Sonntag, 15. Januar 2012

BayVGH: Untersagung rechtswidrig

von Volker Stiny

Lange haben die Bayerischen Behörden, Ministerien und Gerichte die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mißachtet und sich gesträubt anzuerkennen, dass auch in Bayern Europäisches Recht zu befolgen ist. Mit den Urteilen vom 12.1.2012 folgte nun auch der BayVGH der Rechtsprechung des EuGH. s. 10 BV 10.2505 u.a. Rn. 66 (vgl. EuGH vom 6.3.2007 Rs. C-338/04 u.a. - M. Placanica u.a. - RdNrn. 69 f. sowie vom 15.9.2011 Rs. C-347/09 RdNr. 32) sowie dem Kohärenzerfordernis (gem. Gambelli 2003 s.u. / Hartlauer, C-169/07, Slg. 2009, I-0000, Rn.55 vom 10. März 2009)

Der Europarechtler, Prof. Dr. Koenig führte bereits 2010 aus:
Die Aufsichtsbehörden der Länder dürfen gegen nicht zugelassene Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten, deren Angebot in Deutschland die nicht zulassungsgebundenen Rechts- und Schutzvorschriften einhält, keine – auf die fehlende Zulassung gestützten – Sanktionen, wie insbesondere sofort vollziehbare Untersagungsverfügungen, erlassen. Viel klarer als noch zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung in der Rechtssache Placanica im Jahr 2007 muss nun mit Verkündung der Urteile am 8. September 2010 von der Unionsrechtswidrigkeit des Zulassungsausschlusses ausgegangen werden. Damit wird das Placanica-Gebot des unmittelbaren und praktisch wirksamen Sanktionsschutzes für unionsrechtswidrig von einer Zulassung ausgeschlossene Anbieter mit der Urteilsverkündung am 8. September 2010 erheblich verstärkt.

Kohärente und systematische Beschränkung der Spieltätigkeit
Mitgliedstaatliche Beschränkungen müssen dem Ziel dienen, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern. Und sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung dieses Ziels dadurch zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Glücksspieltätigkeiten beitragen. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es auf die Kohärenz der mitgliedsstaatlichen Glücksspielpolitik insgesamt an, nicht nur auf die Politik im Bereich Sportwetten oder in anderen Einzelbereichen (EuGH, Rs. C-243/01, Urt. v. 06.11.2003, EuGHE 2003, I-13076, Rn. 69 – Gambelli). Dies ist auch Grundlage des Mahnschreibens der europäischen Kommission vom 04. April 2006. Quelle: Rechtsgutachten

Aus unionsrechtlicher Sicht muss ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit wirklich geeignet sein, die gesetzgeberischen Zielvorgaben kohärent zu erreichen. (vgl. Plancanica u.a. Rn. 58)

Der Präsident der EU-Kommission, Barroso wies am 18.01.2012 darauf hin, dass es nicht nur um die Buchstaben der europäischen Gesetze gehe, sondern auch um deren "Geist".

Die Verwaltung und die Gerichte stützen sich über Jahre, auf das fehlerhafte Urteil des Bay. Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) zum alten Recht, vom 18.12.2008 (Az. 10 BV 07.558 RdNrn. 108 f.) das erst am 24.11.2010, Az.: 8 C 15/09 durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) aufgehoben wurde. Das BVerwG hat darin entsprechend der EuGH-Vorgabe verbindlich bestätigt, dass eine Begrenzung des Glücksspiels nur durch eine widerspruchsfreie Regulierung zulässig ist, die alle Regulierungsstufen und den gesamten Glücksspielmarkt umfassen muss. Die Gültigkeit des GlüStV wurde von der Einhaltung der Gesamtkohärenz abhängig gemacht.

Der BayVGH hat nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2010 am 21.3.2011 (Az. 10 AS 10.2499) mit seiner Grundsatz-Entscheidung die Unionsrechtswidrigkeit festgestellt, hielt aber entgegen der Placanica-Entscheidung (verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, S. I-1932, Rz. 63) des EuGH, am Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Glücksspielstaatsvertrag, fest.

Unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts widersprach dann das BVerwG (8 C 2.10) am 1. Juni 2011 der bayerischen Rechtsauslegung erneut und entschied, dass Untersagungsverfügungen nicht pauschal auf eine fehlende Erlaubnis gestützt werden können und eine Untersagung nicht unabhängig von der Wirksamkeit des Wettmonopols rechtmäßig sein kann. (vgl. u.a. 8 C 15.09, Rn. 60 f. und 8 C 14.09, Rn. 61 f. v. 24.11.2010)

Ein Verbot kann also nicht am Erlaubnisvorbehalt festgemacht werden, wenn das zugrunde liegende Gesetz (GlüStV) von Anfang an keine Rechtskraft entwickeln konnte, da es rechtswidrig ist. Ein insoweit gegebener Verfassungs- und/oder Gemeinschaftsrechtsverstoß führt zur Rechtswidrigkeit der Verfügung. Zum anderen kämen im Zweifel zunächst Nebenbestimmungen in Betracht.

