Neue TÜV-Studie schafft Beurteilungskriterien für Regulierer und Anbieter
Ein Artikel von Andreas Schultheis
Wien, September 2013. Wann immer in den letzten Jahren im Kontext des
deutschen Glücksspielstaatsvertrages die Diskussion auf die Regulierung
des Online-Poker-Marktes kam, führten Kritiker derselben das
Horrorszenario der Geldwäsche ins Feld – ein Argument, das bislang nicht
belastbar war.
Detlev Henze, CEO der TÜV Trust IT
http://www.it-tuv.com (TÜV Austria Group), kritisierte dies bereits anlässlich eines
hochkarätig besetzten Experten-Workshops im Europäischen Parlament zu
Jahresbeginn, in dem es um die Frage ging, ob Online-Poker europaweit
einheitliche Sicherheitsstandards benötigt. Damals sprach er von einem
„gefühlten Bedrohungsszenario“. Eine aktuelle Studie im Auftrag der TÜV
Austria Group widerlegt nun alle Schwarzmaler und -seher, die stets
unterstellen, dass Online-Poker internationalen Geldwäschern Tür und Tor
öffne. Immerhin ist Deutschland nach den Vereinigten Staaten bereits
der zweitgrößte Online-Pokermarkt der Welt, weshalb man hier – auch mit
Blick auf mögliche Mehreinnahmen für den Staatssäckel – ein vitales
Interesse daran haben müsste, den Markt zu regulieren. In der Studie, so
Henze bei der Vorstellung in Wien, sei es vor allem darum gegangen,
„standardisierte Prüfkriterien zu definieren, die eine technische und
finanzaufsichtsrechtliche Überwachung von Glücksspielanbietern
erleichtern.“ Weil der Markt in Deutschland und der Europäischen Union
unterschiedlichen Rahmenbedingungen unterliegt, sieht man
Regelungsbedarf mit Blick auf IT-Sicherheit, organisatorische
Sicherheit, verantwortungsvolles Glücksspiel und die
Geldwäschebekämpfung.
Professor Friedrich Schneider: Geldwäsche bei Online-Poker tendenziell unattraktiv
Die Studie „Mögliche Geldwäsche und deren Prävention“ dürfte nun zur
Versachlichung der Diskussion in Deutschland beitragen, wo es mit dem
schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetz unter der vormaligen CDU/FDP-Regierung
bereits ein wegweisendes Modell gab, das auch den Online-Poker-Sektor
regulierte. „Generell bestehen im regulierten Bereich von
Online-Glücksspielen im Vergleich zu anderen Sektoren eher geringe
Risiken möglicher Geldwäsche. Ursächlich sind die technischen
Möglichkeiten zur Identifizierung von Kunden und ihres Spielverhaltens.
Diese Rahmenbedingungen machen Geldwäsche bei Online-Poker tendenziell
unattraktiv“, erläuterte Professor Friedrich Georg Schneider von der Universität Linz http://www.econ.jku.at/schneider/, gemeinsam mit den Professoren Franz W. Peren
und Reiner Clement vom Bonner Forschungsinstitut für Glücksspiel und
Wetten verantwortlich für die Studie. Zur Reduzierung von Geldwäsche im
nicht-regulierten Markt erwachse die Notwenigkeit eines wirtschaftlichen
Umfeldes für lizenzierte Anbieter. „Grundsätzliche Verbote von
Online-Glücksspielen fördern eher das Wachsen des nicht-regulierten
Schwarzmarktes“, so Schneider, der die Formulierung von EU-weiten
Mindeststandards für Online-Glücksspiele empfiehlt.
