgeber bekannt: In der amtlichen Begründung zu den §§ 5-8 RWLG ist wörtlich die Rede davon, dass jemand "von Deutschland aus etwa mit einem österreichischen oder französischen Buchmacher, sei es brieflich, telegraphisch oder telephonisch, in Verbindung tritt". § 11 RWLG stellt daher auch nicht lediglich eine nachträglich abgefasste Regelung dar, sondern ist parallel zum Rennwett- und Lotteriegesetz seinerzeit mit verabschiedet worden. Zu Unrecht und ohne jeden Anhaltspunkt aus der mündlichen Verhandlung oder dem Prozessstoff des Verfahrens und ohne Anhörung geht das Bundesverwaltungsgericht fälschlich davon aus, "dass dieses Konzept mit dem Aufkommen von Telegramm und Telefon schon sehr bald überprüft werden musste" (UA S. 20, Rn. 39). Das Gericht hat erkennbar angenommen, das Problem von telefonischen und telegrafischen Wetten sei erst nach Inkrafttreten des Rennwett- und Lotteriegesetzes später entstanden, gerade so, als handele es sich bei Telegraphie und Telefon um technische Neuerungen der 1920er Jahre und nicht schon um Erfindungen des 19. Jahrhunderts. Nicht nur die amtliche Begründung der Reichsregierung und seinerzeitigen Kommentierungen von Mende/Hellwig belegen, dass telefonische und telegraphische Wetten bereits vor 1922 gang und gäbe waren, sondern auch der Umstand, dass § 11 der Ausführungsbestimmungen mit dem Gesetz gemeinsam verabschiedet wurde.
Gänzlich unverständlich ist schließlich der Hinweis, dass sich "auch aus dem erklärten Gesetzeszweck, das sogenannte Winkelbuchmachertum zu bekämpfen" ein Internetverbot ergeben soll (UA S. 20, Rn. 38). Das Bundesverwaltungsgericht beruft sich insoweit darauf, dass im dem Winkelbuchmachertum "ein Ärgernis nicht allein wegen seiner Illegalität, sondern auch deshalb gesehen [wurde], weil diese Wettanbieter den möglichen Kunden nicht in festen Lokalen zu bestimmten Öffnungszeiten empfangen, sondern ihn überall und jederzeit aufsuchen und ansprechen und so zum Wetten verleiten." Es will daraus sodann herleiten, dass der Gesetzgeber "die aufdringliche Ubiquität des Wettangebots" bekämpfen wollte. Dem Internet soll nach dem Bundesverwaltungsgericht eine solche "aufdringliche Ubiquität" eigen sein (Rn. 40). Schon die überschießende Innentendenz der Formulierung macht deutlich, dass es sich insoweit weniger um rechtliche Subsumtion handelt. Sie gerät in eine bedenkliche Nähe zu reiner Gesinnungsjustiz. Die Vorstellung, dass das Internet dem Verbraucher "aufdringlich" begegnet, sich also gewissermaßen in den heimischen PC oder das Internetcafé schleicht, ist abwegig und von einem erschreckenden Maß an Realitätsferne gekennzeichnet. Selbstverständlich müssen Internetseiten angeklickt werden, bevor sie wahrgenommen werden. Auch hier sucht also stets der Kunde Gebiete auf und nicht umgekehrt. Wenn Wettangebote den Verbraucher ungefragt erreichen, beruht dies ausschließlich darauf, dass dieser zuvor sich mit einer Übersendung einverstanden erklärt, ebenso wie dies im sonstigen Kundenvertrieb üblich ist. Umgekehrt ist das Telefon ebenfalls kein Instrument, das technisch nur in eine Richtung genutzt werden könnte.
Dementsprechend steht die "Subsumtion" des Bundesverwaltungsgerichts hier in krassem Gegensatz zu den Wertungen der Gewerbeordnung, die die Zulässigkeit von Internetangeboten und Internetwerbung für sämtliche Gewerbe ermöglicht, weil dies nicht ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen wird. Das Telemediengesetz des Bundes wird ebenfalls von der Vorstellung eines anzeigen- und genehmigungsfreien Internetvertriebs und Internetgeschäftsverkehrs gekennzeichnet.
