Versöhnlich im Ton - durchaus hart in der Sache
Immer wieder kommt es zwischen Karlsruhe und Luxemburg zum Zwist bei der Frage: Wer hat wann das letzte Wort? Auf dem Anwaltstag diskutierten die Präsidenten beider Gerichte die Rolle von EuGH und BVerfG
bei der Kontrolle über das europäische Recht – wobei klar wurde: Am eigenen Standpunkt will auch künftig keiner von beiden rütteln lassen. Von Martin W. Huff. weiterlesen
Im Januar 2011 tritt Professorin Dr. Angelika Nußberger ihr neues Amt als Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg an. 
Im LTO-Interview sprach die Kölner Juristin über das Rollenverständnis höchster Richterämter, mögliche Spannungen zu nationalen Gerichten und die Internationalität der Juristenausbildung.
Der EGMR soll als Ganzes, als Institution wirken. Ich finde es sehr gut, wenn die Richterpersönlichkeiten als kollektives Entscheidungsorgan wahrgenommen werden und die Entscheidungspraxis – anders als in den USA bei den Verfahren vor dem Supreme Court – nicht personalisiert und politisiert wird. Bei einem aus Richtern aus 47 verschiedenen Staaten zusammengesetzten internationalen Gericht wäre dies auch ungleich problematischer als bei einem nationalen Gericht.
Meine Aufgabe in Straßburg ist es, Einzelfälle auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention zu beurteilen. Und das werde ich tun, ganz unabhängig davon, wie ich die Rechtsentwicklung und die politische Entwicklung in einem Land im Allgemeinen einschätze. Man wird immer nur auf den einzelnen Fall schauen, auf die rechtliche Regelung im jeweiligen Rechtssystem, und daran den Maßstab der EMRK anlegen. weiterlesen
Grundrechtecharta ist österreichisches Verfassungsrecht
Im LTO-Interview sprach die Kölner Juristin über das Rollenverständnis höchster Richterämter, mögliche Spannungen zu nationalen Gerichten und die Internationalität der Juristenausbildung.
Der EGMR soll als Ganzes, als Institution wirken. Ich finde es sehr gut, wenn die Richterpersönlichkeiten als kollektives Entscheidungsorgan wahrgenommen werden und die Entscheidungspraxis – anders als in den USA bei den Verfahren vor dem Supreme Court – nicht personalisiert und politisiert wird. Bei einem aus Richtern aus 47 verschiedenen Staaten zusammengesetzten internationalen Gericht wäre dies auch ungleich problematischer als bei einem nationalen Gericht.
Meine Aufgabe in Straßburg ist es, Einzelfälle auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention zu beurteilen. Und das werde ich tun, ganz unabhängig davon, wie ich die Rechtsentwicklung und die politische Entwicklung in einem Land im Allgemeinen einschätze. Man wird immer nur auf den einzelnen Fall schauen, auf die rechtliche Regelung im jeweiligen Rechtssystem, und daran den Maßstab der EMRK anlegen. weiterlesen
Grundrechtecharta ist österreichisches Verfassungsrecht
Stellt euch vor, das Bundesverfassungsgericht würde die EU-Grundrechtecharta für unmittelbar in Deutschland geltendes Verfassungsrecht erklären.......
Es gibt nicht einfach ein Verfassungsdokument, in dem man so ganz ohne Dekor und Zeremoniell nachschlagen könnte, was Sache ist. Und schon gar keinen sauberen Grundrechtekatalog.
Das wird jetzt anders. Aber das ist aber zumindest in der juristischen Argumentation gar nicht ausschlaggebend für den Verfassungsgerichtshof: Er begründet seinen Schritt rein europarechtlich.
Anknüpfungspunkt ist der Äquivalenzgrundsatz: Wie die Rechte, die das EU-Recht den Bürgern verleiht, genau geschützt werden, regeln die Mitgliedsstaaten selber, aber sie dürfen die Bürger dabei nicht ungünstiger stellen als in rein innerstaatlichen Konstellationen. Das heißt, wenn man österreichische Grundrechte vor dem Verfassungsgerichtshof einklagen kann, dann muss man auch europäische Grundrechte vor dem Verfassungsgerichtshof einklagen können.
