Missverständnisse beim Konzessionsverfahren für Sportwetten
Eine Anmerkung von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein
Das im geänderten Glücksspielstaatsvertrag angelegte und erst später
im Verlauf des Verfahrens konkretisierte Verfahren für max. 20
sportwettenrechtliche Konzessionen wird keinen Abschluss finden, der den
unionsrechtlichen Vorgaben gerecht wird. Das stand von Anfang an fest
und diese Erkenntnis hat sich offensichtlich auch in der Politik bei der
SPD durchgesetzt. „Aus meiner Sicht ist
klar, dass der Glücksspielstaatsvertrag so nicht funktionieren wird. Ich
fordere die Länder auf, sich noch mal zusammenzusetzen und
Verbesserungen im Verfahren zu beschließen“ ließ Martin Gerster, der sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag jüngst verlautbaren (Quelle: SID).
Den Bundesländern bleibt, das Verfahren für gescheitert zu erklären
und im Anwendungsbereich des Unionsrechts auf die Vollziehung der
Beschränkungen des geänderten Glücksspielstaatsvertrags zu verzichten,
soweit sich diese Beschränkungen an private Anbieter richten sollten und
nicht lediglich an die erlaubten bzw. erlaubnisfähigen Anbieter. Nur so
können weitere Staatshaftungsansprüche vermieden werden.
Das Scheitern des Konzessionsverfahrens stand schon fest, als im Juni
2010 öffentlich bekannt wurde, dass die maßgebliche Schweizer Studie,
auf die sich die Bundesländer zur Rechtfertigung der Beschränkungen des
geänderten Staatsvertrages berufen, in ihrem Kernaussagen manipuliert
worden war. Während es im Original dieser Studie zur Gesamtbewertung des
Wettwesens heißt: „Das Wettwesen scheint auch weniger dem
Problemspiel ausgesetzt zu sein, wahrscheinlich weil Wetten
Opportunitätskosten für den Spieler hervorbringen, d.h. der Wettspieler
braucht gewisse Auskünfte (über Pferde, Sportklubs, usw.). Diese
Auskunftssuche hält jedoch jene Spieler zurück, die ein schnelles und
einfaches Glücksspiel suchen und in diese Kategorie fallen die meisten
Suchtspieler. Auch vom Internet kommt hier weniger Konkurrenz, weil das
Wettprinzip das gleiche bleibt.“ wurde in der von Seiten der
Erfüllungsgehilfen der Bundesländer manipulierten Fassung die Sportwette
wahrheitswidrig im Ergebnis als Spiel „mit hohem Gefährdungspotenzial“ betrachtet, was – so die Manipulatoren – insbesondere auch für das Internet-Wettwesen gelte.
Die Konzessionsstelle, die von diesen Manipulationen weiß, schert die
fehlende sachliche und tatsächliche Rechtfertigung des geänderten
Staatsvertrages nicht. Unbeirrbar rekrutiert sie Söldner, um sich gegen
die erwartete Flut von Unbeugsamen Dienstleistern zu verteidigen, die
von ihren Grundrechten und Grundfreiheiten Gebrauch machen möchten und
dazu auch gerichtliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Nachdem schon
einige Klagen gegen das Konzessionsverfahren als solches und zahlreiche
Eil-Anträge auf die weitere Teilnahme am Konzessionsverfahren
gerichtlich anhängig sind, lässt sich nunmehr auch die staatliche
Argumentationsstrategie übersehen.
Diese Strategie verkennt zunächst, dass die privaten Wettanbieter
keine Almosen von der Konzessionsstelle erhoffen, sondern Inhaber der
höherrangigen Dienstleistungsfreiheit sind und das elementare Recht
haben, von staatlichen Beschränkungen verschont zu bleiben. Außerdem ist
die Verteidigungsstrategie der Konzessionsstelle von Widersprüchen
gekennzeichnet. Beispielsweise räumt die Konzessionsstelle ein, dass der
Staatsvertrag „so gut wie gar keine Aussagen zur konkreten
Ausgestaltung des Verfahrens“ trifft, spricht aber von einem objektiven
und transparenten Verfahren und meint dann, die einzelnen Anforderungen
für eine Konzession hätten nicht notifiziert werden müssen. Das passt
nicht zusammen. Wenn der Staatsvertrag so gut wie keine Aussagen zu dem
Verfahren trifft, ist das Verfahren nicht hinreichend vorhersehbar und
nicht transparent. Die Behörde räumt mithin selbst ein, dass die
einzelnen, oft recht komplexen Anforderungen zur Erlangung einer
Konzession schon deshalb unanwendbar sind, weil sie nicht notifiziert
wurden.
Auffällig ist zudem, dass die Konzessionsstelle stets ausgeführt
hatte, Vergaberecht sei nicht anwendbar, weil es nicht um einen
öffentlichen Dienstleistungsauftrag geht; andererseits aber vor den
Verwaltungsgerichten nunmehr mit einer Analogie zum Vergaberecht
argumentiert. Dabei übersieht die Konzessionsstelle einmal mehr, dass
private Wettanbieter nicht als Bittsteller kommen. Sie dürfen ihre
Dienstleistung grundsätzlich unbeeinträchtigt von staatlichen Zwängen
erlaubnisfrei ausüben. Das ist der Sinn und Zweck der unionsrechtlichen
Grundfreiheiten. Von diesem Grundsatz der unionsrechtlichen
Gewerbefreiheit gibt es nur dann Ausnahmen, wenn ein gesetzlich
vorgesehenes objektives Erlaubnisverfahren besteht, das durch zwingende
Erfordernisse des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und auch in seinen
konkreten Anwendungsmodalitäten alle Voraussetzungen des Unionsrechts an
seine Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dabei ist die
Konzessionsstelle, der grundsätzlich jede Beschränkung der
Dienstleistungsfreiheit privater Wettanbieter verboten ist, darlegungs-
und beweisbelastet dafür, dass jede einzelne Beschränkung des
Verfahrens ausnahmsweise durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls
gerechtfertigt, das heißt zwingend erforderlich und verhältnismäßig ist.
Diesen Nachweis hat die Konzessionsstelle nicht erbracht und kann ihn
auch nicht erbringen. Deshalb zieht sie sich auf den fernliegenden
Standpunkt zurück, die zahlreichen von ihr aufgestellten
Mindestvoraussetzungen bedürften keiner eigenständigen unionsrechtlichen
Rechtfertigung. Das ist falsch, denn nach der ständigen Rechtsprechung
des EuGH ist jede einzelne Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit für
sich genommen rechtfertigungsbedürftig, sonst könnten die
Mitgliedstaaten diese elementare Grundfreiheit leerlaufen lassen.
Die Konzessionsstelle und ihre (zukünftigen) Anwälte werden deshalb
umdenken müssen. Vergaberecht findet keine Anwendung, schon gar nicht in
Analogie. Anträge auf eine Konzession sind anders als im Vergaberecht
keineswegs darauf gerichtet, eine Dienstleistung gegen Entgelt für den
Staat als öffentlichen Auftraggeber zu erbringen. Nicht der Staat fragt
die Dienstleistung Sportwetten nach, das macht der Bürger. Der Staat
bezahlt auch nicht dafür, dass private Anbieter unter Inanspruchnahme
ihrer Dienstleistungsfreiheit Sportwetten anbieten, das macht der
Bürger.
Private Sportwettenanbieter kommen mithin nicht als Bittsteller nach
Wiesbaden, denn die Ausübung der Grundfreiheiten ist nicht an eine
behördliche Erlaubnis gebunden. Private Anbieter kommen als Inhaber
höherrangiger Rechte mit dem Anspruch auf ein freies und unbeschränktes
Gewerbe und müssten angesichts der fehlenden Transparenz und
Objektivität des Konzessionsverfahrens, das zudem offenkundig auf die
Günstlingswirtschaft zu Gunsten der staatlichen Lotteriegesellschaften
angelegt ist, überhaupt keine Konzession beantragen, um ihre
Dienstleistungsfreiheit auszuüben.
Von diesem Blickwinkel aus betrachtet liegt es fern, eine Analogie
zum Vergaberecht zu ziehen und dem privaten Wettanbieter die Erfüllung
eines Lastenheftes – in der Form der so genannten Mindestvoraussetzungen
– aufzuzwingen. Die Ausübung der Grundrechte und Grundfreiheiten ist
nicht an die Erfüllung bestimmter Mindestvoraussetzungen gebunden.
Grundrechte und Grundfreiheiten existieren, um unmittelbar ausgeübt zu
werden, sonst bräuchte man sie nicht. Es geht daher nicht an, die
unüberwindbaren Hürden für ein staatliches Sportwettenmonopol oder
–Oligopol über die Hintertür ungerechtfertigter „Mindestvoraussetzungen“
zu umgehen und das Vergaberecht heranzuziehen. Die privaten
Wettanbieter verlangen nichts vom deutschen Staat. Sie wollen keinen
Wettauftrag und kein Entgelt. Sie möchten nur, dass der Staat seine
primäre staatliche Pflicht erfüllt und ihre Grundrechte und
Grundfreiheiten beachtet. Das ist nicht viel verlangt, für manchen
Amtsträger aber scheinbar doch zu viel.
Rolf Karpenstein
Rechtsanwalt
Karpenstein@raeblume.de
Tel.: 0403550300; Fax.: 04035503030
EGBA: Ein Jahr Glücksspieländerungsstaatsvertrag in Deutschland: Beschränkte Marktöffnung droht zu scheitern
Pressemitteilung der European Gaming and Betting Association (EGBA)
Brüssel,
28. Juni 2013 - Auch ein Jahr nach in Inkrafttreten des Ersten
Glücksspieländerungsstaatsvertrages (Erster GlüÄndStV) ist die
beschränkte Marktöffnung für die Sportwette in Deutschland noch nicht
auf den Weg gebracht. Damit bestätigen sich die Bedenken der führenden
europäischen Glücksspielanbieter und der Europäischen Kommission
bezüglich der deutschen Regulierung und deren Umsetzung.
Der
Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist am 1. Juli 2012 in Kraft getreten
und sieht eine Neuregelung des Glücksspiels in Deutschland vor, nachdem
der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutsche Regulierung im Jahre
2010 für europarechtswidrig erklärte. Durch den Vertrag wird der Markt
beschränkt für den Zeitraum von sieben Jahren für 20 Sportwettenanbieter
geöffnet. Erklärte politische Ziele des Vertrages sind die
Kanalisierung des Schwarzmarktes und die Bekämpfung von Spielsucht.
Die
Europäische Kommission hat frühzeitig europarechtliche Bedenken an der
deutschen Regulierung geäußert, insbesondere in Bezug auf die
Problematik der Begrenzung der Höchstzahl von Anbietern und auf die
fehlende Berücksichtigung von Online Poker und -Casino in der Regelung.
Für die Kommission ist nicht zu erkennen, wie eine Beschränkung der
Gesamtzahl der Konzessionen zur Erreichung der gesetzten Ziele geeignet
ist (vgl. Notifizierung des Glückspielstaatsvertrages 2011/0188/D). In
Kombination mit den gesetzten engen Grenzen für die Ausgestaltung von
Sportwetten ist es durch die Begrenzung schwierig, ein attraktives
(Online-)Sportwetten-Angebot in Deutschland zur Verfügung zu stellen.
Diese
Bedenken der Kommission scheinen sich nun zu bestätigen: Ein Jahr nach
Inkrafttreten ist die Neuregelung der Sportwette nicht gelungen, ein
Jahr der siebenjährigen Öffnungsphase ist verstrichen, ohne dass
Sportwettenanbieter zum Markt zugelassen wurden. Das für die Vergabe der
20 Sportwetten-Konzessionen gewählte Verfahren, auf das sich die
Ministerpräsidenten geeinigt hatten, entspricht nicht den europäischen
Vorgaben: Es wurde versäumt den Bewerbern klare, transparente und
verlässliche Informationen über die bei der Vergabe anzuwendenden
Kriterien zu liefern. Dies führte bisher zu zahlreichen Klagen der
Anbieter und mehrfacher Verschiebung der Konzessionsvergabe durch die
Verwaltung. Wann die Vergabe der Konzessionen stattfinden wird, ist
momentan völlig offen, selbst die Verwaltung rechnet mit bis zu 80
verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sowohl mit unterlegenen Bewerbern
als auch mit Konzessionsinhabern. Zudem sind Online Poker und -Casino
nicht Teil der beschränkten Marktöffnung, obwohl diese Marktsegmente
einen deutlich größeren Umfang ausmachen als die Sportwette.
Maarten
Haijer, Generalsekretär der EGBA, kommentiert: "Zahlreiche Fragen
bezüglich der Sportwette sind in Deutschland nach wie vor offen, obwohl
das Vergabeverfahren seit Monaten läuft. Selbst wenn die Vergabe
gelingt, wird am Ende eine Marktregulierung stehen, die für alle
Beteiligten - sowohl die Anbieter, die Verwaltung als auch den Breiten-
und Profisport und die Werbebranche, die von Erträgen der
Glücksspielanbieter abhängig sind – Nachteile birgt.“
Die
schleppende Vergabe der Konzessionen zeigt, dass das gewählte
Regulierungsmodell problematisch ist. Die Bedenken der Kommission können
aus Sicht der EGBA zu diesem Zeitpunkt nur ausgeräumt werden, wenn der
Regulierungsansatz grundsätzlich überdacht oder das Vergabeverfahren neu
begonnen wird. Ohnehin stellt die deutsche Regulierung einen
europäischen Alleingang dar: In anderen europäischen Ländern werden
Anbieter auf Basis eines umfangreichen Kriterienkatalogs zugelassen.
Zudem gibt es mit der seit 2011 praktizierten Lizenzierung von
Glücksspielanbietern in Schleswig-Holstein ein binnenländisches Beispiel
für eine erfolgreiche Regulierung: Dort erhalten Anbieter eine Lizenz,
die die Erfüllung von hohen Zuverlässigkeits-, Qualitäts-,
Wirtschaftlichkeits- und Sicherheitskriterien nachweisen können. Diese
Verfahren haben sich in der Praxis bewährt und führen nirgends zu
vergleichbaren Verzögerungen und juristischen Auseinandersetzungen wie
in Deutschland.
Maarten Haijer fasst zusammen: “In Deutschland
lässt sich beobachten, wie ein politischer Kompromiss, von dem nun
niemand abrücken möchte, ein schlechtes Verfahren schafft. Für unsere
Mitglieder, die in allen europäischen Ländern aktiv sind, ist das
deutsche Vorgehen vor dem Hintergrund erfolgreicher europäischer
Regulierungsbeispiele und dem Fortbestand europarechtlicher Bedenken
unverständlich“.
Die Erreichung der politischen Ziele von
Schwarzmarktkanalisierung und Bekämpfung der Spielsucht sind vor dem
Hintergrund der Verfahrensprobleme in der Konzessionsvergabe komplett in
den Hintergrund gerückt. Die Europäische Kommission plant, sich
spätestens 2014 im Rahmen der Evaluierung des
Glücksspielstaatsvertrages, mit der deutschen Regulierung intensiv
auseinander zu setzen. Der bisherige Verlauf des Konzessionsverfahrens
dürfte Gegenstand der Evaluierung sein.
Deutsche Kunden haben
Anspruch auf ein effizient reguliertes Angebot an digitaler
Unterhaltung. So müssen sie nicht auf asiatische Anbieter ausweichen.
EGBA wird in sehr naher Zukunft mit einer Vertretung in Berlin die
Online-Gaming-Industrie vor Ort repräsentieren und so einen
faktenbasierten Entscheidungsfindungsprozess mit Politik und anderen
Stakeholdern unterstützen.
Über EGBA
Die European Gaming and
Betting Association (EGBA) ist die Industrievereinigung der führenden in
der Europäischen Union angesiedelten, lizenzierten und regulierten
Online-Glücksspiel- und Wettanbieter Bet-at-home.com, bwin.party,
Betclic, Digibet, Expekt und Unibet. Die EGBA tritt für einen
durchgängigen und von fairem Wettbewerb gekennzeichneten regulierten
Online-Glücksspiel- und Wettmarkt ein, der im Einklang mit EU-Recht
steht. Die EGBA ist der Überzeugung, dass ein derart regulierter Markt
auf der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Wahrung von
Verbraucherschutzinteressen basieren sowie dem grenzübergreifenden
Charakter des Online-Marktes entsprechen sollte. www.egba.eu