Dem nicht genug: Selbst wenn man die Wertungen des Bundesverwaltungsgerichts indessen teilte, bedürfte es umso mehr einer intensiven Prüfung des Gewichtes der Gefahren, also einer verschärften Verhältnismäßigkeitsprüfung. Den Versuch dazu tritt das Bundesverwaltungsgericht gar nicht erst an.
Gänzlich verkannt wird die verfassungsrechtliche Dimension der Frage. Den Örtlichkeitsbezug der Buchmachererlaubnis in ein Internetverbot umzudeuten, entspricht nicht mehr den Anforderungen an den verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt des Artikel 12 Abs. 1 GG. Anders als in § 4 Abs. 4 GlüStV für das landesrechtlich geregelte Glücksspielrecht fehlt eine entsprechende bundesgesetzliche Regelung gerade. Wäre eine solche analoge Herleitung einer Ermächtigungsgrundlage bzw. eines gesetzlichen Verbots aus dem Ortsbezug der Erlaubnis möglich, könnten eine Fülle von Sitzerfordernissen und ortsbezogenen Genehmigungen in Gewerbeordnung, Handwerksordnung und anderen berufsbezogenen Gesetzen in Internetverbote umgedeutet werden. Dies wurde bislang nirgends erwogen.
Dementsprechend sind auch bei den Buchmachern sämtliche Erlaubnisbehörden in Deutschland seit über zehn Jahren flächendeckend und einhellig davon ausgegangen, dass die Erteilung von Buchmachererlaubnissen für das Internet zulässig ist. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt dies sogar und räumt ein, dass wohl sämtliche Länder von der Legalität ausgegangen seien. Dem entspricht das derzeitige Angebot von Pferdewetten. Anders als das Bundesverwaltungsgericht glauben machen will, handelt es sich bei dem vorhandenen Pferderennwettangebot im Internet damit nicht lediglich um eine "Duldung" oder ein "Nichteinschreiten" der Verwaltungspraxis, sondern um eine legale Betätigung von Gewerbetreibenden, die auf ihnen erteilte Erlaubnisse vertrauen und auf dieser Grundlage Gewerbebetriebe eingerichtet und ausgeübt haben. Eine nicht unbeträchtliche Zahl von ihnen wird ausschließlich im Internet betrieben (!). Es ist bedenklich, mit welcher Nonchalance das Bundesverwaltungsgericht über diese ihm bekannte Realität hinweggeht – die flächendeckende Erlaubnispraxis wurde in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont. Eine bundesweit behördlich anerkannte und jahrelang beanstandungsfrei betätigte Berufsausübung, ja ein ganzer Berufszweig wird hier über Nacht unversehens zum illegalen Glücksspielangebot abgestempelt, ohne dass die Betroffenen sich dazu auch nur hätten äußern können.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht sich für seine Rechtsauffassung auf eine Aussage der Bundesregierung in einer kleinen Anfrage vom 02.10.2007 beruft, der angeblich zu entnehmen sein soll, dass Internetangebote auch im Pferderennwettbereich verboten seien, sei darauf hingewiesen, dass das zuständige Ressort im Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz auf entsprechende Anfragen mit großer Überraschung reagiert hat. Nicht nur die zuständigen Fachreferenten und Agrarminister der Länder, sondern auch das zuständige Fachressort des Bundes (BMELV) sind bisher – und dies völlig unbeeindruckt von der seinerzeitigen Antwort auf eine kleine Anfrage – von der Zulässigkeit entsprechender Internetangebote ausgegangen. Die seinerzeitige Antwort auf die kleine Anfrage ist inhaltlich unklar; deutlich wird lediglich, dass ihr Verfasser, ein Staatssekretär in dem für die Pferdewette nicht zuständigen Wirtschaftsministerium, keinerlei Ahnung von der Materie hatte.
