Sonntag, 15. September 2013

Der neue Glücksspielstaatsvertrag ist unbrauchbar

Die Abkehr von „Europas Mustergesetz“ hat zu faulen Kompromissen geführt – Der neue Glücksspielstaatsvertrag muss dringend nachgebessert werden
Von Ansgar Lange

Der neue Glücksspielstaatsvertrag ist unbrauchbar. Zu diesem Urteil kommt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion in Hessen, Wolfgang Greilich. Seiner Meinung nach müssen die Länder den Staatsvertrag dringend nachverhandeln. „Während in Schleswig-Holstein ein von der FDP vorgelegter Gesetzentwurf von der europäischen Kommission notifiziert wurde, Gesetzeskraft erlangte und die ersten Konzessionen pünktlich zum Inkrafttreten vergeben wurden, haben die übrigen CDU- und SPD-regierten Länder auch hessische Vorstöße in der Ministerpräsidentenkonferenz ausgebremst“, so der liberale Politiker. Bei diesem Statement lässt Greilich allerdings unter den Tisch fallen, dass das vormalige schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz, welches von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) gekippt wurde, als Gemeinschaftsprojekt der christlich-liberalen Regierung in Kiel auf den Weg gebracht worden war.
Recht hat Greilich aber in einem anderen Punkt: Herausgekommen ist eine halbherzige Lösung, die auch von der Europäischen Kommission allenfalls als Zwischenschritt für eine kurze Frist bis zur vollständigen Öffnung des Glücksspielmarktes hingenommen wurde. „Jetzt zeigt sich, dass der faule Kompromiss mehr Probleme schafft als löst. Denn logischerweise führt die nur begrenzte Öffnung des Marktes jetzt zu Klagen von Mitbewerbern, die jeden tatsächlichen Fortschritt blockieren.“
Dabei war dieser Irrweg absehbar, wie ein Blick in die Niederschrift des Innen- und Rechtsausschusses sowie des Finanzausschusses im Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 31. Oktober 2012 zeigt. In besagter Sitzung sagte Dr. Martin Nolte, Professor für Sportrecht am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Deutschen Sporthochschule in Köln, dass wichtige Ziele mit dem vorliegenden Staatsvertragsentwurf nicht erreicht würden. Die entscheidenden Ziele seien die Kanalisierung des Spieltriebs in geordnete Bahnen, die Bekämpfung von Kriminalität und Sucht, der Jugendschutz sowie die Integrität des sportlichen Wettbewerbs.
Die rechtliche Situation bleibt verworren. Deutschland ist in Sachen Glücksspiel-Staatsvertrag ein geteiltes Land. In Schleswig-Holstein war im März 2012 ein Glücksspielgesetz in Kraft getreten, am 1. Juli des vergangenen Jahres hatten die anderen 15 Bundesländer einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag verabschiedet. Nach dem Regierungswechsel in Schleswig-Holstein im August 2012 ist die neue rot-grüne Regierung dem Vertrag der 15 beigetreten. Dies macht die Sache nur komplizierter, denn die bis dahin an die Glücksspielunternehmen vergebenen Konzessionen bleiben bestehen. Dies führt zu „zweierlei Recht“, so Heinz Peter Kreuzer im Deutschlandfunk.
„Wenn die Server in Schleswig-Holstein stehen, dann fließen Einnahmen aus Online-Spielen auch nach Schleswig-Holstein. Daran wird sich, anders als Herr Stegner immer behauptet, auch nach 2015 nichts ändern“, so der schleswig-holsteinische Glücksspielexperte Hans-Jörn Arp (CDU), einer der geistigen Väter des Kieler Regulierungsmodells unter Schwarz-Gelb. Ralf Stegner (der schleswig-holsteinische SPD-Fraktions- und Parteivorsitzende) tue „nach wie vor alles dafür(…), dass der Internetschwarzmarkt floriere. „Bei richtiger Anwendung sorgt das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz auch nach 2015 für mehr Geld in der Landeskasse“, meint Arp.
Arp und Kubicki schufen das „Danish Modell 2.0“
Ein Blick auf die gesetzlichen Regelungen der Nachbarländer Dänemark und Niederlande wäre von Anfang an hilfreich gewesen, sagte Dr. Wulf Hambach von Hambach & Hambach Rechtsanwälte bei der Anhörung im Landtag im Oktober 2012. Morten Ronde, der Vater des dänischen Glücksspielgesetzes, habe gesagt, dass er das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz, das vor allem auf den CDU-Politiker Arp und den FPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki zurückgeht, als „Danish Modell 2.0“ ansehe, weil es gerade auf der Vollstreckungsseite Konditionen beinhalte, die eine noch bessere Kontrolle als nach dem dänischen Gesetz zuließe.
Wenn Schleswig-Holstein dem Glücksspielgesetz beitrete, erwarte er, dass das Gleiche wie in Frankreich passieren werde. „Dort haben in den letzten Jahren 70.000 Spieler den regulierten Markt verlassen und spielen jetzt auf dem Schwarzmarkt“, so Hambachs Warnung. Dies liege an den exorbitant hohen Steuern, die für Spiele auf den zugelassenen Internetseiten bezahlt werden müssten. In Dänemark dagegen bestehe nach Einführung eines neuen Glücksspielgesetzes eine fast komplette Abdeckung durch zugelassene Onlineglücksspielanbieter. 95 Prozent des Onlinepoker-Bereichs seien dort jetzt reguliert.
Auch Rechtsanwalt Wolfram Kessler vom Verband Europäischer Wettunternehmer wies in der Anhörung darauf hin, „dass das derzeitige Gesetz in Schleswig-Holstein beispielhaft sei“. Es werde europaweit als Mustergesetz angesehen. Laut Kessler werde mit einem Beitritt Schleswig-Holsteins zum Staatsvertrag, der unter der „Dänen-Ampel“ bekanntlich erfolgte, der „Grundstein für eine Internetzensur“ gelegt.
Das dauernde Gerede über einen so genannten „Alleingang“ oder „Sonderweg“ Schleswig-Holsteins hatte Wirkung entfaltet. Letztlich hat die Regierung Albig sich dadurch dem Irrweg der anderen 15 Länder angeschlossen. Es wäre ein Ausweis politischer Klugheit und politischen Mutes gewesen, wenn Albig, Stegner und Co. dafür gekämpft hätten, dass sich die anderen Länder dem Erfolgsmodell aus Kiel anschließen.
Wolfgang Kubicki ist nach wie vor der Überzeugung, dass die Illegalität des Glücksspiels mit einem staatlichen Angebotsmonopol oder einer Marktmacht nicht verhindert werden kann. Eine restriktive Lizenzierung in Kombination mit der Offenheit für die Anbieter sei der bessere Weg. Wann wird der Groschen bei den anderen Politikern fallen? Denn sie haben alle einen Eid darauf geschworen, die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger und ihrer jeweiligen Bundesländer nach bestem Wissen und Gewissen zu mehren. Hierzu gehört auch, alles dafür zu tun, dass die Steuereinnahmen steigen, Arbeitsplätze geschaffen und Grau- und Schwarzmärkte so gut wie möglich bekämpft werden. Das „Danish Modell 2.0“ wäre hierfür der richtige Ansatz gewesen.