Freitag, 20. Januar 2012

VG Düsseldorf: DeNIC muss keine Glücksspiel-Domains sperren

Eine weitere Niederlage für die Bezirksregierung Düsseldorf: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in einer nun veröffentlichten Urteil entschieden, dass die deutsche Vergabestelle DeNIC Domains von nicht lizenzierten Glücksspielunternehmen nicht löschen muss. Ähnliche Ordnungsverfügungen der Behörde gegen zwei Zugangsprovider wurden in den vergangenen Wochen zurückgewiesen. weiterlesen

Auch das VG Köln (6 K 5404/10) spricht sich gegen Netzsperren bei Glücksspielen aus
Internetprovider müssen keine in Deutschland illegalen Websites mit Wettangeboten für ihre Kunden sperren.
In dem Streit ging es um die Anordnung der Bezirksregierung Düsseldorf an die Telekom, den Internetzugang zu zwei Anbietern von Sportwetten zu sperren. weiterlesen
Pressemitteilung und Urteil ganz unten

Glücksspiel - DENIC siegt am Verwaltungsgericht
RA Daniel Dingeldey:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zeigt die Grenzen von Gesetzen auf, die an der Grenzenlosigkeit des Internet scheitern.
Der Leitsatz: "Die DENIC eG kann nach dem Glücksspielstaatsvertrag zur Einschränkung des Zugangs zu Internetinhalten nicht als Störerin (im Sinne des Gefahrenabwehrrechts) in Anspruch genommen werden, wenn sie die Haftungsprivilegierungen des § 8 TMG erfüllt" setzt einen klaren Maßstab für zukünftige Rechtsprechung. Quelle

weitere Urteile des VG Düsseldorf: Sperrungsanordnung gegen Internet-Zugangsanbieter rechtswidrig weiterlesen

Verwaltungsgericht Düsseldorf, 27 K 458/10
Datum:
29.11.2011
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
27. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 K 458/10
Schlagworte:
Domain Konnektierung Nameserver Nichtstörer Registrierungsstelle Störerhaftung
Normen:
GlüstV § 9 Abs 1 TMG § 8 TMG § 10
Leitsätze:

Die E eG kann nach dem Glücksspielstaatsvetrag zur Einschränkung des Zugangs zu Internetinhalten nicht als Störerin (im Sinne des Gefahrenabwehrrechts) in Anspruch genommen werden, wenn sie die Haftungsprivilegierungen des § 8 TMG erfüllt.

Tenor:

Die Regelungen in den Ziffern 1 - 4 der Ordnungsverfügung der Be-zirksregierung E1 vom 15. Januar 2010 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des jeweils auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

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Verwaltungsgericht Köln, 6 K 5404/10

Datum:15.12.2011
Gericht:Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:6. Kammer
Entscheidungsart:Urteil
Aktenzeichen:6 K 5404/10
Tenor:

Die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 12.08.2010 wird aufgehoben.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.

1

Tatbestand

2
Die Klägerin ist ein Telekommunikationsunternehmen. Sie bietet ihren Kunden u.a. als sog. Access-Providerin den Zugang zum Internet an, indem sie die technische Infrastruktur zur Verfügung stellt. Gegenstand des Verfahrens ist die Anordnung einer sog. DNS - Sperrung (Sperrung des Domain-Name-Servers) im Zusammenhang mit Online-Sportwettenangeboten Dritter.
4 In der Folgezeit wurde die Klägerin als Access-Providerin mehrfach zur Auferlegung einer Internetsperrung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV angehört. Sie ermögliche Internet-Nutzern den Zugang zu unerlaubtem und damit auch strafbarem Glücksspiel. In ihren Stellungnahmen machte die Klägerin geltend, sie sei für die Inhalte der genannten Anbieter nicht verantwortlich und könne hierauf keinen Einfluss nehmen. Aus diesem Grunde sei sie nicht Störerin. Des Weiteren verwies sie auf technische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung der angekündigten Maßnahme.