Wenn das stimmt, dann stimmt das auch in Deutschland, oder nicht?
Wobei das Bundesverfassungsgericht natürlich immer Wege finden wird, es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass sich diese Frage stellt… weiterlesen
Anknüpfungspunkt ist der Äquivalenzgrundsatz: Wie die Rechte, die das EU-Recht den Bürgern verleiht, genau geschützt werden, regeln die Mitgliedsstaaten selber, aber sie dürfen die Bürger dabei nicht ungünstiger stellen als in rein innerstaatlichen Konstellationen. Das heißt, wenn man österreichische Grundrechte vor dem Verfassungsgerichtshof einklagen kann, dann muss man auch europäische Grundrechte vor dem Verfassungsgerichtshof einklagen können.
Wenn das stimmt, dann stimmt das auch in Deutschland, oder nicht?
Wobei das Bundesverfassungsgericht natürlich immer Wege finden wird, es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass sich diese Frage stellt… weiterlesen
Im Jahr 2010 hatten nur 1,71 Prozent aller Verfassungsbeschwerden Erfolg. Nur rund 250 Beschlüsse hat das Gericht inhaltlich begründet. Der Rest wird ohne Sachbegründung nicht zur Entscheidung
angenommen. 
Das höchste Gericht der Bundesrepublik, das Bundesverfassungsgericht mit Sitz in Karlsruhe, hat gut 80 Prozent der ihn erreichenden Beschwerden als "offensichtlich unbegründet" im sogenannten
Allgemeinen Register abgelegt. In besonders abstrusen Beschwerdefällen droht den Beschwerdeführern sogar eine Missbrauchsgebühr.  Quelle: lto.de
Rolf Lamprecht: "Ich gehe bis nach Karlsruhe". Eine Geschichte des Bundesverfassungsgerichts, München (Deutsche Verlags-Anstalt) 2011, 350 Seiten, 19,99 Euro.
Zwanzigster Jahrestag Verfassungsentwurf für Deutschland 
Ein vergessenes Stück staatsrechtlicher Phantasie
Zwanzig Jahre danach lohnt ein Blick auf das juristisch-archäologische Relikt. weiterlesen
Ein vergessenes Stück staatsrechtlicher Phantasie
Zwanzig Jahre danach lohnt ein Blick auf das juristisch-archäologische Relikt. weiterlesen
„(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
Mit diesem Absatz des Ewigkeitsartikels wird die Demokratie begründet: das Volk ist der konstitutive Begründer der Staatsgewalt. Damit wird festgehalten, dass es keine Gewalt mehr geben darf,
die nicht vom Volk ausgeht. Der Grundgesetz-Satz heißt deshalb nicht „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus“, sondern „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Die Begründer des Grundgesetzes haben damit festgelegt,
dass das Volk der Souverän ist, der durch Wahlen und Abstimmungen seine Gesamtgewalt auftrennt in „besondere Organe der Gesetzgebung“ (Legislative), also Bundestag und Länderparlamente, „der vollziehenden Gewalt“, (Exekutive),
also Regierung und Verwaltung, und „der Rechtsprechung“ (Judikative), also alle Gerichte.
Dazu bemerkt Richter Udo Hochschild vom Verwaltungsgericht Dresden:[8]
„In Deutschland ist die Justiz fremdbestimmt. Sie wird von einer anderen Staatsgewalt – der Exekutive – gesteuert, an deren Spitze die Regierung
steht. Deren Interesse ist primär auf Machterhalt gerichtet. Dieses sachfremde Interesse stellt eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung dar. Richter sind keine Diener der Macht, sondern Diener
des Rechts. Deshalb müssen Richter von Machtinteressen frei organisiert sein. In Deutschland sind sie es nicht. In den stenografischen Protokollen des Parlamentarischen Rats [des deutschen Verfassungsgebers] ist wörtlich nachzulesen, dass die Verfasser des Grundgesetzes eine nicht nur rechtliche, sondern
auch tatsächliche Gewaltenteilung, einen neuen Staatsaufbau im Sinne des oben dargestellten italienischen Staatsmodells wollten: ‚Die Teilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung
und ihre Übertragung auf verschiedene, einander gleichgeordnete Träger‘ [Zitat aus der Sitzung des Parlamentarischen Rats vom 8. September 1948]. Der Wunsch des Verfassungsgebers fand seinen Niederschlag im Wortlaut
des Grundgesetzes [z. B. in Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 92, Art. 97 GG]. Der Staatsaufbau blieb der alte. […] Das Grundgesetz ist bis heute unerfüllt.
Schon damals stieß die ungewohnte Neuerung auf heftigen Widerstand. Bereits in den Kindestagen der Bundesrepublik Deutschland wurde die Gewaltenteilung mit dem Ziele der Beibehaltung des überkommenen, einseitig
von der Exekutive dominierten Staatsaufbaus erfolgreich zerredet. Die allenthalben verbreitete Worthülse ‚Gewaltenverschränkung‘ wurde zum Sargdeckel auf der Reformdiskussion.“
Die Bundesvertreterversammlung des Deutschen Richterbundes (DRB) forderte am 27. April 2007, der Justiz die Stellung zu verschaffen, die
ihr nach dem Gewaltteilungsprinzip und nach der im Grundgesetz vorgesehenen Gerichtsorganisation zugewiesen sei. Die Unabhängigkeit der Justiz werde zunehmend durch den Einfluss der Exekutive eingeschränkt.[9]
Auch die Neue Richtervereinigung (NRV) setzt sich für eine Verwirklichung der Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive ein.[10] 
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die aus der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz folgenden Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung von Vorschriften des nationalen Rechts.
(Auszug)
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 - vom 26.9.2011
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1. Die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts 
einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Auslegungsmethode ist 
Sache der Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht nicht umfassend 
auf ihre Richtigkeit zu untersuchen (BVerfGE 122, 248 <257 f.>). 
Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Überprüfung gerichtlicher 
Entscheidungen auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts (BVerfGE 18, 85 <92>; 106, 28 <45>;
 stRspr). Soweit es um die Wahrung der richterlichen Kompetenzgrenzen 
aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG geht, kontrolliert das 
Bundesverfassungsgericht, ob das Fachgericht bei der Rechtsfindung die 
gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert und von den anerkannten 
Methoden der Gesetzesauslegung in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht 
hat (vgl. BVerfGE 82, 6 <13>; 96, 375 <394 f.>; 122, 248 <257 f.>; stRspr).
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a) Art. 20 Abs. 2 GG verleiht dem Grundsatz der 
Gewaltenteilung Ausdruck. Auch wenn dieses Prinzip im Grundgesetz nicht 
im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und einer 
Monopolisierung jeder einzelnen bei einem bestimmten Organ ausgestaltet 
worden ist (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 96, 375 <394>; 109, 190 <252>),
 schließt es doch aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die 
die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der 
Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und 
damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen (BVerfGE 96, 375 <394>; 109, 190, <252>).
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Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter zwar nicht, das Recht fortzuentwickeln (vgl. BVerfGE 49, 304 <318>; 82, 6 <12>; 96, 375 <394>; 122, 248 <267>).
 Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo
 Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche 
aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung 
getragen wird (BVerfGE 126, 286 <306>). Der Aufgabe und Befugnis 
zur „schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung“ sind allerdings
 mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit 
unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung Grenzen
 gesetzt (vgl. BVerfGE 34, 269 <288>; 49, 304 <318>; 57, 220 <248>; 74, 129 <152>).
 Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter
 seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle 
derjenigen des Gesetzgebers setzt (vgl. BVerfGE 82, 6 <12>; 
BVerfGK 8, 10 <14>). Ein Richterspruch setzt sich über die aus 
Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gesetzesbindung hinweg, wenn die vom Gericht 
zur Begründung seiner Entscheidung angestellten Erwägungen eindeutig 
erkennen lassen, dass es sich aus der Rolle des Normanwenders in die 
einer normsetzenden Instanz begeben hat, also objektiv nicht bereit war,
 sich Recht und Gesetz zu unterwerfen (vgl. BVerfGE 87, 273 <280>).
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b) Die Einhaltung dieser Grenzen kontrolliert das 
Bundesverfassungsgericht gleichermaßen und unabhängig davon, ob das 
anzuwendende einfache nationale Recht der Umsetzung einer Richtlinie der
 Europäischen Union dient oder nicht. Dem steht nicht entgegen, dass der
 aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Grundsatz der Unionstreue alle 
mitgliedstaatlichen Stellen, also auch Gerichte, dazu verpflichtet, 
diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt 
einer EU-Richtlinie in der ihr vom Europäischen Gerichtshof gegebenen 
Auslegung entspricht (vgl. BVerfGE 75, 223 <237>). Denn die 
unionsrechtliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtet
 das nationale Gericht zwar, durch „die Anwendung seiner 
Auslegungsmethoden“ ein richtlinienkonformes Ergebnis zu erzielen (vgl. 
EuGH, Urteil vom 9. März 2004, verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer
 u.a., Slg. 2004, S. I-8835 Rn. 116; EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009, Rs.
 C-12/08, Mono Car Styling, Slg. 2009, S. I-6653 Rn. 63). Besteht ein 
Auslegungsspielraum, ist das nationale Gericht verpflichtet, diesen 
soweit wie möglich auszuschöpfen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. April 1984, 
Rs. 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, S. 1891 Rn. 28; EuGH, 
Urteil vom 10. April 1984, Rs. 79/83, Harz, Slg. 1984, S. 1921 Rn. 28). 
Mehrere mögliche Auslegungsmethoden sind daher hinsichtlich des 
Richtlinienziels bestmöglich anzuwenden im Sinne eines 
Optimierungsgebotes.  
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Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des 
Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach 
innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (vgl. Kadelbach, 
Allgemeines Verwaltungsrecht unter Europäischem Einfluss, 1999, S. 102).
 So verlangt auch der Europäische Gerichtshof vom nationalen Gericht 
nur, bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses „soweit wie 
möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes“ der Richtlinie auszulegen,
 „um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Artikel 249 
Absatz 3 EG [heute Art. 288 Abs. 3 AEUV] nachzukommen“ (EuGH, Urteil vom
 13. November 1990, Rs. C-106/89, Marleasing, Slg. 1990, S. I-4135 
Rn. 8; EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1993, Rs. C-334/92, Wagner Miret, 
Slg. 1993, S. I-6911 Rn. 20; vgl. bereits EuGH, Urteil vom 10. April 
1984, a.a.O., Rn. 26; EuGH, Urteil vom 10. April 1984, a.a.O., Rn. 26; 
stRspr). Ebenso hat der Europäische Gerichtshof erkannt, dass die 
Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung insbesondere im 
Grundsatz der Rechtssicherheit ihre Schranken findet und daher nicht als
 Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem
 dienen darf (s. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009, a.a.O., Rn. 61). Ob und
 inwieweit das innerstaatliche Recht eine entsprechende 
richtlinienkonforme Auslegung zulässt, können nur innerstaatliche 
Gerichte beurteilen (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 
11. November 2004, Rs. C-105/03, Pupino, Slg. 2005, S. I-5285 Rn. 39, 
m.w.N.).  
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Dem entspricht die in Art. 267 AEUV (früher Art. 234 EG)
 festgelegte Zuständigkeitsverteilung zwischen europäischer und 
innerstaatlicher Gerichtsbarkeit. Da der Europäische Gerichtshof danach 
nationales Recht weder anwenden noch auslegen kann, darf er auch nicht 
feststellen, ob innerstaatlich ein entsprechender Auslegungsspielraum 
besteht. Diese interpretatorische Autonomie hat auch der Europäische 
Gerichtshof bestätigt (vgl. Kadelbach, a.a.O., S. 98; EuGH, Urteil vom 
9. März 2004, a.a.O., Rn. 113 und 116; EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009, 
a.a.O., Rn. 63). Sowohl die Identifizierung als auch die Wahrnehmung 
methodischer Spielräume des nationalen Rechts obliegt - auch bei durch 
Richtlinien determiniertem nationalem Recht - den nationalen Stellen in 
den Grenzen des Verfassungsrechts.  
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen verletzen die 
angegriffenen Gerichtsentscheidungen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit 
Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG nicht. Die Gerichte haben im Rahmen der
 Rechtsfindung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert (a) 
und die innerstaatlich vorgegebenen methodischen Grenzen nicht 
überschritten, da sie von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung
 in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht haben (b).
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a) Die Gerichte haben im Rahmen der Rechtsfindung die 
gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert, indem sie sich aus der 
Rolle des Normanwenders weder hinausbegeben haben noch die Grenze zu 
einer normsetzenden Instanz überschritten haben.
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aa) Die maßgebliche gesetzgeberische Grundentscheidung, 
an die die Gerichte verfassungsrechtlich gebunden sind, trifft der 
nationale Gesetzgeber. Sie lässt sich unter anderem aus den 
Gesetzesmaterialien erschließen. Der Besonderheit, dass das nationale 
Recht unter Umständen unionsrechtlich determiniert ist, etwa weil es 
sich um ein Umsetzungsgesetz zu einem unionalen Rechtsakt wie einer 
Richtlinie handelt, kann innerstaatlich durch die Annahme Rechnung 
getragen werden, dass der mitgliedstaatliche Gesetzgeber im Zweifel 
nicht gegen seine Pflicht aus Art. 288 Abs. 3 AEUV, das Ziel der 
Richtlinie fristgemäß umzusetzen, verstoßen wollte.
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bb) Die Fachgerichte haben in den angegriffenen 
Entscheidungen die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert. Sie 
haben auf die Ausführungen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. April
 2002 (vgl. BGHZ 150, 248 ff.) Bezug genommen. In jenem Urteil legte der
 Bundesgerichtshof § 5 Abs. 2 HWiG dahin aus, dass die Norm die 
Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes nicht verhindere, wenn das 
Verbraucherkreditgesetz dem Verbraucher nicht den gleichen effektiven 
Schutz biete wie das Haustürwiderrufsgesetz. Der Bundesgerichtshof legte
 dabei die Gesetzesbegründung zu § 5 HWiG in seiner ursprünglichen 
Fassung zugrunde (BTDrucks 10/2876, S. 14). Der Gesetzgeber habe es 
danach möglicherweise als sinnvoll angesehen, jeweils das sachnähere 
Gesetz für anwendbar zu erklären, solange dieses einen dem 
Haustürwiderrufsgesetz vergleichbaren Schutz gewährleiste (vgl. BGHZ 
150, 248 <255>).
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In der vom Bundesgerichtshof zitierten Stelle der 
Gesetzesbegründung heißt es, dass gesetzliche Regelungen über ein 
Widerrufsrecht auch in anderen Gesetzen, unter anderem im 
Abzahlungsgesetz, bestünden und diese besonderen gesetzlichen 
Vorschriften unberührt bleiben sollten. Hinsichtlich unter anderem des 
Abzahlungsgesetzes beruhe dies darauf, dass der Anwendungsbereich des 
Widerrufsrechts bei diesen Gesetzen insofern weiter sei, als er auch 
andere Geschäfte als Haustürgeschäfte umfasse. Das Gesetz über 
Kapitalanlagegesellschaften etwa wiederum regle zwar ein Widerrufsrecht 
nur für Haustürgeschäfte im Sinne auch des Haustürwiderrufsgesetzes, 
enthalte jedoch eine längere Widerrufsfrist sowie Sonderregelungen über 
die Rückabwicklung nach Widerruf. Bei diesen Sonderregelungen solle es 
insgesamt verbleiben (BTDrucks 10/2876, S. 14). Diesen Aussagen des 
Gesetzgebers lässt sich kein klares Regelungskonzept etwa in dem Sinne 
entnehmen, dass den Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes immer und
 ausnahmslos der Vorrang vor den Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes
 zukommen sollte. Die Erwähnung von deren weiterem Anwendungsbereich 
oder der längeren Widerrufsfrist als Grund für den Verweis auf 
Widerrufsrechte in anderen Gesetzen lässt aber den Schluss zumindest 
vertretbar erscheinen, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, die 
Position desjenigen nicht zu schmälern, der ein Widerrufsrecht nach 
einem anderen Gesetz inne hat, das günstiger ausgestaltet ist als das 
Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz.