Sonntag, 15. Januar 2012

Nun auch der BayVGH

Untersagung der Sportwettvermittlung rechtswidrig!
von RA Rechtsanwalt Peter Aidenberger

In einem von der Kanzlei Bongers geführten Verfahren wegen der Untersagung der Sportwettvermittlung durch die Stadt München hat nun auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Untersagung der Sportwettvermittlung an ein EU-Konzessioniertes Unternehmen nicht gestützt werden kann auf das gesetzlich verankerte Monopol des Glückspielstaatsvertrages oder das Argument, dass es den privaten Vermittlern an einer Erlaubnis fehle. Zuvor hatte dies, ebenso nach Abkehr der bisherigen Rechtsprechung, das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in einem ebenfalls von der Kanzlei Bongers geführten Verfahren geurteilt. Anders als in NRW hatten in Bayern die Verwaltungsgerichte erster Instanz zuvor geschlossen noch anders entschieden und Klagen privater Vermittler abgewiesen.

In der Presseerklärung des BayVGH zu seiner Grundsatzentscheidung vom 12.01.2012 (Az. 10 BV 10.2505) führt der Senat aus:

"Der BayVGH stellt nun auch im Hauptsacheverfahren fest, dass die Vermittlung von Sportwetten nicht unter Hinweis auf das staatliche Sportwettenmonopol untersagt werden kann. Denn das - derzeit noch - geltende Glücksspielrecht genüge insoweit den europarechtlichen Anforderungen nicht. Wegen der kontinuierlich steigenden Zahl zugelassener Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten, die ein deutlich größeres Suchtpotential als Sportwetten hätten, werde das Ziel einer systematischen und kohärenten Politik der Begrenzung der Spiel- und Wetttätigkeit verfehlt. Das staatliche Sportwettenmonopol beschränke daher die europarechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise und könne nicht als Grundlage für Untersagungsverfügungen herangezogen werden.

Wenn die Behörde bisher ihre Untersagungsverfügung zu Unrecht auf das Argument des staatlichen Monopols gestützt habe, könne sie die Untersagung nun im gerichtlichen Verfahren nicht mit der Begründung aufrecht erhalten, dass der Sportwettenvermittler eine erforderliche Erlaubnis weder besitze noch beanspruchen könne. Von seiner hierzu im Eilverfahren (vgl. Pressemitteilung vom 23.3.2011) vertretenen Auffassung ist der BayVGH im Anschluss an neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgerückt. Zum einen könnten nämlich diese Erwägungen aus prozessrechtlichen Gründen im Gerichtsverfahren nicht "nachgeschoben" werden. Zum anderen müsste zunächst die zuständige Behörde (hier: Regierung der Oberpfalz) die Frage der Erlaubnisfähigkeit in einem ordnungsgemäßen Antragsverfahren prüfen. Erst deren abschließende behördliche Entscheidung sei gegebenenfalls wieder vor Gericht anfechtbar.

Der BayVGH hat die Revision gegen diese Urteile nicht zugelassen."

Vor allem auch das gerade in Bayern in den vergangenen Jahren massive Vorgehen nicht nur der Ordnungsbehörden, sondern vor allem auch der Staatsanwaltschaften und Polizei, wird damit nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten auch in Bayern höchstrichterlich als Verstoß gegen geltendes Recht und damit für rechtswidrig erklärt. Neben dem OVG NRW hatte zuvor auch der Hessische VGH in einem weiteren Verfahren der Kanzlei Bongers innerhalb des einstweiligen Rechtsschutzes die sofortige Vollziehbarkeit von Untersagungsanordnungen aufgehoben und entschieden, dass die privaten Vermittler bis sechs Monate nach in Kraft treten einer neuen Gesetzeslage ihre Tätigkeit weiter ausüben können und die durch eine Hessische Behörde erlassene Verfügung für (nach aller Wahrscheinlichkeit offensichtlich) rechtswidrig befunden.