Am 25.08.2011 (Az.: 10 BV 10.1176) hat der BayVGH dann erneut durchentschieden und wie zuvor das VG München auch für 50-Cent Spiele ein eigenständiges Internetverbot behauptet: "Auch 50-Cent-Sportwetten unterfallen dem Internetverbot des GlüStV"
Die über einen Telefonanruf zu bezahlenden Sportwetten, sind als Glücksspiele im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) einzuordnen und im Internet unzulässig (Urt. v. 25.08.2011, Az. 10 BV 10.1176). (Urteilssammlung)

Nach den Ausführungen des BGH (Urteil, Az.: I ZR 93/10, vom 28.09.2011) sind - entgegen der rechtskräftigen Entscheidung des BayVGH vom 25. August 2011 - zufallsabhängige 50-Cent-Gewinnspiele keine verbotenen Glücksspiele, sondern harmlose Unterhaltungsspiele. Rn.: 66: "Teilnahmeentgelte von höchstens 0,50 € sind glücksspielrechtlich unerheblich"

Der BayVGH folgte nicht den Vorgaben des EuGH und stützte seine Entscheidung auf die des BVerwG vom 01.06.2011, wobei die Rechtsprechung des EuGH Carmen Media Group (C-46/08, Rn 100) vom 8. September 2010 sowie die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, Zeturf und Dickinger/Ömer – nach denen ein pauschales Internetverbot dem europäisches Unionsrecht entgegen steht, unberücksichtigt blieb.

Erst wenn bewiesen wird, dass die Nutzung des Internets die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren "verstärkt", dürfe, nach der Rechtsprechung des EuGH eine Ausschließlichkeitsregelung erlassen und damit die Veranstaltung und Werbung im Internet unterbunden werden. Die deutsche Rechtsprechung muss sich an die Vorgaben des EuGH halten und den konkreten - empirischen - Beweis antreten, dass die vermeintlichen Gefahren real existieren und nicht nur ins Blaue hinein behauptet werden. (vgl. u.a. EuGH-Urteil vom 30. Juni 2011 - Zeturf C-212/08, Rn 81) Mit der Dickinger Ömer - Entscheidung (Rs C-347/09 vom 15.09.2011) knüpft der EuGH nahtlos an die Zeturf-Entscheidung an, in der das Internet als einen von mehreren Vertriebskanälen angesehen wurde. Das Internet muss wie der stationäre Vertrieb behandelt werden, besondere Auflagen, die nur im Online-Bereich gelten, sind nicht zulässig.

Aus meiner Sicht war es auch dem BayVGH verwehrt durchzuentscheiden – er war verpflichtet die Frage eines "eigenständigen Internetverbots -für Telefongewinnspiele-" entweder dem EuGH vorzulegen oder den Entscheidungen Carmen Media Group, Zeturf und Dickinger/Ömer zu folgen.

Auch der BayVGH war verpflichtet, sich an die Vorgaben des EuGH zu halten. Er konnte allenfalls das Verfahren aussetzen und die Frage eines "eigenständigen Internetverbots" entspr. der Vorlageverpflichtung nach Art. 267 AEUV (ehemals Art. 234 III des EG-Vertrags) dem EuGH vorlegen.

Stattdessen hat er erneut eine vom EuGH abweichende und somit gemeinschaftsrechtswidrige Auslegung gefunden, indem vom Grundsatz abgewichen wurde, dass der Glücksspielmarkt eine Gesamtkohärenz aufweisen muss.

Dies steht seit den Urteilen des EuGH vom 8. September 2010 fest, sodass sich eine abweichende Beurteilung verbietet. (vgl. hierzu zuletzt die Entscheidungen des EuGH, Zeturf Rs C-212/08 Rn 74, Rn 75, Rn 81, Rn 83 vom 30. Juni 2011 und Dickinger, Rs C-347/09 Rn 32, Rn 41 vom 15. September 2011, mit denen der EuGH feststellte, dass in einer unterschiedlichen Behandlung von Glücksspielen im Internet und in herkömmlichen Vertriebskanälen eine europarechtliche Inkohärenz gesehen wird).

Alle mitgliedstaatlichen Organe sind verpflichtet, den Anwendungsvorrang des Unionsrechts praktisch wirksam ("effet utile") in vollem Umfang zu realisieren. (vgl. Winner-Wetten Rs. C-409/06 u.a. Rn 53ff und Rn 61 ff.; Stoß C-316/07)

Alle Versuche den Rechtsbefehl aus den EuGH-Entscheidungen zu unterlaufen sind somit eindeutig rechtswidrig!

Zu einer eigenen Entscheidung über die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht sind nationale Behörden und Gerichte - gleich welcher Instanz - und somit auch die Aufsichtsbehörde Mittelfranken, nicht befugt. EuGH 22.10.1987, Rs 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199. s.u.a. EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 (AZ: C-119/05) Das VG Arnsberg (Az.: 1 L 700/10) spricht in seinem Urteil vom 15.10.2010 sogar von einer Missachtung des europäischen Anwendungsvorranges. (s.u.)

