Ein Artikel von Prof. Dr. Tilman Becker und Dietmar Barth
In Deutschland werden derzeit zwei Möglichkeiten für die Regulierung von Sportwetten diskutiert, einerseits das Konzessionsmodell der 15 Länder und andererseits das Modell von Schleswig-Holstein. Beide Modelle kommen einer weitgehenden Öffnung des deutschen Sportwettenmarktes für private Anbieter gleich. Dieser Newsletter beschäftigt sich mit den Einnahmen aus der Besteuerung der Sportwetten in den beiden Modellen.
Bis zum Ende des Jahres 2011 galt in allen Bundesländern der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) mit dem staatlichen Monopol auf Sportwetten durch den Anbieter Oddset. Das Konzessionsmodell der 15 Länder sieht ab Juli 2012 zwanzig Konzessionen für Sportwettanbieter vor. Das Veranstalten und das Vermitteln von Online-Casinospiele und Onlinepoker bleiben aber nach wie vor verboten. Hingegen umfasst das Modell von Schleswig-Holstein eine nicht-begrenzte Anzahl von Konzessionen für Sportwettenanbieter und auch ein konzessioniertes Online-Angebot von Casinospielen und Poker.
Dieser Newsletter vergleicht die Einnahmen des Staates durch die Besteuerung von Sportwetten im Jahr 2010 unter dem derzeit gültigen Glücksspielstaatsvertrag mit den Einnahmen, die in allen Bundesländern für Sportwetten im Konzessionsmodell der 15 Länder und im Modell Schleswig-Holsteins voraussichtlich erreicht werden. Der Vergleich umfasst dabei die drei folgenden Szenarien:
1. Staatliches Monopol des Glückspielstaatsvertrags im Jahr 2010Das staatliche Monopol des Glücksspielstaatsvertrages bei Sportwetten ist gekennzeichnet durch hohe Abgaben, einem Verbot des Internetvertriebs und erheblichen Einschränkungen der Werbung. Demzufolge hat auch der Schwarzmarkt bei Sportwetten, der bei über 90% des Marktes für Sportwetten liegen dürfte, einen erheblichen Umfang. Die Einnahmen des Staates aus der Sportwette Oddset betrugen im Jahr 2010 etwa 60,3 Mio. Euro.
2. Konzessionsmodell: Abgabe von 5% auf den Wetteinsatz (Modell der 15 Bundesländer)
3. Konzessionsmodell: Abgabe von 20% auf den Bruttospielertrag (Modell Schleswig-Holstein)
In den Berechnungen wird von einem Umsatz auf dem Markt für Sportwetten von 3,166 Mrd. Euro ausgegangen. Diese Schätzung basiert auf einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage.1
Um den Umfang des Schwarzmarktes in den beiden Konzessionsmodellen abzuschätzen, liegen nur die Erfahrungen von anderen Ländern vor. Doch gelten in diesen Ländern andere Regelungen. In England ist die Werbung für Glücksspiele nicht nur den in England lizenzierten Anbietern, sondern allen europäischen Anbietern erlaubt. In Italien, Frankreich und Dänemark werden Internetsperren und die Unterbrechung der Zahlungsströme erfolgreicher umgesetzt, als in Deutschland. Wir nehmen in diesem Newsletter an, dass zukünftig in Deutschland sehr viel entschiedener gegen die nicht-lizensierten Anbieter vorgegangen wird, und wollen optimistisch in dem Konzessionsmodell der 15 Bundesländer davon ausgehen, dass der Schwarzmarktanteil auf 40% zurückgedrängt wird. In dem Modell von Schleswig-Holstein ist, aufgrund der umfangreicheren Marktöffnung, mit einem noch geringeren Schwarzmarktanteil zu rechnen. Hier gehen wir auch wieder sehr optimistisch von einem Schwarzmarktanteil von 20% aus. Auch die Möglichkeit, Online-Casinospiele anzubieten, dürfte die Attraktivität des legalen Angebots bei Sportwetten in Schleswig-Holstein steigern.
Das Konzessionsmodell der 15 Bundesländer sieht für Sportwetten eine Abgabe von 5% auf den Wetteinsatz vor. Im Modell Schleswig-Holstein beträgt die Abgabe 20% des Bruttospielertrags (Wetteinsatz minus Gewinnauszahlungen). Dies entspricht in etwa dem Steuersatz auf Sportwetten in Dänemark, England, Frankreich und Italien. Nur in Gibraltar, Malta oder Zypern gelten Steuersätze von einem Prozent des Bruttospielertrags oder weniger. Bei einer durchschnittlichen Ausschüttungsquote von 90% würde ein Abgabesatz von 20% auf dem Bruttospielertrag einem Abgabesatz von 2% auf den Wetteinsatz entsprechen.
