Dienstag, 31. Januar 2012

Glücksspiele – unterschiedlich riskant

Jede Art von Glücksspiel kann zur Sucht werden. Dennoch gehen von den verschiedenen Glücksspielarten jeweils unterschiedliche Gefährdungspotenziale aus. So gibt es zwar beispielsweise süchtige Lottospieler und -spielerinnen – das von Lotterien ausgehende Suchtrisiko ist jedoch im Vergleich zu anderen Glücksspielen deutlich geringer. Das Gefährdungspotenzial von Geldspielautomaten ist dagegen ungleich höher. So sind beispielsweise ungefähr 73 Prozent der Menschen, die wegen ihres Spielverhaltens eine Suchtberatungsstelle aufsuchen, Automatenspieler bzw. -spielerinnen.

Das hohe Gefahrenpotenzial von Geldspielautomaten konnte auch statistisch belegt werden (z.B. Page-Studie). So ist das Risiko von pathologischem – also süchtigem – Spielen bei Nutzern bzw. Nutzerinnen von Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten gegenüber anderen Glücksspielarten um das 6,3-fache erhöht. Bei Poker liegt dieser Faktor bei 5,0, bei Sportwetten (außer Pferdewetten) bei 4,7 und bei Glücksspielautomaten in Spielbanken / Kasinos (Kleines Spiel) bei 4,1 (jeweils im Vergleich zu anderen Glücksspielarten).

Die folgenden Bewertungsfaktoren helfen, das Gefährdungspotenzial der verschiedenen Glücksspielarten einzuschätzen. Dabei ist entscheidend, welche Faktoren auf die Glücksspielart zutreffen und wie ausgeprägt diese jeweils sind. In der Rubrik Glücksspiele werden die einzelnen Glücksspiele in kurzen Steckbriefen vorgestellt und ihr Gefährdungspotenzial auch auf Basis dieser Faktoren eingeordnet:

Faktor 1: Schnelle Abfolge von Spielen bzw. Ereignissen
Eine schnelle Spielabfolge sorgt für einen besonderen Nervenkitzel beim Spielen. Wenn der Spielausgang in Sekundenschnelle fest steht geraten Verluste schnell aus dem Blickfeld. Denn auch die Aussicht auf das nächste Spiel und damit die nächste Gewinnmöglichkeit ist nur wenige Sekunden entfernt. Wer sich auf die „Jagd“ nach dem nächsten Gewinn einlässt, hat in der Regel bereits Automatisch verloren!

Faktor 2: Kurzes Auszahlungsintervall
Bei einem kurzen zeitlichen Abstand zwischen Spielbeginn und -ende – und damit der Auszahlung des Gewinns – ist das gewonnene Geld (bzw. der Gegenwert in Jetons) schnell verfügbar und wird von vielen Spielern und Spielerinnen direkt wieder eingesetzt.

Bei Automatenspielen wird die gewonnene Summe beispielsweise sofort ausgezahlt. Bei einem Lotteriespiel liegt dagegen meist ein längerer Zeitraum zwischen dem Beginn des Spiels und der Verfügbarkeit der Gewinnsumme. Auch ein kurzes Auszahlungsintervall heizt die „Jagd“ nach dem nächsten Gewinn an und trägt damit zum Suchtpotenzial eines Glücksspiels bei.

Faktor 3: Aktive Rolle der Spielenden
Wenn Spieler bzw. Spielerinnen aktiv in das Glücksspiel einbezogen werden – zum Beispiel durch die Betätigung von Stopp- oder Risiko-Tasten oder die Spielzüge beim Kartenspiel –wird dadurch eine Beeinflussungsmöglichkeit des Spielausgangs suggeriert. Fakt ist jedoch: Der Ausgang eines Glücksspiels hängt größtenteils oder sogar ausschließlich vom Glück – also dem Zufall – ab. Das gilt auch für Glücksspielarten, bei denen Informationen oder ein bestimmtes Vorwissen die Gewinnchancen tatsächlich erhöhen können (Sportwetten, Börsenspekulationen).