Umso bedenklicher erscheint es, dass das Bundesverwaltungsgericht sich nicht gescheut hat, auf einen bloßen Schriftsatz der bayerischen Staatsregierung hin – und noch dazu trotz des Eingeständnisses der Vertreterin der bayerischen Staatsregierung in der mündlichen Verhandlung, dass die zuständigen Genehmigungsbehörden diese Auffassung nicht teilten
–, eine solche bundesweite Praxis für rechtswidrig zu erklären, ohne die zuständigen Verbände der betroffenen Anbieter oder solche Anbieter selbst und die zuständigen Behörden oder den Gesetzesgebern auch nur anzuhören. Unabhängig vom Ergebnis erscheint diese Leichtfertigkeit des Umgangs mit einem ganzen Wirtschaftszweig mehr als bedenklich. Das gilt erst recht für einen für das Wirtschaftsverwaltungsrecht zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichts.
Soweit schließlich das Bundesverwaltungsgericht der Diskussion durch den Verweis auf die geringe Marktbedeutung der Pferdewetten zu entgehen sucht, legt es in unionsrechtlicher Hinsicht einen verfehlten Maßstab zugrunde und in tatsächlicher Hinsicht unzureichende Daten. Der Maßstab ist verfehlt, weil es für den EuGH keine Rolle spielt, welche Marktbedeutung Glücksspielsektoren haben, in denen inkohärent vorgegangen wird. Die Systematik und Kohärenz stellt nicht auf die "Schwere des Widerspruchs" ab, wie das Bundesverwaltungsgericht im November noch selbst zutreffend bestätigt hatte, sondern ist bereits dann beeinträchtigt, wenn gesetzliche Regelungen für verschiedene Glücksspiele in unterschiedliche Richtungen zielen. Das hängt nicht davon ab, welche Marktbedeutung dem jeweiligen Glücksspielsektor zukommt, zumal sich dies regulierungsabhängig verschieben kann. Die Kohärenzprüfung als "Glaubwürdigkeitsprüfung" und "Hypocrisy-Test", wie ihn Generalanwalt Bot bezeichnet hat, ist unabhängig vom Gewicht der einzelnen Glücksspielsektoren berührt. Im Gegenteil: Wenn der Mitgliedstaat sein Einschreiten von der wirtschaftlichen Bedeutung des Glücksspielsektors für den Fiskus abhängig macht, spricht dies gerade für die fiskalische Zwecksetzung und gefährdet damit die Glaubwürdigkeit erst Recht! Von einer solchen fehlenden Systematik und Kohärenz ist vor allem dann auszugehen, wenn die mitgliedstaatliche Gesetzgebung gerade kein besonders hohes Schutzniveau aufstellt, wie der EuGH dies verlangt.
Verfehlt ist aber auch der Vergleich als Maßstab, den das Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung der Bedeutung der Pferdewetten zugrunde legt. Denn es setzt die Pferdewetten ausschließlich zum Gesamtmarkt aller Glücks- und Gewinnspiele ins Verhältnis und nicht zu den Sportwetten insgesamt. Es ist umso überraschender, als der Berichterstatter in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen hat, dass der Pferdwettmarkt nicht als unbedeutend angesehen werde könne, wenn er ein größeres Volumen (ca. 280 Mio. € 2009) ausmache als der regulierte Sportwettmarkt (85,5 Mio. €). Gerade dieser Vergleich zum Wettmarkt spielt für die Beurteilung der Kohärenz der Glücksspielpolitik bei Sportwetten eine besondere Rolle. Es mag nichts dagegen sprechen, den Gesamtmarkt für Glücks- und Gewinnspiele zusätzlich mit einzubeziehen. Ausschlaggebend für die Kohärenzbetrachtung muss indessen zunächst der jeweilige Glücksspielsektor und dasjenige Glücksspiel sein, zu dem die stärksten Substitutionsbeziehungen bei den Spielern bestehen. Das gilt namentlich dann, wenn es um die Prüfung einer auf Spielsuchtbekämpfung ausgerichteten Glücksspielpolitik geht.
Insgesamt kann man sich bei der Erörterung hier des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass der Senat einen Weg gesucht hat, auch hier die Kernfrage bewusst zu übergehen.
