Sonntag, 14. Juli 2013

Spielsucht - BGH kippt Zwangsunterbringung

Auf das unten stehende Urteil des BGH vom 06.03.2013 (5 StR 597/12) zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, habe ich bereits im Fall Mollath hingewiesen.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht, entschied der BGH (4 StR 348/12) bereits am 26.09.2012. Mehr zur Reform der Sicherungsverwahrung zum 1.6.2013.

Keine zwangsweise Unterbringung bei Spielsucht.
Voraussetzung für die Unterbringung gemäß § 63 StGB ist, dass der Täter eine rechtswidrige Tat im gesicherten Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat, der durch einen länger dauernden und nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt hervorgerufen worden sein muss. Eine Unterbringung komme nur in Betracht, wenn sich schwerste Persönlichkeitsveränderungen manifestiert hätten.

§ 63 StGB Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

§ 20 StGB Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

§ 21 StGB Verminderte Schuldfähigkeit
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Der BGH sieht darin einen "überaus gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen".Schwere Spielsucht rechtfertigt auch nach Straftaten nicht die zwangsweise Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Weiter zum vollständigen Artikel ...

StGB § 63
Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus bei „Spielsucht“.
BGH, Urteil vom 6. März 2013     
LG Göttingen – 5 StR 597/12

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

vom 6. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.

Der  5.  Strafsenat  des  Bundesgerichtshofs  hat  aufgrund  der  Hauptverhandlungen  vom 19. Februar 2013 und  vom  6. März 2013, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König

als beisitzende Richter,

Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt 

als Verteidiger,

Justizangestellte  als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

am 6. März 2013 für Recht erkannt:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 5. September 2012 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen  fallen der Staatskasse zur Last.

– Von Rechts wegen –
G r ü n d e

1    Das  Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer hierauf beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die unterbliebene Anordnung der  Unterbringung  in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

2    1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet  der 37-jährige Angeklagte an einer extremen Form pathologischen Spielens (ICD 10: F63.0), beruhend auf einer mittelgradigen kombinierten Persönlichkeitsstörung  mit selbstunsicheren, depressiven und narzisstischen Zügen. Er begann im Alter von 16 Jahren zu  spielen, wendete bald sein ganzes Lehrgeld dafür auf und bestahl Vater und Bruder. Seit dem Alter von 18 Jahren unternahm er immer wieder „Spieltouren“ durch das Bundesgebiet, übernachtete dabei in seinem Auto und verspielte ganztägig in Spielhallen sein  Geld.  Eine der „Touren  führte zu seiner Entlassung aus der Bundeswehr wegen Fahnenflucht.

3    Der Angeklagte ist  bereits mehrfach wegen Vermögens- und Eigentumsdelikten vorbestraft. Im Januar 2004 verübte er binnen kurzer Zeit zwei Raubüberfälle auf  Spielotheken,  nachdem ihm auf einer  im  Oktober  2003 angetretenen „Spieltour“ das Geld ausgegangen  war. Er wurde zunächst nicht als Täter ermittelt.Getrieben von schlechtem Gewissen stellte er sich jedoch 2007 freiwillig der Polizei; er  wurde wegen der Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Bereits im damaligen Urteil wurde eine Unterbringung nach § 63 StGB geprüft, jedoch mangels Wiederholungsgefahr verneint, weil sich der Angeklagte vier Jahre lang straffrei geführt hatte.

4    In mehreren Therapien, u.a. während der Haftzeit, konnte der Angeklagte seine Sucht nicht  überwinden. Noch vor Beendigung  seiner  letzten stationären Therapie wurde er rückfällig, weshalb er im Februar 2012 aus der Behandlung entlassen wurde.

