Donnerstag, 26. September 2013

EuGH zur verschuldensunabhängigen Haftung bei Bahnunternehmen


EuGH, Rs C-509/11 - ÖBB-Personenverkehr
Ab einer Stunde:

Bahn muss auch bei höherer Gewalt Entschädigung zahlen

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1.      Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ist dahin auszulegen, dass die für die Durchsetzung dieser Verordnung benannte nationale Stelle im Fall des Fehlens einer dahin gehenden nationalen Rechtsvorschrift einem Eisenbahnunternehmen, dessen Entschädigungsbedingungen für die Fahrpreisentschädigung nicht den in Art. 17 der Verordnung festgelegten Kriterien entsprechen, nicht den konkreten Inhalt dieser Bedingungen vorschreiben darf.

2.      Art. 17 der Verordnung Nr. 1371/2007 ist dahin auszulegen, dass ein Eisenbahnunternehmen nicht berechtigt ist, in seine Allgemeinen Beförderungsbedingungen eine Klausel aufzunehmen, wonach es von seiner Pflicht zur Fahrpreisentschädigung bei Verspätungen befreit ist, wenn die Verspätung auf höherer Gewalt oder einem der in Art. 32 Abs. 2 der Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. Mai 1980 in der Fassung des Änderungsprotokolls von Vilnius vom 3. Juni 1999 angeführten Gründe beruht.

Höhere Gewalt ist kein Argument:
Europas Bahnunternehmen müssen ihre Kunden auch dann entschädigen, wenn Verspätungen durch schlechtes Wetter oder Streiks verursacht werden. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Reisende haben laut EU-Gesetz bei Verspätungen von ein bis zwei Stunden ein Recht auf Erstattung von mindestens einem Viertel des Preises der Fahrkarte. Ab zwei Stunden muss das Bahnunternehmen mindestens die Hälfte des Preises erstatten.
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Das Urteil betrifft europaweit alle Bahnunternehmen. Klauseln in ihren Beförderungsbedingungen, die Entschädigungen bei höherer Gewalt ausschließen, sind demnach ungültig.
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Mehr zum Schadenersatz

Rechtsprechung zur Staatshaftung nach Unionsrecht
Wichtige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes
Zum Grundsatz der Staatshaftung
aus dem EuGH-Urteil v. 30.09.2003, Rs. C-224/01 - Köbler / Österreich
30. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Grundsatz der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen des EG-Vertrags folgt
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BGH: PM Immaterieller Schadensersatz wegen nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrung
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zum Vergleich:
Schadensersatz für Atomausstieg
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Amtshaftung - gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch
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OLG Koblenz: Ordnungsbehörde rechtskräftig zu Entschädigungszahlung an Wettvermittler verurteilt
Rechtsgrundlage für die Entschädigungsforderung ist § 68 Abs. 1 Satz 2 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG). Hiernach ist jemandem, der durch eine rechtswidrige Maßnahme der allgemeinen Ordnungsbehörden oder der Polizei einen Schaden erleidet, ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Ein Verschulden der Behörde ist nicht erforderlich.
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Landgericht Braunschweig spricht Sportwettvermittler Schadensersatzanspruch wegen Strafverfolgungsmaßnahmen zu 
Urteil (Az.: 4 O 1600/08) vom 27. März 2009
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Schadenersatzpflicht nach Unionsrecht
EuGH: Urteil Rs. C-72/10 und C 77/10 Costa u.a.
Rn 81
............Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind.
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Schadenersatz:
Francovich-Entscheidung: Dem einzelnen Bürger steht bei einer Verletzung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat ein Anspruch auf Ersatz zu, wenn dem Einzelnen durch den staatlichen Verstoß ein Schaden entstanden ist.
Quelle

Rechtsprechung zur Staatshaftung nach Unionsrecht
Wichtige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes

Zum Grundsatz der Staatshaftung
aus dem EuGH-Urteil v. 30.09.2003, Rs. C-224/01 - Köbler / Österreich
30. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Grundsatz der Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen des EG-Vertrags folgt.
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Amtshaftung:

Krankenkasse haftet für falsche Leistungszusagen ihrer Mitarbeiter
Urteil des OLG Karlsruhe vom 18.12.2012 (12 U 105/12)

Eine Krankenkasse kann für die unrichtigen Leistungszusagen ihres Mitarbeiters haften. Aufgrund des komplexen Sozialversicherungsrechts muss sich der versicherten Person dabei nicht unbedingt aufdrängen, dass die Zusage unrichtig sei.

Eine gesetzlich versicherte Verbraucherin hatte ihre Krankenkasse gewechselt. Sie hatte Behandlungskosten eingereicht. Der zuständige Mitarbeiter hatte zunächst die Erstattung aus seinem Privatvermögen vorgenommen, da die Kosten nicht erstattungsfähig gewesen waren. Nachdem keine Erstattung mehr erfolgt war, hatte sich die Versicherte an die Kasse gewendet, die eine Zahlung abgelehnt hatte. Die Verbraucherin hatte geltend gemacht, dass der Mitarbeiter der Versicherung ihr vor dem Wechsel versichert hatte, dass sämtliche Behandlungskosten übernommen würden. Hätte sie gewusst, dass diese Leistungen nicht erstattungsfähig gewesen seien, hätte sie diese nicht in Anspruch genommen.

Die Berufungsinstanz hat die landgerichtliche Entscheidung bestätigt und die Krankenkasse zur Zahlung verpflichtet. Der Mitarbeiter der Krankenkasse habe in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt und sei zu zutreffender Beratung verpflichtet gewesen. Die Versicherte habe auch auf die Aussagen des Krankenkassenmitarbeiters vertrauen dürfen. Aufgrund der Komplexität des Sozialversicherungsrechts habe sich ihr nicht aufdrängen müssen, dass die Aussagen des Mitarbeiters falsch seien. Dieser habe auch vorsätzlich und schuldhaft gehandelt, so dass infolge seiner Amtspflichtverletzung der Schaden der Versicherten eingetreten sei. Diesen müsse die Krankenkasse ersetzen. 
Quelle



PM: OLG Karlsruhe vom 28.12.2012:
Amtshaftung der gesetzlichen Krankenkasse für falsche Leistungszusagen ihrer Mitarbeiter

Datum: 28.12.2012
Kurzbeschreibung:

Dass eine gesetzliche Krankenversicherung für falsche Angaben eines Mitarbeiters zum Leistungsumfang haftet, hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Amtshaftungssenat - mit Urteil vom 18.12.2012 entschieden.

Die Klägerin hatte nach einem Beratungsgespräch mit dem Mitarbeiter K. der beklagten gesetzlichen Krankenversicherung zu dieser gewechselt. Die Klägerin ließ sich wegen einer Krebserkrankung naturheilkundlich behandeln, kaufte unter anderem Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine, Dinkelkaffee, Kräuterblut, Natron, Mineraltabletten und Bierhefe. Die Belege für die von ihr zum Teil verauslagten Kosten für diese naturheilkundliche ärztliche Behandlung, die Nahrungsergänzungsmittel, auch für Zahnreinigung, Praxisgebühren sowie Zuzahlungen für Massagen und für Medikamente reichte sie bei K. zur Weiterleitung an die Beklagte ein. K. beglich die Rechnungen jedoch aus seinem Privatvermögen, da die geltend gemachten Kosten nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst waren. Nachdem mittlerweile nicht unerhebliche Zahlungsrückstände aufgetreten waren, erstattete K. im Jahr 2010 gar keine Kosten mehr. Darauf wandte sich die Klägerin an die Beklagte, die so erstmals von dem Sachverhalt Kenntnis erlangte und eine Kostenübernahme ablehnte.
Die Klägerin hat behauptet, K. habe ihr vor dem Wechsel zugesichert, dass die Krankenversicherung sämtliche Kosten der medizinischen Versorgung übernehmen würde. Die Beklagte hat dies bestritten und geltend gemacht, dass die Kostenpositionen nicht erstattungsfähig und medizinisch nicht erforderlich seien. Die Klägerin treffe ein die Schadensersatzpflicht ausschließendes Mitverschulden, die Zusage ihres Mitarbeiters K. sei derart lebensfremd gewesen, der Umfang der gesetzlichen Leistungen auch allgemeinhin bekannt, so dass die Klägerin nicht auf die Zusage habe vertrauen dürfen.
Nach Vernehmung mehrerer Zeugen hat das Landgericht Mosbach die Beklagte dazu verurteilt, von den geltend gemachten Kosten in Höhe von ca. 7.500 Euro ca. 2.500 Euro an die Klägerin zu bezahlen. Die dagegen erhobene Berufung der Krankenversicherung zum Oberlandesgericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg.
Der Senat hat ausgeführt: Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Tätigkeit als öffentliche Sozialversicherung hoheitlicher Leistungsverwaltung zuzuordnen ist. Sie haftet damit gemäß § 839 BGB i.V.m. Artikel 34 GG bei Amtspflichtverletzungen. Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliegt der Beklagten bzw. ihren Mitarbeitern, die als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn anzusehen sind, die Verpflichtung zu gesetzeskonformem Verwaltungshandeln.
Sozialleistungsträger wie die Beklagte sind zu einer zutreffenden Beratung der Versicherten über die Rechte und Pflichten der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet, Auskünfte und Belehrungen sind grundsätzlich richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig zu erteilen. Eine Verletzung der dem Mitarbeiter K. obliegenden Amtspflicht zur zutreffenden Beratung über den Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung liegt vor.
Das Vertrauen der Klägerin auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskünfte ist auch schutzwürdig gewesen. Grundsätzlich darf nämlich der Bürger von der Rechtmäßigkeit der Verwaltung ausgehen. Eine Verlässlichkeitsgrundlage ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn er die Unrichtigkeit der Auskunft kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Aufgrund der Komplexität des Sozialversicherungsrechts und der Verzahnung der gesetzlichen Krankenversicherung mit anderen Sozialversicherungsbereichen kann nicht davon ausgegangen werden, dass in der Öffentlichkeit der Leistungsumfang auch in den Details in der Weise bekannt ist, dass sich der Klägerin die Unrichtigkeit der Auskünfte des Mitarbeiters K. hätte aufdrängen müssen. Die Klägerin hat sich jeweils telefonisch beim Mitarbeiter K. erkundigt, ob die Leistung von der Beklagten übernommen wird, nach dessen jeweiliger Bestätigung musste sie die Richtigkeit der Auskünfte nicht anzweifeln. Nachdem die Kostenerstattung bis 2008 beanstandungslos funktionierte, musste sie aus dem Fehlen von Abrechnungsunterlagen keine die Verlässlichkeit der Auskünfte in Frage stellenden Schlüsse ziehen. Bei Auftreten der ersten Zahlungsverzögerungen hat der Mitarbeiter K. die Klägerin sowie weitere Kunden aus dem Bekannten- und Familienkreis der Klägerin jeweils vertröstet und plausibel erscheinende Erklärungen dafür angeboten, wie Systemumstellung, Fehlbuchung, Fortbildung, Einstellung neuer Sachbearbeiter. Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin den Angaben des Mitarbeiters K. blind vertraute und sich besseren Erkenntnismöglichkeiten geradezu verschlossen hat. Der Mitarbeiter K. handelte auch vorsätzlich und schuldhaft.
Der Klägerin ist ein Schaden in Höhe von ca. 2.500 Euro entstanden, die weiter geltend gemachten Kosten waren nicht erstattungsfähig, da sie nie Gegenstand einer ärztlichen Verordnung waren oder die Klägerin nicht beweisen konnte, dass sie von ihr auch bezahlt worden sind.

Die Revision ist nicht zugelassen worden.

Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil vom 18.12.2012 - 12 U 105/12 -

Quelle: PM: OLG Karlsruhe vom 28.12.2012

s.a.: http://dejure.org/2012,40113