Was die DDR-Gewerbeerlaubnis des Klägers anbetrifft, trägt keine der vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Begründungen.
Dass die DDR-Gewerbeerlaubnis nur für das Hoheitsgebiet der damaligen DDR gelte, leitet das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 19 EV her. Er stützt sich dabei auf eine hypothetische Prüfung: Komme einem inhaltlich entsprechenden Verwaltungsakt der Behörde eines alten Bundeslandes bundesweite Geltung zu, so sei dasselbe für den nach Art. 19 EV fortgeltenden Verwaltungsakt anzunehmen, anderenfalls eine solche Geltung zu verneinen. Da auch in den alten Ländern der Bundesrepublik Deutschland Erlaubnisse für die gewerbliche Veranstaltung von Wetten auf Sportveranstaltungen nur nach dem jeweiligen Landesrecht erteilt werden konnten, würde eine solche Erlaubnis ebenfalls nur Wirkung im Gebiet des betreffenden Landes beanspruchen können (UA S. 25, Rn. 48).
Übersehen wird bei dieser Subsumtion die entscheidende Frage, worin der inhaltlich entsprechende Verwaltungsakt der Behörde eines alten Bundeslandes bei Erlaubnissen für Sportwettveranstaltungen liegen soll. Dies gilt es gerade zu klären. Dabei kann naturgemäß gerade nicht auf die in den Ländern seinerzeit und heute geltende Rechtslage abgestellt werden, weil diese eine solche Erlaubniserteilung für die gewerbliche Veranstaltung von Wetten auf Sportveranstaltungen gerade nicht vorsieht. Vielmehr muss die anzustellende hypothetische Prüfung – die das Bundesverwaltungsgericht zuvor zutreffend selbst hervorhebt – selbstverständlich auch eine entsprechende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage unterstellen. Eine solche nicht mehr ordnungsrechtliche, sondern dann gewerberechtliche Ermächtigungsgrundlage zur Erteilung von Sportwettveranstaltung hätte freilich selbstverständlich – ebenso wie diejenigen des gewerblichen Spielrechts oder der Pferderennwetten bundesrechtlichen Charakter. Von dieser Annahme wird deshalb wie selbstverständlich in fast allen einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen der Frage, und namentlich derjenigen des heutigen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Voßkuhle ausgegangen.
Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts erweist sich damit genau besehen als zirkelschlüssig: Es wird zunächst die Landesgesetzgebungsbefugnis unterstellt, um anschließend aus dieser die landesweite Geltung herzuleiten, ohne der eigentlichen Frage nachzugehen, welche Gesetzgebungsbefugnis Grundlage für die Ermächtigung zu einem entsprechenden gewerberechtlichen Verwaltungsakt einschlägig wäre.
Auch die Hilfsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts, die DDR-Gewerbeerlaubnis sei durch landesrechtliche Rechtsvorschriften einschränkbar, überzeugt nicht.
Sie übersieht bereits, dass eine bundesrechtlich fortgeltende DDR-Gewerbeerlaubnis, von der für die Hilfsüberlegung auszugehen ist, selbstverständlich auch nur bundesrechtlich beschränkt werden könnte.
Sie ignoriert sodann die massiven Bedenken gegen eine solche Auslegung des § 1 GewG-DDR. Das BVerwG behauptet zwar die Regelung gelte auch für diejenigen Gewerbe, für die eine Erlaubnis erforderlich war. Mit § 5 (Gewerbeuntersagung) lässt das GewG-DDR freilich erkennen, dass auch nach dem dortigen Gesetz eine Erlaubnis zunächst Bestandsschutz gewährt und § 1 Abs. 1 danach nur Sinn machen dürfte, wenn er sich ausschließlich auf nicht erlaubnisbedürftige Gewerbe bezieht, die im GewG ja auch behandelt werden.