Nationale Gerichte dürfen sich nach dem Richterspruch nicht über EU-Recht hinwegsetzen und müssen gegebenenfalls heimische Gesetze und Vorschriften außer acht lassen (AZ: C-119/05). Der EuGH unterstrich, dass nationale Gerichte zwar das Recht hätten, die Gültigkeit von Rechtsakten der EU prüfen zu lassen.
Sie seien aber nicht befugt, deren Ungültigkeit selbst festzustellen.

Nur mit der Einhaltung der Vorgaben des EuGH wird gewährleistet, dass Europarecht in allen EU-Ländern einheitlich ausgelegt wird. Damit wahrt der Gerichtshof auch die Grundrechte des Bürgers gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft und schützt ihn gegen Missbrauch.

Steht eine rangniedere Norm im Widerspruch zu einer ranghöheren Norm des nationalen Rechts, so ist die rangniedere Norm aufgrund des Geltungsvorrangs der ranghöheren Norm grundsätzlich nichtig bzw. ist eine dem EU-Recht widersprechende deutsche Rechtsvorschrift nicht anwendbar (sog. Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht). EUGH NVwZ 1990, 649 (650), Ehlers in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht § 2 Rn. 127)

Wie die Verwaltung hat sich auch die Justiz an das Gesetz zu halten, also der Verfassung und der Grundrechtecharta der EU, Geltung zu verschaffen. Der Art. 234 Abs. 3 EG soll verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2005 - C-495/03 -, Rn. 29). BVerfG, 1 BvR 230/09 vom 25.2.2010, Rn 20)

Es kann nämlich nicht zugelassen werden, dass Vorschriften des nationalen Rechts, auch wenn sie Verfassungsrang haben, die einheitliche Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft, 11/70, Slg. 1970, 1125, Randnr. 3, Winner-Wetten Rs C-409/06 Rn 61

Nach ständiger Rechtsprechung ist zudem jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Unionsnorm ergangen ist, unangewandt lässt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Simmenthal, Randnrn. 16 und 21, und Factortame u. a., Randnr. 19).

Als Primärrecht ist das Gemeinschaftsrecht in einer gemeinschaftsrechtsfreundlichen Auslegung umzusetzen.

Demnach ist jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder Gerichtspraxis, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Unionsrechts führen würde, dass dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beiseitezulassen, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der unmittelbar geltenden Normen des Unionsrechts bilden, mit den in der Natur des Unionsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar (Urteile Simmenthal, Randnr. 22, und Factortame u. a., Randnr. 20).

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass dies insbesondere dann der Fall wäre, wenn bei einem Widerspruch zwischen einer unionsrechtlichen Bestimmung und einem späteren nationalen Gesetz die Lösung dieses Normenkonflikts einem über ein eigenes Ermessen verfügenden anderen Organs als dem Gericht, das für die Anwendung des Unionsrechts zu sorgen hat, vorbehalten wäre, selbst wenn das daraus resultierende Hindernis für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts nur vorübergehender Art wäre (Urteil Simmenthal, Randnr. 23, Winner-Wetten Rs C-409/06 Rn 53ff)

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des effektiven, gerichtlichen Rechtsschutzes nach ständiger Rechtsprechung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, in den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist. Auch in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird bekräftigt, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten insoweit in Anwendung des in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit den Schutz der Rechte zu gewährleisten haben, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen. (Urteil vom 13. März 2007, Unibet, C 432/05, Slg. 2007, I 2271, Randnrn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, vgl. Winner-Wetten Rs C-409/06 Rn 58)

Der EuGH hat in den verbundenen Rechtssachen Markus Stoß u. a. (C 316/07, C 358/07 – C 360/07, C 409/07 und C 410/07 vom 08.09.2010) festgestellt, dass das in Deutschland bestehende staatliche Glücksspielmonopol auf die in seiner derzeitigen Ausprägung nicht geeignet sei, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Zieles der Spielsuchtbekämpfung zu gewährleisten. Damit fehle dem staatlichen Monopol die Grundvoraussetzung für die Beschränkung der Dienst- und Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 43 und 49 EG, da das für diese Beschränkung erforderliche, überragende Allgemeinwohlinteresse, eben die Spielsuchtbekämpfung, nicht nachhaltig verfolgt werde. http://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/

Bereits am 7. Juli 2008 begründet das VG Berlin sein Urteil auf 113 Seiten. (Az. VG 35 A 167.08) mehr Das VG Berlin bestätigte am 16.11.2009 ( Az. VG 35 L 460.09) die Verfassungswidrigkeit des "sog. staatlichen Sportwettenmonopols." Am 15. September 2010 entschied das VG Berlin erneut, dass die Regelung im GlüStV zum Erlaubnisvorbehalt rechtswidrig ist und es seine ständige Rechtsprechung durch die Urteile des EuGH vom 08. September 2010 bestätigt sieht. Denn die Untersagungsverfügung darf "nicht auf die Nichterfüllung der Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV (und damit die Unerlaubtheit des Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV) gestützt werden, da diese Erlaubnispflicht in der erforderlichen Zusammenschau mit § 5 S. 1 AG GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV und dem dort konstituierten Sportwettenmonopol des Landes Berlin gegen höherrangiges (Verfassungs- und Unions-)Recht verstößt." weitere Urteile des VG Berlin