Gerade solche realen Beeinflussungsmöglichkeiten erhöhen das Suchtpotenzial von Glücksspielen. Denn die eigenen Spielfertigkeiten werden von vielen Menschen überschätzt oder aber die Ereignisse entwickeln sich anders als es wahrscheinlich ist, z.B. der Tabellenletzte gewinnt gegen den Tabellenführer.

Faktor 4: Sogenannte „Fast-Gewinne“
Wenn beim Automatenspiel zum Beispiel zwei statt der für einen Gewinn erforderlichen drei Symbole angezeigt werden oder die Roulettekugel direkt neben der Nachbarzahl des eigenen Tipps liegen bleibt, werden diese Ereignisse von vielen Spielern bzw. Spielerinnen nicht als Verlust, sondern als „Fast-Gewinn“ wahrgenommen. Dadurch steigt bei einigen die Hoffnung, dass sich bei einem der nächsten Spiele ein echter Gewinn einstellt. Eine solche Annahme ist grundsätzlich falsch, denn ein vergangenes Spielergebnis (der „Fast-Gewinn“) hat keinerlei Einfluss auf den Ausgang eines zukünftigen Spiels.

Faktor 5: Die Höhe des Gewinns
Die mögliche Gewinnsumme ist ebenfalls ein Faktor für die Bewertung des Gefährdungspotenzials eines Glücksspiels. Als Beispiele sind der Jackpot beim Lotto oder die hohen Gewinnsummen in Spielkasinos zu nennen.

Faktor 6: Die Art des Spieleinsatzes
Bei kleineren Geldbeträgen, Jetons oder Zahlmöglichkeiten per Kreditkarten geht schnell der Überblick über die verspielten Summen verloren. Insofern trägt auch die Form des Spieleinsatzes zum Sucht- bzw. Gefährdungspotenzial eines Glücksspiels bei.

Faktor 7: Die Verfügbarkeit des Glücksspiels
Viele Glücksspielarten sind für die Spielenden leicht erreichbar, etwa Glücksspiele im Internet oder Geldspielautomaten in Gaststätten und Spielhallen. Für Menschen mit problematischem Spielverhalten stellt die hohe Verfügbarkeit ihres Glücksspiels eine ständige Herausforderung dar, dem Spieldrang nicht zu folgen. Bei Glücksspielsüchtigen werden die Spielorte, zum Beispiel die Stammkneipe oder die Spielhalle um die Ecke, zu sogenannten „auslösenden Reizen“, die die Lust bzw. das Verlangen nach einem Spiel hervorrufen können. Aus diesem Grund wird im Rahmen einer Behandlung besonderes Augenmerk auf einen wirksamen Umgang mit solchen „Schlüsselreizen“ gelegt, um Rückfällen vorzubeugen.
Quelle:

Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V.
Neuer Glücksspielstaatsvertrag vereinbart weiterlesen

UNI Hamburg
Fakultät Wirtschfts- und Sozialwissenschaften
:

Das Gefährdungspotential von Glücksspielen
weiterlesen

Was ist Sucht? vom 20. März 2011

Wissenschaft hinkt der (Internet-) Spielsucht hinterher
Tagung zur Glücksspielsucht-Forschung der Bundesländer – wissenschaftliche Erkenntnisse für Prävention, Hilfe und Politik
Hamburg/Berlin, 2./3./7.2.2.2012. Das deutsche Bundesverfassungsgericht urteilte im Jahr 2006: das Sportwettenmonopol der Bundesländer ist verfassungswidrig. Rechtmäßig wäre es aber bei konsequenter Ausrichtung am Spielerschutz. Seit dem rückte das krankhafte Spielen in den öffentlichen Raum, heißt es im Vorwort zum Programm der zweitägigen Fachtagung in den Hamburger Mozartsälen Anfang Februar 2012. (https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/ fileadmin/ einrichtungen /gluecksspiel/ Newsletter/Newsletter0708.pdf)

