Dienstag, 31. Januar 2012

Poker - Glücksspiel oder Geschicklichkeitsspiel?

Die empirische Messung der Skill-Komponente im Poker

Der Pokermarkt ist ein Milliardenmarkt. Die „Global Betting and Gaming Consultants“ schätzen den Umsatz für Onlinepoker weltweit auf drei Milliarden US-Dollar und in Deutschland werden zwischen einer und zwei Millionen aktive Pokerspieler angenommen. Weitere Zuwächse in diesem Markt sind zu erwarten. Noch immer herrscht eine Debatte darüber, ob die beliebte NL-Holdem Variante im Poker ein Glücksspiel darstellt und seine Veranstaltung und die Werbung dafür damit nach § 284, § 285 StGB strafbar sind, oder ob es sich um ein Geschicklichkeitsspiel handelt. Ein Glücksspiel wird im Glücksspielstaatsvertrag § 3 Abs.1 wie folgt definiert:

„Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.

Das kritische Definitionsmerkmal für das Pokerspiel ist, ob der Zufall oder die Geschicklichkeit überwiegt, also für das Spielergebnis zu mehr als 50% verantwortlich ist. Diese Definition gilt dabei für den durchschnittlichen Spieler. Unstrittig ist, dass beim Pokerspiel – im Gegensatz zu reinen Glücksspielen wie dem Roulett – auch die Geschicklichkeit eine Rolle spielt. Es handelt sich also um ein Mischspiel. Die Schwierigkeit besteht in der Messung, ob der Zufall oder die Geschicklichkeit überwiegt. Hierzu sind bereits einige Untersuchungen getätigt worden, die jedoch alle methodische Mängel aufweisen und/oder sich der Thematik lediglich mit einem „Bauchgefühl“ annähern. In keiner der bisherigen Veröffentlichungen konnte das Verhältnis Geschicklichkeitsanteil zu Zufall exakt bestimmt werden. Meyer & Hayer leiten den Bedarf einer empirischen Untersuchung zur Quantifizierung des Geschicklichkeitsfaktors im Poker ab.

Im Gegensatz zu bisherigen Untersuchungen untersuchen wir das Pokerspiel nicht im Rahmen einer künstlichen Pokerumgebung, sondern anhand des tatsächlichen Spielverhaltens von Pokerspielern. Hierzu zeichnen wir das Online-Spielverhalten von Pokerspielern anhand so genannter Handhistories auf und werten diese aus.

Anhand dieser Untersuchung haben wir die kritische Wiederholungshäufigkeit (CRF-Wert) für das Pokerspiel bestimmt. Der CRF-Wert basiert auf der Annahme, dass sich der Zufall mit zunehmender Spielwiederholung ausmittelt, der Einfluss des Geschicks jedoch verbleibt und sich addiert. Der CRF-Wert stellt dann den Schwellenwert an Wiederholungen dar, ab dem der Anteil des Geschicks gleich dem Anteil des Zufalls ist. Bei einem großen CRF-Wert handelt es sich bei dem Spiel eher um ein Glücksspiel, bei einem kleinen CRF-Wert eher um ein Geschicklichkeitsspiel.

In unserer empirischen Untersuchung kommen wir zu dem Schluss, dass es sich beim Poker eher um ein Geschicklichkeitsspiel als um ein Glücksspiel handelt. Jedoch ist dieses Ergebnis stark abhängig von der Stichprobe, da sich die Geschicklichkeitsdifferenz zwischen den Spielern im Zeitablauf aufgrund von Lerneffekten der Spieler und der Zuwanderung unbedarfter Spieler ändert. Bei einer anderen Stichprobe könnte die Differenz der Geschicke der Spieler daher geringer sein. Dies würde in einem deutlich höheren CRF-Wert resultieren, da dieser wenig robust gegenüber dem Geschicklichkeitsdifferenz ist. Zudem ist die Entscheidung, ab welchem CRF-Wert es sich bei einem Spiel um ein Geschicklichkeitsspiel handelt, eine normative Frage, die letztlich nur von einem Gericht oder einem Gesetz entschieden werden kann.

Poker liegt daher im Kontinuum zwischen Glücks- und Geschicklichkeitsspiel und seine Klassifizierung als Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel bleibt eine politische Frage mit der damit verbundenen Lobbyarbeit und Rechtsunsicherheit. Für den Gesetzgeber sollte bei der Entscheidung zur Regulierung von Spielen ohnehin nicht entscheidend sein, ob das Spielergebnis vom Glück oder vom Geschick abhängt, sondern vielmehr, ob das Spiel sozialschädlich ist. Die nächste Herausforderung ist daher eine Glücksspieldefinition, die alle sozial schädlichen Spiele abdeckt und nicht zu Rechtsunsicherheit führt. Quelle

„Da kann es keinen Zweifel geben“
Ist Poker ein Glücksspiel? Oder hängt es doch vom Können der Spieler ab? Eine neue Studie aus den USA hat Daten gesammelt – und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.