5    2.  Auch die verfahrensgegenständlichen Taten stehen in Zusammenhang mit der Spielsucht des Angeklagten. Nachdem ihm eine Verlängerung der Therapie versagt worden war, brach er abermals zu einer „Spieltour“ auf. Hierfür verschaffte er sich am 16. März 2012 betrügerisch ein Auto (Tat 1) und beging noch am selben Tag einen Tankbetrug (Tat 2). Binnen kurzer Zeit hatte er sein Geld verspielt. Am 18. März 2012 litt er unter „extremen Entzugserscheinungen“ (UA S. 22). Er „verspürte den immer stärker werdenden Drang, sich Geld zur Befriedigung seines Spieldrucks zu besorgen“  (UA S. 13), und  überfiel deshalb unter Verwendung einer Spielzeugpistole eine Spielothek (Tat 3). Die erbeuteten 1.250 € verspielte er. Nach einem weiteren Tankbetrug am 4. April 2012 (Tat 4) stellte er sich der Polizei.

6    Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei dem Überfall auf die Spielothek sicher und bei den übrigen Taten nicht ausschließbar erheblich vermindert war (§ 21 StGB). Es hat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus trotzdem abgelehnt, weil die Spielsucht des  Angeklagten nur auf einer nicht den Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit erreichenden kombinierten Persönlichkeitsstörung beruhe.

7    3.  Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei.

8    Voraussetzung für die Unterbringung gemäß § 63 StGB ist, dass der Täter eine rechtswidrige Tat  im  gesicherten Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20  StGB) oder der verminderten  Schuldfähigkeit  (§  21  StGB) begangen hat (nachfolgend unter a), der durch einen länger dauernden und nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt hervorgerufen worden sein muss (nachfolgend unter b).

9    a)  Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt Spielsucht zwar für sich genommen keine krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar, welche die Schuldfähigkeit erheblich einschränken oder ausschließen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 5 StR 411/04, BGHSt 49, 365, 369 ff.; Beschlüsse vom 24. Januar 1991 – 4 StR 580/90, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 17, und vom 9. Oktober 2012  –  2 StR 297/12, NJW 2013, 181, 182; kritisch hierzu Kellermann, StV 2005, 287). Indes können in schweren Fällen psychische Defekte und Persönlichkeitsveränderungen auftreten, die eine ähnliche Struktur und Schwere wie bei den stoffgebundenen Suchterkrankungen aufweisen, und es kann  zu  schweren  Entzugserscheinungen  kommen  (vgl. Schöch in Handbuch der Forensischen Psychiatrie,  Band  1,  2007,  S.  92,  128; Leygraf  in Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 2, 2010, S. 514, 523; Nedopil/Müller, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 240).

10    Wie bei der Substanzabhängigkeit (vgl. BGH, Urteile vom 5. Mai 1999 –  2  StR 529/98, NStZ  1999,  448,  449, vom 19. September 2000 –  1 StR 310/00, und vom 7. November 2000 –  5 StR 326/00, NStZ 2001, 83 und 85; vgl. MünchKomm StGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 24) kann deshalb auch bei Spielsucht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit angenommen werden,  wenn diese zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt oder der Täter bei den Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat (vgl.  BGH,  Beschlüsse vom  8.  November 1988 –  1 StR 544/88, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 8, vom 22. Juli 2003  –  4 StR 199/03, NStZ 2004, 31, 32, und vom 9. Oktober 2012 –  2  StR  297/12,  aaO;  vgl.  auch  BGH, Urteil  vom 25. November 2004  – 5 StR 411/04, BGHSt 49, 365, 370 f.).

11    Das Landgericht geht auf der Grundlage dieser Rechtsprechung rechtsfehlerfrei davon aus, dass die gravierenden Entzugserscheinungen des Angeklagten zumindest im Fall II.3 sicher zu einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit führten. Der „intensive, kaum kontrollierbare Drang zum Glücksspiel“ (UA S. 21) habe bei ihm einen erheblichen Motivationsdruck zur Begehung des Raubüberfalls ausgelöst und den spontanen Tatentschluss unter bewusster Eingehung eines erheblichen Entdeckungsrisikos begründet (Videoüberwachung der Spielhalle, Fingerabdrücke und Lichtbild des Angeklagten waren der Polizei bekannt).