Sie setzt sich weiter über die verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit hinweg, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung – und noch dazu eine für den Genehmigungsinhaber so einschneidende Beschränkung wie das Internetverbot – nicht von Gesetzes wegen angenommen werden kann, sondern eines entsprechenden Widerrufs der erteilten Erlaubnis bedarf. Erlaubnisse und Genehmigungen, die unter dem Generalvorbehalt ihrer stillschweigenden Modifikation und Beseitigung durch Änderungen jeglicher Rechtsnorm gestellt wären, hätten sachlich keinen Gehalt mehr. Ob solche Genehmigungstorsi rechtsstaatlich akzeptabel wären, ist mindestens sehr zweifelhaft, mag aber dahinstehen, weil es jedenfalls vertiefter Erörterung bedürfte, vom Bundesverwaltungsgericht aber ignoriert wird.
Mindestens irreführend erscheint weiter die Behauptung, das Bundesverfassungsgericht habe 2007 die vom 6. Senat des BVerwG gewählte Interpretation des Regelungsgehalts des Einigungsvertrags "unbeanstandet" gelassen. Das Bundesverwaltungsgericht suggeriert, das Bundesverfassungsgericht habe sich damit befasst und die Auslegung gebilligt ("unbeanstandet gelassen"). Tatsächlich hat es die maßgebliche frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts "bereits aus anderen Gründen" wegen Grundrechtsverletzungen aufgehoben. Wegen der von ihm festgestellten Grundrechtsverletzung des Bundesverwaltungsgerichts hat es ausdrücklich offengelassen, ob das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG "auch" dadurch verletzt sei, dass das Bundesverwaltungsgericht der fortgeltenden DDR-Genehmigung "keine straf- und verwaltungsrechtliche Legalisierungswirkung beigemessen" habe. Die frühere Rechtsbehauptung mag also "unentschieden" geblieben sein. Von einem "Unbeanstandet-Lassen" kann indessen keine Rede sein.
Sie übergeht schließlich die grundlegende Frage des von den Ländern angestrebten Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 4 GlüStV, ob die Ministerpräsidenten eine solche Verbotswirkung gegenüber zugelassenen Anbietern überhaupt wollten. Die Protokolle der Ministerpräsidentenkonferenzen und namentlich die Gesetzesmaterialien im Sitzland des Klägers belegen genau das Gegenteil. Auch dazu findet sich im Urteil nichts, obwohl es im Verfahren eingehend erörtert wurde. Selbst wenn das Ausgangsgericht dazu keine Feststellungen getroffen haben sollte, wäre dies u.U. unerheblich, weil solche aus verfassungsrechtlichen Gründen womöglich hätten getroffen werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hätte dann zurückverweisen müssen. Auch hierzu schweigt der Senat.
Bemerkenswert ist weiter die knappe Abhandlung der Zumutbarkeitsfrage zum Internetverbot für den Kläger. Die vom Kläger geltend gemachte Notwendigkeit einer bundesweiten Einstellung seines Internetverbotes aufgrund der Untersagungsverfügung soll allein deshalb zumutbar sein, weil die entsprechende Verbotswirkung sich bereits bundesweit ergebe.
Irgendein ernsthaftes Bemühen um eine Würdigung der betroffenen Grundrechtspositionen wird hier nicht erkennbar.
Schon die Feststellung einer bundesweiten Geltung des Internetverbotes hat das Bundesverwaltungsgericht selbst gar nicht getroffen, sondern schlicht unterstellt. Namentlich für Sachsen, wo gegenteilige Gesetzesmaterialien vorliegen, aber auch in den übrigen Bundesländern, in denen dies aus den Protokollen der Ministerpräsidentenkonferenz folgt, ergibt sich das Gegenteil. Im Übrigen kann auch ausweislich der einschlägigen Monopolkommentierung von Hecker/Ruttig/Dietlein eine solche Geltung des Internetverbotes für die DDR-Gewerbeerlaubnisinhaber gerade nicht angenommen werden. Mindestens im Beitrittsgebiet, auf das sich die DDR-Gewerbeerlaubnis nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts beschränken soll, wäre die Geltung des Internetverbotes danach unzutreffend. Mithin hätte mindestens für eine Erlaubnis mit Wirkung für fünf Bundesländer, ein Drittel des Bundesgebiets und ein Viertel der Bevölkerung eine entsprechende Abwägung zur Zumutbarkeit stattfinden müssen.