Bisher hat nur das Land Schleswig-Holstein ein neues Gesetz beschlossen, welches seit diesem Jahr den Sportwettenmarkt inklusive des Internetmarktes auch für Private öffnet. Die anderen 15 Bundesländer haben zwar durch die Länderminister einen Gesetzesentwurf unterzeichnet, der aber erst nach der Freigabe durch die EU-Kommission auch durch die Länderparlamente verabschiedet werden soll. Eine für die Länder positive Reaktion aus Brüssel ist aber bei dem aktuell vorgelegten Entwurf sehr unwahrscheinlich, da eine Aufhebung des Monopol nur "auf dem Papier" vorgenommen wurde. Eine wirtschaftlich sinnvolle, auch den Zielen der Glückspielpolitik gerecht werdende Regelung liegt nach unserer Einschätzung nicht vor. Vor allem die Dienst- und Niederlassungsfreiheit nach Unionsrecht wird auch im neuesten Entwurf der 15 Bundesländer in rechtswidriger Weise eingeschränkt.

Kontakt:
Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Rechtsanwalt Peter Aidenberger
Ludwigstr. 12
D - 61348 Bad Homburg


Anerkannt ist jedenfalls, daß derjenige, der durch pflichtwidriges Vorverhalten eine Gefahrenlage für Dritte geschaffen hat, verpflichtet ist, den dadurch drohenden Schaden abzuwenden; dies gilt mindestens dann, wenn das Vorverhalten die Gefahr des Schadenseintritts als naheliegend erscheinen läßt (Adäquanz) und die Pflichtwidrigkeit gerade in der Verletzung eines solchen Gebotes besteht, das dem Schutz des gefährdeten Rechtsguts zu dienen bestimmt ist (Pflichtwidrigkeitszusammenhang, vgl. BGHSt 34, 82; BGH NStZ 1987, 171; BGH, Urt. v. 9. Mai 1990 - 3 StR 112/90, BGH, 06.07.1990 - 2 StR 549/89

BayVGH
Vermittlung privater Sportwetten darf nicht untersagt werden
Mit am Freitag bekanntgewordenen Urteilen hat der Bayerische VGH entschieden, dass zwei Unternehmern die Vermittlung von privaten Sportwetten zu Unrecht untersagt worden ist. Das derzeit noch geltende Glücksspielrecht genüge den europarechtlichen Anforderungen nicht.

Wenn die Behörde bisher ihre Untersagungsverfügung zu Unrecht auf das Argument des staatlichen Monopols gestützt habe, könne sie die Untersagung nun im gerichtlichen Verfahren nicht mit der Begründung aufrecht erhalten, dass der Sportwettenvermittler eine erforderliche Erlaubnis weder besitze noch beanspruchen könne. Zum einen können nämlich diese Erwägungen aus prozessrechtlichen Gründen im Gerichtsverfahren nicht "nachgeschoben" werden. Zum anderen müsse zunächst die zuständige Behörde die Frage der Genehmigungsfähigkeit in einem ordnungsgemäßen Antragsverfahren prüfen. Erst deren abschließende behördliche Entscheidung sei gegebenenfalls wieder vor Gericht anfechtbar (Urt. v. 12. Januar 2012, Az. 10 BV 10.2271 und 10 BV 10.2505). weiterlesen

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner (einstimmigen) Entscheidung über Verfassungsbeschwerden gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen (Beschluss vom 15. April 2009, 2 BvR 1496/05, Rn. 33 f. – juris, BVerfGK 15, 330) - (vgl. S. 5) ausdrücklich einen staatlichen Strafanspruch verneint, wenn der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols verfassungswidrig ist.

Das Bundesverfassungsgericht hob die Beschlüsse der Landgerichte Hannover, Göttingen, Memmingen und Braunschweig auf. (Aktenzeichen: 2 BvR 174/05; 2 BvR 1119/05; 2 BvR 1120/05; 2 BvR 1497/05; 2 BvR 1498/05; 2 BvR 1499/05 und 2 BvR 2211/05)

Die Verfassungsbeschwerden richteten sich u. a. gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB (Oddset-Sportwetten) in den Jahren 2004 und 2005.