12    b) Die sich schubweise in schweren Entzugserscheinungen äußernde Spielsucht des Angeklagten vermag dessen Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gleichwohl nicht zu begründen.

13    aa) In Fällen stoffgebundener Süchte, in denen erst eine (vorübergehende) Alkohol- oder Drogenintoxikation zu einer rechtlich erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führt, ist eine Unterbringung nach § 63 StGB nach der Rechtsprechung nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn eine  krankhafte Alkohol- oder Drogensucht im Sinne der Überempfindlichkeit gegeben ist oder der Betroffene aufgrund eines von der Drogensucht unterscheidbaren psychischen Defekts alkohol- oder drogensüchtig ist, der in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1999  –  2 StR 430/98, BGHSt 44, 338, 339; Beschlüsse vom 23. November 1999  –  4 StR 486/99, StV 2001, 677, vom 21. November 2001  –  3 StR 423/01, NStZ 2002, 197, vom  24.  Juni  2004  –  4  StR  210/04,  NStZ-RR  2004,  331, 332,  und  vom 22. März 2007  –  4 StR 56/07). Demgemäß sind eine Neigung zum Alkoholmissbrauch (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1983 –  5 StR 401/83), eine Alkoholabhängigkeit (vgl.  BGH, Beschluss vom 19.  Dezember 2006 –  4 StR 530/06, BGHR StGB § 63 Zustand 38) und selbst chronischer Alkoholismus als Folge jahrelangen Alkoholmissbrauchs (vgl.  BGH,  Urteil  vom 8. Januar 1999  –  2 StR 430/98, aaO, S. 341 mwN) für sich allein nicht als hinreichende Gründe für eine Unterbringung nach § 63 StGB anerkannt worden. Nicht anders wird bei einer Abhängigkeit von illegalen Drogen entschieden, bei der die Schuldfähigkeit aufgrund vorübergehender starker Entzugserscheinungen erheblich vermindert ist (vgl.  BGH, Beschluss vom 21. November 2001 – 3 StR 423/01, aaO).

14    bb)  Die Voraussetzungen für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus können auch aus Gründen der verfassungsrechtlich verankerten Verhältnismäßigkeit nicht weniger streng sein als bei stoffgebundenen Süchten. Die unbefristete Unterbringung gemäß § 63 StGB stellt einen überaus gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar. Das gilt hier umso mehr, als der Maßregelvollzug  nach  § 63 StGB auf die Behandlung Spielsüchtiger ersichtlich nicht ausgerichtet ist. Demgemäß wäre zu besorgen, dass der nicht oder nicht genügend behandelte Betroffene im Fall fortbestehender Gefährlichkeit  lange Zeit im Maßregelvollzug untergebracht bliebe.

15    Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Rechtsprechung zur Rauschmittelabhängigkeit auch vor dem Hintergrund steht, dass für rauschmittelabhängige Täter die befristete und damit weniger beschwerende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1999  –  2 StR 430/98, aaO), die in Fällen der Spielsucht nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 5 StR 411/04, aaO). Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass die Schwelle zur Unterbringung  Spielsüchtiger im  psychiatrischen  Krankenhaus niedriger als dort angesetzt wird. Eine durch die Nichtanwendbarkeit des § 64 StGB unter Umständen begründete „Schutzlücke“ hat der Gesetzgeber in Kauf genommen. Auch im Zuge der Novellierung des Rechts der psychiatrischen Maßregeln durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) wurde die Erweiterung der Unterbringung nach § 64 StGB auf Spielsüchtige nicht erwogen; das Gesetz sollte vielmehr vor dem Hintergrund wachsenden  Belegungsdrucks im Maßregelvollzug zu einer „zielgerichteteren Nutzung seiner Kapazitäten“ beitragen (BT -Drucks. 16/1110, S. 1). Im Übrigen könnte eine angenommene Schutzlücke die Unterbringung des „nur“ Spielsüchtigen im psychiatrischen Krankenhaus ebenso wenig gebieten wie des die Voraussetzungen des §  64  StGB nicht (mehr) erfüllenden „nur“ Rauschmittelabhängigen (vgl.  BGH, Beschlüsse vom 17. Mai  1983 –  5  StR 182/83, NStZ 1983, 429, und vom 23. November 1999 –  4 StR 486/99, aaO), der nach geltender Rechtslage aus den angeführten Gründen regelmäßig in den Strafvollzug überwiesen wird. Hinzu kommt, dass der Strafvollzug versucht, dem Problem etwa durch Einrichtung von Therapiegruppen gerecht zu werden. Dem entspricht, dass sich auch der Angeklagte nach dem Vortrag seines Verteidigers bereits in einer solchen Therapiegruppe befindet.

16    cc) Nach den vorgenannten Grundsätzen käme die Unterbringung des Angeklagten  im  psychiatrischen Krankenhaus damit nur noch in Betracht, wenn sich dessen Abhängigkeit bereits in schwersten Persönlichkeitsveränderungen manifestiert hätte. Davon ist nach den Feststellungen jedoch nicht auszugehen. Der Sachverständige, dem das Landgericht folgt, gelangt lediglich zu der Diagnose einer mittelgradigen kombinierten Persönlichkeitsstörung, die zum Suchtverhalten des Angeklagten geführt habe, „wenn auch mittlerweile beide Störungen sich gegenseitig bedingen“ (UA  S.  29). Auch der in den Urteilsgründen dargestellte Lebensweg des noch im Wesentlichen sozial eingeordneten Angeklagten lässt einen derartigen Persönlichkeitsverfall nicht erkennen.
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weitere Rechtsgrundlagen:

Grundgesetz

  • Artikel 1 Absatz 2: Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
  • Artikel 38 Absatz 1, 2: (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

    (2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.


Europäische Konvention der Menschenrechte

  • Artikel 5: Allgemeines Freiheitsrecht gewährleistet das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Er enthält in Abs. 1 einen abschließenden Katalog von Umständen, unter denen eine Person auf gesetzlicher Grundlage die Freiheit entzogen werden darf (z.B. nach Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, in Fällen der vorläufigen Festnahme oder bei psychisch Kranken). In den Abs. 2–5 dieses Artikels sind die entsprechenden Rechte solcher Personen geregelt. Hierzu gehören die Information festgenommener Personen über die Gründe für die Festnahme und die Beschuldigungen und das Recht, unverzüglich einem Richter vorgeführt zu werden. Weiterhin gehört hierzu das Recht, die Freiheitsentziehung durch einen Richter prüfen zu lassen und das Recht auf Schadensersatz bei unrechtmäßigen Freiheitsentziehungen.
  • Artikel 6: Menschenrecht auf ein faires Gerichtsverfahren enthält das Recht auf ein faires Verfahren. Die übergroße Zahl der Verfahren vor dem Gerichtshof betrifft dieses Recht. Art. 6 Abs. 1 EMRK enthält unter anderem den Anspruch auf eine öffentliche Gerichtsverhandlung, vor einem nabhängigen und unparteiischen, auf einem Gesetz beruhendem Gericht. Weiterhin verlangt er, dass Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Fristen abgeschlossen werden. Abs. 2 dieses Artikels enthält das Recht auf die Unschuldsvermutung. Das bedeutet, dass jede angeklagte Person so lange als unschuldig zu gelten hat, bis ihre Schuld auf einem gesetzlichen Weg bewiesen ist. In Abs. 3 sind verschiedene Einzelrechte der angeklagten Personen verbürgt, u.a. das Recht auf Information über die Beschuldigung, das Recht auf Verteidigung und das Recht auf einen Dolmetscher.

Strafprozessordnung (StPO)

  • Paragraph 81: Einweisung zur Beobachtung / Vorbereitung Gutachten (1) Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten kann das Gericht nach Anhörung eines Sachverständigen und des Verteidigers anordnen, daß der Beschuldigte in ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus gebracht und dort beobachtet wird.

    (2) Das Gericht trifft die Anordnung nach Absatz 1 nur, wenn der Beschuldigte der Tat dringend verdächtig ist. Das Gericht darf diese Anordnung nicht treffen, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

    (3) Im vorbereitenden Verfahren entscheidet das Gericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig wäre.

    (4) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig. Sie hat aufschiebende Wirkung.

    (5) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Absatz 1 darf die Dauer von insgesamt sechs Wochen nicht überschreiten.

    Hierzu: Bundesverfassungsgericht - 2 BvR 1523/01 Zitierung: BVerfG, 2 BvR 1523/01 vom 9.10.2001, Absatz-Nr. (1 - 28), und hieraus:

    (Rn 1) Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Verhältnismäßigkeit einer Unterbringung nach § 81 StPO in einem Fall, in dem der Angeklagte die Zusammenarbeit mit dem psychiatrischen Sachverständigen verweigert.

    (Rn 20) Eine Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Beobachtung kann danach nicht erfolgen, wenn der Beschuldigte sich weigert, sie zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, soweit die Untersuchung nach ihrer Art die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (vgl. BGH, StV 1994, S. 231 f.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Exploration erforderlich wäre, diese aber vom Beschuldigten verweigert wird und ein Erkenntnisgewinn deshalb nur bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden (§ 136 a StPO) oder einer sonstigen Einflussnahme auf die Aussagefreiheit des Beschuldigten zu erwarten ist (vgl. OLG Celle, StV 1985, S. 224; StV 1991, S. 248).

  • Paragraf 126a: Einstweilige Unterbringung [Abruf 19.11.12] (1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

    (2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

    (3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

    (4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1906 Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

Strafgesetzbuch (StGB)

  • Paragraph 63: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.