5 Die Klägerin wurde mit weiteren Anhörungsschreiben vom 01.03.2010 (bzgl. "bwin") und 30.06.2010 (bzgl. "tipp.24") sodann als "bösgläubiger Störer und verantwortlicher Diensteanbieter" und "hilfsweise als Nichtstörer" angehört: Infolge der vorangegangenen Anhörungen sei ihr die Rechtswidrigkeit des Sportwettenangebots, zu dem sie den Zugang vermittle, bekannt.15 Des Weiteren vertritt die Klägerin die Ansicht, dass das Sportwettenmonopol und das Internetverbot, zu deren Durchsetzung die Verfügung diene, unionsrechtswidrig und deshalb unanwendbar seien. Auch das Internetverbot sei inkohärent und könne nicht unabhängig vom Sportwettenmonopol betrachtet werden. In den Blick zu nehmen seien schließlich auch die anstehenden Änderungen im Glücksspielrecht, wonach die Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten im Internet unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt seien. Vor dem Hintergrund dieser anstehenden Änderungen, die eine massive Ausweitung des Glücksspiels im Internet zuließen, sei die Verfügung widersprüchlich.

16 Zuletzt beanstandet die Klägerin die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes. 17 Die Klägerin beantragt,

18
die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 12.02.2010 aufzuheben.

19
Das beklagte Land beantragt, 20 die Klage abzuweisen.

21
Es tritt dem Vorbringen der Klägerin in den einzelnen Punkten entgegen. Namentlich ist es der Auffassung, dass § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 5 GlüStV eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die angeordnete DNS-Sperrung darstelle. Die Existenz dieser Regelung zeige, dass der Gesetzgeber eine sonderordnungsrechtliche Störerbestimmung vorgenommen habe. Die Verantwortlichkeit der Klägerin sei eine solche nach § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG. Diese Regelungen fügten sich in das System der medienrechtlichen Haftungsgrundsätze: So sähen sowohl § 59 Abs. 4 RStV als auch die Vorgängerregelungen § 18 Abs. 3 bzw. (ab 2002) § 22 Abs. 2 und 3 Mediendienste-Staatsvertrag die Möglichkeit vor, den Diensteanbieter von fremden Inhalten heranzuziehen, wenn Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen sich als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erwiesen. Auch in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung seien die Grundstrukturen zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen im Internet in der Weise herausgearbeitet worden, dass eine Störerhaftung desjenigen angenommen werde, der einen Beitrag zur Rechtsverletzung geleistet habe. Diese Grundsätze seien auf das öffentliche Recht übertragbar.

22
Falls die Inanspruchnahme als Störer nicht möglich sei, könne die Klägerin jedenfalls als Nichtstörer in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür lägen vor, da es gelte, einen Verstoß gegen das Strafgesetzbuch abzuwehren.24 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie die Akte des Verfahrens 6 L 1230/10 verwiesen.

25 26 Die Klage ist zulässig und begründet.

27 Die angegriffene Ordnungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 12.08.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dies gilt sowohl in Bezug auf die unter Buchstabe "A." der Verfügung enthaltenen Regelungen (Ziffern 1 - 4) für das Land Nordrhein-Westfalen, als auch auf die unter "B." vorgenommene Erstreckung auf die Länder Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

28
A. Rechtswidrig ist zunächst die Sperrungsanordnung nach Ziffer 1 sowie die zugehörige Fristsetzung in Ziffer 2 (nachfolgend I.). Infolge deren Rechtswidrigkeit unterliegen zugleich die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 und die Gebührenfestsetzung in Ziffer 4 (nachfolgend II.) der Aufhebung.30 1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV kann die Glücksspielaufsicht Diensteanbietern im Sinne von § 3 Teledienstgesetz, soweit sie nach diesem Gesetz verantwortlich sind, die Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. An die Stelle des § 3 Teledienstgesetz (TDG) ist nach Aufhebung des TDG die Nachfolgeregelung des § 2 Nr. 1 Telemediengesetz (TMG) getreten.

31 Eine Inanspruchnahme der Klägerin nach dieser Norm kommt nicht in Betracht. Insoweit folgt das Gericht nicht der Auffassung des beklagten Landes, wonach allein die Existenz dieser Eingriffsermächtigung belege, dass eine sonderordnungsrechtliche Inanspruchnahme als Störer möglich sein solle. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV enthält - anders als noch § 22 MDStV, der eine Heranziehung des Nichtstörers ausdrücklich vorsah - keine Abgrenzung zwischen Störer und Nichtstörer. Tatbestandlich wird in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV nur gefordert, dass ein Dienstanbieter nach § 2 Abs. 1 TMG "verantwortlich" im Sinne des Telemediengesetzes ist. Das Telemediengesetz enthält ein abgestuftes, technikbezogenes Haftungssystem, das die jeweilige Nähe des Telemedienanbieters zur angebotenen Information berücksichtigt,

32 vgl. Billmeier in Manssen (Hrsg.) Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar Band 2 (Stand 12/09) § 7 TMG Rn 2 ff; Schütz, Kommunikationsrecht, 2005 Teil 5 F, Rn 639 ff.

33
Während der Inhaltsanbieter nach § 7 Abs. 1 TMG für eigene Informationen nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich ist, bestimmt sich die Haftung des Anbieters von fremden Informationen nach § 7 Abs. 2 TMG. Danach sind Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach §§ 8 bis 10 unberührt.

34
Für die Klägerin als Access-Providerin ist die Regelung des § 8 TMG maßgeblich: Danach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (Nr. 3). So liegt der Fall hier: Die Dienstleistung der Klägerin besteht ausschließlich darin, dass sie die technische Infrastruktur zur Durchleitung fremder Informationen zur Verfügung stellt. Sie veranlasst weder die Übermittlung, noch wählt sie den Adressaten oder die übermittelten Informationen aus.

35 Eine Haftung des Access-Providers kommt nach § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG allein in dem Fall in Betracht, in dem der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Dieser Fall des kollusiven Zusammenwirkens scheidet ersichtlich aus.

36
Das Gericht vermag auch nicht der Auffassung des beklagten Landes zu folgen, wonach die Klägerin in Anwendung des § 10 TMG verantwortlich sei, nachdem sie unter dem Aspekt des "bösgläubigen Störers" angehört worden sei. Nach § 10 TMG sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben.

37
Die Kenntnis von einer rechtswidrigen Handlung kann nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 TMG allein im Falle des Speicherns von fremden Informationen eine Verantwortlichkeit begründen,

38
vgl. auch OVG NRW vom 26.01.2010 - 13 B 760/09 -, Juris.

39
Eine Haftung der Klägerin nach dem TMG ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG. Danach bleiben Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Diese Norm lässt lediglich anderweitig begründete Verpflichtungen fortbestehen; sie stellt aber keinen eigenständigen Tatbestand dar, mit dem eine Haftung nach dem Telemediengesetz begründet wird,

40 vgl. Billmeier in Manssen (Hrsg.) Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar Band 2 (Stand 12/09) § 7 TMG Rn 49; VG Düsseldorf, Urteile vom 29.11.2011 - 27 K 3883/11 und 27 K 5887/10 -.

41 Das Gericht verkennt nicht, dass faktisch der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV (auch im Vergleich zur Eingriffsermächtigung des § 59 Abs. 4 Rundfunkstaatsvertrag) eingeschränkt ist. Dieser Befund kann indes nicht dazu führen, dass die Haftungsregelungen des Telemediengesetzes - systemwidrig - erweiternd ausgelegt werden.

42 2. Die Verfügung kann auch nicht auf die allgemeine Auffangermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV gestützt werden. Nach Satz 1 der genannten Norm hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder aufgrund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Nach Satz 2 kann die zuständige Behörde des jeweiligen Landes die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen.

43
Das oben dargestellte Haftungssystem des Telemediengesetzes und die hieraus resultierende Nichtverantwortlichkeit der Klägerin stehen nach Auffassung der Kammer auch der Heranziehung aufgrund der Auffangermächtigung entgegen. Denn die Wertung des Gesetzgebers im Telemediengesetz, bestimmte Haftungsprivilegierungen vorzunehmen, muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen in der Rechtsordnung auch hier gelten. Dabei kann offen bleiben, wie die "Filterfunktion" des TMG dogmatisch einzuordnen ist,

44
vgl. zum Meinungsstand Billmeier in Manssen (Hrsg.) Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar Band 2 (Stand 12/09) § 7 TMG Rn 6 ff; Schütz, Kommunikationsrecht, 2005 Teil 5 F Rn 645, 645 a.

45
Die Kammer folgt auch nicht der Auffassung des beklagten Landes, wonach sich die Verantwortlichkeit und die Störereigenschaft jedenfalls aus der entsprechenden Anwendung der im Zivilrecht herausgearbeiteten Haftungsgrundsätze ableiten lassen. Der zivilrechtliche Störerbegriff entspricht nicht dem ordnungsrechtlichen: Im Ordnungsrecht wird eine wertende Zurechnung von Gefahren vorgenommen, wobei nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung darauf abgestellt wird, ob mit einem Verhalten die ordnungsrechtliche Gefahrengrenze überschritten wird,

46
vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.0.2008 - 7 B 12.08 - und vom 12.04.2006 - 7 B 30.06 -, OVG NRW, Beschluss vom 11.04.2007 - 7 A 678/07 -, jeweils Juris; Denninger, in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage 2007, Kapitel E, Rn 77.

47 Demgegenüber knüpft das Zivilrecht, das die Rechtsfigur des Nichtstörers nicht kennt, weitaus weitreichender an die bloße Mitverursachung im Sinne einer willentlichen und adäquaten Kausalität an,

48
vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2001 - I ZR 22/99 -, LG Hamburg, Urteil vom 12.11.2008 - 308 O 548/08 -, Rn 26, jeweils Juris; Billmeier in Manssen (Hrsg.) Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar Band 2 (Stand 12/09) § 7 TMG Rn 148 ff, m.w.N.

49 Die zivilrechtlichen Grundsätze sind somit nach Auffassung des Gerichts nicht im Rahmen der ordnungsrechtlichen Heranziehung übertragbar,

50
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteile vom 29.11.2011 - 27 K 3883/11 und 27 K 5887/10 -.

51 3. Schließlich kann die Klägerin auch nicht rechtmäßig als Nichtstörerin nach § 19 OBG NRW zur Beseitigung der Gefahren durch das unerlaubte Glücksspielangebot der Anbieter "bwin" und "tipp.24" herangezogen werden. Zwar kommt grundsätzlich eine Inanspruchnahme eines Diensteanbieters als Nichtstörer in Betracht. Die Erwägungen zum Entschließungsermessen in der Verfügung tragen eine solche Inanspruchnahme in der hier zur Entscheidung stehenden Konstellation jedoch nicht.
53 Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob bereits die Tatbestandsvoraussetzung einer erheblichen Gefahr vorliegt. Anders als der allgemeine Gefahrenbegriff, der den Schutz der Rechtsordnung als Ganzes umfasst, muss sich bei der Inanspruchnahme eines Nichtstörers die den Eingriff rechtfertigende Gefahr auf ein qualifiziertes Rechtsgut wie etwa Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit oder nicht unbedeutende Vermögenswerte beziehen,

54
vgl. Denninger, in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage 2007, Kapitel E, Rn 61; Tegtmeyer/Vahle, Polizeigesetz NRW, 10. Aufl. 2010, § 8 Rn 14.

55
Die Verfügung zielt auf die Bekämpfung des unerlaubten Glücksspiels und dient damit letztlich unter anderem dem Schutz vor Spielsucht. Geschützte Rechtsgüter sind somit auch die Gesundheit der suchtgefährdeten oder von der Spielsucht betroffenen Spieler sowie deren Vermögen.

56
Ihrer Begründung nach (vgl. S. 4 und 5) nimmt die Ordnungsverfügung allerdings primär die Unterbindung des unerlaubten Glücksspieles in den Blick. Dies berührt in erster Linie den Aspekt der Wahrung der Rechtsordnung.

57 Für die Annahme einer erheblichen Gefahr in dieser Konstellation: OVG NRW, Beschluss vom 26.01.2010 - 13 B 760/09 -, Juris (Rn 16).

58 Offen bleiben kann auch, inwieweit der Grundsatz der Subsidiarität der Inanspruchnahme des Nichtstörers gewahrt ist. Insoweit fehlt es in der Verfügung an Darlegungen, welche Maßnahmen gegen die Störer "bwin" und "tipp.24" ergriffen worden sind. Auch der Verwaltungsvorgang verhält sich hierzu nicht. Das Gericht geht allerdings davon aus, dass es ich eher um ein Darlegungs- als um ein Handlungsdefizit handeln dürfte.

59
Ferner muss das Gericht nicht entscheiden, inwieweit die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses einer Inanspruchnahme der Klägerin entgegensteht,

60
vgl. zum Schutz personenbezogener Daten: EuGH, Urteil vom 24.11.2011 Scarlet Extended (Rs. C-70/10), Juris, wonach die Anordnung an einen Provider, ein Filtersystem einzurichten wegen der damit verbundenen Erfassung von IP-Adressen auch die Grundrechte der Kunden auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten betreffe.

