Dienstag, 24. März 2015

Bundesverfassungsgericht zur Pressefreiheit: „Kritischer Journalismus als Verfassungsauftrag“


In einer Festrede anlässlich der Verleihung des Otto Brenner Preises für kritischen Journalismus befasst sich Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, ausführlich mit der Auslegung des Begriffes der Medien- und Pressefreiheit.
Das Bundesverfassungsgericht und der Verfassungsauftrag kritischer Journalismus
Wie geht das Bundesverfassungsgericht mit dieser Pflicht des Staates um? In zweierlei Weise. Zum einen ist es als öffentliche Institution selbst gefordert, mit den Medien zu kooperieren, den Informationswünschen der Journalisten Rechnung zu tragen und über seine Arbeit aufzuklären. Zum anderen gewährt es Rechtsschutz bei Verletzungen der Medienfreiheit, wobei mit jeder seiner Entscheidungen zugleich der Gehalt dieser Gewährleistung weiter konkretisiert wird.


2. Rechtsprechung

Neben seiner Öffentlichkeitsarbeit nimmt das Bundesverfassungsgericht seine Pflicht zum Schutz der Freiheit der Medien natürlich vor allem durch seine Rechtsprechung war.
(s. Auflistung wichtiger Urteile zum Presserecht)
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Journalisten im Visier: Der Fall Hubert Denk – ein Kommentar
Wie werden kritische Journalisten in Deutschland kaltgestellt? Der Fall des Reporters Hubert Denk gegen den vielfachen Millionär Bernd Schottdorf und die Münchener Staatsanwaltschaft gibt ein Beispiel dafür. Frontal21 griff den Fall auf. Er ist brisant. Und er wird zu Lehrstoff an Universitäten werden, um den publizistischen Nachwuchs zu sensibilisieren. Hier der passende Kommentar von Daniel Guggeis, Student an der Universität Augsburg.
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Verwaltungsgericht Lüneburg

Sicherstellung eine VW-Busses mit tontechnischer Ausrüstung 2011 im Camp Metzingen während des Castor-Transportes rechtswidrig

Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg hat entschieden, dass die Sicherstellung eines VW-Busses während des Castor-Transportes 2011 im „Camp Metzingen" rechtswidrig war (Az.: 5 A 120/13).

Die Kläger hatten im November 2011 auf dem Gelände des Camp Metzingen übernachtet. Sie waren mit einem VW-Bus unterwegs, in dem sich u. a. eine umfangreiche tontechnische Ausrüstung - Mischpult, Mikrofone, Aufnahmegeräte, Laptop usw. - befand. Die Details sind zwischen den Beteiligten streitig. Polizeibeamte durchsuchten das Fahrzeug und stellten es mit dem gesamten Inhalt sicher. Die Sicherstellung wurde für einen Zeitraum bis 6 Stunden nach Eintreffen des Castors an seinem Ziel angeordnet. Die Kläger durften nur persönliche Gegenstände an sich nehmen. Die Kläger gaben an für das „Radio Freies Wendland" und den Podcast „www.metronaut.de" tätig zu sein. Der Wagen wurde entsprechend der polizeilichen Anordnung einige Stunden nach Ende des Castor-Transportes wieder herausgegeben.
Die Kläger haben im Juni 2012 Klage erhoben und begehren die gerichtliche Feststellung, dass die Sicherstellung des Fahrzeuges samt Inhalt rechtswidrig war. Sie berufen sich auf die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG). Die Sicherstellung habe eine massive Behinderung ihrer journalistischen Tätigkeit dargestellt. Die Beklagte hat seinerzeit die Gefahr angenommen mit Hilfe des technischen Equipments in dem Fahrzeug könne der Polizeifunk gestört oder in anderer Weise nachteilig auf den Castor-Transport Einfluss genommen werden.
Das Gericht hat die Klage als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage als zulässig angesehen und ihr auch in der Sache stattgegeben. Für das Rechtsschutzbedürfnis reiche es aus, wenn die Möglichkeit der Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit bestehe, was der Fall sei. Die Kläger hätten für „Radio Freies Wendland" und „metronaut" berichten wollen. Die Klage sei auch begründet. Für die von der Polizei angenommene „gegenwärtige Gefahr" für die öffentliche Sicherheit hätten hinreichende Tatsachen nicht vorgelegen bzw. hätte die Tatsachengrundlage noch weiter ermittelt werden müssen. Insbesondere sei nicht klar gewesen, was sich an technischer Ausrüstung im Einzelnen in dem Fahrzeug befunden habe. Es habe lediglich die Vorstufe einer Gefahr, ein sog. Gefahrenverdacht vorgelegen, der nur weitere Ermittlungen zugelassen hätte.
Gegen das Urteil kann beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden.
Quelle