Gänzlich ignoriert wird vom Bundesverwaltungsgericht ferner der Sach- und Rechtsvortrag des Klägers zum Vertrauensschutz. Er ist seit zwei Jahrzehnten bundesweit tätig, hat Untersagungsbemühungen des deutschen Lotto-Toto-Blocks durch das - vom Bundesverwaltungsgericht wohl nicht ohne Grund übergangene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2001 - I ZR 156/07 - endgültig abgewehrt und verrichtet seinen Vertrieb – mehr noch – seit anderthalb Jahrzehnten vorrangig im Internet, so dass das Verbot, jedenfalls soweit das Gebiet der ehemaligen DDR betroffen ist, die Qualität einer entschädigungspflichtigen Enteignung oder zumindest eines enteignungsgleichen Eingriffs hat. Zu bedenken ist hierbei, dass im konkreten Fall bereits zu DDR-Zeiten die Erlaubnis erkennbar zum Zwecke des Fernvertriebs erteilt wurde, demgegenüber der GlüStV nicht bloß die Internet-Wette, sondern jedwede Wettannahme mittels Telekommunikationsmitteln verbietet und somit nur noch die Briefwette verbleibt.
Auch mit der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer entsprechenden Übergangsregelung, zumindest für das Gebiet der ehemaligen DDR, setzt sich das Bundesverwaltungsgericht nicht auseinander. Wichtig ist daher auch hier weniger das, was das Bundesverwaltungsgericht ausführt, sondern vor allem das, was es im klägerischen Vortrag übergeht. Es wäre wünschenswert, die einschlägigen Schriftsätze im Internet verfügbar zu machen, um Revisionsvortrag und Urteilsbegründung nebeneinander zu halten.
Und – unabhängig von alledem – dürfte es durch einen bedenklichen Gesetzespositivismus gekennzeichnet sein, konkrete Zumutbarkeitserwägungen einer konkreten Untersagungsverfügung unter schlichtem Hinweis auf eine nachträglich eingeführte gesetzliche Verbotsregelung erübrigen zu wollen.
Den gleichen Rechtspositivismus kennzeichnet die Auseinandersetzung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Ermessensausübung. Die Untersagungsverfügung ließ jegliche Ausführungen zum Ermessen vermissen. Es handelte sich mithin um einen klassischen Fall des Ermessensausfalls.
Das Bundesverwaltungsgericht hält es insoweit weder für erforderlich, sich mit den konkreten Besonderheiten des Sachverhalts, namentlich der eben dargestellten existentiellen Bedeutung des Verwaltungsaktes, noch auch nur mit dem Umstand zu befassen, dass Ermessen nicht ausgeübt wurde. Der Hinweis auf den fehlenden Anspruch des Klägers darauf, "aus wirtschaftlichen Gründen die mit den Internetverboten bekämpften Gefahren für wichtige Rechtsgüter herbeiführen zu dürfen", geht fehl, wenn die Ermessensausübung überprüft wird. Tautologisch ist die Behauptung des Bundesverwaltungsgerichts, "angesichts des mit den Anordnungen angestrebten Ziels" seien die Nachteile für den Kläger "nicht unverhältnismäßig schwer". Die Bedeutung des Ziels wird nicht gewichtet, und erst recht nicht festgestellt, obwohl die fehlenden Gefahren gerade Gegenstand der schriftsätzlichen Auseinandersetzung im Revisionsverfahren gewesen sind.
III.