Ein Anfangsverdacht gemäß § 284 StGB für eine Durchsuchung der Geschäftsräume war im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht gegeben.  Quelle

Die Rechtsvorgabe des Europäischen Gerichtshofs (Rs. C-46/08 Rn 87, Carmen Media) lautet:
"Daher muss ein System der vorherigen behördlichen Erlaubnis, um trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt zu sein, auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen setzen, damit diese nicht willkürlich erfolgt. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden einschränkenden Maßnahme betroffen ist, ein effektiver gerichtlicher Rechtsbehelf offenstehen (vgl. Urteil Sporting Exchange, C-203/08, Randnr. 50 und dort angeführte Rechtsprechung)."

Auszug aus dem Urteil " Sporting Exchange" C-203/08 vom 03.06.2010 :
50. Nach ständiger Rechtsprechung muss ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung nämlich, damit es trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt ist, auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen gesetzt werden (Urteile vom 17. Juli 2008, Kommission/Frankreich, C‑389/05, Slg. 2008, I‑5397, Randnr. 94, und vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, Randnr. 64). Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden einschränkenden Maßnahme betroffen ist, der Rechtsweg offen stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Februar 2001, Analir u. a., C‑205/99, Slg. 2001, I‑1271, Randnr. 38).

Beschluss des 8. Senats vom 5. Januar 2012 - BVerwG 8 B 62.11
Leitsatz:
Ein Dauerverwaltungsakt kann - bei fortbestehender Beschwer - für die gesamte Dauer seiner Wirksamkeit und damit auch in Ansehung vergangener Zeiträume angefochten werden. Entfällt die Beschwer, so kann der Kläger in Ansehung der vergangenen Zeiträume zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen, wenn hierfür ein Feststellungsinteresse besteht, und zugleich die Aufhebung des Verwaltungsakts „ex nunc“ begehren. Quelle
I. VG Koblenz vom 26.03.2008 - Az.: VG 5 K 1512/07.KO -
II. OVG Koblenz vom 13.04.2011 - Az.: OVG 6 A 11113/10 -



Die Verfassungsbeschwerde  (Auszug)

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 519/10 -
vom 15.09.2011

 1. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen eine Verurteilung zu einem Bußgeld von 10.000 € wegen eines ihm zur Last gelegten Verstoßes gegen eine immissionsschutzrechtliche Auflage gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG).

Rn 35
Art. 103 Abs. 2 GG erfasst insbesondere Straf- und Bußgeldtatbestände (vgl. BVerfGE 81, 132 <135>; 87, 399 <411>). Die Norm enthält - neben dem hier unerheblichen Rückwirkungsverbot - ein besonderes Bestimmtheitsgebot. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände aus dem Wortlaut der Norm zu erkennen sind oder sich zumindest durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass der Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen entscheidet.

Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer Verhängung von Geldbußen festzulegen (vgl. BVerfGE 78, 374 [382]; 126, 170 [194]; BVerfGK 11, 337 [349];).
In Grenzfällen ist auf diese Weise wenigstens das Risiko einer Ahndung erkennbar (vgl. BVerfGE 71, 108 [114 f.]; 78, 374 [381 f.]; 92, 1 [12]; 126, 170 [195];).
Rn 38
Dabei kommt im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht der grammatikalischen Auslegung eine herausgehobene Bedeutung zu; hier zieht der - aus Sicht des Normadressaten zu bestimmende - Wortsinn einer Vorschrift die unübersteigbare Grenze (vgl. BVerfGE 71, 108 [114 ff.]; 73, 206 [234 ff.]; 92, 1 [11 ff.]; 105, 135 [157]; 126, 170 [197];).

BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. November 2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, S. 754 <755>).


BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2394/08 - vom 16.9.2010
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Artikel 103 Absatz 1
(Anspruch auf rechtliches Gehör)
des Grundgesetzes