Sonntag, 19. Februar 2012

Anmerkungen zum Online-Verbot

Das Landgericht Bremen hat mit Urteil vom 10. Mai 2012 (Az: 9 O 476/12) das in Landesgesetzen fortgeführte Internetverbot des Ende 2011 ausgelaufenen Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) für unionsrechtswidrig und unanwendbar erklärt.

Gestützt hat sich das Landgericht Bremen dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshof. Dieser hatte im Jahr 2011 darauf hingewiesen, dass landesgesetzliche Verschärfungen des Glücksspielstaatsvertrags ohne vorheriges EU-Notifizierungsverfahren nicht wirksam umgesetzt werden können.

In allen Bundesländern - mit Ausnahme Schleswig-Holsteins - gibt es vergleichbare Ausführungsgesetze, die die Vorschriften des ausgelaufenen Glücksspielstaatsvertrages bis zu einer Neuregelung verlängern.

Da keines dieser Gesetze bei der EU-Kommission notifiziert wurde, dürften die Gesetze nun allesamt europarechtswidrig und weitgehend unanwendbar sein.

Dementsprechend ist die Vermittlung und Veranstaltung von Glücksspielen im Internet bundesweit nicht mehr verboten.
(Quelle: Rechtsanwälte Dr. Tobias Masing und Dr. Gero Ziegenhorn)

Wenn der Staat sich weigert, Steuern einzutreiben

Von Ansgar Lange
Wer wie beispielsweise die SPD das Glücksspiel im Netz weiter verbieten will, der gleicht Sancho Panza, der einst gegen die Windmühlen kämpfte, weil er sie für Riesen hielt.

Die Expertenrunde zum Thema Glücksspielindustrie auf dem Düsseldorfer Sportbusiness-Kongress Spobis war sich einig: Von einer Regulierung und Öffnung des Wettmarktes in Deutschland profitieren vor allem der Staat (durch deutlich höhere Steuereinnahmen) und der Sport (durch wesentlich mehr Geld für die Sportförderung). Sollte sich das Kieler Regulierungsmodell bundesweit durchsetzen, wäre zudem Schluss mit der Kriminalisierung von Wettanbietern und dem Abdrängen von Millionen von Spielern in den unregulierten Graumarkt............. Hambach hält das so genannte E 15-Modell aller Bundesländer mit Ausnahme von Schleswig-Holstein für hinfällig, da es auf falschen Annahmen beruht und letztlich auch eine Fortsetzung der bisherigen „bizarren Rechtslage“ in Deutschland bedeutet.......... Hambach geht davon aus, dass die EU-Kommission das E 15-Modell nicht gut heißen wird, weil hier Online-Sportwetten einerseits und Online-Poker sowie Casino-Spiele andererseits ungleich behandelt werden: „Das wird die Kommission nicht mitmachen, das wäre europarechtliche Diskriminierung.“ weiterlesen

Prof. Dr. Koenig führt zum Online-Verbot aus:
IV.Unmittelbarer und praktisch wirksamer Sanktionsschutz für unionsrechtswidrig von einer Zulassung ausgeschlossene Anbieter ab der Urteilsverkündung

4. Entsprechendes gilt für das unionsrechtswidrige Online-Verbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV: Weder die Aufsichtsbehörden der Länder noch die mit wettbewerbsrechtlichen Verfahren befassten Zivilgerichte dürfen bis zu einer Neuregelung der regulatorischen Bedingungen und Auflagen der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet gegen bisher ausgeschlossene Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten, deren Angebot in Deutschland die nicht zulassungsgebundenen Rechts- und Schutzvorschriften einhält, – auf das unionsrechtswidrige Online-Verbot gestützte – Sanktionen, wie sofort vollziehbare Untersagungsverfügungen bzw. einstweilige Verfügungen, erlassen. weiterlesen 

s.a. Gutachterliche Stellungnahme
Prof. Dr. Bernd Grzeszick, LL.M. (Cantab.)

Die Deutungshoheit über die Rechtmäßigkeit liegt beim Europäischen Gerichtshof, der am 8.9.2010 die Rechtswidrigkeit des Staatlichen Monopols für Sportwetten und Lotterien feststellte. "Es stehen fiskalische Gründe im Vordergrund und nicht die behauptete Spielsuchteindämmung! - Der GlüStV erreiche nicht das Ziel des Staatsmonopols" (vgl. Carmen Media Group Ltd. Rn 71) Bis zu einer unionsrechtskonformen Neuregelung bleibt § 4 Abs. 4 GlüStV und damit das Internetveranstaltungs- und Internetvermittlungsverbot für Glücksspiele unanwendbar. (Rn 100) Auch die Vorschriften, die bislang das staatliche Monopol erhalten haben, § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 2, 5 GlüStV, können aufgrund des Unionsrechtsverstoßes nach Verkündung des Urteils in der Rechtssache Carmen Media Group Ltd. nicht mehr angewendet werden (Rn 71)
Alle beschränkenden Regelungen des deutschen Glücksspiel-Staatvertrags dürfen wegen des Vorrangs des Europarechts bis zur Herstellung einer europarechtskonformen Sach- und Rechtslage nicht mehr angewandt werden. Anders als nach deutschem Recht gibt es nach den klaren Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Winner Wetten, Rn 61, 67ff keine Übergangsregelung und keine vorübergehende Weitergeltung europarechtswidrigen Rechts. Pressemitteilung Nr.: 78/10 des EuGH vom 08.09.2010

Aufgrund der dargestellten seit 1.1.2012 völlig unterschiedlichen, inhaltlich nicht abgestimmten Politik resultiert daraus aus unionsrechtlicher Sicht die Inkohärenz der Glücksspielregulierung im Mitgliedsstaat Deutschland.

Der Mitgliedstaat muss seine Regulierungskonzepte mit seinen föderalstaatlichen Untergliederungen kohärent abstimmen. Nach Ziffer 54 des EuGH-Urteils Dickinger & Ömer (C-347/09) vom 15. September 2011 muss der Mitgliedstaat dann die Gesamtkohärenz, also die EU-rechtliche Geeignetheit und Erforderlichkeit bezogen auf den gesamten Mitgliedstaat, zur „Vergewisserung“ damit befasster nationaler Gerichte nachweisen: „In diesem Zusammenhang obliegt es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt.“

Folge ist, dass aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts die staatliche Monopolstellung sowie das Internetverbot – wie im “Entwurf der 15“ vorgesehen – nicht einmal für eine Übergangszeit weiter angewandt werden können (vgl. EuGH Winner Wetten, Rn 61, 67ff)

Mit den Urteilen, (Stoß u.a., Carmen Media, Winner Wetten)  wurde die Inkohärenz der deutschen Glücksspielpolitik insgesamt, also die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der Regelung und die Inkonsistenz, durch die fehlende Rechtstreue der Monopolbetriebe und damit die Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit des GlüStV festgestellt. Dadurch, dass in unzulässiger Weise Grundrechte beschränkt werden, wird auch gegen das Willkürverbot und die Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit und Verhältnismäßigkeit verstoßen. Der Eingriff in die Grundrechte wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn sie durch ein übergeordnetes zulässiges Ziel gerechtfertigt wären. Da es im Bereich der klassischen Lotterieveranstaltung kein signifikantes Suchtproblem gibt, sind diese Restriktionen mit dem Grund- und Gemeinschaftsrecht unvereinbar. weiterlesen