61
Die Inanspruchnahme erweist sich jedenfalls als ermessenswidrig und unverhältnismäßig im engeren Sinn, weil die Heranziehung der Klägerin und (lediglich) eines weiteren Anbieters gegen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 3 und Art. 12 GG verstößt. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat kein schlüssiges Gesamtkonzept vorgelegt, nach dem gleichmäßig gegen die anderen, in Nordrhein-Westfalen ansässigen Access-Provider vorgegangen wird. Vor dem Hintergrund des starken Wettbewerbs auf dem Telekommunikationsmarkt stellt die selektive Heranziehung der beiden größten Anbieter einen wettbewerbsverzerrenden Eingriff in das Marktgeschehen dar und schmälert die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Klägerin. Insofern besteht die Besorgnis, dass die Kunden der Klägerin zu einem anderen Anbieter wechseln, der einen "unzensierten" Internetzugang anbieten kann. Ebenso ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass es für die Klägerin schwerer wird, neue Kunden an sich zu binden. Dies gilt erst recht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass über den Glücksspielbereich hinaus die Klägerin allein wegen ihrer Größe und ihrer Position auf dem Telekommunikationsmarkt auch in anderen Bereichen stets damit rechnen müsste, unter dem Aspekt der Effektivität vorrangig zur Gefahrenabwehr herangezogen zu werden.

62
Bei der Betätigung ihres Entschließungsermessens hätte die Bezirksregierung Düsseldorf zudem berücksichtigen müssen, dass mit der Möglichkeit des Anbieterwechsels auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne in Frage gestellt ist. Wenngleich die Maßnahme ihre Eignung zur Gefahrenabwehr nicht dadurch verliert, dass sie umgangen werden kann (sei es durch Anbieterwechsel, sei es durch entsprechende Konfiguration des Computers),

63
vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 19.03.2003 - 8 B 2567/02 -, Rn 68 ff und Beschluss der Kammer vom 07.02.2003 - 6 L 2495/02 - Rn 18, jeweils Juris,

64 so schlägt der Aspekt der Umgehungsmöglichkeit im Rahmen der Abwägung zwischen den Wirkungen der Anordnungen und der Beeinträchtigungen für den herangezogenen Nichtstörer durch.

65
Schließlich ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass es sich bei der Sperrungsanordnung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt. Der Verfügung ist nicht mit der einmaligen Einrichtung der Sperre Genüge getan, sondern es bedarf der Beibehaltung und Anpassung der Programmierung bei Änderungen in der Konfiguration des Servers. Bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung muss die erlassende Behörde die Rechtmäßigkeit ihrer Verfügung fortlaufend überwachen. Hier bestand Anlass dazu, die Rechtmäßigkeit der Verfügung vor dem Hintergrund der anstehenden Änderungen im Glücksspielrecht zu überprüfen. Zwar ist Rechtsgrundlage für die Prüfung der Glücksspielstaatsvertrag in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung. Gleichwohl darf im Rahmen der Ermessenserwägungen nicht außer Betracht gelassen werden, dass nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag der Glücksspielmarkt liberalisiert wird und fortan auch die Veranstaltung von Sportwetten im Internet unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein wird. Aus diesem Grunde hätte es Erwägungen dazu bedurft, dass die Verfügung trotz der anstehenden Änderungen (weiterhin) notwendig ist, um erhebliche Gefahren abzuwehren, indem etwa dargelegt worden wäre, dass die von dem unerlaubten Glücksspiel ausgehenden Gefahren um ein Vielfaches schwerer wiegen, als die von einem künftig möglichen konzessionierten Internetglücksspiel ausgehenden Gefahren.

66
Vgl. zum Aspekt der Rechtsänderung auch VG Düsseldorf, Urteile vom 29.11.2011 - 27 K 3883/11 und 27 K 5887/10 -.

67
Mithin erweist sich die Sperrungsanordnung nebst Fristsetzung als rechtswidrig. 68 Auf die übrigen von den Beteiligten unterschiedlich bewerteten Aspekte, etwa die Kohärenz des Internetverbotes und die Beeinträchtigung Dritter durch die Internetsperre, kommt es mithin nicht mehr an. 69 II. Aus der Rechtswidrigkeit von Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung folgt zugleich die Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der Verfügung sowie die Gebührenfestsetzung in Ziffer 4. Denn infolge der Aufhebung der Grundverfügung entfällt die Grundlage für die Androhung der Vollstreckung dieser Verfügung mittels Zwangsmitteln. Auch die Erhebung einer Verwaltungsgebühr setzt die Rechtmäßigkeit der gebührenauslösenden Amtshandlung voraus. 70B. Die Rechtswidrigkeit der das Bundesland Nordrhein-Westfalen betreffenden Regelungen hat zugleich die Rechtswidrigkeit der unter Buchstabe "B." der Verfügung vorgenommenen Erstreckung auf die Bundesländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt zur Folge. 71 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 72 Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Frage der Zulässigkeit der Inanspruchnahme von Access-Providern zur Unterbindung des Glücksspielangebotes im Internet ist bisher nicht obergerichtlich entschieden.

Quelle