Dienstag, 31. März 2015

BGH PM: Ersatzansprüche gegen die öffentliche Hand

Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

Nr. 47/2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten folgenden Terminhinweis geben:

Verhandlungstermin: 16. April 2015

III ZR 204/13

LG Bochum - 5 O 5/11 – Entscheidung vom 9. September 2011

OLG Hamm - I-11 U 88/11 – Entscheidung vom 3. Mai 2013

und

III ZR 333/13

LG Bochum - 5 O 156/10 – Entscheidung vom 9. September 2011

OLG Hamm - I-11 U 89/11 – Entscheidung vom 14. Juni 2013

Der unter anderem für Ersatzansprüche gegen die öffentliche Hand zuständige III. Zivilsenat wird am Donnerstag, den 16. April 2015 um 10:00 Uhr im Saal N 004 über die Revisionen von zwei Gewerbetreibenden verhandeln, denen in den Jahren 2006 und 2007 auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Glücksspielstaatsvertrags die Vermittlung von Sportwetten untersagt wurde. Beklagte waren zwei nordrhein-westfälische Städte, die entsprechende Verbote ausgesprochen hatten, und das Land Nordrhein-Westfalen, dessen Innenministerium nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006* mit einem an die Bezirksregierungen gerichteten Erlass vom 31. März 2006 um die konsequente Durchsetzung des seinerzeitigen staatlichen Sportwettenmonopols ersucht hatte. Die Kläger machen Ersatzansprüche mit der Begründung geltend, das Monopol habe gegen europäisches Recht verstoßen, so dass die Untersagungsverfügungen rechtswidrig gewesen seien.

Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen**. Es bestünden weder Ansprüche auf der Grundlage von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB*** i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG**** noch nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs. Auch eine verschuldensunabhängige Haftung gemäß § 39 Abs. 1 Buchst. b des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen***** komme nicht in Betracht. Die Klageabweisung gegen die beiden Städte hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen damit begründet, dass aufgrund des Erlasses des Innenministeriums die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit auf das Land übergegangen sei.

Hinsichtlich des Landes hat das Oberlandesgericht die Revision zugelassen (III ZR 204/13); bezüglich einer der beiden Städte hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Zulassung des Rechtsmittels ausgesprochen (III ZR 333/13).

* BVerfGE 115, 276 ff.

** OLG Hamm, Urteile vom 3. Mai 2013 – I-11 U 88/11, juris und vom 14. Juni 2013 – I-11 U 89/11.

***"Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen."

****"Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht."

*****"Ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, ist zu ersetzen, wenn er



b) durch rechtswidrige Maßnahmen, gleichgültig, ob die Ordnungsbehörden ein Verschulden trifft oder nicht, entstanden ist."

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Quelle

Urteil III ZR 333/13 vom 16.04.2015  (pdf-download)

Siehe auch:  Beschluss des III. Zivilsenats vom 26.2.2015 - III ZR 204/13(pdf-download)


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Siehe auch:

BGH lässt Revision eines Wettvermittlers im Staatshaftungsverfahren zu
Schadenersatzpflicht nach Unionsrecht
Richtlinie über Schadensersatzklagen bei Verstößen gegen das Kartellrecht verabschiedet 
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Staatshaftung in Europa: Nationales und Unionsrecht
herausgegeben von Oliver Dörr
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Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Haftung der Mitgliedstaaten wegen Verstoßes gegen das EU-Recht
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Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung
EuGH zur Reichweite der EU-Grundrechte-Charta
Bundesverfassungsgericht (Az.: 1 BvR 223/05) zur Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) durch die Außerachtlassung gemeinschaftsrechtlich begründeter subjektiver Rechte der Veranstalter und Vermittler...
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OLG Koblenz: Ordnungsbehörde rechtskräftig zu Entschädigungszahlung an Wettvermittler verurteilt
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Gubernative Rechtsetzung: Eine Neubestimmung der Rechtsetzung und des ...
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Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Wikipedia

Europäische Menschenrechtskonvention
Wikipedia

Europäische Menschenrechtskonvention
Artikel 6

Recht auf ein faires Verfahren

Das Recht auf ein faires Verfahren enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (vgl. BVerfGE 57, 250 <275 f.="">; 70, 297 <308>; 130, 1 <25>). Diese Konkretisierung ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers und sodann, in den vom Gesetz gezogenen Grenzen, Pflicht der zuständigen Gerichte bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung (vgl. BVerfGE 63, 45 <61>; 64, 135 <145>; 122, 248 <272>; 133, 168 <200>). Die Gerichte haben den Schutzgehalt der in Frage stehenden Verfahrensnormen und anschließend die Rechtsfolgen ihrer Verletzung zu bestimmen. Dabei sind Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren angemessen zu berücksichtigen, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. zur Bedeutung der Grundrechte als objektive Wertordnung BVerfGE 7, 198 <205 ff.="">; stRspr). Die Verkennung des Schutzgehalts einer verletzten Verfahrensnorm kann somit in das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren eingreifen (vgl. BVerfGK 9, 174 <188 189="">; 17, 319 <326 ff.="">). BverfGE 2 BvR 878/14, Rn 20; 2 BvR 2055/14, Rn 14

Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.="">; 86, 288 <317>; 118, 212 <231>; 122, 248 <271>) und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 46, 202 <210>). Am Recht auf ein faires Verfahren ist die Ausgestaltung des Strafprozesses zu messen, wenn und soweit keine spezielle verfassungsrechtliche Gewährleistung existiert (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.="">; 109, 13 <34>; 122, 248 <271>; 130, 1 <25>).BverfGE 2 BvR 878/14, Rn 19; 2 BvR 2055/14, Rn 13
 

Der Europarat,
800 Millionen Europäer

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ZENTRUM FÜR EUROPÄISCHES WIRTSCHAFTSRECHT
Vorträge und Berichte Nr. 208
herausgegeben von den Mitgliedern des Zentrums
Dr. Jürgen Schwarze, Professor an der Universität  Freiburg
Die Wahrung des Rechts durch den Gerichtshof der Europäischen Union
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Villalón macht in seinen Ausführungen sehr klar, dass die Beurteilung ein und derselben Sachfrage gerade nicht mit zweierlei Maßstab, einmal dem nationalen Recht und einmal den europäischen Verträgen gemessen werden kann. Die Aufgabe der „Wahrung dieser Union“ sei unerfüllbar, „wenn man sie in Gestalt einer als „Verfassungsidentität“ bezeichneten Kategorie einem absoluten Vorbehalt unterstellen will“.

Europa, so sein Fazit, könne nicht ins Ermessen eines Mitgliedstaates gestellt werden.

Villalón verweist entsprechend auf das vom EuGH erarbeitete Institut der „gemeinsamen Verfassungstraditionen“ und ersetzt nationale Vorbehalte somit durch die Grundrechte der Union als verfassungsstiftende Werte.

Hinsichtlich des Schicksals der Antworten des EuGH verweist der Generalanwalt vorsorglich auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und verschließt Karlsruhe mithin auch den Weg, die Antworten aus Luxemburg als nicht entscheidungserheblich anzusehen. Dabei führt er aus, dass er darauf vertraue, „dass das nationale Gericht in Anbetracht und unter Berücksichtigung der Antwort, die es vom Gerichtshof auf seine Vorlagefrage erhalten hat, unbeschadet der Wahrnehmung seiner eigenen Verantwortung diese Antwort als für im Ausgangsverfahren maßgeblich erachten werde“.
Analyse der Schlussanträge Rs. Gauweiler u.a. C-62/14

EuGH zur Reichweite der EU-Grundrechte-Charta

Die Frage, inwieweit die durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechte zu beachten sind, wenn eine nationale Rechtsvorschrift in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, wurde durch das EuGH Urteil Pfleger (C-390/12) vom 30. April 2014 abschließend beantwortet, indem festgestellt wurde, dass das Urteil Fransson (C-617/10) grundsätzliche Aussagen zur Einhaltung der Grundrechtecharta enthalte und sich somit nicht auf das Umsatzsteuerrecht beschränkt.
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Der Europäische Standard Richterlicher Ethik
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STELLUNGNAHME Nr. 1 (2001) DES BEIRATES DER EUROPÄISCHEN RICHTER (CCJE)
AN DAS MINISTERKOMITEE DES EUROPARATES ÜBER DIE VORSCHRIFTEN BETR. DIE UNABHÄNGIGKEIT UND UNABSETZBARKEIT VON RICHTERN
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Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.
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Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei Grundrechtseingriffen
Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 16. Mai 2013 – 8 C 22.12, 8 C 38.12, 8 C 40.12 und 8 C 41.12
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In eisigen Höhen. Zu Gast beim Bundesverwaltungsgericht
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Kein Interesse an der Rechtsfindung
Zu den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.5.2013
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