Presse geht auch ohne Presseausweis
Das Urteil im Verfahren der Podcaster von Metronaut gegen die Polizei liegt nun schriftlich vor. Die Polizei hatte während der laufenden Berichterstattung über einen Castortransport den Podcastbus der Metronauten beschlagnahmt. Die Gründe hierfür überzeugten das Verwaltungsgericht Lüneburg nicht.

Die Metronauten geben das Urteil selbst in einigen Passagen wieder. Es geht im wesentlichen um die Frage, wann die Polizei eine ausreichende “Gefahr” bejahen darf, die Maßnahmen wie Sicherstellungen rechtfertigt. Laut dem Gericht muss die Polizei, kurz gesagt, erst mal belastbare Tatsachen feststellen und darf nicht ins Blaue hinein tätig werden.

Sehr interessant ist eine Urteilspassage, die sich mit der Frage beschäftigt, ob die Pressefreiheit nur für Inhaber von Presseausweisen gilt:
Die Kläger wurden durch die Sicherstellung des VW-Busses nebst der darin befindlichen Gegenstände in ihrem Recht auf freie Rundfunkberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. GG) verletzt. Der Schutzbereich war unabhängig davon eröffnet, ob die Kläger Inhaber eines Presseausweises waren oder nicht.

Presseausweise werden – anders als beispielsweise Rechtsanwaltausweise – nicht von einer öffentlichen Stelle, sondern vom Deutschen Journalistenverband ausgegeben. Voraussetzung für den Erhalt ist die hauptberufliche Tätigkeit als Journalist, die aber gerade nicht Bedingung für einen Schutz durch Art. 5 Abs. 1 GG ist. Der Schutzbereich umfasst nicht nur die Berichterstattung selbst, sondern auch alle wesensmäßig damit zusammenhängenden Tätigkeiten, insbesondere auch die Beschaffung der zu berichtenden Informationen.

Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle

Auszug aus der Urteilsbegründung:

Das Gericht sah in der Polizeimaßnahme einen Eingriff in die Pressefreiheit:

 „Bei der streitgegenständlichen Maßnahme handelt es sich – anders als von der Beklagten (Der Polizei, Anm. der Redaktion) ausgeführt – keineswegs nur um eine die Randbereiche der Rundfunkfreiheit der Kläger unwesentlich berührende Maßnahme; vielmehr wurden den Klägern durch die Sicherstellung zunächst über einen Zeitraum von etwa drei Tagen und über das Ende des Castor-Transportes – des Ereignisses, aufgrund dessen die Kläger überhaupt angereist waren – hinaus die Möglichkeit genommen, von ihrem Recht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. GG Gebrauch zu machen.“

Dabei stellt das Gericht fest, dass gar keine gegenwärtige Gefahr bestanden habe:

 „Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Als Rechtsgrundlage kommt einzig der auch von der Beklagten angeführte §26 Nr. 1 Nds. SOG in Betracht. Hiernach kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Eine gegenwärtige Gefahr liegt [..] vor, wenn eine Gefahr gegeben ist, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Diese Voraussetzungen waren nicht erfüllt, es lag im Zeitpunkt der Sicherstellung nicht einmal eine „einfache“ Gefahr im Sinne von §2 Nr. 1 lit. a) Nds. SOG – eine Sachlage, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird – vor.