Generalanwalt Mengozzi ist in seinen Schlussanträgen vom 4. März 2010 in der Rechtssache Stoß u. a. (C 316/07, C 358/07, C 359/07, C 360/07, C 409/07 und C 410/07) auf die Schwierigkeiten, die Staaten bei der Durchsetzung der nationalen Rechtsvorschriften über das Glücksspiel angesichts des Internets haben, eingegangen. Unter der Nr. 79 führte er aus, dass „Schwierigkeiten, denen ein Staat bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe, eine nationale Regelung durchzusetzen, begegnen mag, für die Beurteilung ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht unerheblich [sind]. Eine Beschränkung in nationalen Rechtsvorschriften ist als solche mit dem Vertrag vereinbar oder nicht, und die Möglichkeit, diesen nationalen Regeln zuwiderzuhandeln, ist insoweit unerheblich …“

Jede wirtschaftliche Tätigkeit unterliegt der Diensteistungsfreiheit und ist durch die europäischen Freiheitsgrundrechte besonders geschützt. Das Gemeinschaftsrecht im allgemeinen und die Dienstleistungsfreiheit im besonderen beanspruchen unmittelbare Geltung und Anwendungsvorrang vor nationalem Recht.

EuGH EuGH Rs. 6/64, Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, 1251, 1270 = NJW 1964, 2371; EuGH Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125 Rdn. 3 = NJW 1971, 343; Rs. C-473/93,  Kommission/Luxemburg, Slg. 1996, I-3207 Rdn 37f. Vgl. auch BVerfGE 37, 278  –
„ Solange I“; BVerfGE 73, 339 – „ Solange II“; BVerfGE 89, 155 – „Maastricht“; BVerfGE 102, 147 – „Bananen“ .

Die gemeinschaftsrechtsfreundliche Auslegung nationaler Rechtsnormen, so auch auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ergibt sich aus der Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts aus Art. 10 EGV und – wenn es um die Umsetzung von Richtlinien geht – zusätzlich aus Art. 249 III EGV. Gebunden sind durch dieses Interpretationsgebot alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, also auch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden.

Die Mitgliedstaaten sind zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet (Art. 10 I EGV) und müssen alle Maßnahmen unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des EGV gefährden könnten (Art. 10 II EGV)

Bereits seit den Gambelli und Harlauer-Urteilen des EuGH, bestätigt durch die Urteile vom 8.9.2010, unterliegt die Bewertung der Kohärenz und Konsistenz der Definitionsmacht des EuGH und nicht mehr den unterschiedlichen Vorstellungen der bundesdeutschen Gerichte. Folglich sind bei der Auslegung die vom Gerichtshof entwickelten Maßstäbe der "vollständigen Kohärenz" zugrunde zu legen. (vgl. BVerfG v. 20.03.2009, 1 BvR 2410/08)

Eine Verbotsverfügung ist als unverhältnismäßig anzusehen, wenn diese über das hinausgeht, was zur Bekämpfung einer möglichen Spielsucht erforderlich ist.
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C-243/01, Slg. 2003, I-13031, Randnr. 74, vom 6. März 2007, Placanica u. a., C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Slg. 2007, I-1891, Randnr. 62, und Kommission/Spanien, Randnr. 39).

Es trifft nicht zu, dass das Bundesverfassungsgericht "ein Internetverbot gefordert" hat.

Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil im Jahre 2006 die Alternative – Monopol oder private Anbieter – offen gehalten und nur Vorgaben für ersteren Fall formuliert. Es hat keineswegs jegliches Internetangebot für unzulässig erklärt, wie die derzeitigen Überlegungen der Bundesländer belegen, sondern lediglich auf die damaligen Bedenken und die konkrete Vertriebsform der staatlichen Angebote verwiesen.

Die einfachgesetzliche Auslegung kann nicht darüber entscheiden, ob sich die Verfassungswidrigkeit und Unionsrechtswidrigkeit des Monopols auf die Wirksamkeit des Internetverbotes auswirkt. Denn die Frage nach einer solchen Wirkung ist ihrerseits ebenfalls verfassungsrechtlicher und unionsrechtlicher Art, und damit eine solche höherrangigen Rechts, so dass sich bereits aus der Normenhierarchie ergibt, dass einfaches Recht sie nicht bestimmen kann.

Im Ergebnis vermag die These von der Unabhängigkeit des Internetverbotes von der Vereinbarkeit des Monopols mit höherrangigem Recht daher unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt zu überzeugen. Quelle

Die Heranziehung des § 4 Abs. 4 GlüStV an Stelle des monopolistischen Ausschlusses (§ 10 Abs. 2 und 5 iVm § 4 Abs. 1 GlüStV) verwundert schon im Ansatz. Der Staatsvertrag regelt nicht den Vertrieb privater Wettanbieter, sondern schließt sie vom deutschen Markt vollständig aus. Kein Gesetzgeber regelt den Vertriebsweg einer ohnehin verbotenen und nicht genehmigungsfähigen Dienstleistung. Das Internetvertriebsverbot wurde nicht als Eingriffsnorm für staatliche Übergriffe in private – nach deutschem Recht von vornherein illegale (§ 4 Abs. 1 GlüStV iVm § 10 Abs. 2 und 5) – Sportwettangebote in den Staatsvertrag aufgenommen. Es sollte im Anschluss an das Sportwettenurteil des BVerfG den durch den Staatsvorbehalt bewirkten Eingriff in Grundrechte und Grundfreiheiten privater Anbieter rechtfertigen, indem das staatliche Monopolangebot entkommerzialisiert und systematisch und kohärent auf die Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet wird. Quelle

Diese grundrechtsschützende Funktion des § 4 Abs. 4 GlüStV hatte das BVerwG in seinen drei Urteilen vom 24.11.2010 (dort Rn. 26 bzw. 30 ff) zutreffend gesehen und wörtlich ausgeführt, dass die Vermarktungsbeschränkungen des GlüStV "nicht die dem Parlamentsvorbehalt unterworfene Regelung der Grundrechtsausübung privater Sportwettenanbieter oder -Vermittler betreffen. Sie regeln nur das Angebot der nicht grundrechtsfähigen staatlichen oder staatlich beherrschten Monopolträger." Quelle

Ebenfalls unanwendbar ist § 9 GlüStV als Rechtsgrundlage für Untersagungsverfügungen, da an das Fehlen einer Erlaubnis, die in unionsrechtswidriger Weise nicht erlangt werden konnte, keine Sanktionen geknüpft werden können, zumal derzeit wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts keine Erlaubnispflicht besteht. Dies darf auch nicht durch eine Heranziehung der subsidiären Vorschriften des Landesstrafrechts (z.B. Art. 7 II BayLStVG i.V.m. § 284 StGB) umgangen werden. (Streinz/Kruis, NJW 2010, 3749 f.)

In seiner 68-seitigen Begründung führt das Verwaltungsgericht Halle (Saale) aus, sowohl der "Erlaubnisvorbehalt" als auch das "Internetvermittlungsverbot" und die regionale Begrenzung von Lotto auf das jeweilige Bundesland seien im Fall der Vermittlung staatlicher Lotterien durch Private unionsrechtswidrig. Die Regelungen verletzten die Klägerin in ihrer Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56, 57 AEUV.


Streinz/Kruis, NJW 2010, 3749 f.
Handbuch Europarecht: Band 1: Europaische Grundfreiheiten


Das VG Chemnitz geht nicht nur von einer Europarechtswidrigkeit der Regelungen aus, sondern zieht auch die Verfassungsmäßigkeit des GlüStV ausdrücklich in Zweifel. Von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht hat es abgesehen, weil schon das Europarecht zur Unanwendbarkeit der Vorschriften führt. Zum anderen stellt das VG eine Verletzung des Übermaßverbots fest. Die Freiheitsbeschränkungen stünden außer Verhältnis zu den Zielen des Sucht- und Jugendschutzes. Angesichts der Veranstaltungsmerkmale solcher Lotterien gebe es keine ernst zu nehmenden Suchtgefahren, die mit derart drastischen Freiheitsbeschränkungen gerechtfertigt bekämpft werden dürften.

Die Beantwortung der “hypothetischen” Frage ob das im § 4/4 GlüStV normierte Internetverbot nun monopolaxesorisch ist oder nicht hat der EuGH dahingehend beantwortet, das diese die Dienstleistungsfreiheit (Gambelli s.u.) einschränkende Regelung wie jede andere Einschränkung auch, ausreichend begründet werden muß.

Es fehlen insbesondere Ausführungen zu der vom Europäischen Gerichtshof dazu immer wieder hervorgehobenen Frage, ob die geltend gemachten Gefahren, die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit hinreichend nachgewiesen seien.

Mit der C-347/09 Dickinger/Ömer Entscheidung knüpft der EuGH nahtlos an die Zeturf-Entscheidung (C-212/08, Rn 81)/Carmen Media Group (C-46/08, Rn 100)/Gambelli (Rs C-243/01, Rn 51ff s.u.) an, in der der EuGH das Internet als einen von mehreren Vertriebskanälen angesehen und eine Vertriebskanal- und Sektoren übergreifende Kohärenzprüfung gefordert hat und entwickelt diese weiter.
Internet-Glücksspiel wird damit entsprechend anderen Vertriebskanälen behandelt. Diese Entwicklung ist umso augenfälliger, als dass es zum einen um besonders gefährliche Casinospiele ging, zum anderen Generalanwalt Bot in seinem Schlussantrag ganz gegensätzlich argumentiert hatte. Dem ist der EuGH (Rs C-347/09, Dickinger Ömer) entgegengetreten. Entsprechend hat sich bereits die Europäische Kommission geäußert, die in ihrem Notifizierungsschreiben zum Ersten GlüÄndStV in der unterschiedlichen Behandlung von Glücksspielen im Internet und in herkömmlichen Vertriebskanälen eine europarechtliche Inkohärenz gesehen hat.


Das Internet muss wie der stationäre Vertrieb behandelt werden, besondere Auflagen, die nur im Online-Bereich gelten, sind nicht zulässig.

Erst wenn bewiesen wird, dass die Nutzung des Internets die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren "verstärkt", dürfe, nach der Rechtsprechung des EuGH eine Ausschließlichkeitsregelung erlassen und damit die Veranstaltung und Werbung im Internet unterbunden werden. Die deutsche Rechtsprechung muss sich an die Vorgaben des EuGH halten und den konkreten - empirischen - Beweis antreten, dass die vermeintlichen Gefahren real existieren und nicht nur ins Blaue hinein behauptet werden. (vgl. u.a. EuGH-Urteil vom 30. Juni 2011 - Zeturf C-212/08, Rn 81)

Außerdem legt der EuGH an die Rechtfertigung für staatliche Monopole hohe Anforderungen an, die die Länder derzeit und auch in Zukunft nicht erfüllen können. Mit dem am 16. Februar 2012 verkündeten Urteil in den verbundenen Rechtssachen Costa u.a. (Rs. C-72/10 und C-77/10) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die europarechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Vergabe von Glücksspielkonzessionen konkretisiert und verschärft.

Der EuGH hat bereits am 06.11.2003 (Gambelli u.a. Rs C-243/01) entschieden:
51.Nach Artikel 49 EG sind die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten. Dienstleistungen sind nach Artikel 50 EG Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.

52.Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die Einfuhr von Werbematerial und Losen in einen Mitgliedstaat zu dem Zweck, die in diesem Staat wohnenden Personen an einer in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Lotterie teilnehmen zu lassen, zu den Dienstleistungen gehört (Urteil Schindler, Randnr. 37). Entsprechend gehört eine Tätigkeit, die darin besteht, die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats an in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Wetten teilnehmen zu lassen, auch dann zu den Dienstleistungen im Sinne des Artikels 50 EG, wenn es bei den Wetten um in dem erstgenannten Mitgliedstaat veranstaltete Sportereignisse geht.

53.Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass Artikel 49 EG dahin auszulegen ist, dass er Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer potenziellen Leistungsempfängern, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, telefonisch anbietet und die er ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansässig ist (Urteil vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache C-384/93, Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141, Randnr. 22).

54.Überträgt man diese Auslegung auf die Problemstellung im Ausgangsverfahren, so ergibt sich, dass Artikel 49 EG Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer wie Stanley mit Sitz in einem Mitgliedstaat, hier dem Vereinigten Königreich, über das Internet - und damit ohne Ortswechsel - in einem anderen Mitgliedstaat, hier der Italienschen Republik, ansässigen Leistungsempfängern anbietet, so dass jede Beschränkung dieser Tätigkeiten eine Beschränkung der freien Erbringung von Dienstleistungen durch einen solchen Leistungserbringer darstellt.

55.Außerdem umfasst der freie Dienstleistungsverkehr nicht nur die Freiheit des Leistungserbringers, Leistungsempfängern, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig sind, in dessen Gebiet sich dieser Leistungserbringer befindet, Dienstleistungen anzubieten und zu erbringen, sondern auch die Freiheit, als Leistungsempfänger von einem Leistungserbringer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angebotene Dienstleistungen zu empfangen oder in Anspruch zu nehmen, ohne durch Beschränkungen beeinträchtigt zu werden. (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83, Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 16, und vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C-294/97, Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I-7447, Randnrn. 33 und 34).

Schließlich stellen auch die bundesrechtlichen Strafvorschriften in §§ 284, 285 und 287 StGB und die landesrechtlichen Bußgeldtatbestände selbständige Verstöße gegen EG-Recht dar. Wie die Kommission am Beispiel des von ihr in den Vordergrund gestellten Internet-Verbots aufzeigt, folgt aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH unmissverständlich, dass Strafvorschriften wie die vorstehend genannten den betroffenen Unternehmen nicht entgegengehalten werden können, wenn das nationale Recht es ihnen zugleich verwehrt, in nicht-diskriminierenden gesetzlichen Verfahren Erlaubnisse für die Tätigkeiten zu erlangen, die ihnen aufgrund der EG-Grundfreiheiten offen stehen. Die Kommission zieht daraus völlig zutreffend den Schluss, dass die beanstandeten Sanktionsvorschriften als nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar und deshalb als nicht anwendbar zu betrachten sind. (ZfWG 1/08, S 32ff)

Als Primärrecht ist das Gemeinschaftsrecht in einer gemeinschaftsrechtsfreundlichen Auslegung umzusetzen. unten weiterlesen

Mit dem Urteil vom 26. Juni 2012 stellte der Bay. VGH eine unionsrechtlich unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV fest. Das Internetwerbeverbot des § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. verletzt das unionsrechtliche Kohärenzgebot und ist unverhältnismäßig. Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist es deshalb unanwendbar.

Das BVerfG führt in seinem Sportwettenurteil (BVerfGE 115, 276 ff = NJW 2006, 161 ff) unter Rn. 144 aus, dass die Anforderungen des Verfassungsrechts parallel zu den vom EuGH formulierten Vorgaben verlaufen. Das Übergehen der Rechtsprechung des EuGH führt somit zur Verfassungswidrigkeit!

"Rn 144:
Insofern laufen die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben. Nach dessen Rechtsprechung ist die Unterbindung der Vermittlung in andere Mitgliedstaaten mit dem Gemeinschaftsrecht nur vereinbar, wenn ein Staatsmonopol wirklich dem Ziel dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, und die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik ist (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-243/01 - Gambelli u.a., Slg. 2003, I-13076, Rn. 62). Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen damit denen des Grundgesetzes."



Untersagung einer Hausverlosung; Veranstaltung eines Glücksspiels im Internet

Ein Veranstalten von Glücksspielen im Internet im Sinne von § 4 Abs. 4 GlüStV liegt nicht vor, wenn in einem Internetauftritt eines Glücksspielanbieters lediglich die Möglichkeit zu einer unverbindlichen Bestellung von Losen eröffnet wird.
Hausverlosung; Untersagungsverfügung; sachliche Unzuständigkeit der Regierung von Mittelfranken; kein Veranstalten oder Vermitteln im Internet

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 10. Senat, Beschluss vom 07.02.2012, 10 CS 11.1212

§ 3 Abs 1 S 1 GlüStVtr BY, § 4 Abs 1 S 1 GlüStVtr BY, § 4 Abs 1 S 2 GlüStVtr BY, § 4 Abs 4 GlüStVtr BY, § 5 Abs 3 GlüStVtr BY, § 9 Abs 1 S 1 GlüStVtr BY, § 9 Abs 1 S 2 GlüStVtr BY, § 9 Abs 1 S 3 Nr 3 GlüStVtr BY, § 28 Abs 1 S 1 GlüStVtr BY, § 3 Nr 24 TKG, Art 4 Abs 1 S 2 Nr 1 GlüStVtrAG BY, Art 10 Abs 2 GlüStVtrAG BY, Art 2 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG
Tenor

    I. Unter Abänderung der Nr. 1. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 26. April 2011 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. August 2010 angeordnet.

    II. Unter Abänderung der Nr. 2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 26. April 2011 werden die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Antragsgegner auferlegt.

    III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

    I.

1

    Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller den vom Verwaltungsgericht abgelehnten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung weiter.

2

    Der Antragsteller bietet auf seiner von Bayern aus abrufbaren Internetseite in Österreich die Teilnahme an der einmaligen Verlosung eines Hausgrundstücks in der Nähe von Berlin an. Auf der Internetseite sind eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer für die Reservierung der Lose angegeben. Die Reservierungsgebühr beträgt je nach Zahl der zu reservierenden Lose 54,- Euro bis 59,- Euro pro Los. Jeder Teilnehmer kann mehrere Lose reservieren. Nach der Reservierung ergeht eine Aufforderung, die Reservierungsgebühr auf ein Treuhandkonto einzuzahlen. Mit Eingang der Zahlung erfolgt die Reservierung der entsprechenden Lose. Insgesamt werden 13.900 numerierte Lose vergeben. Eine Reservierung, die nicht innerhalb von 2 Wochen durch Überweisung bestätigt wird, verfällt. Mit der Bezahlung werden die Teilnahmebedingungen anerkannt. Sobald alle 13.900 Lose reserviert und bezahlt sind, werden Zeit und Ort der Verlosung festgelegt und auf der Internetseite bekannt gegeben.

3

    Nachdem bereits das Ministerium des Innern des Landes Brandenburg dem Antragsteller mit Bescheid vom 14. Juni 2010 untersagt hatte, öffentliches Glücksspiel über das Internet im Land Brandenburg zu veranstalten, untersagte die Regierung von Mittelfranken dem Antragsteller mit per Einschreiben mit Rückschein am 4. September 2010 übermitteltem Bescheid vom 20. August 2010, öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV über das Internet in Bayern zu veranstalten oder zu vermitteln (Nr. 1), und ordnete an, dass ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,- Euro zur Zahlung fällig werde, falls der Antragsteller nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Wochen ab Bekanntgabe des Bescheids der Untersagungsverfügung in Nr. 1 des Bescheids zuwider handele (Nr. 2).

4

    Die Untersagungsverfügung wird von der Behörde auf § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV gestützt. Der Antragsteller verstoße gegen das Verbot der Vermittlung und Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele im Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV. Außerdem verfüge er nicht über die nach § 4 Abs. 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis der zuständigen Landesbehörde für das gemäß § 3 Abs. 4 GlüStV auch in Bayern veranstaltete Glücksspiel. Eine Erlaubnis könne er auch im Hinblick auf das Internetverbot und darauf nicht erhalten, dass er entgegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GlüStV einen wirtschaftlichen Zweck verfolge und entgegen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV die Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes nicht erfülle. Die Untersagungsverfügung verbiete nicht nur die Gewinnung weiterer Neukunden, sondern auch die Fortführung des Spiels mit den bereits gewonnenen Spielteilnehmern, weil bei diesen mangels Geolokalisation nicht gewährleistet sei, dass sie sich zum Zeitpunkt der Spielteilnahme nicht in Bayern aufgehalten hätten. Da die Spielteilnahme und nicht der Wohnsitz maßgeblich sei, sei es unmöglich, allein die Teilnehmer auszuscheiden, die sich zum Zeitpunkt der Spielteilnahme in Bayern aufgehalten hätten. Die Vermittlung werde untersagt, um zu verhindern, dass die Untersagung der Veranstaltung des Spiels durch eine Vermittlungskonstruktion unterlaufen werde. Das Verbot sei auch nicht auf die verwendete Domain beschränkt. Auf welche Weise der Antragsteller die Untersagungsverfügung erfülle, stehe in seinem Ermessen. Nicht ausreichend seien ein bloßer Hinweis darauf, dass Spielteilnehmer, die sich in Bayern aufhielten, ausgeschlossen seien, eine Befragung der Spielteilnehmer nach ihrem Aufenthaltsort und der Ausschluss von Teilnehmern mit Wohnsitz in Bayern. Die Untersagung sei verhältnismäßig und ermessensgerecht. Die wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers hätten im Verhältnis zu den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags kein so großes Gewicht, dass sie diese überwögen. Der Glücksspielstaatsvertrag sei schließlich unionsrechts- und verfassungskonform. Auch die Zwangsgeldandrohung erfolge in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens und orientiere sich an der Höhe des zu erwartenden Gewinns.

5

    Gegen den Bescheid vom 20. August 2010 erhob der Antragsteller am 28. September 2010 Klage und beantragte gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Der Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Eine Veranstaltung oder Vermittlung im Internet finde nicht statt. Die Reservierung sowie die Verlosung fänden außerhalb des Internets in Österreich statt. Die Verlosung sei dort genehmigungsfrei zulässig. Die Untersagungsverfügung sei außerdem nicht hinreichend bestimmt. Sie wiederhole lediglich den Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Es sei aus dem Tenor für einen durchschnittlichen Adressaten nicht erkennbar, dass auch die Fortführung des Spiels mit den bereits gewonnenen Teilnehmern unzulässig sei. Ein Veranstalten im Internet sei nicht gegeben. Im Internet finde weder die Verlosung statt, noch sei die Teilnahme im Internet möglich. Die Reservierung werde erst durch die Zuschrift an den Teilnahmewilligen eingeleitet. Sie erfolge nicht im Internet. Dort werde dem Interessenten lediglich eröffnet, dass er eine noch nicht bindende invitatio ad offerendum erklären könne. Sämtliche sonstigen Kontakte erfolgten individuell aus und mit Österreich. Der Reservierungsvertrag werde in Österreich geschlossen. Der Bescheid sei außerdem mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar. Der Glücksspielstaatsvertrag trage nicht in kohärenter und systematischer Weise zur Begrenzung des Glücksspiels bei. Vielmehr würden in Bayern die Bürger intensiv zur Teilnahme an Lotterien und Glücksspielen ermuntert. Die Suchtgefährdung durch die einmalige Teilnahme an der Verlosung eines Hauses sei zudem deutlich geringer als bei vielen staatlichen Lotterien und Wetten. Bei der Verlosung des Hauses ziehe sich der Reservierungszeitraum über einen längeren Zeitraum hin, so dass die Teilnehmer von der häufigeren Teilnahme an gleichartigen Kampagnen über lange Zeit abgehalten würden. Dies diene der Suchtprävention. Der Antragsteller initiiere eine solche Verlosung schließlich nur ein einziges Mal.

6

    Mit Beschluss vom 26. April 2011 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

7

    An der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung bestünden keine ernstlichen Zweifel. Sie sei zu Recht auf § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV gestützt und diene dem Vollzug des Internetverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV. Es handele sich bei der Verlosung um öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 2 GlüStV, das gegenwärtig im Internet veranstaltet werde. Wie sich aus den Teilnahmebedingungen ergebe, werde mit der Überweisung der Reservierungsgebühr die konkrete Losnummer zugeordnet. Weitere Handlungen des Teilnehmers seien nicht erforderlich. Er müsse vielmehr nach Abschluss der Reservierungsphase abwarten, ob sich seine Gewinnchance realisiere. Dem Teilnahmewilligen werde durch die Internetseite die Möglichkeit zur Spielteilnahme eröffnet, weil er durch das dort befindliche Kontaktfeld per E-Mail Kontakt mit dem Veranstalter der Verlosung aufnehmen und seinen Reservierungswunsch übermitteln könne. Dass noch die Reservierungsgebühr gezahlt werden müsse und dies nicht über die Internetseite geschehe, ändere nichts daran, dass das Glücksspiel im Internet betrieben werde. Gerade die Kontaktaufnahme werde durch die vom Antragsteller bereitgestellte Internetseite vermittelt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Kontaktaufnahme per E-Mail erfolge. Der Gesetzgeber unterscheide, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, nicht zwischen einer Veranstaltung im Internet und einer Veranstaltung über das Internet. Der Gesetzeszweck spreche gegen die Annahme, dass das Internetverbot auf das WorldWideWeb beschränkt sei. Auch der E-Mail-Verkehr erleichtere die Spielteilnahme ohne soziale Kontrolle, die durch das Internetverbot im Interesse eines effektiven Jugendschutzes unterbunden werden solle. Der Antragsteller sei außerdem Veranstalter der Hausverlosung. Im Übrigen sei auch die Vermittlung der Verlosung nach § 4 Abs. 4 GlüStV verboten. Die angewandten Normen seien mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols erfasse nicht die allgemeinen Vorschriften im Glücksspielstaatsvertrag. Das Internetverbot gelte unabhängig davon, wer Glücksspiel veranstalte und ob es sich um erlaubtes Glücksspiel handele. § 4 Abs. 4 GlüStV sei mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar. Die Untersagungsverfügung sei hinreichend bestimmt. Das Ziel der Untersagung sei für den Antragsteller unzweideutig erkennbar. Für die Zuständigkeit des Antragsgegners reiche es aus, dass die vom Antragsteller betriebene Internetseite auch in Bayern abrufbar sei. Die Untersagungsverfügung sei außerdem verhältnismäßig. Dies gelte selbst dann, wenn der Antragsteller ihr nur für das gesamte Bundesgebiet nachkommen könne. Eine weltweite Abschaltung der Internetseite sei im Hinblick auf die Möglichkeit der Geolokalisation nicht nötig. Die Untersagung sei auch frei von Ermessensfehlern. Sie entspreche dem Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Das Zwangsgeld und die mit der Zwanggeldandrohung verbundene Frist seien angemessen.

8

    Seine gegen den Beschluss vom 26. April 2011 gerichtete Beschwerde ließ der Antragsteller im Wesentlichen damit begründen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von der Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken für den Erlass der Untersagungsverfügung, der hinreichenden Bestimmtheit der Untersagungsverfügung und ihrer Vereinbarkeit mit Unions- und Verfassungsrecht ausgegangen sei. Der Bescheid werde sich voraussichtlich im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen. Glücksspiel im Internet liege nicht vor. Das Glücksspiel werde ausschließlich auf postalischem Wege veranstaltet. Der E-Mail-Verkehr, mit dem der Kontakt zum Antragsteller aufgenommen werde, stelle kein Telemedium, sondern einen Telekommunikationsdienst nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes dar. Handele es sich aber nicht um eine Veranstaltung von Glücksspiel im Internet, fehle es an der Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken. Der Bescheid sei daher offensichtlich rechtswidrig. Im Übrigen liege eine Veranstaltung oder Vermittlung im Internet auch deshalb nicht vor, weil dort nicht am Glücksspiel teilgenommen werde und dort weder eine Verlosung erfolge noch die Losnummern vergeben, die Reservierungsgebühren gezahlt oder Reservierungsverträge geschlossen würden. Im Internet werde Teilnahmewilligen nur eröffnet, dass sie eine noch nicht bindende invitatio ad offerendum erklären könnten. Es würden über das Internet auch keine Daten zur Ermöglichung des Zahlungsverkehrs bekanntgegeben. Alle Datenbekanntgaben erfolgten außerhalb des Internetauftritts. Insbesondere werde keine automatisch generierte Antwort an den Teilnahmewilligen versandt. Die Übermittlung von Kontaktdaten durch den Teilnahmewilligen setze das Verwaltungsgericht zu Unrecht mit einer Teilnahmeermöglichung gleich. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 GlüStV seien deshalb nicht erfüllt. Der angegriffene Bescheid sei schließlich auch nicht hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne der Bescheid vom 20. August 2010 nicht auch den E-Mail-Verkehr zur Vermittlung oder Veranstaltung eines Glücksspiels umfassen, weil die Regierung von Mittelfranken dafür nicht zuständig sei. Schließlich greife der Bescheid unangemessen in die Dienstleistungsfreiheit und die Grundrechte des Antragstellers ein. Das Internetverbot könne überhaupt nicht greifen. Im Rahmen einer Hausverlosung sei eine Suchtgefährdung, die den Eingriff in die Grundfreiheiten und Grundrechte des Antragstellers rechtfertigen könne, nicht gegeben.

9

    Der Antragsteller beantragt,

10

    unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 26. April 2011 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. August 2010 anzuordnen.

11

    Der Antragsgegner beantragt,

12

    die Beschwerde zurückzuweisen.

13

    Er ist der Auffassung, die Klage werde voraussichtlich keinen Erfolg haben. Das Glücksspiel werde zumindest auch im Internet veranstaltet, weil der Teilnahmewillige durch das auf der Internetseite des Antragstellers befindliche Kontaktfeld per E-Mail Kontakt mit dem Veranstalter aufnehmen und diesem seinen Reservierungswunsch übermitteln könne. Hierdurch werde ihm bereits die Spielteilnahme ermöglicht. Nach der Gesetzesbegründung werde das Glücksspiel da veranstaltet, wo das Angebot ankomme. Maßgeblich sei die Eröffnung der Möglichkeit der Teilnahme, und diese erfolge zumindest auch im Internet. Außerdem handele es sich bei der E-Mail-Übertragung um einen Telemediendienst. Zwar seien Telekommunikationsdienste, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestünden nach § 1 TMG keine Telemedien. Davon zu unterscheiden seien jedoch Telekommunikationsdienste, die überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestünden, also neben der Übertragungsdienstleistung noch eine inhaltliche Dienstleistung anböten. Darunter falle jede E-Mail-Übertragung. Dem Antragsteller sei auch klar, dass der Bescheid sich nur auf das Internet beziehe. Der dem Antragsteller zusätzlich die Vertriebswege außerhalb des Internets untersagende Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 26. Januar 2011 umfasse nur die telefonische und schriftliche Losbestellung. Die Rechtsgrundlagen für die Untersagungsverfügung vom 20. August 2010 seien mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar.

14

    Ergänzend wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren 10 CS 11.975 und 10 CS 11.1212 in beiden Rechtszügen sowie auf die in diesen Verfahren beigezogenen Behördenakten verwiesen.

    II.

15

    1. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat auch in der Sache Erfolg.

16

    a) Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung führt zu dem Ergebnis, dass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. August 2010 anzuordnen ist. Denn der Bescheid wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen. Der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht sind zwar zutreffend davon ausgegangen, dass als Rechtsgrundlage für eine Untersagung der Glücksspieltätigkeit des Antragsstellers § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV in Betracht kommt. Jedoch fehlt der Regierung von Mittelfranken zum einen die sachliche Zuständigkeit für den Erlass der Untersagungsverfügung. Zum anderen ist eine Untersagung der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspiel im Internet nicht erforderlich, weil die Hausverlosung, auf die die Untersagungsverfügung zielt, nicht im Internet veranstaltet wird.

17

    aa) Rechtsgrundlage für die Untersagungsverfügung des Antragsgegners (Nr. 1 des Bescheids vom 20. August 2011) ist § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Der Glücksspielstaatsvertrag ist zwar gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 GlüStV mit Ablauf des vierten Jahres nach seinem Inkrafttreten und damit zum 31. Dezember 2011 außer Kraft getreten. Mit Ausnahme der §§ 26, 28 und 29 GlüStV bleiben seine Regelungen aber gemäß Art. 10 Abs. 2 AGGlüStV bis zum Inkrafttreten eines neuen Staatsvertrages als Landesgesetz in Kraft.

18

    Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden oder auf seiner Grundlage begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Die zuständige Behörde kann nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV die zur Erfüllung dieser Aufgabe erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Insbesondere kann sie die Veranstaltung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV). Diese Voraussetzungen sind hier dem Grunde nach erfüllt.

19

    (1) Die vom Antragsteller veranstaltete Hausverlosung stellt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV Glücksspiel dar. Ein Glücksspiel liegt danach vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Dies ist bei der Hausverlosung des Antragstellers der Fall. Die Teilnahmewilligen werden nach Mitteilung ihres Reservierungswunsches aufgefordert, für jedes gewünschte Los einen Betrag von 54,- Euro bis 59,- Euro zu entrichten. Nach Zahlung dieses Betrags wird ihnen dann für jedes reservierte Los eine Losnummer zugeteilt, mit der sie an der Verlosung teilnehmen. Es wird also für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt. Da der Gewinner des zu verlosenden Hauses allein aufgrund der Verlosung ermittelt wird, hängt die Entscheidung über den Gewinn auch ganz vom Zufall ab.

20

    (2) Da an der Hausverlosung grundsätzlich jeder Volljährige teilnehmen kann und deshalb eine Teilnahmemöglichkeit für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis besteht, liegt nach § 3 Abs. 2 GlüStV außerdem öffentliches Glücksspiel vor.

21

    (3) Die Hausverlosung wird darüber hinaus auch in Bayern veranstaltet. Zwar findet die Verlosung selbst in Österreich statt. Nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel aber dort veranstaltet oder vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird. Dies ist hier auch in Bayern der Fall. Denn die Internetseite, auf der der Antragsteller auf die Hausverlosung hinweist, ist in Bayern abrufbar. Die Teilnahmebedingungen lassen darüber hinaus die Teilnahme von Unionsbürgern zu. Schließlich können die von Seiten der Teilnehmer zu veranlassenden Schritte der Mitteilung von Reservierungswünschen per E-Mail oder Telefon und der Zahlung der Reservierungsgebühr ohne Weiteres von Bayern aus erfolgen.

22

    (4) Das Glücksspiel des Antragstellers ist schließlich auch unerlaubt. Öffentliche Glücksspiele dürfen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Über eine Erlaubnis zur Veranstaltung der Hausverlosung verfügt der Antragsteller jedoch nicht, so dass es sich bei der Verlosung nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV um unerlaubtes Glücksspiel handelt. Ob die Hausverlosung in Österreich ohne eine Erlaubnis zulässig wäre oder ob er über eine nach österreichischem Recht erforderliche Erlaubnis verfügt, ist insoweit unerheblich. Denn die Zulassung eines Glücksspiels in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union kann die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis der bayerischen Behörden nicht ersetzen (vgl. BayVGH vom 12.01.2012 Az. 10 BV 10.2271 und Az. 10 BV 10.2505; BayVGH vom 18.12.2008 Az. 10 BV 07.558 RdNrn. 30 ff. sowie vom 21.3.2011 Az. 10 AS 10.2499 RdNr. 23; BVerwG vom 24.11.2010 Az. 8 C 15.09 RdNr. 21; EuGH vom 08.09.2010 Rs. C-316/07 u.a. - Markus Stoß u.a. - RdNrn. 110 ff.).

23

    (5) Die vom Antragsteller initiierte Hausverlosung stellt auch nicht deshalb kein unerlaubtes Glücksspiel dar, weil der in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV geregelte Erlaubnisvorbehalt unionsrechtswidrig und deshalb wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar wäre.

24

    Zwar geht der Senat davon aus, dass die das staatliche Glücksspielmonopol normierenden Bestimmungen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) gegen die unionsrechtlichen Grundfreiheiten der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV und der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV verstoßen. Sie genügen nicht den Anforderungen an eine zulässige Beschränkung dieser Grundfreiheiten, weil sie die Ziele, denen das Monopol dient, insbesondere die Verhinderung und Bekämpfung von Spiel- und Wettsucht (§ 1 GlüStV), nicht in kohärenter und systematischer Weise verfolgen und sich deshalb als unverhältnismäßig erweisen (vgl. BayVGH vom 12.01.2012 Az. 10 BV 10.2271 und 10 BV 10.2505; BayVGH vom 21.03.2011 Az. 10 AS 10.2499 RdNrn. 25 ff.; BayVGH vom 23.03.2011 Az. 10 AS 10.2448 RdNrn. 24 ff.; BayVGH vom 01.04.2011 Az. 10 AS 10.2500 RdNr. 25; BayVGH vom 19.07.2011 Az. 10 CS 10.1923 RdNr. 39). Wie der Senat ebenfalls entschieden hat, erfasst der damit zum Zuge kommende unionsrechtliche Anwendungsvorrang aber nur das staatliche Monopol und nicht auch den in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV geregelten Erlaubnisvorbehalt. Dieser besteht vielmehr unabhängig von der Wirksamkeit des Monopols (vgl. BVerwG vom 24.11.2010 Az. 8 C 13.09 RdNrn. 73 ff.; BayVGH vom 12.01.2012 Az. 10 BV 10.2271 und 10 BV 10.2505; BayVGH vom 20.09.2011 Az. 10 BV 10.2449 RdNr. 18; BayVGH vom 21.03.2011 Az. 10 AS 10.2499 RdNrn. 30 ff.; BayVGH vom 23.03.2011 Az. 10 AS 10.2448 RdNrn. 30 ff.; BayVGH vom 01.04.2011 Az. 10 AS 10.2500 RdNrn. 25 ff.; BayVGH vom 19.07.2011 Az. 10 CS 10.1923 RdNr. 39).

25

    Der Erlaubnisvorbehalt genügt, wie der Senat ebenfalls bereits festgestellt hat, darüber hinaus den unionsrechtlichen Anforderungen an eine derartige nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich zulässige Regelung (vgl. EuGH vom 08.09.2010 Rs. C-46/08 - Carmen Media - RdNrn. 82 ff., insbesondere 87 f.), weil das im Glücksspielstaatsvertrag normierte System der vorherigen Erlaubnis auf objektiven, nicht diskriminierenden und im voraus bekannten Erlaubniskriterien beruht (§ 4 GlüStV in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und 2 AGGlüStV) und eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende effektive verwaltungsgerichtliche Kontrolle gewährleistet (vgl. BayVGH vom 20.09.2011 Az. 10 BV 10.2449 RdNr. 18; BayVGH vom 21.03.2011 Az. 10 AS 10.2499 RdNr. 32; BayVGH vom 23.03.2011 Az. 10 AS 10.2448 RdNr. 32; in diesem Sinne auch VGH BW vom 20.01.2011 Az. 1685/10 RdNr. 9; SächsOVG vom 04.01.2011 Az. 3 B 507/09 RdNr. 5 sowie NdsOVG vom 11.11.2010 11 MC 429/10 RdNr. 25).

26

    (6) Schließlich stellt die vom Antragsteller veranstaltete Hausverlosung auch nicht deshalb kein unerlaubtes Glücksspiel dar, weil der in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV enthaltene Erlaubnisvorbehalt und das damit verbundene Verbot des Vermittelns und der Veranstaltung von Glücksspielen ohne die erforderliche Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV gegen Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen würden und deshalb verfassungswidrig wären. Zwar greift § 4 Abs. 1 GlüStV in die Berufsfreiheit ebenso ein wie in die allgemeine Handlungsfreiheit. Wie das Bundesverfassungsgericht für die Berufsfreiheit bereits entschieden hat, ist dieser Eingriff aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insbesondere ist er geeignet und erforderlich, das Ziel der Verhinderung und Bekämpfung der Spielsucht zu erreichen (vgl. § 1 GlüStV), und insoweit auch verhältnismäßig (vgl. BVerfG vom 14.10.2008 Az. 1 BvR 928/08 RdNrn. 11 ff.; BVerwG vom 24.11.2010 Az. 8 C 13.09 RdNrn. 28 ff.).

27

    bb) Gleichwohl durfte die Regierung von Mittelfranken dem Antragsteller nicht auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV die Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen im Internet in Bayern untersagen. Weder war sie für die Untersagung der Hausverlosung des Antragstellers sachlich zuständig, noch ist es erforderlich, dem Antragsteller die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspiel im Internet zu untersagen.

28

    Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AGGlüStV ist die Regierung von Mittelfranken für Maßnahmen in Ausübung der Befugnisse nach § 9 Abs. 1 GlüStV im Hinblick auf Telemedien (§ 1 des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007, BGBl I S. 179) für das gesamte Staatsgebiet zuständig. Dabei sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG Telemedien alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 RStV sind, so dass es sich bei der Internetseite, auf der der Antragsteller über die von ihm veranstaltete Hausverlosung informiert und die damit einen elektronischen Informationsdienst im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG darstellt, um ein Telemedium handelt (vgl. dazu ausführlich VG Münster vom 14.06.2010 Az. 1 L 155/10 RdNrn. 21 ff. für eine Internetseite, auf der ein Hausgewinnspiel in Quizform angeboten wurde). Jedoch umfasst die Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AGGlüStV nicht die von ihr getroffene Untersagungsverfügung gegenüber dem Antragsteller. Denn diese stellt keine Maßnahme in Ausübung der Befugnisse nach § 9 Abs. 1 GlüStV im Hinblick auf Telemedien im Sinne dieser Zuständigkeitsregelung dar.

29

    Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AGGlüStV soll durch die bayernweite Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken, die daran anknüpft, dass auch der dem Rundfunkstaatsvertrag unterfallende Telemedien betreffende Vollzug von § 59 Abs. 2 bis 6 RStV bei dieser Regierung angesiedelt ist, dem Umstand Rechnung tragen, dass Glücksspiele und Werbung für Glücksspiele häufig an mehreren Orten des Staatsgebiets auftreten, wie dies insbesondere im Bereich der Internetangebote und ihrer Bewerbung untrennbare Folge des Mediums Internet ist (vgl. LT-Drucks 15/8601, S. 9). Maßgeblich für die Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken ist es daher, dass die Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 GlüStV, für die ihr diese Zuständigkeit eingeräumt wird, Glücksspielangebote oder die Glücksspielwerbung im Internet betreffen. § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV ermächtigt dabei zu denjenigen Anordnungen im Einzelfall, die erforderlich sind, um die aus dem Glücksspielstaatsvertrag folgenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen und darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glückspiel und die Werbung dafür unterbleibt. Da sowohl das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV als auch die Werbung für Glücksspiel im Internet nach § 5 Abs. 3 GlüStV verboten sind, kommen als in die Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken fallende Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 GlüStV praktisch nur Maßnahmen in Betracht, die erforderlich sind, diese Verbote durchzusetzen. Dementsprechend besteht eine Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken für die Untersagung der Veranstaltung oder Vermittlung von öffentlichem Glücksspiel nur dann, wenn das betreffende Glücksspiel auch im Internet veranstaltet oder vermittelt wird. Ist dies nicht der Fall, ist hingegen nicht die Regierung von Mittelfranken, sondern die Regierung der Oberpfalz nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AGGlüStV für die bayernweite Untersagung unerlaubten Glücksspiels sachlich zuständig. Darüber hinaus ist eine von nach diesen Maßstäben unzuständigen Regierung von Mittelfranken erlassene Verfügung, mit der die Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen im Internet untersagt wird, auch deshalb rechtswidrig, weil sie zur Durchsetzung des Internetverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV nicht erforderlich und damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.

30

    Die Untersagungsverfügung wird sich danach sowohl mangels Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken als auch wegen fehlender Erforderlichkeit im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen. Denn die Hausverlosung des Antragstellers wird nicht im Internet, sondern außerhalb des Internets veranstaltet.

31

    Veranstaltet wird ein Glücksspiel von demjenigen, der verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermöglicht (vgl. BayVGH vom 01.04.2011 Az. 10 CS 10.589 RdNr. 17; BayVGH vom 24.01.2012 Az. 10 CS 11.1670). Der Antragsteller erfüllt diese Voraussetzungen und veranstaltet daher die Hausverlosung. Denn nach dem Impressum der betreffenden Internetseite ist er für den Inhalt dieser Seite einschließlich der darauf veröffentlichten und den organisatorischen Ablauf der Hausverlosung festlegenden Teilnahmebedingungen verantwortlich. Jedoch veranstaltet der Antragsteller das Glücksspiel nicht im Sinne von § 4 Abs. 4 GlüStV im Internet.

32

    Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Regelung. Denn bereits nach natürlichem Sprachgebrauch spielt sich das vom Antragsteller angebotene Glücksspiel nicht im Internet, sondern außerhalb davon ab. Zwar wird im Internet über die Hausverlosung und ihre Einzelheiten informiert. Es werden die Modalitäten in den Teilnahmebedingungen detailliert beschrieben und eine E-Mail-Adresse sowie eine Telefonnummer benannt, über die Kontakt zum Veranstalter aufgenommen werden kann, um unter Angabe von Namen, Adresse, Telefonnummer und E-Mail-Adresse Wünsche für eine Losreservierung mitzuteilen. Die Spielteilnahme als solche erfolgt aber außerhalb des Internets. Die Reservierung von Losen wird nicht auf der Internetseite des Antragstellers vorgenommen, sondern erfolgt in mehreren Schritten außerhalb dieser Seite. Zunächst übermittelt der Teilnahmewillige seine Reservierungswünsche unter Angabe der genannten Daten per E-Mail oder per Telefon an den Veranstalter. Dieser fordert den Teilnahmewilligen sodann mit einer manuell und nicht automatisch erstellten Antwort auf, die Reservierungsgebühr auf ein gleichzeitig mitgeteiltes Treuhandkonto zu übermitteln. Erst mit dem Eingang der Zahlung auf dem Treuhandkonto ist die Reservierung verbindlich abgeschlossen. Die Verlosung selbst findet ebenfalls außerhalb des Internets statt.

33

    Dass das Glücksspiel des Antragstellers in Form der Hausverlosung nicht im Sinne von § 4 Abs. 4 GlüStV im Internet veranstaltet wird, bestätigt schließlich auch der Sinn und Zweck dieser Regelung. Ziel des Internetverbots ist es, die Spiel- und Wettsucht zu bekämpfen sowie einen effektiven Jugendschutz zu gewährleisten (vgl. BVerwG vom 01.06.2011 Az. 8 C 5/10 RdNr. 20). Der Normgeber ging davon aus, dass gerade das Internet als Vertriebsweg nicht geeignet ist, den Jugendschutz wirkungsvoll zu gewährleisten, und dass die Anonymität des Spielenden und das Fehlen jeglicher sozialen Kontrolle es unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Glücksspielsucht erforderlich machten, das Internet als Vertriebsweg auszuschließen (vgl. LT-Drucks 15/8486, S. 15). Dies spricht aber dafür, dass § 4 Abs. 4 GlüStV dann nicht einschlägig ist, wenn ein auf einer Internetseite angebotenes Glücksspiel so ausgestaltet ist, dass die spezifischen Gefahren des Internets im Hinblick auf den Jugendschutz und die Entstehung von Spielsucht nicht bestehen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn in einem Internetauftritt eines Glücksspielanbieters über die Information über das Glücksspiel hinaus lediglich die Möglichkeit eröffnet wird, um eine unverbindliche Zusendung von Losen zu bitten, der gesamte Bestell- und Bezahlvorgang im Übrigen aber außerhalb des Internets abzuwickeln ist (vgl. Diet-lein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2008, § 4 RdNr. 98). Denn eine solche Ausgestaltung des Glücksspiels macht es erforderlich, dass der Spielwillige seine Personalien offenbart und damit aus der Spielsucht fördernden Anonymität des Internets heraustritt. Außerdem entsteht Raum, den Belangen des Jugendschutzes durch entsprechende Vorkehrungen Rechnung zu tragen, wenn die verbindlichen Bestell- und Zahlvorgänge erst außerhalb des Internets erfolgen. Demgegenüber ist das Internetverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV einschlägig, wenn die für die verbindliche Teilnahme wesentlichen Vorgänge im Internet ablaufen und lediglich die Bezahlung außerhalb des Internets erfolgt (vgl. BayVGH vom 25.08.2011 Az. 10 BV 11.1176 RdNr. 28).

34

    Legt man dies zugrunde, so ist auch nach seinem Sinn und Zweck § 4 Abs. 4 GlüStV nicht auf die Hausverlosung des Antragstellers anwendbar. Denn der Reservierungswunsch, ist auch dann unverbindlich, wenn er nicht ohnehin per Telefon, sondern per E-Mail an den Veranstalter übermittelt wird. Verbindlich reserviert ist ein Los vielmehr erst dann, wenn der Veranstalter den Teilnahmewilligen außerhalb des Internets unter Angabe des dafür vorgesehenen Treuhandkontos zur Zahlung aufgefordert hat und die Zahlung dort eingegangen ist.

35

    Bestätigt wird dieses Ergebnis schließlich auch durch die Systematik des Glücksspielstaatsvertrags. Neben dem Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, im Internet öffentliche Glücksspiele zu veranstalten oder zu vermitteln, enthält dieser in § 5 Abs. 3 GlüStV auch das Verbot, für öffentliches Glücksspiel im Internet zu werben. Dies macht eine Abgrenzung von Veranstaltung und Vermittlung einerseits und Werbung andererseits erforderlich und zeigt, dass nicht jeder Internetauftritt, der die Möglichkeit der Teilnahme an einem Glücksspiel betrifft, ein Veranstalten oder Vermitteln von Glücksspielen darstellt, sondern auch Werbung für ein Glücksspiel sein kann, das anderweitig veranstaltet wird. § 5 Abs. 3 GlüStV soll nach der Vorstellung des Normgebers den Gefahren des Internets auch im Hinblick auf das neben dessen Breitenwirkung tretende zusätzliche Gefahrenelement begegnen, dass im Internet der sofortige Übergang zur Teilnahme am Spiel stets möglich ist (vgl. LT-Drucks 15/8486, S. 16). Damit hat der Normgeber aber gerade beim Werbeverbot nach § 5 Abs. 3 GlüStV Fälle im Blick, in denen auf einer Internetseite selbst kein Glücksspiel stattfindet, sondern lediglich über die Möglichkeit der Teilnahme an einem Glückspiel informiert und dafür geworben wird, in denen aber gleichwohl wie im Falle der Internetseite des Antragstellers über das Anklicken einer E-Mail-Adresse sofort erste Schritte zu einer Teilnahme an dem beworbenen Glücksspiel unternommen werden können. Ordnet der Normgeber selbst aber solche Fälle als nach § 5 Abs. 3 GlüStV von der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet zu unterscheidende verbotene Internetwerbung ein, so bestätigt dies, dass der Antragsteller kein Glücksspiel im Internet veranstaltet. Damit ist aber weder die die Regierung von Mittelfranken für eine Untersagung der Hausverlosung zuständig, noch ist es erforderlich, dem Antragsteller die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet zu untersagen.

36

    b) Die aufschiebende Wirkung ist darüber hinaus auch bezüglich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen. Denn mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Untersagungsverfügung fehlt es an der für die Zwangsgeldandrohung als Vollstreckungsmaßnahme erforderlichen Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).

37

    2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

38

    3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

39

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Quelle





zuletzt aktualisiert: 24.06.2012