Das Verwaltungsgericht Arnsberg Beschluss vom 15.10.2010 (Az.: 1 L 700/10) führt aus, dass aufgrund des Verstoßes gegen höherrangiges Unionsrecht das nationale Recht unangewendet bleiben muss. Ausdrücklich bewertet das Gericht die Ansicht des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK) aus dem Erlass vom 27.09.2010, die "zentralen Verbote des GlüStV für unerlaubtes Glücksspiel" gälten nach der Entscheidung des EuGH vom 08.09.2010 weiterhin fort und "lediglich § 10 Abs. 5 GlüStV" –der Ausschluss von privaten Glücksspielanbietern- stehe "unter dem Vorbehalt einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung" mit der Folge, dass gegebenenfalls "privaten Veranstaltern und Vermittlern bislang nicht erlaubter öffentlicher Glücksspiele ein glücksspielrechtliches Erlaubnisverfahren offen steht" als "ersichtliche" Missachtung des europäischen Anwendungsvorranges. "Denn solange ein Verfahren zur Erlaubnisvergabe, das den Anforderungen aus der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 und 56 AEUV (…) entspricht, nationalrechtlich (noch) nicht kodifiziert ist, kann eine fehlende Erlaubnis nicht zum Anlass genommen werden, Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die nach dem gegenwärtigen Verfahrensrecht europarechtswidrig von der Erlaubnisvergabe ausgeschlossen sind (S. 11 des Beschlusses).
Mit Beschluss vom 07.02.2011 (Az.: 13 O 119/06) entschied das LG Wiesbaden: Keine Verhängung von Zwangsgeldern aus unionsrechtswidrigem Urteil weiterlesen

Mit der Costa u.a. Entscheidung des EuGH (Rs. C-72 und C 77/10) wird erneut die unzulässige Konzessionsvergabe gerügt und eine Verletzung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowie des Gleichbehandlungs- und Effektivitätsgrundsatzes festgestellt.
Entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der EuGH erneut fest, dass strafrechtliche Sanktionen nicht verhängt werden dürfen. Dies gelte auch nach der Neuausschreibung zur Behebung des bisherigen Unionsrechtsverstoßes, soweit diese Ausschreibung und die Vergabe neuer Konzessionen den rechtswidrigen Ausschluss von der früheren Ausschreibung nicht wirksam behoben habe.
Rn 54. In diesem Kontext ist daran zu erinnern, dass die öffentlichen Stellen, die Konzessionen auf dem Gebiet der Glücksspiele vergeben, die Grundregeln der Verträge, insbesondere die Art. 43 EG und 49 EG, sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot zu beachten haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange, C 203/08, Slg. 2010, I 4695, Randnr. 39, sowie vom 9. September 2010, Engelmann, C 64/08, Slg. 2010, I 0000, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung) .

Mit Verweis auf die bisherige EuGH-Rechtsprechung (vgl. u.a. Engelmann, Zenatti, Gambelli und Placanica sowie das Vertragsverletzungsverfahren Kommission/Italien, Rs. C-260/04) muss die Konzessionsvergabe transparent sein, d.h. "auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden". Eine Vergabe "unter der Hand" ist unzulässig. Für die rechtswidrig von der Konzessionsvergabe ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer muß es einen effektiven Rechtsschutz geben. (Rn. 51). Dieser dürfe nicht weniger günstig ausgestaltet sein als für entsprechende Sachverhalte innerstaatlicher Art (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Den bisherigen Konzessionsinhabern, die sich auf dem Markt bereits etablieren konnten, dürften daher keine zusätzlichen Wettbewerbsvorteile eingeräumt werden (Rn. 53). Ansonsten werde der rechtswidrige Ausschluss aufrechterhalten und verstärkt. Dies stelle eine weitere Verletzung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit dar und verstoße gegen den Gleichbehandlungs- und Effektivitätsgrundsatz.

Demnach war bereits die Konzessionsvergabe an die staatlichen Lottogesellschaften unzulässig und mit dem GlüÄndStV wird erneut nicht den Anforderungen des Unionsrechts gefolgt. (vgl.u.a. EuGH: Costa/Engelmann)

Es ist deshalb eine geradezu groteske Verdrehung der Tatsachen, wenn die Erläuterungen der Länder zu ihrem 1.GlüÄndStV davon sprechen, der Glückspielstaatsvertrag sei in seinen Zielen und Einzelregelungen von der Rechtsprechung gebilligt worden (Erläuterungen vom 13.10.2011 A I. 2. ). Vom EuGH über das Bundesverwaltungsgericht und die Oberverwaltungsgerichte ist inzwischen das glatte Gegenteil der Fall.