Dies begründet das Gericht damit, dass die Polizei keine Ahnung hatte, was für Geräte sich im Podcast-Bus der Metronaut-Redakteure befanden. Schönerweise wird dies mit Aussagen der Polizisten aus den Klageerwiderungen begründet:

Einsatzleiter:

„Ein Angebot, uns die Geräte zu erklären, bzw. Geräte, die als Störsender und Störerkommunikation dienen, auszubauen wurde abgelehnt“

Ironie des Schicksals für die Polizei: nach Ansicht der Metronaut-Redakteure ist diese Aussage des Einsatzleiters frei erfunden. Beide sahen ihn zum ersten Mal beim Verfahren in Lüneburg.

Als zweite Aussage wird die des Beamte F. hervorgebracht:

“Da ich kein ausgebildeter Fernmeldetechniker bin, kann von mir nicht definitiv gesagt werden, ob die technischen Einrichtungen für eine Satellitenverbindung ausreichten. Die Angaben der Kläger [..] und die gesamten technischen Geräte im Fahrzeug ließen mir jedoch den Schluss zu, dass dieses mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich gewesen ist.“

Aus diesen Aussagen schließt das Gericht:

“Diese Formulierung macht deutlich, dass die Beklagte bei Anordnung der Sicherstellung über keine gesicherten Erkenntnisse verfügte, nach denen die technischen Einrichtungen im VW-Bus der Kläger geeignet waren, den Polizeifunk abzuhören und zu stören. Nur aufgrund einer durch pflichtgemäß durchgeführte Einschätzung der Sachlage erlangten Überzeugung hätte die Beklagte das Vorliegen einer Gefahr aber bejahen dürfen. Denn nur [..] wenn festgestanden hätte, dass die technischen Geräte der Kläger die Eignung zum Abhören oder Stören des Polizeifunks aufwiesen, wäre der Eintritt einer Gefahr [..] überhaupt theoretisch möglich gewesen; ist gar kein technisches Gerät vorhanden, das die Eignung zum Abhören und Stören des Polizeifunks aufweist, scheidet das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens für die öffentliche Sicherheit [..] von vorneherein nach jeder denkbaren Betrachtungsweise aus.”

Gefreut hat sich die Redaktion auch über den Teil der Klageerwiderung der Polizei, der von einer Urlaubsvertretung geschrieben wurde. Hierzu meint das Gericht:

“Insbesondere der in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthaltene Bericht des Beamten K. vom 18. Juni 2012, der ebenfalls zu diesem Umstand Stellung bezieht, kann insoweit nicht berücksichtigt werden. Die Beklagte teilt selbst mit, dass der Beamte K. den Bericht lediglich als Urlaubsvertretung erstellt hat.”

Dann haut das Gericht der Polizei ihr eigenes Beschlagnahmeprotokoll um die Ohren:

 Die Beklagte muss sich ferner den von ihr selbst erstellten „Kurzbericht“ über die Sicherstellung entgegenhalten lassen, in dem der Begriff „Radiosendeutensilien“ gestrichen und gegen die Begriffe „Mischpult, Aufnahmegeräte“ ersetzt wurde. Bei dem „Kurzbericht“ handelt es sich um eine Bescheinigung gemäß §27 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG. In dieser sind die sichergestellten Sachen – nicht irgendwelche Sachen – zu bezeichnen. Der Vortrag, die Streichung des Begriffes „Radioutensilien“ sei lediglich auf eine entsprechende Forderung der Kläger hin erfolgt und habe nicht zum Ausdruck bringen sollen, dass Radioutensilien nicht im Fahrzeug vorhanden gewesen wären, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht. Wenn die Beklagte der Meinung gewesen wäre, es sei ein Radiosendegerät sichergestellt worden, hätte sie dies in der Bescheinigung gemäß §27 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG zum Ausdruck bringen müssen.

