Montag, 15. Juni 2015

Heute im TV: Die Gutachterrepublik


Mo, 15. Jun 15 · 22:45-23:30 · Das Erste (ARD)
Di, 16. Jun 15 · 04:45-05:30 · Das Erste (ARD)
Do, 18. Jun 15  · 20:15-21:00 · tagesschau24
Sa, 20. Jun 15  · 14:15-15:00 · tagesschau24
Sa, 27. Jun 15 · 09:15-10:00 · tagesschau24


Die Gutachterrepublik

Wenn Rechtsprechung privatisiert wird - Film von Jan Schmitt


Marnie Gröben arbeitete als Reitlehrerin. Der Tritt eines Pferdes löste eine seltene Krankheit aus, in deren Folge die 22-Jährige ihr Bein verliert. Eindeutig ein Arbeitsunfall, sagt ein Gutachten der Uniklinik Düsseldorf. Doch die Unfallversicherung will nicht zahlen. Sie beauftragt ein Gegengutachten, und darin heißt es, ihre Krankheit habe psychische Ursachen. Nach fünf Jahren Leid und jahrlangem Kampf mit der Versicherung hat sie die Hoffnung auf Gerechtigkeit fast aufgegeben: "Ich habe immer gedacht, wenn so ein Unfall mal eintreten sollte, dann wird einem auch geholfen. Doch ich war perplex als ich merkte, dass es eben nicht so ist - was für eine Maschinerie da auch hinter steckt."  Gutachter haben eine große Macht. Ihre "Urteile" über Sachverhalte und Menschen haben weitreichende Folgen für das Leben der Begutachteten. Die Dokumentation "Die Gutachterrepublik" geht in einer akribischen Recherche Fällen nach, spricht mit Betroffenen, Experten und Insidern. Sie beleuchtet ein offenbar gut eingespieltes System: Häufig werden Gutachter eingesetzt, um Interessen zu verfolgen - oft von Institutionen, meist gegen den Einzelnen. Und wer den Gutachter auf seiner Seite hat, hat gute Chancen, seine Interessen durchzusetzen - ob vor Gericht oder in staatlichen Institutionen. Experten sprechen von sogenannten "Gefälligkeitsgutachten". Wer den Gutachter bezahlt, bekommt Recht?  Tatsächlich berichtet eine Insiderin, eine ehemalige Versicherungsmitarbeiterin, von regelrechten Gutachterinstituten, die Gutachter bei Bedarf vermitteln: "Das erlebt man, wenn man das ganze Programm jeden Tag auf dem Tisch hat, so wie ich. Und dann sieht man, dass immer wieder dieselben beauftragt werden."  Ein anderer Fall spielt in Frankfurt, Umschlagplatz des großen Geldes. Hier arbeitete das sogenannte "Bankenteam". Für das Finanzamt spüren die Fahnder detektivisch hinterzogenen Steuern nach. Und darin sind sie extrem erfolgreich. Doch plötzlich sollen die Fahnder nicht mehr weiterarbeiten wie bisher, die Abteilung wird schließlich aufgelöst. Die Fahnder protestieren. Vergeblich. Am Ende ihres Kampfes gegen den Arbeitgeber stehen Gutachten, die gleich vier Steuerfahnder für psychisch krank und dienstunfähig erklären. Alle Gutachten von ein und demselben Verfasser. Gefälligkeitsgutachten? Tatsächlich stellt ein Gericht später fest: Der Gutachter hatte seine ärztliche Berufspflicht verletzt, er muss ein Bußgeld zahlen. Doch den Steuerfahndern hilft das nicht: Sie wurden für immer aus dem Dienst entfernt.  Experten wie der Berliner Versicherungsrechtler Hans-Peter Schwintowsky plädieren seit langem für die Anonymisierung des Verfahrens: "Also dafür zu sorgen, dass der Gutachter seinen Auftrag bekommt aber nicht weiß, für wen er gerade gutachtet. Dann werden wir objektive Gutachten bekommen."  Doch bis dahin, so das Fazit des Films, bleibt unser Recht allzu oft auf der Strecke.
Quelle 

Behandlungsfehler: Patienten beschweren sich
Mehr Patienten sehen sich als Opfer


Im vergangenen Jahr haben mehr Patienten bei ihrer Krankenkasse einen Verdacht auf Behandlungsfehler gemeldet. So stieg die Zahl der entsprechenden Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) binnen eines Jahres um rund 80 auf 14.663 an.
"Hohe Dunkelziffer"

In 3.796 Fällen erkannten die Gutachter einen Behandlungsfehler, durch den die Patienten geschädigt wurden. "Es ist mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen", betonten die Mediziner. Ein Drittel der Fehler passiere bei einem operativen Eingriff. "Die Zahlen sprechen dafür, dass von einer Entwarnung keine Rede sein kann", sagte Vize-Geschäftsführer Stefan Gronemyer, vom MDK. Der Medizinische Dienst forderte einen offenen Umgang mit Fehlern und eine neue Sicherheitskultur.
"Fehler analysieren"