    Folgende Voraussetzungen müssen für die Unterbringung gegeben sein:
    • Vorliegen einer rechtswidrig begangenen Tat: Die Person, die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden soll, muss eine rechtswidrige Tat begangen haben, d. h. es muss zumindest der äußere Tatbestand erfüllt und die Handlung rechtswidrig (bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes kommt § 63 StGB nicht zur Anwendung) sein. Ist jedoch der Fall gegeben, dass der Täter freiwillig von einem Versuch zurücktritt , so erfolgt keine Unterbringung (BGHSt 31, S. 132; Schönke/Schröder/Stree § 63, Rn 6; Blau JR 84, S. 27)
    • Vorliegen von Schuldunfähigkeit oder von verminderter Schuldfähigkeit: Der Täter muss während der Tatbegehung schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) gewesen sein Die Schuldunfähigkeit, bzw. die verminderte Schuldfähigkeit muss bestehen, es reicht nicht, dass sie möglicherweise bestehen könnte. Auch muss die Schuldunfähigkeit die zur Tatzeit bestanden hat, auf einem länger dauernden geistigen Defekt beruhen (NStZ-RR 98, S. 174; Lackner § 63 Rn 3)
    • Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit: Durch die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat muss sich ergeben, dass infolge des Zustands des Täters erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er daher für die Allgemeinheit gefährlich ist.
    • Für die Gesamtwürdigung ist die Zeit der Hauptverhandlung maßgebend, d. h. die Prüfung der Gefährlichkeit des Täters durch das Gericht, hat sich auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu beschränken (BGHSt 25, S. 29, Tröndle § 63 Rn. 10).
    • Es müssen vom Täter erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sein, d. h. es muss die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass es zu solchen Taten kommt, dabei reicht bloße Wiederholungsgefahr nicht aus (Lackner § 63 Rn. 5).
    • Die Beurteilung der Erheblichkeit der Tat richtet sich nach der zu erwartenden Tatbestandserfüllung, die Tat muss geeignet sein eine Schädigung herbeizuführen und somit den Rechtsfrieden zu stören.
    • Eine Gefahr für die Allgemeinheit ist auch dann schon zu bejahen, wenn der Täter für eine Einzelperson gefährlich ist.
    • Auf Grund der Formulierung "infolge seines Zustandes" , ist die Kausalität zwischen dem geistigen Defekt und der Gefährlichkeit zu prüfen, diese entfällt z. B. dann, wenn der Täter auch ohne diesen Defekt gefährlich wäre.
    Liegen die Voraussetzungen vor, so ist die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zwingend, sie liegt nicht im Ermessen des Gerichtes (NJW 92, S 1570; Tröndle § 63 Rn 13).
    Die Anordnung hat im Urteilstenor zu erfolgen. Hier ist noch zu beachten, dass im Fall der Schuldunfähigkeit die Anordnung im subjektiven Verfahren neben den Freispruch oder im Sicherungsverfahren (§§ 413 StPO) selbstständig tritt, im Fall der verminderten Schuldfähigkeit tritt sie neben die Strafe."
    [Quelle justiz.nrw Abruf 7.1.13]
  • Paragraph 92 Absatz II Nr. 6: Gewalt und Willkürherrschaft Im Sinne dieses Gesetzes sind Verfassungsgrundsätze (...) der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.
  • Paragraph 258a: Strafvereitelung im Amt (1) Ist in den Fällen des § 258 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) oder ist er in den Fällen des § 258 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme berufen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

    (2) Der Versuch ist strafbar.

    (3) § 258 Abs. 3 und 6 ist nicht anzuwenden.
  • Paragraph 344: Verfolgung Unschuldiger (1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, abgesehen von dem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer behördlichen Verwahrung berufen ist.

    (2) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) berufen ist, absichtlich oder wissentlich jemanden, der nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur Mitwirkung an
    1. einem Bußgeldverfahren oder
    2. einem Disziplinarverfahren oder einem ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Verfahren
    berufen ist. Der Versuch ist strafbar.
  • Paragraph 345: Vollstreckung gegen Unschuldige Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung bei der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung oder einer behördlichen Verwahrung berufen ist, eine solche Strafe, Maßregel oder Verwahrung vollstreckt, obwohl sie nach dem Gesetz nicht vollstreckt werden darf, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

    (2) Handelt der Täter leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

    (3) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, als Amtsträger, der zur Mitwirkung bei der Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) berufen ist, eine Strafe oder Maßnahme vollstreckt, obwohl sie nach dem Gesetz nicht vollstreckt werden darf, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung bei der Vollstreckung
    1. eines Jugendarrestes,
    2. einer Geldbuße oder Nebenfolge nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht,
    3. eines Ordnungsgeldes oder einer Ordnungshaft oder
    4. einer Disziplinarmaßnahme oder einer ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Maßnahme
    berufen ist, eine solche Rechtsfolge vollstreckt, obwohl sie nach dem Gesetz nicht vollstreckt werden darf.
    Der Versuch ist strafbar.

Urteil des BGH zu Privatgutachten (IV ZR 57/08)

II a) Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverstänigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. (...) Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht ernst nehmen. Es muss ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären. Dazu kann es den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen. Insbesondere bietet sich die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO an. Ein Antrag der beweispflichtigen Partei ist dazu nicht erforderlich (...). Zweckmäßigerweise hat das Gericht den Sachverständigen unter Gegenüberstellung mit dem Privatgutachter anzuhören, um dann entscheiden zu können, wieweit es den Ausführungen des Sachverständigen folgen will (...). Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten einholen (...).