Und weiter wird der Charakter der Maßnahme treffend beschrieben:

Vorliegend verhielt es sich [..] mithin so, dass die Beklagte die Tatsachengrundlage, auf die sich eine Prognose hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts hätte stützen sollen, nicht ermittelt hat. Besteht aber eine unklare Sachlage, die sich ebenso gefährlich wie als ungefährlich erweisen kann, liegt keine Gefahr [..] , sondern lediglich ein Gefahrenverdacht vor. [..] Das Bestehen eines Gefahrenverdachts rechtfertigt jedoch (noch) keine Maßnahmen, die der endgültigen Gefahrenbeseitigung dienen. [..] Zulässig sind aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausschließlich vorläufige Maßnahmen zur Gefahrerforschung [..]. Als solche vorläufige Gefahrerforschungsmaßnahme lässt sich die Sicherstellung des gesamten Fahrzeuges einschließlich der darin befindlichen Gegenstände für einen Zeitraum von etwa drei Tagen und über das Ende des Castor-Transportes hinaus jedoch nicht einstufen. Als rechtmäßig denkbar wäre insoweit allenfalls eine Sicherstellung für einen sehr begrenzten Zeitraum und insbesondere mit dem Ziel der genaueren technischen Untersuchung der im Fahrzeug befindlichen Geräte gewesen; hier ging es der Beklagten aber gerade nicht um weitere Sachverhaltsaufklärung, sondern darum, das Fahrzeug einschließlich Inhalt „aus dem Verkehr zu ziehen“.

Und weiter:

Selbst wenn man – entgegen den vorstehenden Ausführungen – davon ausgehen wollte, dass eine Gefahr vorlag, wären die Voraussetzungen für die Durchführung der erfolgten Sicherstellung gleichwohl nicht gegeben. Denn §26 Nr. 1 Nds. SOG fordert das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr. [..] Selbst den Ausführungen der Beklagten ist zu entnehmen, dass die Kläger zu keinem Zeitpunkt im Begriff waren, die vorhandene Ausrüstung – wofür auch immer – einzusetzen.

Auch die von der Polizei immer wieder angeführten ach so gefährlichen Funkgeräte (übrigens Billig-Baumarkt-Walkie-Talkies) sah das Gericht nicht als bedenklich an:

„Die Sicherstellung erweist sich auch nicht als rechtmäßig, soweit sie sich auf die im VW-Bus aufgefundenen Funkgeräte bezog. Allein das Mitsichführen eines Funkgerätes in der Umgebung polizeilicher Kontrollen führt nicht per se schon zum Vorliegen einer Gefahr [..]. Zwar zeugt das Vorhandensein von Funkgeräten in Situationen wie der streitgegenständlichen grundsätzlich von einem hohen, auf Umgehung polizeilichen Eingreifens gerichteten Organisationsgrad. Vorliegend erscheint insoweit schon das Bestehen einer „einfachen“ Gefahr im Sinne des §2 Nr. 1 lit. a) Nds. SOG fraglich; jedenfalls fehlte es aber an der für die Sicherstellung erforderlichen gegenwärtigen Gefahr [..]. Die Funkgeräte waren im Zeitpunkt der Sicherstellung – nicht jeweils, sondern gemeinsam – in einem Koffer verpackt und im VW-Bus untergebracht. Um ihren Zweck erfüllen zu können, hätte es weiterer wesentlicher Zwischenschritte, nämlich mindestens der Ausgabe der Geräte an einen Nutzer und der Herstellung einer räumlichen Distanz zwischen diesen Nutzern bedurft.

Am Ende geht das Gericht dann nochmal auf  das verletzte Grundrecht ein:

“Die Kläger wurden durch die Sicherstellung des VW-Busses nebst der darin befindlichen Gegenstände in ihrem Recht auf freie Rundfunkberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. GG) verletzt. Der Schutzbereich war unabhängig davon eröffnet, ob die Kläger Inhaber eines Presseausweises waren oder nicht. Presseausweise werden – anders als beispielsweise Rechtsanwaltausweise – nicht von einer öffentlichen Stelle, sondern vom Deutschen Journalistenverband ausgegeben. Voraussetzung für den Erhalt ist die hauptberufliche Tätigkeit als Journalist, die aber gerade nicht Bedingung für einen Schutz durch Art. 5 Abs. 1 GG ist. Der Schutzbereich umfasst nicht nur die Berichterstattung selbst, sondern auch alle wesensmäßig damit zusammenhängenden Tätigkeiten, insbesondere auch die Beschaffung der zu berichtenden Informationen [..]. Durch die streitgegenständliche Sicherstellung wurden die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung der Kläger erheblich eingeschränkt.”

(Hervorhebungen sind nicht im Original vorhanden, sondern von der Redaktion eingefügt.)

Quelle