"Auch bei größter Sorgfalt passieren Fehler im Krankenhaus, in der Arztpraxis und in der Pflege. Uns geht es um einen offenen Umgang mit Fehlern, damit die Patienten entschädigt werden", erklärte Gronemeyer. Zudem müssten die Fehler systematisch analysiert werden, damit sie in Zukunft vermieden werden könnten. Knapp zwei Drittel der Vorwürfe betrafen Behandlungen in Krankenhäusern, ein Drittel richtete sich gegen einen niedergelassenen Arzt. Die meisten Fehlervorwürfe bezogen sich auf chirurgische Eingriffe. 7.845 Fälle stehen in direktem Zusammenhang mit Operationen.
Quelle

Video: Familiengerichte: Jedes zweite Gutachten mangelhaft
Sie sind oft Grundlage für richterliche Entscheidungen - doch Gerichtsgutachten weisen häufig gravierende Mängel auf, denn es gibt für ihre Erstellung keine Regeln.
Mediathek

Wie kommen fehlerhafte Gutachten zustande?
Prof. Werner Leitner von der IB-Hochschule Berlin erklärt wie Mängeln bei familienpsychologischen Gutachten entstehen und deren Auswirkungen einem familiengerichtlichen Verfahren.
Medithek


SPON:  ARD-Doku über Gutachter: Der Richter und sein Lenker

Sie sollen nur eine Einschätzung geben, oft aber folgen Gerichte ihrer Bewertung: Gutachter haben eine gefährliche Macht, sie bestimmen über Lebenswege. Eine ARD-Doku zeigt nun diese Schwachstelle des deutschen Rechtssystems.
Der Gutachter, der wahre Entscheider

Richtern fehlt oft die Sachkompetenz, psychiatrische oder psychologische Fragen zu beantworten. Diese Aufgabe wird dem Gutachter übergeben, der eine Einschätzung, eine Bewertung des Falls abgibt. Er gilt als Hilfsperson - in Wahrheit aber ist er der Entscheider. Der Richter und sein Lenker.

Zu einem ähnlichen Fazit kommt im Film auch Elmar Bergmann, Rechtsanwalt und ehemaliger Familienrichter: "Die Rechtsprechung wird privatisiert", sagt er. Längst habe "eine Verlagerung der Entscheidungen von Gerichten auf Sachverständige" stattgefunden. Gutachter werden zu heimlichen Richtern.
Weiter zum vollständigen Artikel ...


Hintergrundinformationen


Auszug aus der Informationsbroschüre (pdf Datei 546.3 KB) des Vereins Justiz-Opfer e.V.:

Das große Leid der Versicherungs- und Unfallopfer ...
  
Es gibt erhebliche Defizite im Gutachterbereich und bei der Justiz ...


Die Versicherungen und das Gutachtersystem in Deutschland stellen eine eigennützige und unheilige Wirtschaftsmacht dar, weil es hierbei um viel Geld geht. Wer bezahlt schon gerne hohe Forderungen bzw. Rechnungen, wenn man dies auch über einen jahrelangen oder sogar jahrzehntelangen Gerichtsstreit über alle Gerichtsinstanzen in einem günstigen Vergleich enden lassen kann, der zumeist nur einen Bruchteil des eigentlichen Schadens abdeckt?! 

Man spricht hierbei von einer sogenannten "Aushungertaktik", die mit demjetzigen gesetzlichen System durch Politik und Gesetzgeber regelrecht geschützt wird.

Positionspapier des gemeinnützigen Vereins Justiz-Opfer e.V.


Fehldiagnose Rechtsstaat: Die ungezählten Justizopfer
Fehlende Kontrolle durch Richter

Dass die Qualität von Gutachten auch desaströs sein kann, merken Richter häufig nicht. Der pensionierte Familienrichter Elmar Bergmann hat dafür eine einfache Erklärung: "In aller Regel wird die Zusammenfassung gelesen und damit hat es sich. Und das wird auch übernommen." Dabei müsse der Richter eigentlich jede Seite des Gutachtens überprüfen. 
weiterlesen

Die Geschäfte der Gutachter
Gutachter sollten neutral und hochkompetent sein - aber sind sie das wirklich? Oft werden sie wegen Qualitätsmängeln und wirtschaftlicher Abhängigkeit kritisiert.  Richter vertrauen in den meisten Fällen auf ihr Urteil: Gutachter. Vor Gericht geben ihre Einschätzungen oft den Ausschlag in die eine oder andere Richtung und entscheiden so über Schicksale - ob eine Mutter oder ein Vater erziehungsfähig sind oder ob ein Unfall Spuren hinterlassen hat.
weiterlesen

Studie: Richter signalisieren bei der Auftragsvergabe von Gutachten, welche Ergebnisse sie erwarten

Gutachter gelten als die heimlichen Herren des Gerichtsverfahrens. Ihre Befunde sollten deshalb sachlich und unparteiisch ausfallen. Daran weckt eine Studie nun Zweifel: Viele Gutachter seien von den Aufträgen der Gerichte wirtschaftlich abhängig – und jeder Vierte erhalte gelegentlich Signale, welches Ergebnis gewünscht ist. Höchste Zeit für Reformen, meint die Medizinerin Ursula Gresser
weiterlesen

Studie zur Unabhängigkeit von Gerichtsgutachten

Prof. Dr. Ursula Gresser, Universität München
»Wir hatten mit allem gerechnet. Aber wir hatten nicht mit diesem Ergebnis gerechnet. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass eine nennenswerte Zahl an Gutachtern, bis zu 45 Prozent je nach Berufsgruppe, sagt, wir kriegen gelegentlich Signale von Richtern, die uns sagen, in welche Richtung es gehen soll....

Er kann es nicht glauben und lässt das Gutachten von einem anderen Sachverständigen überprüfen. Peter Schmidt findet immer wieder Ungereimtheiten in Gutachten von Kollegen. Auch in diesem Fall stellt er fest: Der Gerichtsgutachter hat schwere Fehler gemacht

Peter Schmidt, Unfallgutachter:
»Der Fehler der war, er hat in dem Crash-Test, den er durchgeführt hat, im Rahmen dieses Gerichtsgutachtens beide Fahrzeige vertauscht.
weiterlesen

Prof. Norbert Nedopil, Psychiater und Gerichtsgutachter:

Ein Gutachten ohne Untersuchung bezeichne ich nicht als Gutachten.
Ich sage: Das ist eine sachverständige Stellungnahme.
Dass die forensische Psychiatrie benutzt wird, um auch missliebige Leute sozusagen einzusperren, das ist durchaus eine Denkmöglichkeit. Und das kommt auch vor.
weiterlesen

Fehlerhafte Gutachten
Polizei beauftragt umstrittenen Sachverständigen

Ein Gutachter irrt sich - immer wieder, manchmal folgenschwer. Aufgrund seiner Fehleinschätzung saß ein Unschuldiger acht Jahre lang im Gefängnis. Dennoch wird der umstrittene Sachverständige weiter von der bayerischen Polizei beschäftigt.
Wie kann das sein?
weiterlesen

Wenn Gerichtsgutachten Familien zerstören

Es geht um Menschen, die ihr gutes Recht durchsetzen wollen und nicht klein bei geben, obwohl sie sich manchmal machtlos fühlen. Wie "David gegen Goliath" kämpfen sie gegen Behörden, Institutionen oder auch große Unternehmen. Die brisanten Fälle, die die fünfteilige Reihe präsentiert, zeigen aktuelle gesellschaftliche und politische Missstände aus den Bereichen Justiz, Gesundheit, Wirtschaft und Arbeit auf. Die Online-Seite www.mutgegenmacht.wdr.de bietet Zusatzinformationen und Links und ist Kommunikationsplattform für Kommentare, Fragen und Anregungen der Zuschauer. Neuigkeiten und Bonusmaterialien rund um die Filme werden über Facebook, Google+ und Twitter kommuniziert.
weiterlesen

Schon seit Jahrzehnten weisen kritische Beobachter darauf hin, dass die Beziehungen von Gutachtern zu bestimmten Gerichten nicht die erforderliche Unabhängigkeit aufweisen: Es gibt einerseits eine wirtschaftliche Abhängigkeit von regelmäßigen Gutachtenaufträgen – andererseits den Wunsch der Gerichte, möglichst schnell und unaufwändig zu klaren Entscheidungen zu gelangen. Die daraus entstehende Symbiose unterläuft den Gesetzeszweck, nämlich die gegenseitige kritische Überprüfung: Gutachter und Gerichte bestätigen sich häufig nur gegenseitig. Nur gelegentlich „störte“ die höchstrichterliche Rechtsprechung (z.B. BGH 2 StR 367/04 - Beschluss vom 12. November 2004 ) diese Zusammenarbeit und hat immerhin veranlasst, dass Juristen und Psychiater Mindestanforderungen der Gutachtenerstattung formuliert haben (Schuldfähigkeitsgutachten bzw. Prognosegutachten). Allerdings sind die Mindestanforderungen nur „Empfehlungen“ geblieben.
weiterlesen

Strate kritisiert Gutachter-Praxis

„Dass da ein Gutachter von der Meinung des anderen abweicht - dazu braucht es schon Mannesmut, das kommt nicht so schnell vor“, sagte Strate am Montag vor Journalisten in Karlsruhe. Bundesweit gebe es vielleicht 100 Psychiater, die für solche Gutachten in Frage kämen. „Die kennen sich alle und sind miteinander verwoben.“ Dies sei ungut.
Der Ruf der bayerischen Justiz werde durch den Umgang mit Mollath „in schrecklicher Weise“ ramponiert. „Dass ich da so dicke Bretter bohren muss, hätte ich nicht gedacht“, sagte Strate weiter.
weiterlesen

Widersprechen sich in einem Arzthaftungsprozess mehrere Gutachten, so muss der Tatrichter die Widersprüche aufklären, selbst wenn es sich um Privatgutachten handelt. Ohne eine nachvollziehbare Begründung darf der Tatrichter keinem Gutachten den Vorzug geben.
weiterlesen