Ebenso absurd ist es, wenn der Evaluierungsbericht davon spricht, dass die Vorschriften des GlüStV sich "im Wesentlichen bewährt haben". Auch insoweit hat die von den Ländern durchgeführte Anhörung gerade in Bezug auf Sportwetten den Befund eines Totalversagens der Regulierung ergeben.

Weitere Urteile zum Erlaubnisvorbehalt

Mehr zur Rechtsstaatlichkeit im Glücksspielwesen

Erst mit den Urteilen vom 12. Januar 2012 (Az. 10 BV 10.2271 und 10 BV 10.2505) werden die Entscheidungen des EuGH zum Erlaubnisvorbehalt auch in Bayern, durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, befolgt.

Die Europäische Kommission hatte bereits in mehreren Schreiben in den Jahren 2007 und 2008 den Glückspielstaatsvertrag abgelehnt und ein Vertragsverletzungsverfahren angedroht. Das Kohärenzerfordernis wurde lange von Deutschland ignoriert. Die Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrages wurde bereits in den Jahren 2008 durch eine Vielzahl deutscher Verwaltungsgerichte bestätigt. weiterlesen

update vom 13.3.2012:
Dem Urteil des BayVGH (10 BV 10.2665 / M 22 K 07.3782) vom 24. Januar 2012 kann unter Punkt 1.2.4.1. auf Seite 15 wie folgt entnommen werden:

Denn die Wahrung des Unionsrechts ist nicht nur Aufgabe der nationalen Gerichte. Vielmehr verpflichtet der (Anwendungs-) Vorrang des Unionsrechts neben den nationalen Gerichten auch die Behörden dazu, entgegenstehendes nationales Recht von sich aus unangewendet zu lassen: damit haben die Behörden - wie die damit befassten Gerichte - nicht nur die "Verwerfungskompetenz", sondern im konkreten Kollisionsfall auch eine unionsrechtlich geforderte "Verwerfungspflicht" (vgl. Streinz in Streiz EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2011, RdNr. 39 zu Art. 4 EUV m.w.N.). Der angeführte Hinweis der Beklagten in ihrem Änderungsbescheid vom 23. Januar 2012 auf die Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinen "noch nicht rechtskräftigen", weil vom beteiligten Vertreter des öffentlichen Interesses (zu dessen Funkton vgl. § 5 Abs. 2 LABV vom 29.7.2008, GVBI S. 554) inzwischen mit der Nichtszulassungsbeschwerde angegriffenen Urteilen vom 12. Januar 2012 lässt nach Auffassung des Senats allerdings noch nicht hinreichend deutlich werden, dass die Beklagten - und mit ihr der Freistaat Bayern als zuständiger Landesgesetzgeber, dess Belange über die Mitwirkung des Vertreters des öffentlichen Interesses im Verfahren gesichert werden - ihren besherigen Rechtsstandpunkt der Fortgeltung des staatlichen Sportwettenmonopols tatsächlich endgültig aufgegeben und den Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Grundfreiheiten insoweit wirklich anerkannt hat.

Und unter Punkt 1.2.4.3 auf Seite 18

Zur Klarstellung wird im Übrigen nochmals darauf hingewiesen, dass der Klägerin das Fehlen der erforderlichen Erlaubnis solange nicht entgegengehalten werden kann, wie ihr die Erfüllung dieser Verpflichtung unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vereitelt worden ist (vgl. EuGH vom 6.3.2007 Rs. C-338/04 u.a. - M Placanica u.a. - RdNrn. 69 f sowie vom 15.9.2011 Rs. C-347/09 RdNr. 32; BayVGH vom 12.1.2011 Az. 10 BV 10.2271 RdNr. 58). Aufgrund der in Bayern fehlenden Identität von Erlaubnisbehörde und Untersagungsbehörde lässt sich aber die Erlaubnisfährigkeit der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten nur dann hinreichend beurteilen und gegebenenfalls verneinen, wenn das Erlaubnisverfahren mit Blick auf den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang ergebnisoffen durchgeführt wird, die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde im Rahmen des Art. 25 BayVwVfG auf eine ordnungsgemäße und erfolgversprechende Antragstellung hinwirkt und bei Zweifeln oder Unklarkeiten über die Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit die Sicherstellung der materiellen Erlaubnisanforderungen gegebenenfalls durch Nebenbestimmungen gewährleistet (vgl. BayVGH vom 12.1.2012 Az. 10 BV 10.2271 und 10 BV 10.2505 sowie vom 23.1.2012 Az. 10 CS 11.923 RdNr. 38). Quelle: BayVGH Urteil vom 24. Januar 2012 10 BV 10.2665/M 22 K 07.3782 (pdf-download)

Der BayVGH hat bewiesen, dass die Landesregierung den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts wissentlich mißachtet, obwohl die Staatsregierung die durch den EuGH geänderte Rechtslage genau kennt bzw. kennen muß. Der Änderungsinformation kann wie folgt entnommen werden:


Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland - alte Fassung - (GlüStV a.F.)
Die Urteile des EuGH vom 8. September 2010 (Vorabentscheidungsersuchen C‑46/08 und C‑316/07 u. a. sowie  C-409/06) erklären § 5 Abs. 2 des LottStV (Monopole) für unvereinbar mit Art. 43 und 49 EU (Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit). Sie verbieten aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts auch eine übergangsweise Anordnung der Weitergeltung der Rechtsvorschriften des LottStV und der Landesgesetze zur Durchsetzung der staatlichen Glücksspielmonopole. Aus diesen Urteilen lässt sich ableiten, dass auch die Monopole aus § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV und aus den landesrechtlichen Durchführungsgesetzen zum GlüStV als wesentlich inhaltsgleiche Nachfolgevorschriften wegen Unvereinbarkeit mit unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht (Art. 49 und 56 AEUV) ab sofort unanwendbar sind. (FN BayRS 2187-3-I) Quelle: Änderungsinformation

Die hierarchische Ordnung der Rechtsquellen (Normenhierarchie)
Geltungsvorrang und Anwendungsvorrang
Anwendungsvorrang genießt etwa europäisches Unionsrecht im Verhältnis zu mitgliedstaatlichem Recht: Steht eine Norm des mitgliedstaatlichen Rechts im Widerspruch zu einer Norm des Unionsrechts, so darf das mitgliedstaatliche Gericht die mitgliedstaatliche Norm nicht anwenden. Es muss den Fall anhand der unionsrechtlichen Regelung entscheiden.
Unterhalb des Gesetzes im materiellen Sinn wären jeweils die Verwaltungsvorschriften anzuordnen.
Verbindliche Einzelakte (Verwaltungsakte, öffentlich-rechtliche Verträge, Urteile) stehen infolge des Vorrangs der Verfassung und des Vorrangs des Gesetzes in der Rangfolge unterhalb jeder Rechtsnorm.
Quelle: wikipedia

Artikel 25 GG
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes. Quelle

Der Online Gambling Markt in Deutschland
Zur Legitimation einer Liberalisierung
Bachelor Thesis zur Erlangung des Grades Bachelor of Arts (B.A.)
(pdf-download)

Mit Erlassen ( bestätigt durch: VG Arnsberg, Az.: 1 L 700/10 und OVG NRW, 13 B 1331/11 Rn 33) wurden noch nach den Entscheidungen des EuGH vom 8.9.2010, verbindliche Werberichtlinien vorgegeben, und Kommunen gewarnt Genehmigungen zu erteilen.

Da damit die unions- und verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht eingehalten wurden, führen die Vorgaben, durch eine übergeordnete Behörde, zu einem selbständigen Rechtsverstoß, gleichzeitig wird bestätigt, dass die Aufsichtsbehörden nicht unabhängig sind! (vgl. Art. 10 EGV i.V. mit Art. 249 III EGV)

Mit den bekannt gewordenen Schreiben der Ministerien, interner Weisungen, Pressemitteilungen und Veröffentlichungen auf landeseigenen Webseiten werden rechtliche Meinungen der Politik und Verwaltung vorgegeben. Dies könnte u. U. als Verstoß gegen Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), in dem das Recht auf ein faires Verfahren verankert ist, gesehen werden. "Es genügt schon der äußere Anschein einer Beeinflussung bzw. Befangenheit." mehr

Das OLG NRW, 13 B 1331/11 stellte am 30.11.2011 unter der Rn 31ff fest, dass sich die Lottogesellschaften wenig um EU-Recht scherten und sich bislang auf die schützende Hand der Ministerien und Aufsichtsbehörden verlassen konnten. Unter der Rn 33 wird ausgeführt, dass die übergeordnete Behörde die Aufsichtsbehörde zum Rechtsbruch veranlasste, indem sie rechtswidrige Vorgaben machte.

Dass die Monopolbetriebe nicht wirksam kontrolliert und die Rechtsverstöße durch die Aufsichtsbehörden nicht geahndet werden, ist kein Geheimnis.

Insofern begünstigen die Aufsichtsbehörden die staatlichen Monopolbetriebe und verstoßen damit selbst gegen entsprechendes Recht, sa auch die staatlichen Glücksspielanbieter wirksam kontrolliert werden müssen.

Es wird zu prüfen sein, ob durch das Unterlassen der Verfolgung von Rechtsverstößen der Monopolbetriebe, neben der Amtspflichtverletzung, u.a. eine Straftat im Amt (Begünstigung) vorliegen könnte, und gegen § 24 Verwaltungsverfahrensgesetz, gegen § 839 BGB (Haftung für die Amtspflichtverletzung i. V. m. Art. 34 GG) sowie gegen das Gemeinschafts- und Beamtenrecht verstoßen wurde.

Besonders pikant ist die Situation in Bayern. Da kontrolliert der verlängerte Arm des Ministeriums des Inneren einen Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen. Es liegt auf der Hand, dass so etwas nicht funktionieren kann. (vgl. Beschluss des OLG München vom 27.04.2010, Az. 29 W 1209/10, Androhung der Ordnungshaft s. S. 12, 1. u. 2. Abs.)

Dem Ausführungsgesetz Bayern lässt sich unter Art. 5, Staatliche Lotterieverwaltung entnehmen:
1) Die Staatliche Lotterieverwaltung ist eine staatliche Einrichtung ohne Rechtspersönlichkeit im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen
Quelle: Ausführungsgesetz Drucksache 15/8601

Durch die Duldung der Vergehen der Monopolbetriebe gegen die Ziele des Monopols, haben die Länderaufsichtsbehörden Schaden für die Länder verursacht und das Lottomonopol aufs Spiel gesetzt. Die „unabhängigen“ Aufsichtsbehörden waren als Garanten für die Einhaltung der vollständigen Konsistenz verantwortlich.

Die Aufsichtsbehörden, Ministerien und Lottogesellschaften haben sich wissentlich über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs hinweggesetzt, in dem sie vorsätzlich höheres Recht missachteten und über Jahre dagegen verstießen.

Dieser Rechtsbruch war ausschlaggebend für die Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010.

Nicht der GlüStV war schlecht – nein – es war die Umsetzung und die fehlende Kontrolle in den Bundesländern!

Die vom Staat vorgegebenen Ziele würden durch das Monopol sogar besonders schlecht erreicht, da Kontrolleur und Kontrollierter zusammenfielen.
(Rn.16; 2 BvR 1496/05)

Voraussetzung für eine nachhaltige Prävention der Glücksspielsucht ist nur durch eine Entkoppelung der behördlichen Aufsicht von den fiskalischen Interessen der Bundesländer zur Gewährleistung einer objektiven und verfassungskonformen Verwaltungspraxis. (Reeckmann-Spielsucht S. 23; Adams/Tolkemit, Das staatliche Lotterieunwesen)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner (einstimmigen) Entscheidung über Verfassungsbeschwerden gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen (Beschluss vom 15. April 2009, 2 BvR 1496/05, Rn. 33 f. – juris, BVerfGK 15, 330) - (vgl. S. 5) ausdrücklich einen staatlichen Strafanspruch verneint, wenn der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols verfassungswidrig ist. 
Ein Anfangsverdacht gemäß § 284 StGB für eine Durchsuchung der Geschäftsräume war im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht gegeben.

Beschluss des 8. Senats vom 5. Januar 2012 - BVerwG 8 B 62.11
Leitsatz:
Ein Dauerverwaltungsakt kann - bei fortbestehender Beschwer - für die gesamte Dauer seiner Wirksamkeit und damit auch in Ansehung vergangener Zeiträume angefochten werden. Entfällt die Beschwer, so kann der Kläger in Ansehung der vergangenen Zeiträume zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen, wenn hierfür ein Feststellungsinteresse besteht, und zugleich die Aufhebung des Verwaltungsakts „ex nunc“ begehren. Quelle
I. VG Koblenz vom 26.03.2008 - Az.: VG 5 K 1512/07.KO -
II. OVG Koblenz vom 13.04.2011 - Az.: OVG 6 A 11113/10 -

"Außer Frage steht, daß sich die Justiz der Kritik wegen ihrer Urteile stellen muß. Auch scharfer Protest und überzogene Kritik sind durch die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit gedeckt." (Präsident des Oberlandesgerichts a. D. Rudolf Wassermann, in: NJW 1998, 730, 731)

weitere Datenquellen

Das ABC des Rechts der Europäischen Union

Rechtsprechungssammlung der Forschungsstelle Glücksspiel, UNI-Hohenheim

Ahlheim, Michael (2010): Glücksspiel-Staatsvertrag: Der Markt ist in Bewegung geraten, (Stand: 25.11.2011)

Goldmedia (2010): Glücksspielmarkt Deutschland, Key Facts zur Studie, (Stand: 26.12.2011)
http://www.etc-lowtax.net/download/gmstudie.pdf

Hebben, Miriam (2011): Anwurf in Schleswig-Holstein: Bwin sponsert den THW Kiel, (Stand: 19.12.2011)

Martens, René (2011): Das kleine Sportwettenparadies im Norden, (Stand: 25.11.2011)

Rebeggiani, Luca (2010): Deutschland im Jahr Drei des GlüStV – Reformvorschläge zur Regulierung des deutschen Glücksspielmarktes, Gutachten im Auftrag des Deutschen Lottoverbandes e.V. (DLV), (Stand: 27.12.20011)

Schultheis, Andreas (2011): Europäische Glücksspielanbieter votieren für Kieler Konzept eines Glücksspielstaatsvertrages – Klare Absage an Lizenzmodell der Bundesländer, (Stand: 19.12.2011)

Handbuch Europarecht: Band 1: Europäische Grundfreiheiten, Band 1 von Walter Frenz

International Gambling Studies
Journal of Gambling Business and Economics
Journal of Gambling Issues
Journal of Gambling Studies
Search Facilities at the Alberta Gaming Institute
Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht

Eine Verbotsverfügung ist als unverhältnismäßig anzusehen, wenn diese über das hinausgeht, was zur Bekämpfung einer möglichen Spielsucht erforderlich ist.
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 74, vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 62, und Kommission/Spanien, Randnr. 39).