Gefördert von der Freien und Handelsstadt Hamburg, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, http://www.hamburg.de/bsg/ präsentierten knapp zwei Dutzend Wissenschaftler/innen ihre Studien und Forschungspläne unter dem Arbeitstitel: „Die Glücksspielsucht-Forschung der Bundesländer – wissenschaftliche Erkenntnisse für Prävention, Hilfe und Politik“ (http://www.zis-hamburg.de/fileadmin/Veranstaltungen/Programm_final.pdf). Etwa 200 geladene Berufsvertreter der Glücksspielsuchtprävention aus unterschiedlichen Institutionen, Landesministerien und Unternehmen hörten zu oder diskutierten mit.

Die Hamburger Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz, Cornelia Prüfer-Storcks, eröffnete am Donnerstag den zweitägigen Kongress. Laut Urteil vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) von 2010 kann das Glücksspielmonopol in Deutschland erhalten bleiben, das sei gut für die Kultur- und die Sportvereine sowie für den präventiven Suchtschutz. Alles Einrichtungen, die mit den staatlichen Einnahmen unterstützt werden, aber der „Widerspruch zur Sportwettenerlaubnis“ bleibe bestehen, so die Hamburger Senatorin Prüfer-Stocks. Beifall im Saal. „Wenigstens werden diese zukünftig besteuert“. weiterlesen

Soziale Kosten des Glücksspiels

Neben den sozialen Kosten des Rauchens sind für uns auch die sozialen Kosten des Glücksspiels von Interesse. Diese werden bislang aufgrund der Rationalitätsannahme der Glücksspieler deutlich unterschätzt. Der "Trick" bei der Rationalitätsannahme ist, dass die privaten Kosten von Individuen bei der Betrachtung der sozialen Kosten außer Acht gelassen werden können, da man davon ausgehen kann, dass bei Ihnen ein korrespondierender Nutzen vorliegt. weiterlesen

Laut Medienberichten sagte der Vorstand des Fachbeirats Glücksspielsucht Jobst Böning am Tage der Anhörung, die sozialen Kosten des Glücksspiels lägen bei 40 Milliarden Euro jährlich.
Martin Reeckmann, Vorstandssprecher des Bundesverbandes privater Spielbanken (BupriS) korrigierte die Zahlen am Rande der Anhörung: "Es sind nur 300 bis 600 Millionen Euro jährlich".

Die Spielsucht ist nicht die teuerste Suchterkrankung, sondern, und das gilt nicht nur in Deutschland, "mit weitem Abstand die Abhängigkeit von Alkohol oder Nikotin".


Bislang existiert in Deutschland nur eine Studie zu den sozialen Kosten des Glücksspiels in Deutschland, die den Standards der Weltgesundheitsbehörde (WHO) entspricht. Sie wurde Anfang 2011 auf Anregung von BupriS von der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim (http://gluecksspiel.uni-hohenheim.de) veröffentlicht. Danach betragen die sozialen Kosten des Glücksspiels in Deutschland für das Jahr 2008 insgesamt 326 Millionen Euro. In den Kosten sind auch die Aufwendungen für den Spielerschutz und für die Glücksspielsuchtprävention enthalten.
Zum Vergleich: Die sozialen Kosten, die der Gesellschaft durch den Tabak- und Alkoholkonsum entstehen, liegen bei 20 bis 50 Milliarden Euro beim Tabakkonsum und bei 20 bis 30 Milliarden Euro beim Alkoholkonsum – und sind damit etwa zweihundertmal größer.

Eine Kurzinformation zu den sozialen Kosten finden Sie hier.

Dissertationen und Habilitationen
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Bayernpartei:
Richard Progl zum Verbot von Online-Spielen
Die Bayernpartei reagiert mit Unverständnis auf die Ankündigung der Bundesdrogenbeauftragten Sabine Bätzing (SPD), ein Verbot beliebter Online-Spiele zu erlassen. Richard Progl, stellvertretender Landesvorsitzender der Bayernpartei dazu im Gespräch mit dem „Freien Bayern“:

Herr Progl, die Drogenbeauftragte will Kinder und Jugendliche von populären Online-Spielen ausschließen. Überrascht Sie dieser Vorstoß?

Nein. Wir sind es ja durchaus gewohnt, daß Frau Bätzing stets in vorderster Reihe steht, wenn es darum geht, den Menschen vor sich selbst zu schützen. Schon beinahe legendär ist ihre Forderung, das Rauchen in Privatautos zu verbieten. Dagegen wäre eine Einschränkung von Online-Spielen angesichts der derzeit in der Politik weit verbreiteten Skepsis gegenüber dem Internet möglicherweise sogar mehrheitsfähig.

Frau Bätzings Amtszeit nähert sich dem Ende. Ihr Urteil darüber?

Sagen wir mal so: Vielleicht sollte der nächste Drogenbeauftragte nicht nur die zerstörerischen Wirkungen der Rauschgiftsucht und des Alkoholismus bekämpfen, sondern auch die des Prohibitionismus – der krankhaften Sucht nach Verboten. weiterlesen

Die Bedeutung der Spielsucht im Glücksspielrecht
September 2005
Spielsucht hat keine messbaren größeren negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung und Gesellschaft als andere verhaltensbedingte, stoffgebundene Süchte wie Arbeitssucht, Computer-/Internetsucht, Esssucht, Kaufsucht, Sexsucht, Sportsucht.

Spielsucht hat ferner keine auch nur annähernd so großen negativen Auswirkungen auf Bevölkerung und Gesellschaft wie der stoffgebundene Konsum von Tabak und Alkoholmissbrauch nicht zu staatlichen Monopolen auf Anbieterseite geführt.

Spielsucht wird von interessierter Seite als einzige Suchtform zur (nachträglichen) Begründung eines staatlichen Monopols herangezogen. (Quelle: S. 22, Reeckmann-Bedeutung der Spielsucht)
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Illegales Glücksspiel im Internet: Experten befürworten legale Angebote mit nicht signifikantem Suchtpotential

Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim
Symposium Glücksspiel 2011
Neueste Entwicklungen zum Glücksspielstaatsvertrag
Programm
PM

Prof. Dr. Gerhard Bühringer, Ludwig Kraus, Birgit Höhne, Heinrich Küfner, Jutta Künzel, Institut für Therapieforschung München
Untersuchung zur Evaluierung der Novelle der Spieleverordnung

Ass. jur. Joachim Brückner, Institut für Rechts- und Sozialwissenschaften, Universität Hohenheim
Kohärenz aus verfassungsrechtlicher Sicht

Prof. Dr. Tilman Becker, Forschungsstelle Glücksspiel, Universität Hohenheim
Soziale Kosten der verschiedenen Formen des
Glücksspiels

Prof. Dr. Frank Peters, Richter OLG i. R. Hamburg
Ermächtigungsgrundlage der Spielverordnung und
Zulassungspraxis durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)

Dipl.-Kfm. Ingo Fiedler, Institut für Recht der Wirtschaft, Universität Hamburg
Online-Poker in Deutschland

Prof. Dr. Jörg Ennuschat, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Universität Konstanz
Wie sind Online-Spielhallen rechtlich einzuordnen?

Prof. Dr. Joachim Englisch, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Steuerrecht, Universität Münster
Rechtliche Rahmenbedingungen für die Besteuerung von Online-Glücksspielen

Prof. Dr. Holger Kahle, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere betriebswirtschaftliche Steuerlehre und Prüfungswesen, Universität Hohenheim
Probleme bei der Besteuerung von Sportwetten

Dr. Norman Albers, Vorstandssprecher des Deutschen Buchmacher Verbands e. V.
Grundzüge der Besteuerung von Sportwetten aus Sicht der Praxis

Prof. Jörg Häfeli, Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Individualisierter Schutz als Grundlage einer spielerzentrierten Regulierung des Glücksspielsektors

zuletzt aktualisiert: 28.03.2012