Fazit
Insgesamt bleibt danach der Befund, dass das Bundesverwaltungsgericht wenig begründet und Vieles behauptet. Soweit Begründungen gegeben werden, halten sie in den meisten Aspekten der Überprüfung nicht stand. Das gilt vor allem in verfassungs- und unionsrechtlicher Hinsicht. Kerneinwände der juristischen Debatte, die dieses und andere Grundsatzverfahren im Glücksspielrecht prägen, finden sich in der schriftlichen Begründung des Revisionsurteils nicht wieder. Dies ist umso gravierender, als sich in solchen viel beobachteten Verfahren besonders schnell der Vorwurf interessengeleiteter Rechtsprechung entwickeln kann. Der in der Fachwelt zum Teil bereits geäußerte Eindruck, das Bundesverwaltungsgericht habe weniger prüfen, als zügig ein Signal setzen wollen, lässt sich nichts Überzeugendes entgegensetzen. Es ist bedauerlich, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zu einem derart ergebnisgeleiteten Urteil gerade für die praktisch so wesentliche Frage der Geltung des Internetverbotes hat hinreißen lassen. Und es ist schmerzlich bis erschreckend, in welcher Weise der für das Wirtschaftsverwaltungsrecht zuständige Senat in seiner neuen Besetzung mit verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen Gewerbetreibender und den vom EuGH gerade erst konkretisierten Prüfungsmaßstäben des Unionsrechts umgeht.
Rechtsfrieden wird das Urteil danach nicht bewirken. Das folgt aber wohl ohnehin bereits daraus, dass es rechtlich durch das zwischenzeitliche Zeturf-Urteil des EuGH und das Schreiben der Europäischen Kommission inzwischen überholt ist. Insofern gilt leider wieder einmal: "nach dem Bundesverwaltungsgericht" ist "vor dem Bundesverwaltungsgericht". Weiter also in der unendlichen Geschichte der Sportwette.
gez. Dr. Ronald Reichert, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Der Unterzeichner weist der Ordnung halber darauf hin, dass er das Verfahren zwar nicht geführt, aber als Prozessvertreter des Klägers für die mündliche Verhandlung mit hinzugezogen wurde.
siehe dort Rn. 26, wonach "die … Bestimmungen über Art und Zuschnitt zulässiger Sportwetten und die Vorgaben für deren Vermarktung [Anm. des Unterzeichners: zu der das Internetvertriebsverbot gehört] … nur das Angebot der nicht grundrechtsfähigen staatlichen oder staatlich beherrschten Monopolträger [regeln]." und 35 ff der Urteile 8 C 14.09 u. 15.09; ebenso Bay. VGH, Urt. v. 18.12.2008 - 10 BV 07.775 -, Rn. 51, 53, 56 u. 70.
Carmen Media, Rn. 105 ff.
Urteil vom 30.06.2011 - C-212/08
Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz vom 16.06.1922
RT-Prot. 1/2870, S. 11)
Verhandlungen des Reichstags, 1. Wahlperiode 1920, Band 369, Anlage Nr. 2870, S. 8, 10;
Mirre/Baumann a. a. O., Einleitung S. 5 ff.; vgl. RG, Urteil vom 22.11.1935 – 1 D 365/35 – RGSt 70, 113, 114 f.).
EuGH, Urteil vom 30.06.2011 - C-212/08 -.
s. a. BVerwG, U.v.23.8.1994
s. a. BVerwG, U.v.23.8.1994
Kontakt:
Redeker Sellner Dahs
Dr. Ronald Reichert
Partner und Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Mozartstraße 4-10
53115 Bonn
Tel.: +49 (0228) 726 25-528
Fax: +49 (0228) 726 25-99
E-Mail: reichert@redeker.de
BVerwG 8 C 5.10 v. 31.05.2011 Leitsatz
BVerwG Pressemitteilung Nr. 45/2011 vom 1.06.2011
aktuelle Urteile des BVerwG
BVerwG: Vertrieb von Sportwetten über Internet unzulässig
weiterlesen
Internetverbot im Glücksspielstaatsvertrag europarechtlich unzulässig
Von Rechtsanwalt Dieter Pawlik weiterlesen
Der EuGH widerspricht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, und stellte mit den Zeturf und Dickinger/Ömer – Entscheidungen fest, dass ein pauschales Internetverbot dem europäisches Unionsrecht entgegen steht.Aus meiner Sicht durfte auch das BVerwG nicht durchentscheiden – es war vielmehr verpflichtet die Frage eines "eigenständigen Internetverbots" dem EuGH vorzulegen.