Es ist eine der teuersten Fragen, die die Spieleszene derzeit weltweit bewegen: Ist Poker – genauer gesagt, die nach wie vor extrem populäre Variante „Texas Hold'Em“ – ein Glücksspiel? Oder kommt es vor allem auf die Geschicklichkeit, Gerissenheit und das taktische Einfühlungsvermögen – kurz: das Können – der Spieler an?

Das ist keine Frage, die nur auf einer theoretischen Ebene relevant ist: Es geht um Millionen von Euro (oder Dollar) und darum, wer sie kassieren darf – denn Spiele, bei denen das Glückselement überwiegt, fallen unter die historischen Monopole vieler Staaten oder unterliegen zumindest Lizenzbestimmungen, nach denen Casinobetreiber hohe Gebühren an den Staat überweisen müssen. „Normale“ Spiele, deren Ausgang dagegen vom Können der Spieler abhängt, dürfen in viele Staaten nach Belieben abgehalten werden.

Die US-Justizbehörden berufen sich auf ein Urteil zu der Frage aus dem Jahr 1906: „Es ist, und da kann es weder Zweifel noch Diskussion gegeben, ganz einfach eine Sache des gemeinen Hausverstandes, dass Kartenpoker ein Glücksspiel ist.“

„Solche Spieler kommen um zwölf Prozent öfter in die Preisränge als Spieler mit geringem Können“, heißt es in der Studie.

„Vorhersehbar wie Baseball“

„In Anbetracht dieser Daten muss man Poker wohl im selben Ausmaß als ein Spiel bezeichnen, das auf Können basiert, wie man das ohne Zweifel bei Baseball tut.“

Eine klare Ansage der Wissenschaftler – und ein Ergebnis, zu dem auch namhafte österreichische Juristen in Gutachten gekommen sind. Warum Poker hierzulande trotzdem als Glücksspiel gehandhabt wird, warum das einen Unternehmer „in seiner Existenz gefährdet“ und wer dagegenarbeitet, lesen Sie in der kommenden Woche – ebenfalls an dieser Stelle.
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Recht, Glück und Können
24.06.2011 | 18:45 | Von Georg Renner (Die Presse)
Zwischen Wissenschaftlern, Mathematikern und Juristen tobt weltweit die Diskussion, ob Poker ein Glücksspiel ist oder nicht. In Österreich will Karten-kasino-Chef Peter Zanoni die Frage mit einem neuen Gutachten jetzt vor den Verfassungsgerichtshof bringen.

In Österreich ist eine sachliche Diskussion dieser Frage – vor allem geht es um die Existenz zahlreicher kleiner Kartenspielsalons, die hierzulande in den vergangenen Jahren entstanden sind – bisher weitgehend unterblieben. Bis vor einem Jahr konnten solche „Card Casinos“ wie die „Concord“-Gruppe von Peter Zanoni weitgehend unbehelligt in einer rechtlichen Grauzone existieren, besonders dann, wenn sie Spiele mit einem Einsatz von bis zu 20 Euro anboten: Dann, so die bisherige Rechtsprechung, galt das Spielen als „Zeitvertreib“ und fiel jedenfalls nicht unter das Glücksspielgesetz.

In der Folge bemüht sich Winkler nachzuweisen, dass der Gesetzgeber bei den beiden Novellen nicht nur von falschen Vorentscheidungen – wie von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zu Pokerspielen, die sich aber nur auf Einzelfälle bezogen haben – ausgegangen sei, sondern darüber hinaus gleich mehrfach gegen die Verfassung verstoße: etwa durch die plötzliche Ausdehnung des Monopols auf Pokersalonbetreiber, die die unternehmerische Freiheit in Österreich einschränke, oder durch die abgabenrechtlichen Neuerungen, die dem Sachlichkeitsgebot der Verfassung widersprechen würden. weiterlesen

Juristen zerpflücken Glücksspielgesetzgebung
Namhafte Staatsrechtler gehen hart mit den letzten Glücksspielgesetznovellen ins Gericht. Die Vergabe der Lotterielizenz sei EU-rechtswidrig, die Regeln für Pokersalons sollen der Verfassung widersprechen.

„Die Glücksspielgesetznovellen der letzten Jahre waren in höchstem Maße rechtsstaatlich problematisch.“ Das sagt nicht etwa die Opposition oder ein unmittelbar Betroffener – sondern Bernhard Raschauer, einer der renommiertesten Staatsrechtler des Landes und Professor an der Universität Wien. weiterlesen