Mittwoch, 12. Dezember 2012

Falsche Schlussfolgerung aus einem Freispruch

Die Urteilsgründe und das Protokoll der Verhandlung liegen noch gar nicht vor. Insoweit verwundern mich die Vermutungen der Staatsanwaltschaft und Ihres Redakteurs. Eine Erlaubnismöglichkeit nach nationalem Recht für das Vermitteln von Verträgen über Sportwetten gab und gibt es auch derzeit nicht.

Richtig ist, dass der angeklagte Sportwettenvermittler erneut freigesprochen worden ist. Das Glück hat ihn also gerade nicht verlassen.

Europarechtlich ist die Sache klar. Angesichts der derzeit bestehenden, nicht unionsrechtskonformen Rechtslage dürfen keine strafrechtlichen Sanktionen verhängt werden. Der EuGH hält in Randnummer 115 seines Urteils zu den verbundenen Rechtssachen Markus Stoß u. a. ausdrücklich fest:

  „Angesichts der in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen näheren Angaben des Verwaltungsgerichts Gießen ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat (Urteil Placanica u. a., Randnr. 69).“

Eine Strafbarkeit nach dem in Rn. 19 des Markus Stoß-Urteils erwähnten § 284 StGB scheidet damit aus.

Ein Erlaubnisverfahren für Vermittler wird es wohl frühestens in einem halben Jahr geben. Allerdings ist das derzeit laufende Konzessionsverfahren offenkundig europarechtlich nicht haltbar.

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG


Augsburger Allgemeine
Private Wettbüros vom Glück verlassen?

In Augsburg führen die Behörden seit Jahren einen juristischen Kampf gegen private Wettbüros. Ein Strafverfahren könnte den Wett-Anbietern den Garaus machen. Von Klaus Utzni

So kam es jetzt zur Neuauflage des Prozesses vor Strafrichter Thomas Kessler – mit dem auf dem ersten Blick gleichen Ergebnis. Der Angeklagte wurde erneut freigesprochen. Richter Kessler stellte im Urteil aber fest: Rechtlich gesehen hat der Angeklagte den Tatbestand des unerlaubten Glücksspiels erfüllt. Ihm hielt das Gericht aber einen sogenannten „Verbotsirrtum“ zugute.

Bei der Staatsanwaltschaft sind derzeit rund 40 weitere Verfahren gegen Wettbüros in der Region anhängig. Inzwischen hat die Anklagebehörde alle Wettbüros angeschrieben und auf die bindende Rechtslage aufmerksam gemacht. Damit soll verhindert werden, dass sich Wettbetreiber in künftigen Prozessen auf die gegenteilige Rechtsmeinung ihrer Anwälte und Ratgeber berufen können. Die Staatsanwaltschaft hat allen Betreibern eine Frist gesetzt, zu der sie ihre Büros schließen müssen.
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vgl.:
Dem Urteil des BayVGH (10 BV 10.2665 / M 22 K 07.3782)
vom 24. Januar 2012 kann unter Punkt 1.2.4.1. auf Seite 15 wie folgt entnommen werden:
Denn die Wahrung des Unionsrechts ist nicht nur Aufgabe der nationalen Gerichte. Vielmehr verpflichtet der (Anwendungs-) Vorrang des Unionsrechts neben den nationalen Gerichten auch die Behörden dazu, entgegenstehendes nationales Recht von sich aus unangewendet zu lassen: damit haben die Behörden - wie die damit befassten Gerichte - nicht nur die "Verwerfungskompetenz", sondern im konkreten Kollisionsfall auch eine unionsrechtlich geforderte "Verwerfungspflicht" (vgl. Streinz in Streiz EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2011, RdNr. 39 zu Art. 4 EUV m.w.N.). weiterlesen

LG München I bestätigt Unanwendbarkeit des § 284 StGB
In einer aktuellen Gerichtsentscheidung hat das Landgericht (LG) München I die Straflosigkeit der Vermittlung von Sportwetten bekräftigt (Beschluss vom 15. Juni 2012, Az. 12 Qs 22/11). Das LG München I hat damit einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts München aufgehoben.
Der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht führt im vorliegenden Fall zur Unanwendbarkeit des § 284 StGB.  weiterlesen

Nachdem das BVerwG feststellte, dass die Wettbüroschließungen in Rheinland-Pfalz bis 2010 rechtswidrig waren, stellte nun auch das VG Ansbach fest, dass die Untersagungsbescheide i. Grunde alle ermessensfehlerhaft und damit unwirksam waren. weiterlesen

Auch der BGH ist nicht mehr vom Glücksspiel-Verbot im Internet überzeugt und sieht die Einheitlichkeit der Regeln zur Spielsuchtbekämpfung als nicht mehr gegeben an.  weiterlesen

VG Regensburg: Untersagung der Vermittlung von Sportwetten rechtswidrig  weiterlesen

Mehr zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages
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