Entsprechend den Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; stRspr). 1 BvR 230/09 Rn 15. Das BVerfG, (1 BvR 230/09) stellte am 25.2.2010 fest, dass der EuGH als gesetzlicher Richter i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entzogen wird, „wenn das nationale Gericht eine eigene Lösung entwickelt, die nicht auf die bestehende Rechtsprechung des EuGH zurückgeführt werden kann und auch nicht einer eindeutigen Rechtslage entspricht“. Selbstgestricktes Europarecht durch heimische Gerichte ist damit verfassungswidrig. Entsprechend darf das nationale Gericht nur selbst entscheiden, wenn die Beantwortung der europarechtlichen Frage „offenkundig“ ist. Davon darf es bei einer unvollständigen EuGH-Rechtsprechung nur dann ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass dies auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den EuGH so ist. so Prof. Dr. Gregor Thüsing (NJW Editorial 26/2010)
Das BVerfG stellte den uneingeschränkten Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber deutschem Gesetzesrecht fest: (2 BvR 225/69 vom 09.06.1971, BVerfGE 31, 145; 2 BvR 687/85 vom 08.04.1987, BVerfGE 75, 223; 2 BvR 1210/98)Zu einer eigenen Entscheidung über die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht sind nationale Gerichte - gleich welcher Instanz - nicht befugt. EuGH 22.10.1987, Rs 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199. s.u.a. EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 (AZ: C-119/05) Das VG Arnsberg spricht in seinem Urteil sogar von einer Missachtung des europäischen Anwendungsvorranges.
Kommentar zum EuGH-Urteil vom 30. Juni 2011 - Zeturf C-212/08
EuGH verschärft Anforderungen an staatliche Glücksspielmonopole
- EuGH macht strenge Vorgaben für gerichtliche Kontrollen des Glücksspielrechts
- Internet darf als Vertriebsform nicht ohne weiteres beschränkt werden.
Mit der Dickinger/Ömer - Entscheidung des EuGH (Rs C-347/09 vom 15.09.2011) wurde diese Rechtsprechung bestätigt und weiter konkretisiert. Der EuGH führt aus, dass das Internet wie der stationäre Vertrieb behandelt werden muss. Besondere Auflagen, die nur im Online-Bereich gelten, sind unzulässig!
Erst wenn bewiesen wird, dass die Nutzung des Internets die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren "verstärkt", dürfe, nach der Rechtsprechung des EuGH eine Ausschließlichkeitsregelung erlassen und damit die Veranstaltung und Werbung im Internet unterbunden werden. Die deutsche Rechtsprechung muss sich an die Vorgaben des EuGH halten und den konkreten - empirischen - Beweis antreten, dass die vermeintlichen Gefahren real existieren und nicht nur ins Blaue hinein behauptet werden. (vgl. u.a. EuGH-Urteil vom 30. Juni 2011 - Zeturf C-212/08, Rn 81)
Europäischer Gerichtshof (EuGH)
Rechtsprechungsorgan der Europäischen Union
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist gemeinsamer Gerichtshof und höchstes Gericht der Europäischen Union. Seine Urteile sind für alle Gerichte und alle Bürger in der EU bindend.
Nationale Gesetze und Gerichtsurteile müssen der Rechtsprechung des EuGH angepasst werden.
Nationale Gerichte letzter Instanz sind sogar verpflichtet, beim EuGH Vorabentscheidungen einzuholen. So wird gewährleistet, dass Europarecht in allen EU-Ländern einheitlich ausgelegt wird. Der Gerichtshof wahrt auch die Grundrechte des Bürgers gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft, schützt ihn also gegen Missbrauch. Quelle
mehr:
Europäische Gerichtshof (EuGH)
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, gelegentlich auch EuGHMR)
Europa - Das Portal der Europäischen Union - Gerichtshof der Europäischen Union
update:
Das Landgericht Bremen hat mit Urteil vom 10. Mai 2012 (Az: 9 O 476/12) das in Landesgesetzen fortgeführte Internetverbot des Ende 2011 ausgelaufenen Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) für unionsrechtswidrig und unanwendbar erklärt.