Mit Blick auf die vielfach beschworene Geldwäsche-Aktivitäten hatte
er zudem ein klares Ergebnis mitgebracht: Bislang, so der Linzer
Hochschullehrer, gebe es europaweit noch keine einzige nennenswerte
Erhebung, die die Geldwäsche-Relevanz des Online-Poker-Marktes
dokumentiert. Gemessen am zu betreibenden Aufwand und den nötigen
Transaktionskosten sei Geldwäsche via Online-Poker unrentabel – auch
angesichts einer Vielzahl von technischen Mechanismen, um
Manipulationsversuche, Spielabsprachen (Kollusion) etc. zu
identifizieren. Laut Schneider haben Online-Poker und andere regulierte
Online-Glücksspiel-Angebote im Vergleich zu anderen Sektoren nahezu
keine Geldwäscherelevanz. „Geldwäsche mittels Online-Glücksspiel
verursacht hohe Transaktionskosten von rund 30 Prozent des jeweiligen
Betrages sowie hohe Risiken der Entdeckung. Daher werden andere Methoden
zur Geldwäsche gewählt.“ Schneider, der laut F.A.Z.-Ranking zu den TOP
25 der einflussreichsten Ökonomen in Deutschland gehört, betonte
während der Pressekonferenz, dass ihm der Bereich Online-Poker bei
seiner bisherigen wissenschaftlichen Forschung im Bereich „Schwarzmarkt
und Geldwäsche“ gar nicht aufgefallen sei. Mangels wissenschaftlich
belastbarer Zahlen für diesen Bereich habe er bei der vorliegenden
Studienarbeit mit Hypothesen arbeiten müssen.
Zehn-Punkte-Katalog
Für den deutschen Markt favorisieren die Studienautoren nunmehr den
von der Europäischen Union in den Blick genommenen Regulierungsrahmen.
„Der deutsche Gesetzgeber läuft möglicherweise Gefahr, eine
unverhältnismäßige Regulierungsbelastung für Anbieter von
Online-Glücksspielen zu schaffen.“ Die gesetzliche Ausklammerung ganzer
Kategorien von Online-Bezahlmethoden und die Möglichkeit behördlicher
Einschränkung bestimmter Methoden nachweisbarer Online-Identitätsprüfung
ohne ausreichende risikobasierte Ausdifferenzierung sei unter
Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen der Regulierung zu hinterfragen.
Die möglichen Maßnahmen zur Risikoprävention haben die Macher der
Studie in einem Zehn-Punkte-Plan gebündelt, der das ohnehin geringe
Geldwäsche-Risiko weiterhin verringern soll: Dabei sind neben
Identifizierung von Spielern und einer Risikomatrix Einsatz- und
Konten-Limits vorgesehen, außerdem der Einsatz umfangreicher,
IT-gestützter Analyseverfahren, die Beobachtung von Auffälligkeiten, die
Zusammenarbeit mit Kredit- und Kreditkarteninstituten, die Transparenz
von Zahlungsströmen sowie die Anwendung des so genannten KYC-Prinzips („Know your customer“) bei Zahlungsverfahren.
Selbst England blickt nach Schleswig-Holstein
Alles andere als überrascht zeigt sich einer der Väter des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes, CDU-Fraktionsgeschäftsführer Hans-Jörn-Arp,
MdL http://www.hans-joern-arp.de: „Für den erfolgreichen Kampf gegen Geldwäsche sind zwei Dinge
erforderlich: Erstens müssen Dreiecksgeschäfte unterbunden werden. Der
Gewinn darf nur an denjenigen ausgezahlt werden, der auch den Einsatz
tätigt. Zweitens müssen die Geldflüsse kontrolliert werden. Dafür ist
das Internet hervorragend geeignet. Unser schleswig-holsteinisches
System ist so sicher, dass es sogar in England als vorbildlich
bezeichnet wurde“, so seine Wertung. „Wer Online-Poker immer noch als
Geldwäscheinstrument darstellt, hat sich mit dem Prinzip nicht
auseinander gesetzt.”
Leitlinie für Regulierer, Anbieter und Prüfung
Letztlich, so Detlev Heinze in Wien, sollen die Ergebnisse sowohl den
seriösen Anbietern als auch den Aufsichtsbehörden dienen, um ihre
Instrumentarien zu verfeinern. „Wir als Auftraggeber werden außerdem
entsprechende Prüfkriterien für unsere Arbeit entwickeln.“ Wesentliche
Leitplanke sei dabei der ausgearbeitete Zehn-Punkte-Katalog. Das
herauszugebende Prüfverfahren soll EU-weit etabliert werden.
Quelle: Andreas Schultheis
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