Die strafrechtlichen Sanktionen
Grundsätzlich sind für das Strafrecht zwar die Mitgliedstaaten zuständig, jedoch setzt das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit Grenzen. So darf das Strafrecht nicht die vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beeinträchtigen. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bekräftigt, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. Die Italienische Republik darf daher gegen Personen wie die in den Ausgangsverfahren Beschuldigten keine Strafen wegen der Ausübung einer Tätigkeit des organisierten Sammelns von Wetten ohne Konzession oder polizeiliche Genehmigung verhängen.  Quelle: PM Nr. 20/2007 ganz unten

s.a.: Urteil des Gerichtshofs Rs. C-64/08 - Strafverfahren gg. Ernst Engelmann, Costa Rs. C-72/10 und C 77/10,  und Placanica u. a. (C-338/04, C-359/04 und C-360/04)

Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages

Pressemitteilung Nr: 78/10 des EuGH vom 08.09.2010

Urteil vom 8.9.2010 gegen Deutschland das "neue" Recht betreffend (GlüStV ab 01.01.2008)

Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C‑46/08 Carmen Media Group Ltd.



Urteile vom 8.9.2010 gegen Deutschland das alte Recht betreffend (bis 31.12.2007)

Urteil des EuGH in der Rechtssache C-409/06 / Winner Wetten GmbH gegen Bürgermeisterin der Stadt Bergheim
Urteil des EuGH in den verb. Rechtssachen
Markus Stoß (C‑316/07)
Avalon Service‑Online‑Dienste GmbH (C‑409/07)
Olaf Amadeus Wilhelm Happel (C‑410/07)
Kulpa Automatenservice Asperg GmbH (C‑358/07)
SOBO Sport & Entertainment GmbH (C‑359/07)
Andreas Kunert (C‑360/07)

weitere Entscheidungen des EuGH

EuGH-Urteil vom 16.02.2012 - Costa Rs. C-72/10 und C 77/10
EuGH-Urteil vom 30.06.2011 - Zeturf Rs.C-212/08
EuGH-Urteil vom 15.09.2011 - Dickinger/Ömer Rs C-347/09
EuGH-Urteil vom 09.09.2010 - Engelmann Rs. C-64/08
EuGH-Urteil vom 03.09.2010 - Ladbrokes Rs. C 258/08
EuGH-Urteil vom 06.03.2007 - Placanica u.a. Rs. C-338/04
EuGH-Urteil vom 06.11.2003 - Gambelli u. a., Rs. C-243/01

Das BVerfG führt in seinem Sportwettenurteil (BVerfGE 115, 276 ff = NJW 2006, 161 ff) unter Rn. 144 aus, dass die Anforderungen des Verfassungsrechts parallel zu den vom EuGH formulierten Vorgaben verlaufen. Das Übergehen der Rechtsprechung des EuGH führt somit zur Verfassungswidrigkeit!

"Rn 144:
Insofern laufen die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben. Nach dessen Rechtsprechung ist die Unterbindung der Vermittlung in andere Mitgliedstaaten mit dem Gemeinschaftsrecht nur vereinbar, wenn ein Staatsmonopol wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-243/01 - Gambelli u.a., Slg. 2003, I-13076, Rn. 62). Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen damit denen des Grundgesetzes."


Wird zitiert von:

VG Berlin Az.: 35 L 395.10 vom 3. November 2010

LG Bamberg Az.: 1 Qs 33/2011 vom  01. April 2011
Als Ziel des Glücksspielstaatsvertrages zitiert das Landgericht § 1 GlüStV. Demnach sei das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht entschieden, dass die Regelung zum Erlaubnisvorbehalt des § 4 GlüStV entsprechend der Auffassung des Amtsgerichts "und der vordringenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (nunmehr auch in Fischer, Kommentar zum StGB 58. Auflage 2011, § 284 Rn. 2, 16a) gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht (Art. 49, 56 EUV), das den Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel läuft", verstößt (S. 4).

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT- 2 BvR 2394/08 - Beschluss vom 16.9.2010
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Artikel 103 Absatz 1 (Anspruch auf rechtliches Gehör) des Grundgesetzes

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - (1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, s. 1236 <1237>)
“Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern.”

Anmerkungen zum Online-Verbot

weitere wichtige Urteile  weiterlesen

OVG NRW (Az.: 13 B 1331/11) vom 30.11.2011
OVG NRW (AZ.: 4 B 1139/11) vom 27.10.2011
OVG NRW (Az.: 4 A 17/08) vom 30.09.2011
OVG Rheinland-Pfalz (6 A 11452/11, 6 A 11455/11) vom 15.5.2012




update: 07.06.2012