Die binnnengrenzüberschreitende Vermittlung von Verträgen über Sportwetten ist derzeit nicht strafbar. Dies hat kürzlich das Amtsgericht Augsburg bestätigt und deswegen einen von der Rechtsanwaltskanzlei ARENDTS ANWÄLTE vertretenen Sportwettenvermittler freigesprochen (Urteil vom 30. November 2011, Az. 12 Ds 102 Js 113892/09 (2)). Nach den zutreffenden Feststellungen des Gerichts liegt derzeit bereits objektiv eine Strafbarkeit nach § 284 StGB nicht vor.
Das Amtsgericht Augsburg verweist auf die einschlägige Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und hält fest, dass das staatliche Monopol für Sportwetten nicht mit Europarecht vereinbar ist, da es eine „unverhältnismäßige Beschränkung der europarechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit“ darstellt:
„Somit steht für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ebenso wie für das erkennende Gericht fest, dass das staatliche Sportwettenmonopol auch nach dem seit 1.1.2008 geltenden Glückspielstaatsvertrag den europarechtlichen Vorgaben nicht entspricht und deswegen nicht anzuwenden ist. Die Begründung einer Erlaubnispflicht ist nämlich vor dem Hintergrund der Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu sehen. Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung (Nachweise siehe bei AG Berlin-Tiergarten, Beschluss vom 25.07.2011, AZ 249 Ds 14 Js 2738/10 (3/11), 249 Ds 3/11, Rdnr. 8 in JURIS) festgestellt, dass eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch einen Erlaubnisvorbehalt nur in Betracht kommt, wenn diese Beschränkung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Das bedeutet, dass die Beschränkung geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beiträgt. Eben dies verneint der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Recht.
Es ist daher festzuhalten, dass das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung gegen Europarecht verstößt und deswegen nicht anwendbar ist.“
Auch mit dem Erlaubnisvorbehalt kann nach Überzeugung des Amtsgerichts eine Strafbarkeit nicht begründet werden:
„Das Gericht geht weiterhin davon aus, dass der Erlaubnisvorbehalt in seiner derzeitigen Form ausschließlich der Sicherung des staatlichen Monopols dient. Auch der am 01.01.2008 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag sieht die Beibehaltung eines Monopols vor. Gerade der vorliegende Fall untermauert diesen Zusammenhang, wird doch die Unterlassungsverfügung der Stadt Augsburg vom 13.05.2009 (vgl. BI. 29 ff. d. A.) ausschließlich auf das Bestehen eines staatlichen Monopols gestützt. Der Angeklagte hatte deswegen schlicht keine Möglichkeit, eine Erlaubnis für sein Sportwettenangebot zu bekommen. Dies führt nach der Rechtsprechung des EuGH (zitiert im o.g. Beschluss des AG Berlin-Tiergarten vom 25.07.2011, Rdnr. 18) dazu, dass eine strafrechtliche Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Angeklagten entfällt. Es wäre ihm nämlich unter keinen Umständen möglich gewesen, eine Erlaubnis für das Vermitteln privater Sportwetten zu erhalten, weil die Behörde diese unter Hinweis auf ein - wie dargelegt europarechtswidriges - staatliches Monopol ohnehin abgelehnt hätte und hat. Eine andere Handhabung würde nach Auffassung des Gerichts dazu führen, dass über den Umweg des Strafrechts eine gegen Europarecht verstoßende Gesetzeslage durchgesetzt werden könnte.
Eine Strafbarkeit des Angeklagten scheidet daher bereits aus objektiven Gründen aus.“
Quelle: Archiv für Glücksspiel- und Wettrecht
AG Berlin-Tiergarten, Beschluss vom 25.07.2011,
AZ 249 Ds 14 Js 2738/10 (3/11), 249 Ds 3/11, Rdnr. 8 in JURIS)
Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages s.u.a.:
VG Stuttgart: Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Monopols seien auch die Erlaubnisregelungen nicht im Strafrecht anwendbar.
Das LG Berlin schließt Strafbarkeit nach § 284 StGB wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols aus.
Das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 1496/05) - (vgl. S. 5) hatte ausdrücklich einen staatlichen Strafanspruch verneint, wenn der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols verfassungswidrig ist.
EuGH: Urteil Rs. C-72/10 und C 77/10 Costa u.a.
Rn 81. Jedenfalls dürfen nach ständiger Rechtsprechung die durch innerstaatliche Rechtsvorschriften auferlegten Beschränkungen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels erforderlich ist (Urteil Gambelli u. a., Randnr. 72). Somit kann es zwar unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein, gegen einen Betreiber von Glücksspielen, der aufgrund beweiskräftiger Indizien unter Verdacht steht, in kriminelle Aktivitäten verwickelt zu sein, Vorkehrungen zu treffen, doch kann ein Ausschluss vom Markt durch Entzug der Konzession nur dann als dem Ziel der Bekämpfung der Kriminalität angemessen betrachtet werden, wenn er auf einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer hinreichend schweren Straftat beruht. Eine Rechtsvorschrift, die einen Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern – sei es auch nur vorübergehend – vom Markt zulässt, könnte nur dann als angemessen betrachtet werden, wenn ein wirksames gerichtliches Verfahren und, falls sich der Ausschluss später als ungerechtfertigt erweisen sollte, Ersatz für den entstandenen Schaden vorgesehen sind.