(Bundesverfassungsgerichtsbeschlüsse s.u.)
Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 19.01.2012 eine sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen die Nichtzulassung der Anklage zurückgewiesen. Nachdem das Amtsgericht Tiergarten eine Anklage wegen Vermittlung von Sportwetten durch eine deutsche Staatsbürgerin an eine österreichische Wettanbieterin nicht zugelassen hatte, reichte die Staatsanwaltschaft Berlin sofortige Beschwerde ein und argumentierte, dass die Sportwettenvermittlerin keine erforderliche Erlaubnis besessen habe.
Das Landgericht Berlin hat in dem elf Seiten umfassenden Beschluss ausführlich zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols, der Regelung des Erlaubnisvorbehalts sowie zum Strafzweck des § 284 Abs. 1 StGB Stellung genommen.
Im Ergebnis ist eine Strafbarkeit nach § 284 abs.1, Abs. 3 Nr. 1m Abs. 4 StGB ausgeschlossen. Bei der Strafnorm des § 284 StGB müsse der verwaltungsakzessorische Charakter beachtet werden. Das Fehlen der Erlaubnis dürfe nicht strafrechtlich vorgeworfen werden, wenn die fehlende Erlaubnis auf einem verfassungs- und unionsrechtswidrigen gesetzlichen Zustand beruht. Das Gericht bezieht sich auf die Rechtsprechung des EuGH sowie die des BVerwG, welche die Einschränkung der unionsrechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit durch das staatliche Sportwettenmonopol wegen der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung der deutschen Glücksspielpolitik als inkohärent und somit unionsrechtswidrig bewertet haben.
Das Landgericht stellt ausdrücklich selbst eine inkohärente Ausgestaltung des Glücksspielmarktes durch die tatsächliche Anwendungspraxis fest. Somit ließen sich die Ziele des § 1 GlüStV nicht durch behördliches und strafrechtliches Einschreiten gegenüber Sportwettenvermittler erreichen (S. 9). "Der Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 GlüStV weist auch keinen sog. Regelungsgehalt auf, der sich dergestalt von der Frage der Wirksamkeit des Sportwettenmonopols trennen ließe, dass die fehlende Erlaubnisfähigkeit gegebenenfalls allein auf die besonderen Zulassungskriterien und die Zuverlässigkeitsprüfung in § 7 GlüStV gestützt werden könnte" (S. 9). Gegenständlich war es somit wegen des rechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols überhaupt nicht möglich, eine entsprechende Erlaubnis zu erhalten. "Dagegen sei der Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB nicht bloßer verwaltungsakzessorischer Natur. Würde auf das schlichte Fehlen einer behördlichen Erlaubnis – gleich aus welchem Grund – abgestellt werden, so würde bloßer Verwaltungsgehorsam bestraft werden. Darin besteht jedoch nicht der Strafzweck des § 284 StGB. Mit dieser Vorschrift – die lediglich die landesrechtlichen Glücksspielregelungen flankiert und nicht selbst dem Schutz des staatlichen Wettmonopols dient – soll vielmehr ausweislich der Gesetzesbegründung" insbesondere der ordnungsgemäße Spielablauf gewährleistet werden. "Das verwaltungsakzessorische Verständnis des Tatbestandes würde im Übrigen – konsequent zu Ende gedacht – dazu führen, dass es für die Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB gleichgültig wäre, ob und inwieweit die landesrechtlichen Regelungen für Sportwetten überhaupt eine Erlaubnispflicht enthalten und ob Privatpersonen überhaupt eine Erlaubnis erteilt werden kann.
Das ist jedoch nicht der Fall, wie eine (einstimmige) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Verfassungsbeschwerden gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen zeigt (Beschluss vom 15. April 2009, 2 BvR 1496/05, Rn. 33 f. – juris, BVerfGK 15, 330) - (vgl. S. 5).
Darin hatte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich einen staatlichen Strafanspruch verneint, wenn der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols verfassungswidrig ist.
Auf einen bisher von vielen Strafgerichten angenommenen sog. unvermeidbaren Verbotsirrtum kommt es demnach nicht an. Ausführungen hierzu sind in dem Beschluss des Landgerichts Berlin nicht vorhanden.
Daher ist diese Entscheidung des Landgerichts Berlin beachtlich, da eine Strafbarkeit bereits auf Tatbestandsebene (Merkmal "Erlaubnis") mit der verwaltungsgerichtlichen und unionsrechtlichen Argumentation verneint wird.
Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist zudem nach dem 01.01.2012 gültig, da in den Bundesländern für die Sportwettenvermittlung entweder weiterhin überhaupt kein Erlaubnisverfahren besteht oder aber eine fehlende Erlaubnis nach den sog. Erlaubnisverfahren (in den Ländern Bayern, Niedersachen und Rheinland-Pfalz) strafrechtlich nicht vorgehalten werden dürfe.
Zudem ist nicht gewährleistet, dass diese Erlaubnisverfahren unionsrechtskonform gestaltet sind, da diese weder bei Inkrafttreten der landesrechtlichen Ausführungsgesetze vorgesehen waren, noch durch die EU-Kommission notifiziert sind.
Dabei verhält sich der Staat widersprüchlich, als er landesrechtliche Erlaubnisverfahren gelten lässt, jedoch hinsichtlich des Änderungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag, die Rechtmäßigkeit der Bedingungen des Erlaubnismodells, anhand des Notifizierungsverfahrens bestätigen lässt.
Ferner ist mit den jüngsten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs klargestellt, dass der Erlaubnisvorbehalt in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem staatlichen Sportwettenmonopol zu sehen ist und somit die Vermittlung von Sportwetten solange nicht untersagt werden dürfe, bis ein Erlaubnisantrag rechtskräftig abgelehnt worden ist.
Bis dahin gelte der Vorrang des Unionsrechts uneingeschränkt. Daher könne ein nach § 284 StGB strafbares Verhalten niemals vorliegen, da die Vermittlung von Sportwetten mangels unionsrechtskonformen Rechtsgrundlagen aufgrund der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit erfolgt.
Kontakt:
KARTAL Rechtsanwälte
Rechtsanwalt Damir Böhm
Friedenstr. 36 (Ecke Jöllenbecker Str.)
D - 33602 Bielefeld
Quelle: PM v. 3.2.12
Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages
vgl. weiter Urteile des VG Berlin
LG Wiesbaden: Keine Verhängung von Zwangsgeldern aus unionsrechtswidrigem Urteil weiterlesen
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner (einstimmigen) Entscheidung über Verfassungsbeschwerden gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen (Beschluss vom 15. April 2009, 2 BvR 1496/05, Rn. 33 f. – juris, BVerfGK 15, 330) - (vgl. S. 5) ausdrücklich einen staatlichen Strafanspruch verneint, wenn der strafbewehrte Ausschluss privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten wegen des rechtswidrigen Staatsmonopols verfassungswidrig ist. (Beschluss s.u.)
Das Bundesverfassungsgericht hob die Beschlüsse der Landgerichte Hannover, Göttingen, Memmingen und Braunschweig auf. (Aktenzeichen: 2 BvR 174/05; 2 BvR 1119/05; 2 BvR 1120/05; 2 BvR 1497/05; 2 BvR 1498/05; 2 BvR 1499/05 und 2 BvR 2211/05)
Die Verfassungsbeschwerden richteten sich u. a. gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB (Oddset-Sportwetten) in den Jahren 2004 und 2005. (weitere Verfassungsbeschwerden wegen Hausdurchsuchungen s.u.)
Ein Anfangsverdacht gemäß § 284 StGB für eine Durchsuchung der Geschäftsräume war im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht gegeben. Quelle
Hinsichtlich der Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten in EU-Ausland stellte das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27.04.2005 (Az.: 1 BvR 223/05) fest, daß
„angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Gambelli .[…] und ihrer Rezeption in Rechtsprechung und Literatur […] erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB […] nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden könnten.“ (a.a.O. S. 13) s.u.Gegenstand des Beschlusses ist die Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) durch die Außerachtlassung gemeinschaftsrechtlich begründeter subjektiver Rechte der Veranstalter und Vermittler von Sportwetten im Rahmen von verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren.
Nachweis konkreter Gefahren für das Gemeinwohl erforderlich
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von Untersagungsbescheiden ist nur zulässig, wenn im Einzelfall konkrete Gefahren für das Gemeinwohl gegeben sind. Allgemeine Behauptungen zu Gefahren des unerlaubten Glücksspiels begründen kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27.04.2005 reichen die abstrakten Gefahren des Glücksspiels gerade nicht aus, um die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. (Beschluss s.u.)
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2394/08 - vom 16.9.2010
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Artikel 103 Absatz 1 GG
(Anspruch auf rechtliches Gehör) des Grundgesetzes
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Artikel 103 Absatz 1 GG
(Anspruch auf rechtliches Gehör) des Grundgesetzes
Verfassungsbeschwerde (Auszug)
Zum grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 2 GG
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Zum grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 2 GG
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn K…
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn K…
- Bevollmächtigte:
Kartal Rechtsanwälte,
Friedenstraße 36, 33602 Bielefeld -
Friedenstraße 36, 33602 Bielefeld -
1. | unmittelbar gegen |
a) | den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21. Juli 2005 - 8 Qs 164/05 -, |
b) | den Beschluss des Amtsgerichts Wolfsburg vom 19. Mai 2005 - 5 Gs 229/05 -, |
c) | die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers am 6. April 2005, |
d) | den Beschluss des Amtgerichts Wolfsburg vom 22. März 2005 - 5 Gs 229/05 -, |
2. | mittelbar gegen § 284 StGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl I S. 3322) |
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Osterloh,
den Richter Mellinghoff
und den Richter Gerhardt
den Richter Mellinghoff
und den Richter Gerhardt
Der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21. Juli 2005 - 8 Qs 164/05 - sowie der Beschluss des Amtsgerichts Wolfsburg vom 22. März 2005 - 5 Gs 229/05 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Braunschweig zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.
Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB (Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276).
I.
2
Der Beschwerdeführer ist griechischer Staatsangehöriger. Er vermittelte seit dem 1. Februar 2005 von Geschäftsräumen in Niedersachsen aus über das Internet Oddset-Sportwetten an einen britischen Wettanbieter. Dieser verfügte über eine britische Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten, die ihm auch die Entgegennahme von über das Internet aus dem Ausland vermittelten Sportwetten gestattete.
Der Beschwerdeführer ist griechischer Staatsangehöriger. Er vermittelte seit dem 1. Februar 2005 von Geschäftsräumen in Niedersachsen aus über das Internet Oddset-Sportwetten an einen britischen Wettanbieter. Dieser verfügte über eine britische Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten, die ihm auch die Entgegennahme von über das Internet aus dem Ausland vermittelten Sportwetten gestattete.
3
Der Beschwerdeführer hatte keine behördliche Erlaubnis für seine Tätigkeit. Das deutsche Recht sah keinen Erlaubnistatbestand für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten durch Privatpersonen vor. Bei den vermittelten Wetten handelte es sich nicht um Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, deren Abschluss und Vermittlung nach dem als Bundesrecht fortgeltenden und vom Bundesgesetzgeber mehrfach geänderten Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl I S. 335, 393) erlaubt werden konnten. Die Länder gestatteten die Veranstaltung von Wetten nur durch den Staat oder von ihm beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform. Nach § 3 Abs. 2 NLottG vom 21. Juni 1997 (Nds. GVBl S. 289), geändert durch Art. 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl S. 664), durfte eine Konzession für das Veranstalten öffentlicher Wetten über den Ausgang sportlicher Wettkämpfe (Sportwetten) nur einer Gesellschaft (Wettunternehmen) erteilt werden, an der das Land unmittelbar oder mittelbar beteiligt war und deren andere Beteiligte entweder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Zusammenschlüsse oder Gesellschaften solcher Personen waren oder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 erfüllten.
Der Beschwerdeführer hatte keine behördliche Erlaubnis für seine Tätigkeit. Das deutsche Recht sah keinen Erlaubnistatbestand für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten durch Privatpersonen vor. Bei den vermittelten Wetten handelte es sich nicht um Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, deren Abschluss und Vermittlung nach dem als Bundesrecht fortgeltenden und vom Bundesgesetzgeber mehrfach geänderten Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl I S. 335, 393) erlaubt werden konnten. Die Länder gestatteten die Veranstaltung von Wetten nur durch den Staat oder von ihm beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform. Nach § 3 Abs. 2 NLottG vom 21. Juni 1997 (Nds. GVBl S. 289), geändert durch Art. 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl S. 664), durfte eine Konzession für das Veranstalten öffentlicher Wetten über den Ausgang sportlicher Wettkämpfe (Sportwetten) nur einer Gesellschaft (Wettunternehmen) erteilt werden, an der das Land unmittelbar oder mittelbar beteiligt war und deren andere Beteiligte entweder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Zusammenschlüsse oder Gesellschaften solcher Personen waren oder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 erfüllten.
4
Der Beschwerdeführer meldete seine Tätigkeit am 2. Februar 2005 bei der Stadt Wolfsburg als Gewerbe an. Diese erstattete Strafanzeige.
Der Beschwerdeführer meldete seine Tätigkeit am 2. Februar 2005 bei der Stadt Wolfsburg als Gewerbe an. Diese erstattete Strafanzeige.
5
Mit Beschluss vom 22. März 2005 ordnete das Amtsgericht Wolfsburg die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers an. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, eine Straftat gemäß § 284 StGB begangen zu haben, indem er seit dem 1. Februar 2005 in seinem Geschäftslokal ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten angenommen oder vermittelt und die dafür erforderlichen Einrichtungen bereitgestellt habe. Der Verdacht beruhe auch auf Auskünften der Stadt Wolfsburg. Es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, insbesondere von Vertragsunterlagen mit dem britischen Wettanbieter, führen werde.
Mit Beschluss vom 22. März 2005 ordnete das Amtsgericht Wolfsburg die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers an. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, eine Straftat gemäß § 284 StGB begangen zu haben, indem er seit dem 1. Februar 2005 in seinem Geschäftslokal ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten angenommen oder vermittelt und die dafür erforderlichen Einrichtungen bereitgestellt habe. Der Verdacht beruhe auch auf Auskünften der Stadt Wolfsburg. Es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, insbesondere von Vertragsunterlagen mit dem britischen Wettanbieter, führen werde.
6
Bei der am 3. Mai 2005 vollzogenen Durchsuchung wurden zahlreiche Unterlagen sichergestellt.
Bei der am 3. Mai 2005 vollzogenen Durchsuchung wurden zahlreiche Unterlagen sichergestellt.
7
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss. Es fehle an einem Tatverdacht gemäß § 284 StGB. Sportwetten seien keine Glücksspiele, sondern auf Wissen basierende Geschicklichkeitsspiele. Er habe die Sportwetten nicht veranstaltet, sondern vermittelt. Die Vermittlung und die Veranstaltung von Glücksspielen seien - auch im Hinblick auf das strafrechtliche Analogieverbot - nicht gleichzustellen. Vielmehr sei die Vermittlung eine straflose Vorbereitungshandlung. Er habe nicht ohne Erlaubnis gehandelt. § 284 StGB sei gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Konzession des britischen Wettanbieters eine Erlaubnis im Sinne von § 284 StGB sei. Andernfalls werde die Dienstleistungsfreiheit des britischen Wettanbieters verletzt. Lege man die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zugrunde, sei die Vermittlung von Sportwetten sogar ohne behördliche Erlaubnis zulässig. Danach seien Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nur aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zulässig. Sie müssten Störungen der sozialen Ordnung vorbeugen, den vorhandenen Spieltrieb der Bevölkerung vor Ausbeutung schützen und daher die Spielmöglichkeiten einschränken. Das Sportwettenmonopol des Landes Niedersachsen diene jedoch keinen zwingenden Gründen des Allgemeinwohls, sondern vorrangig fiskalischen Interessen. Die Verbraucher würden systematisch dazu ermuntert, an den staatlich veranstalteten Sportwetten teilzunehmen, um die Landeseinnahmen zu steigern. Das Bundesverfassungsgericht habe in einem Kammerbeschluss vom 27. April 2005 (BVerfGK 5, 196) festgestellt, dass erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit von § 284 StGB nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden könnten. Gegebenenfalls sei daher ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften einzuleiten. Darüber hinaus verstoße die strafrechtliche Verfolgung gegen Art. 12 und Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Land Niedersachsen fehle die Gesetzgebungskompetenz für die Errichtung eines staatlichen Sportwettenmonopols, welches ein der ausschließlichen Bundeskompetenz unterliegendes Finanzmonopol (Art. 105 Abs. 1 GG) sei. Das staatliche Sportwettenmonopol verletze ihn in seiner Berufsausübung, die im Sinne einer objektiven Zulassungsschranke verhindert werde. Die ungleiche Behandlung von Pferdewetten, für deren Veranstaltung und Vermittlung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Erlaubnis erteilt werden könne, und sonstigen Sportwetten verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Er habe nicht vorsätzlich gehandelt. Vielmehr habe er davon ausgehen dürfen, dass die Erlaubnis des britischen Wettanbieters auch in Deutschland gelte, zumal eine Untersagungsverfügung gegen ihn bislang nicht ergangen sei. Zumindest habe er wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ohne Schuld gehandelt. Denn die Vermittlung von Sportwetten in das europäische Ausland finde im gesamten Bundesgebiet statt. Die Durchsuchung sei schließlich nicht erforderlich gewesen, weil er seine Tätigkeit nie bestritten, sondern angezeigt habe.
8
Das Amtsgericht Wolfsburg half der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Mai 2005 nicht ab und legte sie dem Landgericht Braunschweig zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte es aus, das Vorliegen einer Straftat nach § 284 StGB werde uneinheitlich beurteilt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht gehe von einer Strafbarkeit nach § 284 StGB aus. Das Bundesverfassungsgericht habe hingegen in seinem Beschluss vom 27. April 2005 Zweifel geäußert, ob § 284 StGB mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, allerdings noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Daher sei die Durchsuchung jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Braunschweig zulässig und erforderlich.
Das Amtsgericht Wolfsburg half der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Mai 2005 nicht ab und legte sie dem Landgericht Braunschweig zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte es aus, das Vorliegen einer Straftat nach § 284 StGB werde uneinheitlich beurteilt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht gehe von einer Strafbarkeit nach § 284 StGB aus. Das Bundesverfassungsgericht habe hingegen in seinem Beschluss vom 27. April 2005 Zweifel geäußert, ob § 284 StGB mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, allerdings noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Daher sei die Durchsuchung jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Braunschweig zulässig und erforderlich.
9
Das Landgericht Braunschweig verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 21. Juli 2005. Nach den Mitteilungen der Stadt Wolfsburg hätten hinreichende Erkenntnisse dafür vorgelegen, dass der Beschwerdeführer in seinen Geschäftsräumen ein unerlaubtes Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB betreibe. Sportwetten seien Glücksspiele, da das Zufallselement überwiege. Es habe auch der Verdacht eines „Veranstaltens“ bestanden. Dieses liege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn - wie im Falle des Beschwerdeführers - verantwortlich und organisatorisch der äußere Rahmen für die Abhaltung von Glücksspielen geschaffen und der Bevölkerung dadurch der Abschluss von Spielverträgen ermöglicht werde. Einer Strafbarkeit nach § 284 StGB stehe auch das Europarecht nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften stelle zwar ein strafbewehrtes Verbot der Teilnahme an Wetten, die in anderen Mitgliedstaaten als dem organisiert würden, in dessen Gebiet der Wettende ansässig sei, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Solche Beschränkungen könnten aber aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Entscheidend sei, dass die Beschränkungen geeignet seien, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sehe eine Grenze dort, wo Behörden eines Mitgliedstaates die Verbraucher anreizten und ermunterten, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zuflössen. Die diesbezügliche Prüfung obliege den Gerichten der Mitgliedstaaten. Nach überwiegender Auffassung führten auch die vom Staat veranstalteten Oddset-Wetten nicht dazu, dass die Forderung einer behördlichen Erlaubnis für das Betreiben von Sportwetten unzulässig sei. Die Werbung für die staatlichen Oddset-Wetten diene nicht allein der Gewinnmaximierung, sondern der Kanalisierung des bestehenden Spielbedürfnisses in der Bevölkerung. Die Angaben des Beschwerdeführers über den Umfang des Werbeetats staatlicher Sportwetten rechtfertigten nicht den Vorwurf, die Beschränkungen beruhten allein auf fiskalischen Gründen. Andere Erkenntnisse, die für eine übertriebene Werbung für staatliche Oddset-Wetten sprechen könnten, lägen der Kammer nicht vor. § 284 StGB verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz. Die mit § 284 StGB verbundenen Einschränkungen der Berufsfreiheit seien im Hinblick auf die mit der Vorschrift verfolgten Ziele, der Spielsucht und der Ausnutzung des Spieltriebs zu kriminellen Zwecken vorzubeugen, mit Art. 12 GG vereinbar. Die Durchsuchung sei schließlich auch erforderlich gewesen, obwohl der Beschwerdeführer seine Tätigkeit angezeigt habe. Beim Verdacht einer strafbaren Handlung habe die Ermittlungsbehörde den Sachverhalt zu ermitteln und die notwendigen Beweismittel zu sichern, ohne dass es darauf ankomme, ob der Beschuldigte den äußeren Geschehensablauf einräume.
10
Mit Bescheid vom 15. September 2005 untersagte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport dem Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 NLottG in Verbindung mit § 12 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland, Sportwetten für in Niedersachsen nicht konzessionierte Veranstalter oder Anbieter zu vermitteln und zu bewerben.
11
Nach Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) wurde das Ermittlungsverfahren am 10. Juli 2006 gemäß § 153 StPO eingestellt. Der Beschwerdeführer verfolgt seine Verfassungsbeschwerde weiter.
II.
12
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 2 GG.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 2 GG.
13
1. §§ 284 ff. StGB seien verfassungswidrig. Ein legitimes Schutzgut sei nicht feststellbar; es werde bloßes Verwaltungsunrecht pönalisiert. Zu den grundrechtlich geschützten Freiheiten gehöre es, eigenes Vermögen zu gefährden. Die Strafbewehrung sei zum Schutz der Verbraucher nicht erforderlich; ausreichend seien das Lauterkeitsrecht und das Verbraucherschutzrecht. Allein die Absicherung des staatlichen Monopols, welchem das Strafrecht dem Anschein nach diene, könne den damit verbundenen Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen.
1. §§ 284 ff. StGB seien verfassungswidrig. Ein legitimes Schutzgut sei nicht feststellbar; es werde bloßes Verwaltungsunrecht pönalisiert. Zu den grundrechtlich geschützten Freiheiten gehöre es, eigenes Vermögen zu gefährden. Die Strafbewehrung sei zum Schutz der Verbraucher nicht erforderlich; ausreichend seien das Lauterkeitsrecht und das Verbraucherschutzrecht. Allein die Absicherung des staatlichen Monopols, welchem das Strafrecht dem Anschein nach diene, könne den damit verbundenen Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen.
14
2. Das niedersächsische Sportwettenmonopol sei verfassungswidrig.
2. Das niedersächsische Sportwettenmonopol sei verfassungswidrig.
15
a) Dem Land Niedersachsen fehle für die Errichtung eines Sportwettenmonopols die Gesetzgebungskompetenz, da es sich um ein vorwiegend der Erzielung von Einnahmen dienendes Finanzmonopol im Sinne von Art. 105 Abs. 1 GG handele, für das dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zustehe. Wie sich aus den - im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 sogar verstärkten - Werbemaßnahmen der staatlichen Lotterieverwaltung ergebe, werde der Spieltrieb der Menschen ausgebeutet, um Einnahmen zu erzielen. Gründe der Gefahrenabwehr seien vorgeschoben.
a) Dem Land Niedersachsen fehle für die Errichtung eines Sportwettenmonopols die Gesetzgebungskompetenz, da es sich um ein vorwiegend der Erzielung von Einnahmen dienendes Finanzmonopol im Sinne von Art. 105 Abs. 1 GG handele, für das dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zustehe. Wie sich aus den - im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 sogar verstärkten - Werbemaßnahmen der staatlichen Lotterieverwaltung ergebe, werde der Spieltrieb der Menschen ausgebeutet, um Einnahmen zu erzielen. Gründe der Gefahrenabwehr seien vorgeschoben.
16
b) Das staatliche Sportwettenmonopol begründe eine objektive Zulassungssperre für die Berufsausübung. Der staatliche Wunsch nach Einnahmen sei kein den Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigender Zweck. Ein legitimer Zweck sei allein die Gefahrenabwehr. Dieses Ziel sei aber durch mildere Mittel als ein staatliches Sportwettenmonopol erreichbar. Es genüge eine gewerberechtliche Zuverlässigkeitskontrolle. Überzogenen Wettangeboten könne durch das Wettbewerbsrecht vorgebeugt werden. Die vom Staat vorgegebenen Ziele würden durch das Monopol sogar besonders schlecht erreicht, da Kontrolleur und Kontrollierter zusammen fielen. Private Unternehmen könnten überwacht werden, ohne dass ein staatlicher Einnahmeverlust zu befürchten sei.
b) Das staatliche Sportwettenmonopol begründe eine objektive Zulassungssperre für die Berufsausübung. Der staatliche Wunsch nach Einnahmen sei kein den Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigender Zweck. Ein legitimer Zweck sei allein die Gefahrenabwehr. Dieses Ziel sei aber durch mildere Mittel als ein staatliches Sportwettenmonopol erreichbar. Es genüge eine gewerberechtliche Zuverlässigkeitskontrolle. Überzogenen Wettangeboten könne durch das Wettbewerbsrecht vorgebeugt werden. Die vom Staat vorgegebenen Ziele würden durch das Monopol sogar besonders schlecht erreicht, da Kontrolleur und Kontrollierter zusammen fielen. Private Unternehmen könnten überwacht werden, ohne dass ein staatlicher Einnahmeverlust zu befürchten sei.
17
c) Das staatliche Sportwettenmonopol verstoße gegen das Demokratieprinzip, da dem Staat hohe Einnahmen verschafft würden, dem Parlament aber faktisch die Kontrolle über die Mittelverwendung entzogen werde, da die Mittel von der staatlichen Lotterieverwaltung eingesetzt würden.
c) Das staatliche Sportwettenmonopol verstoße gegen das Demokratieprinzip, da dem Staat hohe Einnahmen verschafft würden, dem Parlament aber faktisch die Kontrolle über die Mittelverwendung entzogen werde, da die Mittel von der staatlichen Lotterieverwaltung eingesetzt würden.
18
d) Die ungleiche Behandlung von Pferdewetten, für deren Veranstaltung und Vermittlung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Erlaubnis erteilt werden könne, und sonstigen Sportwetten verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.
d) Die ungleiche Behandlung von Pferdewetten, für deren Veranstaltung und Vermittlung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Erlaubnis erteilt werden könne, und sonstigen Sportwetten verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.
19
3. Die Durchsetzung des verfassungswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols im Wege der Durchsuchung verstoße gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Die Durchsuchungsanordnung sei auch unverhältnismäßig, weil er stets eingeräumt habe, Sportwetten zu vermitteln.
3. Die Durchsetzung des verfassungswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols im Wege der Durchsuchung verstoße gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Die Durchsuchungsanordnung sei auch unverhältnismäßig, weil er stets eingeräumt habe, Sportwetten zu vermitteln.
20
4. Die Gleichstellung der in § 284 StGB nicht genannten Vermittlung von Sportwetten mit den dort genannten Handlungsalternativen verstoße gegen das strafrechtliche Analogieverbot.
4. Die Gleichstellung der in § 284 StGB nicht genannten Vermittlung von Sportwetten mit den dort genannten Handlungsalternativen verstoße gegen das strafrechtliche Analogieverbot.
21
5. Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt, weil die angefochtenen Beschlüsse sich nicht hinreichend mit den schwierigen verfassungs- und europarechtlichen Fragen hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten beschäftigt hätten. Insbesondere fehle eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob angesichts der aktuellen Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols mit dem Europarecht einschneidende Maßnahmen wie Durchsuchungen bis zu einer Klärung der Rechtslage zu unterbleiben hätten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 27. April 2005 ausgeführt, dass sich die Frage der Vereinbarkeit von § 284 StGB mit europäischem Gemeinschaftsrecht voraussichtlich nicht ohne vorherige Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften werde klären lassen.
III.
22
Das Niedersächsische Justizministerium hatte Gelegenheit zur Äußerung; es hat keine Stellungnahme abgegeben. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Ermittlungsakten vorgelegen.
Das Niedersächsische Justizministerium hatte Gelegenheit zur Äußerung; es hat keine Stellungnahme abgegeben. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Ermittlungsakten vorgelegen.
IV.
23
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Obwohl sich die Durchsuchungsanordnung mit ihrem Vollzug erledigt hat und das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt worden ist, besteht das Rechtsschutzinteresse an einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung fort. Bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen handelt es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff. Hierunter fallen vornehmlich solche, die schon das Grundgesetz - wie im Falle von Art. 13 Abs. 2 GG - unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Obwohl sich die Durchsuchungsanordnung mit ihrem Vollzug erledigt hat und das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt worden ist, besteht das Rechtsschutzinteresse an einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung fort. Bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen handelt es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff. Hierunter fallen vornehmlich solche, die schon das Grundgesetz - wie im Falle von Art. 13 Abs. 2 GG - unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>).
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2. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.
2. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.
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a) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch beruflich genutzte Räume werden durch das Grundrecht geschützt (vgl. BVerfGE 32, 54 <68 ff.>; 42, 212 <219>; 97, 228 <265>). In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 51, 97 <107>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>). Voraussetzung für die Rechtfertigung dieses schwerwiegenden Eingriffs ist, dass der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt; es muss mindestens möglich sein, dass der Verdächtige durch das Verhalten, das ihm vorgeworfen wird, eine nach materiellem Strafrecht strafbare Tat begangen hat (vgl. BVerfGE 20, 162 <185>) und dass deshalb gegen ihn ein Strafverfahren durchgeführt werden kann (vgl. Müller, in: KMR, § 102 Rn. 4; Nack, in: Karlsruher Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 102 Rn. 1; Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, StPO und GVG, 25. Aufl. 2004, § 102 Rn. 8). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts einer Straftat ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts. Es kann nur eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. März 2003 - 2 BvR 180/03 -, NStZ 2004, S. 160; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2004 - 2 BvR 766/03 -, NStZ-RR 2004, S. 143 <143 f.>). Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die von den Fachgerichten dem Anfangsverdacht zugrunde gelegte Strafvorschrift wegen eines Verstoßes gegen Grundrechte nicht angewendet werden durfte.
a) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Auch beruflich genutzte Räume werden durch das Grundrecht geschützt (vgl. BVerfGE 32, 54 <68 ff.>; 42, 212 <219>; 97, 228 <265>). In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 51, 97 <107>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>). Voraussetzung für die Rechtfertigung dieses schwerwiegenden Eingriffs ist, dass der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt; es muss mindestens möglich sein, dass der Verdächtige durch das Verhalten, das ihm vorgeworfen wird, eine nach materiellem Strafrecht strafbare Tat begangen hat (vgl. BVerfGE 20, 162 <185>) und dass deshalb gegen ihn ein Strafverfahren durchgeführt werden kann (vgl. Müller, in: KMR, § 102 Rn. 4
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b) Nach diesen Vorgaben verletzen die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG. Die Fachgerichte haben einen Anfangsverdacht gemäß § 284 StGB bejaht, obwohl die Strafvorschrift im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht anwendbar war.
b) Nach diesen Vorgaben verletzen die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG. Die Fachgerichte haben einen Anfangsverdacht gemäß § 284 StGB bejaht, obwohl die Strafvorschrift im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beschlüsse wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht anwendbar war.
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aa) Über den Einwand des Beschwerdeführers, § 284 StGB sei seinerzeit auf die Vermittlung von Sportwetten an einen lizensierten Wettanbieter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wegen Verstoßes gegen das europäische Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar gewesen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. Februar 2004 - 11 TG 3060/03 -, GewArch 2004, S. 153 <154>; AG Heidenheim, Urteil vom 19. August 2004 - 3 Ds 42 Js 5187/03 -, SpuRt 2005, S. 81 <81 f.>; LG Hamburg, Beschluss vom 12. November 2004 - 629 Qs 56/04 -, NStZ-RR 2005, S. 44; LG Baden-Baden, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 2 Qs 157/04 -, SpuRt 2005, S. 80; LG Köln, Beschluss vom 14. Juli 2005 - 105 Qs 80/05 -, juris; VG Köln, Beschluss vom 11. August 2006 - 6 L 736/06 -, juris; VG Arnsberg, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 L 633/06 -, juris; OLG München, Urteil vom 26. September 2006 - 5 St RR 115/05 -, NJW 2006, S. 3588 <3591>; Lesch, GewArch 2003, S. 321 <324>; Hoeller/Bodemann, NJW 2004, S. 122 <125>; Lesch, wistra 2005, S. 241 <246>; Arendts, ZfWG 2007, S. 79 <82>; a.A.: BVerwG, Urteil vom 28. März 2001 - 6 C 2/01 -, NJW 2001, S. 2648 <2650 f.>; BGH, Urteil vom 14. März 2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, S. 2175 <2176>; BGH, Urteil vom 1. April 2004 - I ZR 317/01 -, NJW 2004, S. 2158 <2160>; offen gelassen: BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, S. 3078 <3079>), ist nicht zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht ist zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar und daher nicht anwendbar ist, nicht zuständig; eine Entscheidung über diese Normenkollision ist der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Gerichte überlassen (vgl. BVerfGE 31, 145 <174 f.>; 82, 159 <191>; 115, 276 <299 f.>).
aa) Über den Einwand des Beschwerdeführers, § 284 StGB sei seinerzeit auf die Vermittlung von Sportwetten an einen lizensierten Wettanbieter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union wegen Verstoßes gegen das europäische Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar gewesen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 9. Februar 2004 - 11 TG 3060/03 -, GewArch 2004, S. 153 <154>; AG Heidenheim, Urteil vom 19. August 2004 - 3 Ds 42 Js 5187/03 -, SpuRt 2005, S. 81 <81 f.>; LG Hamburg, Beschluss vom 12. November 2004 - 629 Qs 56/04 -, NStZ-RR 2005, S. 44; LG Baden-Baden, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 2 Qs 157/04 -, SpuRt 2005, S. 80; LG Köln, Beschluss vom 14. Juli 2005 - 105 Qs 80/05 -, juris; VG Köln, Beschluss vom 11. August 2006 - 6 L 736/06 -, juris; VG Arnsberg, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 L 633/06 -, juris; OLG München, Urteil vom 26. September 2006 - 5 St RR 115/05 -, NJW 2006, S. 3588 <3591>; Lesch, GewArch 2003, S. 321 <324>; Hoeller/Bodemann, NJW 2004, S. 122 <125>; Lesch, wistra 2005, S. 241 <246>; Arendts, ZfWG 2007, S. 79 <82>; a.A.: BVerwG, Urteil vom 28. März 2001 - 6 C 2/01 -, NJW 2001, S. 2648 <2650 f.>; BGH, Urteil vom 14. März 2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, S. 2175 <2176>; BGH, Urteil vom 1. April 2004 - I ZR 317/01 -, NJW 2004, S. 2158 <2160>; offen gelassen: BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, S. 3078 <3079>), ist nicht zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht ist zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar und daher nicht anwendbar ist, nicht zuständig; eine Entscheidung über diese Normenkollision ist der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Gerichte überlassen (vgl. BVerfGE 31, 145 <174 f.>; 82, 159 <191>; 115, 276 <299 f.>).
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bb) Im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses und der ihn bestätigenden Entscheidung des Landgerichts war § 284 StGB auf den vorliegenden Sachverhalt indes von Verfassungs wegen nicht anwendbar.
bb) Im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses und der ihn bestätigenden Entscheidung des Landgerichts war § 284 StGB auf den vorliegenden Sachverhalt indes von Verfassungs wegen nicht anwendbar.
30
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, dass das im Zeitpunkt der hier angegriffenen Maßnahmen im Freistaat Bayern bestehende staatliche Wettmonopol angesichts des mit ihm einhergehenden Ausschlusses gewerblicher Wettveranstaltung durch private Wettunternehmer in seiner damaligen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellte. Denn der - strafbewehrte - Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettunternehmen ist den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern nur dann zumutbar, wenn das Wettmonopol nicht nur nach den zu seiner Rechtfertigung angeführten Zielen, sondern auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten dient (vgl. BVerfGE 115, 276 <303, 309 f.>). Dies war in Bayern jedenfalls in der Zeit vor dem 28. März 2006 nicht der Fall (vgl. BVerfGE 115, 276 <309 ff.>). Die staatliche Veranstaltung der Sportwette ODDSET verfolgte vielmehr erkennbar auch fiskalische Zwecke. Das tatsächliche Erscheinungsbild entsprach dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung. Dem entsprach eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 <313 ff.>). Die Unverhältnismäßigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols in Bayern erfasste auch den Ausschluss der Vermittlung anderer als der vom Freistaat Bayern veranstalteten Wetten, deren Anbieten in Bayern nach der im Urteil vom 28. März 2006 zugrunde gelegten fachgerichtlichen Auslegung ebenfalls als verboten angesehen wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 <300>). Denn auch der Ausschluss der Vermittlung anderer als vom Freistaat Bayern veranstalteter - vor allem also gewerblich veranstalteter - Wetten lässt sich am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur rechtfertigen, wenn das Monopol rechtlich und faktisch insbesondere am - legitimen - Ziel der Suchtbekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (vgl. BVerfGE 115, 276 <303, 316>), woran es seinerzeit fehlte.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, dass das im Zeitpunkt der hier angegriffenen Maßnahmen im Freistaat Bayern bestehende staatliche Wettmonopol angesichts des mit ihm einhergehenden Ausschlusses gewerblicher Wettveranstaltung durch private Wettunternehmer in seiner damaligen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellte. Denn der - strafbewehrte - Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettunternehmen ist den an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Bürgern nur dann zumutbar, wenn das Wettmonopol nicht nur nach den zu seiner Rechtfertigung angeführten Zielen, sondern auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten dient (vgl. BVerfGE 115, 276 <303, 309 f.>). Dies war in Bayern jedenfalls in der Zeit vor dem 28. März 2006 nicht der Fall (vgl. BVerfGE 115, 276 <309 ff.>). Die staatliche Veranstaltung der Sportwette ODDSET verfolgte vielmehr erkennbar auch fiskalische Zwecke. Das tatsächliche Erscheinungsbild entsprach dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung. Dem entsprach eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 <313 ff.>). Die Unverhältnismäßigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols in Bayern erfasste auch den Ausschluss der Vermittlung anderer als der vom Freistaat Bayern veranstalteten Wetten, deren Anbieten in Bayern nach der im Urteil vom 28. März 2006 zugrunde gelegten fachgerichtlichen Auslegung ebenfalls als verboten angesehen wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 <300>). Denn auch der Ausschluss der Vermittlung anderer als vom Freistaat Bayern veranstalteter - vor allem also gewerblich veranstalteter - Wetten lässt sich am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur rechtfertigen, wenn das Monopol rechtlich und faktisch insbesondere am - legitimen - Ziel der Suchtbekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (vgl. BVerfGE 115, 276 <303, 316>), woran es seinerzeit fehlte.
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Diese Aussagen treffen in gleicher Weise auf die damalige Rechts- und Sachlage in Niedersachsen zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Oktober 2007 - 1 BvR 973/05 -, juris).
Diese Aussagen treffen in gleicher Weise auf die damalige Rechts- und Sachlage in Niedersachsen zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Oktober 2007 - 1 BvR 973/05 -, juris).
32
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits geklärt, dass sich in Anbetracht der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls für die Zeit vor dem 28. März 2006 eine allein auf § 284 StGB gestützte ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung nicht als rechtmäßig erweisen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, S. 301 <303>).
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits geklärt, dass sich in Anbetracht der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls für die Zeit vor dem 28. März 2006 eine allein auf § 284 StGB gestützte ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung nicht als rechtmäßig erweisen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, S. 301 <303>).
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Gleiches gilt für eine auf § 284 StGB gestützte Durchsuchungsanordnung. Die seinerzeitige Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten führt nach ganz überwiegender Auffassung einschließlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass für die hier maßgebliche Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 kein staatlicher Strafanspruch gegen private Vermittler von Oddset-Sportwetten besteht (vgl. OLG München, Urteil vom 26. September 2006 - 5 St RR 115/05 -, NJW 2006, S. 3588 <3589>; Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 5. Juli 2007 - 1 Ws 61/07 -, ZfWG 2007, S. 295 <299>; BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, S. 3078 <3079 ff.>; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 207/05 -, ZfWG 2008, S. 115 <118>; Krehl, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2008, § 284 Rn. 6a; Arendts, ZfWG 2007, S. 457 <458>; Kretschmer, ZfWG 2006, S. 52 <58>; Hecker/Schmitt, ZfWG 2007, S. 364 <366>; Siara, ZfWG 2007, S. 1 <5>; Paster, jurisPR-StrafE 3/2008 Anm. 3; a.A. Meyer, JR 2004, S. 447 <452>; Bethge, ZfWG 2007, S. 169 <179>; Mosbacher, NJW 2006, S. 3529 <3533>; Beckemper/Janz, ZIS 2008, S. 31 <37 ff.>).
Gleiches gilt für eine auf § 284 StGB gestützte Durchsuchungsanordnung. Die seinerzeitige Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten führt nach ganz überwiegender Auffassung einschließlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass für die hier maßgebliche Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 kein staatlicher Strafanspruch gegen private Vermittler von Oddset-Sportwetten besteht (vgl. OLG München, Urteil vom 26. September 2006 - 5 St RR 115/05 -, NJW 2006, S. 3588 <3589>; Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 5. Juli 2007 - 1 Ws 61/07 -, ZfWG 2007, S. 295 <299>; BGH, Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, S. 3078 <3079 ff.>; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 207/05 -, ZfWG 2008, S. 115 <118>; Krehl, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2008, § 284 Rn. 6a; Arendts, ZfWG 2007, S. 457 <458>; Kretschmer, ZfWG 2006, S. 52 <58>; Hecker/Schmitt, ZfWG 2007, S. 364 <366>; Siara, ZfWG 2007, S. 1 <5>; Paster, jurisPR-StrafE 3/2008 Anm. 3; a.A. Meyer, JR 2004, S. 447 <452>; Bethge, ZfWG 2007, S. 169 <179>; Mosbacher, NJW 2006, S. 3529 <3533>; Beckemper/Janz, ZIS 2008, S. 31 <37 ff.>).
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Das Entfallen des staatlichen Strafanspruchs ist von Verfassungs wegen geboten. Eine Strafbewehrung der Vermittlung von Sportwetten in der hier maßgeblichen Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 würde infolge der seinerzeitigen Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der deutschen beziehungsweise in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der ausländischen privaten Sportwettenvermittler - so auch in die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers - darstellen. Jedenfalls die Anwendung von § 284 StGB ist insoweit mit der Verfassung unvereinbar.
Das Entfallen des staatlichen Strafanspruchs ist von Verfassungs wegen geboten. Eine Strafbewehrung der Vermittlung von Sportwetten in der hier maßgeblichen Zeit vor Erlass des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 würde infolge der seinerzeitigen Verfassungswidrigkeit des strafbewehrten Ausschlusses privater Wettunternehmer von der gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der deutschen beziehungsweise in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der ausländischen privaten Sportwettenvermittler - so auch in die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers - darstellen. Jedenfalls die Anwendung von § 284 StGB ist insoweit mit der Verfassung unvereinbar.
35
3. Da die angegriffenen Beschlüsse bereits gegen Art. 13 Abs. 1 GG verstoßen, kann dahinstehen, ob weitere Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte verletzt wurden.
3. Da die angegriffenen Beschlüsse bereits gegen Art. 13 Abs. 1 GG verstoßen, kann dahinstehen, ob weitere Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte verletzt wurden.
V.
36
Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG, die Entscheidung über die Auslagenerstattung auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 BVerfGG, die Entscheidung über die Auslagenerstattung auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Osterloh | Mellinghoff | Gerhardt |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn N ... ,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Guido Bongers und Koll.,
Moselstraße 9, 47051 Duisburg -
Moselstraße 9, 47051 Duisburg -
gegen a) | den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Dezember 2004 - 24 CS 04.1101 -, |
b) | den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. März 2004 - M 22 S 04.873 -, |
c) | die Ordnungsverfügung des Landratsamts Fürstenfeldbruck vom 12. Januar 2004 - 41-133-1/2 kä - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Haas
und die Richter Hömig,
Bryde
und die Richter Hömig,
Bryde
am 27. April 2005 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Dezember 2004 - 24 CS 04.1101 - und der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. März 2004 - M 22 S 04.873 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sache an das Bayerische Verwaltungsgericht München zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
- Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren betreffend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe:
I.
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die sofortige Vollziehung einer Untersagungs- und Einstellungsverfügung betreffend den Betrieb einer Annahmestelle zur Vermittlung von Sportwetten.
2
1. Der Beschwerdeführer ist langjähriger Buchmacher für Pferdewetten und zum Betrieb des Buchmachergewerbes in Baden-Baden berechtigt. Am 8. Juli 2003 meldete er beim Landratsamt Fürstenfeldbruck die "Wettvermittlung im Wege der Geschäftsbesorgung an Wettunternehmer für Sportwetten" an und stellte zugleich Antrag auf Genehmigung eines entsprechenden Gewerbes. Die Wettvermittlung sollte zunächst an ein Unternehmen in Berlin erfolgen, dem unter der Geltung des Gewerberechts der Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1990 eine Konzession zur gewerblichen Veranstaltung von Sportwetten erteilt worden war. Einen weiteren Betriebssitz zeigte der Beschwerdeführer gegenüber der Gemeinde Gröbenzell an. Ab dem 1. August 2003 nahm er anzeigegemäß in beiden Geschäften die Vermittlung von Sportwetten auf.
3
Das Landratsamt teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. September 2003 mit, dass es dem Antrag nicht entsprechen könne. Ohne Erlaubnis durchgeführte Sportwetten seien nach § 284 Abs. 1 StGB als unerlaubtes Glücksspiel verboten. Dagegen wandte der Beschwerdeführer ein, dass die bloße Vermittlung von Wetten an ein konzessioniertes Unternehmen keiner gesonderten Erlaubnis bedürfe. Ein Anspruch auf Erteilung einer solchen ergebe sich notfalls aber aufgrund der "Gambelli"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01 -, GewArch 2004, S. 30).
4
Mit Bescheid vom 12. Januar 2004 untersagte das Landratsamt dem Beschwerdeführer den Betrieb der Wettvermittlung an Wettunternehmer für Sportwetten, verfügte die Einstellung des Betriebes und ordnete bei gleichzeitiger Androhung eines Zwangsgeldes die sofortige Vollziehung an. Das vorrangige öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung ergebe sich aus der Verhinderung der weiteren Begehung von Straftaten bis zum Abschluss eines möglicherweise mehrjährigen Widerspruchs- und eventuellen Klageverfahrens.
5
2. a) Gegen den Bescheid des Landratsamtes erhob der Beschwerdeführer Widerspruch und stellte zugleich einen Antrag gemäß § 80 Abs. 4 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch die Behörde, den das Landratsamt jedoch ablehnte.
6
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Untersagungsverfügung. In diesem Zusammenhang teilte er mit, dass er im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache "Gambelli" nunmehr an ein Unternehmen in Gibraltar/Großbritannien Sportwetten vermittele, das über eine ordnungsgemäße britische Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten verfüge.
7
b) Mit Beschluss vom 29. März 2004 lehnte das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab.
8
Für die Abwägung der gegenläufigen Interessen an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung einerseits und der aufschiebenden Wirkung des vom Beschwerdeführer eingelegten Rechtsbehelfs andererseits komme es entscheidend auf dessen voraussichtliche Erfolglosigkeit in der Hauptsache sowie auf das Fehlen eines rechtlich schützenswerten Interesses an der weiteren Ausübung einer illegalen Tätigkeit während der Dauer des Hauptsacheverfahrens an.
9
Bei summarischer Prüfung erweise sich die Verfügung des Landratsamtes als rechtmäßig.
10
Die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit des Vermittelns von Sportwetten in das EU-Ausland stelle eine strafbare Beihilfe zum seinerseits nach § 284 Abs. 1 StGB strafbaren öffentlichen Veranstalten von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis dar. Das Verbot unerlaubten öffentlichen Glücksspiels durch § 284 Abs. 1 StGB stelle keine ungerechtfertigte Beschränkung der im europäischen Gemeinschaftsrecht garantierten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dar. Daran habe sich durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2003 (- Rs. C 243/01 "Gambelli" -, GewArch 2004, S. 30) nichts geändert. Eine Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung liege nur insoweit vor, als die Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen nicht mehr möglich sein solle, wenn ein EU-Mitgliedstaat entgegen der zur Beschränkung vorgetragenen zwingenden Gründe des Allgemeininteresses durch seine Behörden die Bürger zur Teilnahme an Glücksspielen ermuntere. Für die Gemeinschaftsrechtskonformität des § 284 StGB seien daraus aber keine unmittelbaren Schlussfolgerungen zu ziehen.
11
Die Regelung des § 284 StGB verstoße nicht gegen Art. 12 GG. Für die Frage der Vereinbarkeit von § 284 Abs. 1 StGB mit der grundrechtlich garantierten Berufsfreiheit komme es nicht darauf an, ob die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen die Möglichkeit der Erteilung einer Erlaubnis an private Unternehmer vorsehen müssten. Zwar könnte das Geschäftsgebaren des staatlichen Veranstalters von Oddset-Wetten die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines staatlichen Monopols zunehmend problematisch erscheinen lassen. Dies habe aber nicht die Erlaubnisfreiheit der Veranstaltung solcher Wetten zur Folge. Vielmehr bestehe nach wie vor ein dringendes Bedürfnis nach staatlicher Kontrolle von Wettbüros. § 284 Abs. 1 StGB enthalte insoweit ein eigenständiges Verbot der ungenehmigten Veranstaltung von Sportwetten durch Privatpersonen. Die weder gemeinschafts- noch verfassungsrechtlich zu beanstandende Strafbarkeit der Veranstaltung von Sportwetten ohne behördliche Erlaubnis im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB entfalle auch nicht durch eine dem Veranstalter in einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis.
12
3. a) Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und legte Material zur Dokumentation des Werbeverhaltens insbesondere der bayerischen Lotterieverwaltung vor. Während des Beschwerdeverfahrens übersandte er mehrere Gerichtsentscheidungen, in denen von einer Anwendung des § 284 StGB aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bedenken abgesehen wurde.
13
b) Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde zurück. Das Verwaltungsgericht habe den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt; denn die Untersagungsverfügung erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
14
An der Vereinbarkeit des § 284 Abs. 1 StGB mit europäischem Gemeinschaftsrecht habe sich durch die "Gambelli"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2003 nichts geändert. Auch der am 1. Juli 2004 in Kraft getretene Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (BayGVBl 2004 S. 230) sehe in zulässiger Weise einen Ausschluss Privater von der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen vor. Soweit der Vertragspartner des Beschwerdeführers in Großbritannien wohl über eine Genehmigung verfüge, sei diese nicht geeignet, die in Bayern notwendige (beziehungsweise nicht mögliche) Erlaubnis zu ersetzen. Im Rahmen der vom Verwaltungsgericht getroffenen Interessenabwägung könne es keine Rolle spielen, ob und in welchem Umfang Strafverfahren mit ähnlichem oder vergleichbarem Inhalt eingestellt worden seien. Im Rahmen eines Strafverfahrens gälten andere Maßstäbe und Entscheidungsgrundsätze.
15
4. Mit seiner mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
16
Sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Verwaltungsgerichtshof hätten die Berufsfreiheit sowie den Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz grundlegend verkannt. Beide Gerichte hätten eine Interessenabwägung ohne Bezug zum konkreten Einzelfall vorgenommen. Bei behördlichen Maßnahmen, die auf einen vorübergehenden Ausschluss der Berufsausübung hinausliefen, müsse bei der Interessenabwägung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zwingend auf den konkreten Einzelfall, namentlich darauf abgestellt werden, ob eine weitere Berufsausübung konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lasse.
17
Zur Vereinbarkeit von § 284 Abs. 1 StGB mit europäischem Gemeinschaftsrecht fehle eine Auseinandersetzung mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs. Es werde verkannt, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit, insbesondere aber der Gemeinschaftsrechtskonformität des staatlichen Monopols in Bayern, untrennbar mit der Frage der Anwendbarkeit der Strafnorm des § 284 Abs. 1 StGB verbunden sei. Beide Gerichte ließen den Grundsatz des Anwendungsvorrangs europäischen Gemeinschaftsrechts außer Acht, der für den Fall einer Unvereinbarkeit von nationalen Strafvorschriften mit europäischem Gemeinschaftsrecht zu deren Unanwendbarkeit führe. Der Beschwerdeführer dürfe hinsichtlich der Klärung der gemeinschaftsrechtlichen Auswirkungen auf die Strafbarkeit nach § 284 StGB nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, in dem voraussichtlich erst in einigen Jahren entschieden werde.
18
Schließlich sei ein Verstoß gegen das in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter deshalb gegeben, weil sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Verwaltungsgerichtshof die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gemachten Vorgaben hinsichtlich der Prüfung der Vereinbarkeit nationaler Regelungen zur Reglementierung des Glücksspiels mit Gemeinschaftsrecht nicht beachtet hätten.
19
5. Zu der Verfassungsbeschwerde hat die Bayerische Staatsregierung durch das Bayerische Staatsministerium des Innern Stellung genommen. Dieses hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet. Das Landratsamt hat von einer Stellungnahme abgesehen.
II.
20
Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer liegen vor (§ 93 c Abs. 1 BVerfGG).
21
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).
22
Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG durch die Nichtgewährung von einstweiligem verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 35, 263 <272 ff.>; 35, 382 <397 ff.>; 79, 69 <73 ff.>; 79, 275 <278 f.>; 93, 1 <12 ff.>; jeweils m.w.N.).
23
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
24
a) Die fristgerecht erhobene Verfassungsbeschwerde ist - mit Ausnahme der Rüge des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - zulässig.
25
Die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes kann Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein. Die mit der Versagung einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes einhergehende sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes enthält eine selbständige Beschwer (vgl. BVerfGE 69, 315 <340>; 77, 381 <400>; 79, 69 <73>).
26
Zu deren Beseitigung kann es nach dem Grundsatz der Subsidiarität zwar über die Erschöpfung des im Verfahren einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegebenen Rechtsweges hinaus geboten sein, zunächst das Verfahren der Hauptsache zu betreiben. Diese Notwendigkeit entfällt aber, wenn eine Verletzung von Grundrechten, insbesondere eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG, durch die Verweigerung einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht wird und somit speziell auf das Eilverfahren bezogene Verfassungsverstöße gerügt werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <340>; 79, 275 <279>; 93, 1 <12>). Dies ist hier der Fall.
27
Demgegenüber fehlt es nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers an der Möglichkeit einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Vorlagepflicht nach Art. 234 EG, hinsichtlich deren Missachtung hier eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter allein gegeben sein könnte, existiert im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbst dann nicht, wenn die betreffende gerichtliche Entscheidung mit keinen weiteren Rechtsmitteln angefochten werden kann.
28
b) Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs und der Beschluss des Verwaltungsgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
29
aa) Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 93, 1 <13>; stRspr). Den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes müssen die Gerichte auch bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>).
30
Die Gerichte haben die verfassungsrechtliche Relevanz des in § 80 VwGO geregelten Rechtsschutzsystems zu beachten (vgl. BVerfGE 69, 315 <372>). Das verwaltungsgerichtliche Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Ausprägung des grundgesetzlich garantierten Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 35, 263 <275>). Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ermöglicht es der Behörde, die besondere Schutzfunktion, die der aufschiebenden Wirkung als eines Grundsatzes des öffentlichrechtlichen Prozesses zukommt, durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes aufzuheben (vgl. BVerfGE 35, 263 <273>). Dagegen erhält der Bürger nach § 80 Abs. 5 VwGO die - nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene - Möglichkeit, eine richterliche Entscheidung über die Frage herbeizuführen, ob die Behörde rechtmäßig handelt, wenn sie den sofortigen Vollzug eines belastenden Verwaltungsaktes mit allen sich daraus ergebenden Folgen anordnet, obwohl dieser weder formell unanfechtbar noch über seine materielle Rechtmäßigkeit gerichtlich entschieden worden ist (vgl. BVerfGE 35, 263 <275>). Die Gewährleistung effektiven Eilrechtsschutzes dient damit vor allem bei eingreifendem Verwaltungshandeln der Sicherung grundrechtlicher Freiheit, wie sie etwa Art. 12 Abs. 1 GG betreffend berufliche Tätigkeiten garantiert.
31
Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet zwar nicht schlechthin die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen (vgl. BVerfGE 35, 382 <402>). Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgesehene Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung muss aber nur insoweit zurückstehen, als es im Einzelfall um die Abwendung gewichtiger konkreter Gefahren geht. Denn die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes setzt ein besonderes öffentliches Interesse voraus, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfGE 35, 382 <402>; 38, 52 <58>).
32
Ein solches besonderes öffentliches Interesse ist zwar in der Regel bei der Untersagung strafbaren Verhaltens durch Verwaltungsakt gegeben, da an der Unterbindung der Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Dies setzt jedoch voraus, dass die Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Je unsicherer aber eine Strafbarkeit prognostiziert werden kann, desto weniger ist allein der Verweis darauf geeignet, das öffentliche Vollzugsinteresse zu begründen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Anwendbarkeit der Strafnorm selbst, zum Beispiel aus europarechtlichen Gründen, zweifelhaft ist. In einer solchen Situation bedarf es nicht zuletzt wegen der materiell grundrechtsgewährleistenden Funktion effektiven Rechtsschutzes der Benennung von über die Strafbarkeit hinaus gehender konkreter Gefahren für das Allgemeinwohl.
33
bb) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht. Die Verwaltungsgerichte haben ihre Auffassung von der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB in der Art einer Hauptsacheentscheidung begründet, ohne jedoch zu berücksichtigen, dass es - wie dargelegt - im vorliegenden Eilverfahren bei der Feststellung eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses darüber hinaus auch darauf ankommt, mit welcher Gewissheit die Strafbarkeit festgesetellt werden kann. Da die Verwaltungsgerichte diese Anforderung nicht erkannt haben, können ihre Ausführungen zur summarischen Prüfung der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB auch nicht in dem Sinn verstanden werden, dass die Vereinbarkeit als zweifelsfrei angesehen wird. Angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache "Gambelli" (Urteil vom 6. November 2003) und ihrer Rezeption durch Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 52. Aufl., 2004, § 284 Rn. 7 und 11; Kühl, in: Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, 25. Aufl., 2004, § 284 Rn. 12; Eser/Heine, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 26. Aufl., 2001, § 284 Anm. IX; Landgericht Hamburg, Beschluss vom 12. November 2004 - 629 s 56/04 -, NStZ-RR 2005, S. 44; Landgericht München I, Beschluss vom 27. Oktober 2003 - 5 Qs 41/03 -, NJW 2004, S. 171; Landgericht Wuppertal, Beschluss vom 17. August 2004 - 30 Qs 3/04 -; Landgericht Baden-Baden, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 2 Qs 157/04 -; Amtsgericht Heidenheim, Urteil vom 19. August 2004 - 3 Ds 42 Js 5187/03 - AK 424/03 -, JURIS; Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Januar 2005 - 3 MB 80/04 -; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Dezember 2004 - BS 28/04 -; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2004 - 11 TG 3060/03 -, GewArch 2004, S. 153) könnten erhebliche Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Vereinbarkeit des § 284 StGB auch nicht ohne Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen werden.
34
Die Entscheidung des Europäischen Gerichthofs betrifft nicht nur die europarechtliche Zulässigkeit mitgliedstaatlicher Glücksspielmonopole, sondern stellt auch die Frage, ob deren Strafbewehrung am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts scheitert. Die Vorlage zum Europäischen Gerichtshof in der Sache "Gambelli" erfolgte nämlich in einem Strafverfahren, und die Prüfung der Vereinbarkeit mit gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten bezieht sich ausdrücklich auf Vorschriften, nach denen in Italien unter anderem die Vermittlung von Wetten ohne die nach anderen Rechtsvorschriften erforderliche Genehmigung unter Strafe gestellt ist (vgl. Rn. 9 des Urteils vom 6. November 2003). Die Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie die Anforderungen einer möglichen Rechtfertigung werden gerade mit Blick auf mitgliedstaatliche Strafvorschriften gewürdigt und den nationalen Gerichten die Prüfung auferlegt, ob eine Bestrafung einer Person, die Wetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Buchmacher vermittelt, eine unverhältnismäßige Sanktion darstellt (vgl. Rn. 44 und 50 sowie Rn. 58 f. und 72 des Urteils vom 6. November 2003). Zudem hält der Europäische Gerichtshof im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung die Erforderlichkeit einer Strafsanktion unter anderem auch dann für überprüfungsbedürftig, wenn der Leistungserbringer, an den vermittelt wird, im Mitgliedstaat der Niederlassung einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterliegt (vgl. Rn. 73 des Urteils vom 6. November 2003).
35
Angesichts dieser Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs könnte im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren die Konformität der deutschen Rechtslage mit Gemeinschaftsrecht kaum ohne eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof festgestellt werden. Sie kann daher auch nicht bei der Bewertung des besonderen Vollzugsinteresses im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren als ausreichend sicher behandelt werden.
36
cc) Unter diesen Umständen bedarf die Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung der Begründung mit konkreten Gefahren für das Gemeinwohl. Im Rahmen dieser Prüfung ist für Verwaltung und Verwaltungsgerichte die Kontrolle der Vermittlung von Sportwetten zur Vermeidung von konkreten Gefahren auch unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben möglich (vgl. etwa Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 12. November 2004 - 3 L 17/04 -, JURIS).
III.
37
Mit dieser Entscheidung erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
IV.
38
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
39
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Haas | Hömig | Bryde |
Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C-338/04, C-359/04 und C-360/04), siehe auch Pressemitteilung Nr. 20/2007 (ganz unten)
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Durchsuchung eine Rechtsanwaltskanzlei wegen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung gemäß § 84 AsylVfG. (Auszug)
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Der Beschluss des LG .... verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes, aus Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes und aus Artikel 2 Absatz 1
des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben.
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf ihre Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 13 GG, Art. 2 GG, Art. 10 GG und Art. 12 GG.
Es habe kein Anfangsverdacht bestanden, der eine Durchsuchung hätte rechtfertigen können. Vielmehr habe es nahe gelegen, dass S. M. die Beschwerdeführerin mit der Antragstellung beauftragt habe.
Außerdem sei nicht bewiesen, dass bei dem Ehemann keine Asylgründe bestünden. Dieser habe solche bei der Anhörung vor dem Bundesamt jedenfalls geltend gemacht.
Die Durchsuchungsanordnung sei nicht hinreichend begrenzt gewesen, weil die Ermittlungsbeamten Zugriff auf alle Akten in ihrem Büro gehabt hätten. Auch hätte ihr Privathaus durchsucht werden
können.
Die Ladung der Zeugen durch die Polizei ohne Angabe des Straftatbestandes und der Person, gegen die sich die Ermittlungen richteten, sei nicht ordnungsgemäß gewesen und sei mit Täuschungsabsicht
erfolgt. Bei ordnungsgemäßer Vorgehensweise hätte ein milderes Mittel bestanden. Auch hätte die Kollegin der Beschwerdeführerin zunächst als Zeugin vernommen werden müssen.
Durch die Durchsuchung sei ferner ihr Persönlichkeitsrecht verletzt worden, da sie selbst, ihre Sachen und ihr Pkw hätten durchsucht werden sollen. Das Grundrecht des Postgeheimnisses sei verletzt
worden, da die Polizei versucht habe, an E-Mails zu gelangen, die auf ihrem Rechner gespeichert waren. Das Grundrecht aus Art. 12 GG sei verletzt, weil sie wegen der Beschlagnahme der Akten an der Verteidigung in dem
anderen Strafverfahren gegen B. M. gehindert gewesen sei. Ferner hätten sich in der Akte Unterlagen zur anwaltlichen Tätigkeit für S. M. in Zivilsachen befunden. weiterlesen
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Durchsuchung eine
Rechtsanwaltskanzlei (Auszug)
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1011/10 -
vom 5.5.2011
vom 5.5.2011
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und
gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits durch das Bundesverfassungsgericht entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet
ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
I.
Die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 13 Absätze 1 und 2 GG.
1. a) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Sinn der Garantie ist die Abschirmung der Privatsphäre in räumlicher Hinsicht. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung
der Persönlichkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BVerfGE 27, 1 <6>; 51, 97 <107>). Im Interesse eines wirksamen
Schutzes hat das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Wohnung weit ausgelegt. Er umfasst auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume (vgl. BVerfGE 32, 54 <68 ff.>; 42, 212 <219>; 44, 353 <371>;
76, 83 <88>). In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>).
b) Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderung
liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>). Es ist zu verlangen, dass ein dem Beschuldigten
angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen, müssen
berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05 -, NJW 2007, S. 1443, und vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1801/06 -,
NJW 2008, S. 2422 <2423>).
c) Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend
sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein; das ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich
muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>).
2. Weder die Begründung des Durchsuchungsbeschlusses noch die Beschwerdeentscheidung lassen erkennen, dass die von Verfassungs wegen zu fordernden Voraussetzungen einer Wohnungsdurchsuchung gegeben waren.
a) Es bestehen schon Zweifel am Vorliegen des subjektiven Tatbestandes der Gebührenüberhebung nach § 352 StGB. Dieser erfordert das Erheben von Vergütungen, von denen der Täter
weiß, dass der Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrage schuldet. Der Vorsatz muss sich auf die Unrechtmäßigkeit der Gebührenforderung erstrecken (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl.
2010, § 353 Rn. 8 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hätte für die Fachgerichte Anlass bestanden, sich mit der Frage des Vorsatzes des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, weil der Beschwerdeführer
mehrfach dargelegt hat, dass er sich wegen der - unstreitig - fehlenden Voraussetzungen für die Vergabe eines Beratungshilfescheins nicht an diesen gebunden gesehen habe.
b) Jedenfalls war die Durchsuchung der Kanzleiräume des Beschwerdeführers nicht erforderlich, um den Tatverdacht gegen ihn zu erhärten. Das Vorliegen des Beratungshilfescheins, die Gebührenrechnung
und Stellungnahmen des Beschwerdeführers zu seiner angenommenen Berechtigung, trotz Vorliegens des Beratungshilfescheins eine Rechnung zu stellen, ergeben sich aus der Beratungshilfeakte des Amtsgerichts und den Akten
der Rechtsanwaltskammer zu der von Frau H. dort eingelegten Beschwerde. Die Handakte des Beschwerdeführers war zum Beweis der ihm vorgeworfenen Tathandlung (Erheben von Gebühren ohne Rechtsgrund) nicht erforderlich,
denn es war nicht zweifelhaft, dass er trotz Vorliegens eines Beratungshilfescheins eine Gebührenrechnung erstellt hat. Das Auffinden etwaigen entlastenden Materials kann den Grundrechtseingriff - entgegen der Auffassung
des Landgerichts - nicht rechtfertigen, weil es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich gewesen wäre, solches Material im Rahmen seiner Verteidigung selbständig vorzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der
3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1801/06 -, NJW 2008, S. 2422 <2423>).
vgl.:
Begründung eines Durchsuchungsbeschlusses
Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Sinn der Garantie ist die Abschirmung der Privatsphäre in räumlicher Hinsicht. In seinen Wohnräumen hat der Einzelne das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein.
BVerfG, 2 BvR 1774/10 vom 26.10.2011
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Glücksspielrecht
vom 30.11.2010
Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit
der Erlaubnispflicht für die private Vermittlung unmittelbar oder
mittelbar staatlich veranstalteter Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) gemäß
§ 13 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt
(Glücksspielgesetz - GlüG LSA) vom 22. Dezember 2004 (GVBl LSA S. 846),
geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2005 (GVBl LSA
S. 715), ohne Übergangsregelung für bestehende private
Vermittlungsaktivitäten.
vom 09.07.2009
Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer
zu 1. und zu 2. richten sich jeweils gegen die Anordnung der
Durchsuchung von Privatwohnungen und eines Wettbüros wegen des Verdachts
der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB
(Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276). Der
Beschwerdeführer zu 3. wendet sich gegen die richterliche Bestätigung
der Durchsuchung desselben Wettbüros und gegen die Beschlagnahme bei der
Durchsuchung des Wettbüros sichergestellter Gegenstände.
vom 29.06.2009
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die
Anordnung der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen wegen des
Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284
StGB (Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) und gegen
die Sicherstellung von Beweismaterial.
vom 29.06.2009
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die
Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der
unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB
(Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276).
vom 29.06.2009
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die
Anordnung der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen wegen des
Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284
StGB (Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) sowie
gegen die Anordnung der Beschlagnahme von bei den Durchsuchungen
sichergestellten Gegenständen.
vom 29.06.2009
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die
Anordnung der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen wegen des
Verdachts der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284
StGB (Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276).
vom 15.04.2009
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die
Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen wegen des Verdachts der
unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen gemäß § 284 StGB
(Oddset-Sportwetten) in der Zeit vor Erlass des Urteils des
Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276).
vom 20.03.2009
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine im
Abänderungsverfahren ergangene fachgerichtliche Entscheidung, mit der
die sofortige Vollziehung einer die Vermittlung gewerblicher Sportwetten
untersagenden Ordnungsverfügung unter Hinweis auf die durch den seit
1. Januar 2008 geltenden Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in
Deutschland geprägte Rechtslage aufrechterhalten wird.
siehe auch Pressemitteilung vom 7.04.2009
siehe auch Pressemitteilung vom 7.04.2009
vom 14.10.2008
1. Der am 1. Januar 2008 in Kraft getretene von
den Ländern geschlossene Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in
Deutschland (Glücksspielsstaatsvertrag - GlüStV) löste den bis zu diesem
Zeitpunkt geltenden Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland
(LottStV) ab. Ziele des Glücksspielstaatsvertrags sind nach § 1 die
Prävention und Bekämpfung der Spielsucht, der Jugend- und Spielerschutz,
die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielablaufs sowie die Abwehr
von Folge- und Begleitkriminalität. In Abweichung von dem
Lotteriestaatsvertrag gelten dabei einzelne Bestimmungen des
Glücksspielstaatsvertrags auch für Spielbanken (vgl. § 2 Satz 2 GlüStV).
vom 21.01.2008
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das
Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz (im Folgenden:
ThürStaatslott-/SportwettG) vom 3. Februar 2000 (GVBl S. 15), welches
nach dem Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer
Glücksspielwesens vom 18. Dezember 2007 (GVBl S. 243) im Zusammenhang
mit dem Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zu dem
Glücksspielstaatsvertrag und des Thüringer Glücksspielgesetzes
(ThürGlüG) zum 1. Januar 2008 außer Kraft getreten ist.