Wenn das Konzessionsmodell der 15 Länder in allen Bundesländern, auch in Schleswig-Holstein, gelten würde, ergeben sich daraus Staatseinnahmen von etwa 95,0 Mio. Euro. Davon würden 3,3 Mio. Euro auf Schleswig-Holstein entfallen. Wenn hingegen das Modell von Schleswig-Holstein in allen Bundesländern gilt, dann würden die Staatseinnahmen 45,6 Mio. Euro betragen, von denen Schleswig-Holstein lediglich 1,6 Mio. Euro erhält.
Das staatliche Monopol bei Sportwetten ist im Glücksspielstaatsvertrag einer Reihe von Beschränkungen unterworfen. Bei geringeren Werbeeinschränkungen und einer Aufhebung des Internetverbots würden auch die Wetteinsätze eines staatlichen Monopolanbieters steigen. Diese Wetteinsätze und die daraus resultierenden staatlichen Einnahmen werden im vierten Szenario berechnet:
4. Monopolmodell (Staatliches Monopol im Jahr 2010 mit den gesetzlichen Regelungen vor dem Glücksspielstaatsvertrag)In diesem Szenario wird ein Schwarzmarktanteil von 75% unterstellt. Die Abgabenlast des staatlichen Anbieters ist dieselbe wie im derzeitigen staatlichen Monopol, nur die Einschränkungen der Werbung und das Internetverbot werden in diesem Szenario aufgehoben. Die staatlichen Einnahmen aus Sportwetten würden dann 274,0 Mio. Euro betragen.
Das Glücksspielgesetz von Schleswig-Holstein ist mit Anfang des Jahres 2012 in Kraft getreten. Derzeit gilt in den anderen Bundesländern noch der Glücksspielstaatsvertrag. Das Lizenzmodell der 15 Länder tritt nach dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag im Juli 2012 in Kraft. Eine Koexistenz dieser beiden Modelle ist nicht tragfähig, da diese fehlende Kohärenz nicht mit der europäischen Rechtsprechung vereinbar ist. In dem fünften Szenario, dem so genannten Übergangszenario, wird von einer gleichzeitigen Gültigkeit des Glücksspielstaatsvertrags in den 15 Ländern und des Glücksspielgesetzes in Schleswig-Holstein ausgegangen. Hingegen nehmen wir im sechsten und letzten Szenario an, dass in Schleswig-Holstein das Glücksspielgesetz und in den anderen 15 Ländern der Glücksspieländerungsstaatsvertrag gilt. Dieses sogenannte Koexistenzszenario ist zwar denkbar, aber rechtlich nicht von Dauer.
5. Übergangsmodell (15 Länder: GlüStV, Schleswig-Holstein: Glückspielgesetz)Im Übergangsszenario würden sich die staatlichen Einnahmen in Schleswig-Holstein auf 43,1 Mio. Euro und in den 15 Ländern auf 58,2 Mio. Euro belaufen. Während in den fünfzehn anderen Bundesländern ein Internetverbot für Sportwetten besteht und nur der staatliche Anbieter Oddset legal anbietet, agiert Schleswig-Holstein als "Free Rider" und schöpft den Markt in den anderen Bundesländern ab. Das entspricht dem vom CDU-Landstagsabgeordneten Hans-Jörn Arp proklamierte Szenario. Herr Arp geht hier allerdings von 60 Millionen Euro für Schleswig-Holstein aus. Dieses Modell bringt für Schleswig-Holstein vergleichsweise hohe Einnahmen, da diese zu Kosten der Einnahmen in den anderen Ländern gehen.
6. Konzessionsmodell der 15 Länder und Modell Schleswig-Holstein in Koexistenz
Hingegen wären die Staatseinnahmen bei einer Koexistenz beider Modelle insgesamt 93,3 Mio. Euro, wobei auf die 15 Länder 91,7 Mio. Euro und auf Schleswig-Holstein 1,6 Mio. Euro entfallen würden.
Die Berechnungen sind im Detail auf der Homepage der Forschungsstelle Glücksspiel zu finden.
1) Vgl. Becker T. (2010), Newsletter vom 22.11.2010
Quelle: Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim